Gesundheitswesen 2005; 67: 4-5
DOI: 10.1055/s-2005-858508
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Grußwort

W. Lehmacher
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Publication Date:
22 July 2005 (online)

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Grußwort

1984/85 begann das internationale WHO-Projekt „Monitoring of Trends and Determinants of Cardiovascular Disease (MONICA)”. Eines der 38 Studiengebiete in 21 Ländern war die Region Augsburg. Von Anfang an hatte MONICA zwei Komponenten: ein bevölkerungsbezogenes Herzinfarktregister und 3 Zufallsstichproben (Querschnittstudien) der Allgemeinbevölkerung im Abstand von 5 Jahren zur Erhebung von Risikofaktoren. Da in jedem der teilnehmenden Studienzentren die Veränderungen der Herzinfarkt-Inzidenzen und der Risikofaktoren erhoben wurden, sollte durch internationale Zusammenfassung auf Aggregatdaten-Ebene ermittelt werden, ob in Gebieten mit Zu- oder Abnahme beispielsweise des Rauchens dann auch die Herzinfarktraten entsprechende Veränderungen zeigen.

Als nach 10 Jahren das internationale MONICA-Projekt abgeschlossen war, fiel 1996 die Entscheidung in der GSF, das MONICA-Projekt unter dem Namen „Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg” (KORA) weiterzuführen. Dabei sollte einerseits das Herzinfarktregister fortgesetzt werden, aber andererseits wurden auch eine neue Querschnittuntersuchung (1999 - 2001) sowie Wiederholungsuntersuchungen (Follow-up) der ersten drei Querschnitte und damit der Ausbau der aus dem MONICA-Projekt stammenden Querschnitt- zu Kohortenstudien realisiert. Die ursprüngliche Fragestellung wurde um weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Allergien und Krebs erweitert. Als Risikofaktoren wurden auch Umweltbelastungen sowie genetische Faktoren einbezogen.

Inzwischen zeigt auch dieses Projekt bereits erkennbare Früchte: Neue Ergebnisse etwa über die Prävalenz des Diabetes, eine genauere Beschreibung des C-reaktiven Proteins (CRP) als Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit (KHK) oder die Untersuchung genetischer Faktoren in Kombination mit den vorhandenen medizinischen Daten; außerdem bietet die Verknüpfung von MONICA/KORA mit anderen Studien neue Ansätze in der genetischen Epidemiologie.

Wer hätte bei der Planung der MONICA-Studien schon gedacht, dass heute völlig neue Risikofaktoren und auch weitere Krankheitsbilder im Interesse der Forschung stehen würden oder dass bereits am Ende des 2. Jahrtausends durch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms ganz neue Konzepte der Modellierung des individuellen Erkrankungsrisikos möglich werden? Hier zeigt sich nun, dass glücklicherweise ein solch breit angelegtes Untersuchungsprogramm wie ein großes „epidemiologisches Labor” bereitsteht, dessen Möglichkeiten auch zur Beantwortung von Fragestellungen dienen kann, die man bei seinem Aufbau noch nicht einmal ahnen konnte.

Nach nun 20-jähriger Gesamtdauer des MONICA/KORA-Projekts wird auch eine ursprünglich nicht vorgesehene Auswertungsoption realisierbar: Die Verknüpfung der seit 20 Jahren erhobenen Individualdaten der Querschnittstudien mit den Daten des Herzinfarktregisters, da im Laufe der Zeit schon zahlreiche „Probanden” auch als „Fälle” im Register auftauchen. Damit hat MONICA/KORA das Potenzial, einen auf den Verhältnissen einer unselektierten deutschen Population basierenden Risikofaktoren-Score für den Herzinfarkt zu entwickeln und damit zur „Deutschen Framingham-Studie” zu werden. Wegen der Erfassung umfangreicher Merkmalkonzepte besteht außerdem die Möglichkeit, die internationalen Ergebnisse auf die deutsche Situation anzupassen und zu aktualisieren sowie auch völlig neue epidemiologisch-ätiologische Aussagen zu gewinnen.

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Prof. Dr. Walter Lehmacher

Dieses Projekt ist typisch für epidemiologische Studien: Lange Phasen der sorgfältigen Datensammlung und Datenbankpflege und deren stetige Finanzierung sind die Voraussetzungen dafür, dass umfangreiche statistische Auswertungen schließlich epidemiologische Ergebnisse bringen können. Laufend haben die Verantwortlichen dabei abzuwägen, wie die vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen zum weiteren Ausbau der Datenbestände oder zu deren Auswertung aufgeteilt werden sollen. Da beide Ziele aus epidemiologischer Sicht wichtig sind, sind Entscheidungen zwischen diesen Optionen oft sehr schwierig; der wissenschaftliche Beirat von KORA hatte selbst manchmal mehr Wünsche an das Projekt, als dieses realisieren konnte, und musste dann auch in seinen Empfehlungen nicht immer leichten Herzens Prioritäten setzen.

Schließlich sei an dieser Stelle allen gedankt, die zu diesem Erfolg beigetragen haben, den Probanden, den Projekt-Mitarbeitern sowie den für die Organisation und Finanzierung Verantwortlichen.

Die Finanzierung einer solch umfangreichen Studie hätte keine Universität in Deutschland geschafft. Umso dankbarer sind alle Epidemiologen, dass die Struktur der ehemaligen „Großforschungszentren” bzw. der jetzigen Helmholtz-Gemeinschaft die Mittel für eine solche einmalige Studie bereitstellen konnte und kann. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass MONICA/KORA inzwischen eine der umfangreichsten und wichtigsten epidemiologischen Studien in Deutschland ist. Das Potenzial und die Perspektiven sind weiterhin sehr groß, so dass bei diesem „runden Geburtstag” auch ein „ad multos annos!” angebracht ist.

Prof. Dr. Walter Lehmacher
Sprecher des wissenschaftlichen Beirates von KORA

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Address

The international WHO project “Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease (MONICA)” started in 1984/85. One of the 38 study areas in 21 countries was the Augsburg region. From the beginning MONICA had two components, one population-based myocardial infarction register and population-based cross-sectional studies based on three random samples for the collection of risk factors at 5-year-intervals. Since in each of the participating study centres changes in myocardial infarction rates and in risk factors levels were recorded, it should be determined on aggregate data level whether, for example, in areas with increased or decreased smoking prevalence also the myocardial infarction rates showed corresponding changes.

When after 10 years the international MONICA project was finished, the GSF decided in 1996 to resume the MONICA project under the name “Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA)” (“co-operative health research in the region of Augsburg”). Within this project, the myocardial infarction register should be continued. Moreover, a new cross-sectional study (2000) and a follow-up of the preceding cross-sectional studies should be performed. Thus, the MONICA cross-sectional studies became cohort studies. The original objectives were extended by additional outcomes as diabetes, allergy and cancer. As potential risk factors environmental and genetic factors were also included in the study objectives.

In the meantime, the KORA project has already shown remarkable results, e. g. regarding (1) the prevalence of diabetes, (2) a more precise description of CRP as a risk factor for CHD and (3) genetic factors in combination to the existing medical data. Additionally, the combination of MONICA/KORA with other studies offers new approaches in genetic epidemiology.

Who would have expected, while planning the WHO-MONICA studies, that today completely new risk factors and other diseases are the focus of medical research or that by the end of the second millennium the decoding of the human genome offers completely new approaches to modelling individual morbidity risk? Here it shows up that fortunately such a broad study scheme may serve as a large “epidemiological laboratory” to answer new, unanticipated questions.

After 20 years of MONICA/KORA a primarily unintended option is possible, i. e. the linkage of individual data from the cross-sectional and follow-up studies with data from the myocardial infarction register. Thus, the population based MONICA/KORA project has the potential to become the “German Framingham study”. In particular a new risk score may be developed to predict the individual probability of a myocardial infarction. In addition, due to the collection of novel risk factors it is possible to update and adapt the international findings to the German situation as well as to come up with new epidemiological/etiological results.

This project stands as example for the typical situation of epidemiological studies: Long phases of careful data collection (including data management) and their permanent funding are the prerequisites that finally, extensive statistical evaluations yield epidemiological results. Constantly, the responsible persons have to weigh how the available personal and financial resources are split in further extension of the data base or in its evaluation. Since both goals are important from the epidemiological point of view, the decisions between these options are often very difficult. The Scientific Advisory Board of KORA sometimes expected more from the project than this could realize and had to endorse priorities which were not always chosen light-hearted.

Finally, many thanks to the numerous persons involved in this success story, i. e. the study participants, project workers and the persons responsible for organisation and financing.

Such an extensive study could not have been financed by any single German university. Thus, epidemiologists are the more grateful that former large-scale research centres, i. e. nowadays the Helmholtz Society, have been able to provide the resources for this outstanding project. Without exaggeration one can say that MONICA/KORA is in the meantime one of the most extensive and important epidemiological studies in Germany. The potential and the perspectives remain very large, so that at this anniversary it is appropriate to say “ad multos annos”!

Professor. Dr. Walter Lehmacher
Chair of the KORA Scientific Advisory Board

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Prof. Dr. Walter Lehmacher