Gesundheitswesen 2005; 67: 98-102
DOI: 10.1055/s-2005-858250
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fall-Kohorten-Studien: Ein effektives Design zur Untersuchung von Biomarkern als Risikofaktoren für chronische Krankheiten - Darstellung am Beispiel der MONICA/KORA Augsburg Fall-Kohorten-Studie 1984 - 2002

Case-Cohort Studies: An Effective Design for the Investigation of Biomarkers as Risk Factors for Chronic Diseases - Demonstrated by the Example of the MONICA/KORA Augsburg Case-Cohort Study 1984 - 2002B. Thorand1 , A. Schneider1 , J. Baumert1 , A. Döring1 , M. Marowsky-Köppl1 , M. Heier1 , C. Meisinger2 , H. Löwel1, 2
  • 1GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie, Neuherberg
  • 2Zentralklinikum Augsburg, KORA-Herzinfarktregister, Augsburg
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Dr. Barbara Thorand, MPH

GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie

Postfach 1129

85758 Neuherberg

Email: thorand@gsf.de

Publication History

Publication Date:
19 July 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Aufgrund finanzieller und personeller Einschränkungen ist die Messung bestimmter Expositionsvariablen häufig nicht bei allen Teilnehmern einer prospektiven Kohortenstudie möglich. Daher wurden neue Studienformen entwickelt, deren Ziel es ist, teure Expositionsmessungen nur bei einem Teil der Studienteilnehmer einer Kohortenstudie durchführen zu müssen, gleichzeitig aber trotzdem valide Ergebnisse zu liefern. Neben der relativ häufig durchgeführten eingebetteten Fall-Kontroll-Studie hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein weiteres Design durchgesetzt: die Fall-Kohorten-Studie. Der Artikel beschreibt dieses Design am Beispiel der MONICA/KORA Augsburg Kohorten-Studie 1984 - 2002 für die beiden untersuchten Zielgrößen Typ-2 Diabetes mellitus und Herzinfarkt und vergleicht exemplarisch die in der gesamten Kohorte erzielten Ergebnisse mit denen der Fall-Kohorten-Studie.

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Abstract

As it is often not possible to determine specific measures of exposure in all participants of a prospective cohort study due to financial or other restrictions, new study designs have been developed. The aim of these designs is to obtain valid results even though expensive measurements are restricted to a limited number of participants of the original cohort study. The case-cohort study is a design that has recently become interesting as an alternative to the well known nested case-control study. The following article describes the case-cohort design considering as an example data from the MONICA/KORA Augsburg cohort study 1984 - 2002 and the outcomes of type 2 diabetes mellitus and acute myocardial infarction. Furthermore, results obtained in the full cohort for selected exposures are compared with results obtained in the case-cohort study.

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Einleitung

Prospektive Kohortenstudien stellen unter den epidemiologischen Beobachtungsstudien sicherlich das „Königsdesign” dar, da sie im Gegensatz zu den klassischen Fall-Kontroll-Studien weniger anfällig für verschiedene Arten von Verzerrungen (Bias) sind und auch dann eine valide Schätzung des relativen Risikos erlauben, wenn relativ häufig vorkommende Krankheiten untersucht werden. Oft ist jedoch die Messung von speziellen Expositionsfaktoren sehr aufwändig und teuer und lässt sich wegen begrenzter finanzieller Ressourcen nicht in der gesamten Kohorte realisieren. Daher wurden neue Studienformen entwickelt, mit dem Ziel, teure Expositionsmessungen nur bei einem Teil der Studienteilnehmer einer Kohortenstudie durchzuführen, gleichzeitig aber trotzdem valide Ergebnisse zu liefern. Neben der relativ häufig durchgeführten eingebetteten Fall-Kontroll-Studie hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein weiteres Design durchgesetzt: die Fall-Kohorten-Studie. Bei diesem Design wählt man als „Kontrollgruppe” aus der gesamten Kohorte eine Stichprobe (Subkohorte) aus und bezieht zusätzlich alle Fälle, die in der gesamten Kohorte auftreten (d. h. auch diejenigen, die nicht Bestandteil der Subkohorte sind), in die Analysen mit ein. Dieses Design ist besonders bei der gleichzeitigen Betrachtung von mehreren Krankheiten als Zielgröße vorteilhaft, da man für alle Zielgrößen die gleiche „Kontrollgruppe” verwenden kann.

Im Rahmen einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten prospektiven Analyse der MONICA/KORA Augsburg Kohorten-Studie soll der Zusammenhang zwischen subklinischen Entzündungsprozessen und dem Auftreten von akuten Herzinfarkten und Typ-2 Diabetes mellitus untersucht werden. Hierbei kann eine Vielzahl von Entzündungsfaktoren und -mediatoren eine Rolle spielen, deren präzise Untersuchung in allen eingefrorenen MONICA/KORA-Proben sehr kostenaufwändig und deshalb für die gesamte MONICA/KORA-Kohorte nicht finanzierbar ist. Da in dem Projekt zwei Krankheiten als Zielgröße untersucht werden, wird die Fragestellung zurzeit im Rahmen einer Fall-Kohorten-Studie untersucht, die im Folgenden näher beschrieben wird.

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Methoden

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Studienpopulation

Die MONICA/KORA Augsburg Fall-Kohorten-Studie basiert auf Daten, die im Rahmen des internationalen WHO MONICA (MONItoring of trends and determinants in CArdiovascular diseases) Projektes in der Region Augsburg (Stadt Augsburg und Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg) erhoben worden sind [1]. In den Jahren 1984/85 (S1), 1989/90 (S2) und 1994/95 (S3) wurden aus den Einwohnermelderegistern zufällig ausgewählte Personen eingeladen, um die alters- und geschlechtsspezifische Prävalenz der kardiovaskulären Risikofaktoren nach einem standardisierten Untersuchungsprotokoll zu ermitteln [2]. Außerdem wurde allen Probanden Blut abgenommen und ein Teil dieser Blutproben wurde für spätere Analysen eingelagert. Insgesamt haben 13 427 Personen (6725 Männer, 6702 Frauen) im Alter von 25 - 74 Jahren an mindestens einer der drei MONICA-Querschnittsstudien teilgenommen. Die Responserate lag in den einzelnen Surveys zwischen 75 % und 79 %. 1987/88 wurden alle ehemaligen S1-Teilnehmer erneut untersucht. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Kooperativen Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA) alle noch nicht verstorbenen ehemaligen Studienteilnehmer mit bekannter Adresse in den Jahren 1997/1998 und 2002/2003 erneut postalisch kontaktiert und über ihren Gesundheitszustand befragt. Zu diesen Zeitpunkten wurde u. a. erfasst, ob bei den Studienteilnehmern in den vergangenen Jahren bestimmte Krankheiten wie Krebs, Schlaganfall, Herzinfarkt oder Diabetes mellitus aufgetreten sind.

Da sowohl Typ-2 Diabetes als auch Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems in der Regel erst im mittleren Lebensalter auftreten, wurde die Studienpopulation für die MONICA/KORA Augsburg Fall-Kohorten-Studie auf die Personen beschränkt, die zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung zwischen 35 und 74 Jahre alt waren (n = 10 718, 5382 Männer, 5336 Frauen). Weiterhin wurden Personen, von denen keine Blutproben mehr vorhanden waren, ausgeschlossen, so dass die Basispopulation insgesamt 9531 Personen (4696 Männer und 4835 Frauen) umfasste. Aus diesen Personen wurde stratifiziert nach Survey und Geschlecht eine zufällige Stichprobe (Subkohorte) als „Kontrollgruppe” gezogen. Aufgrund des unterschiedlich langen Follow-up-Zeitraums ist die Anzahl der inzidenten Fälle innerhalb der drei Surveys sehr unterschiedlich. Da die Power einer Studie ab einem Verhältnis von ca. 3 Kontrollen pro Fall durch zusätzliche Kontrollen nur noch geringfügig erhöht werden kann, die Kosten aber proportional zur Anzahl der untersuchten Probanden steigen, wurden bei der Ziehung der Subkohorte unterschiedliche Prozentsätze („sampling fractions”) der Basispopulationen der einzelnen Surveys als „Kontrollgruppe” ausgewählt. Die Prozentsätze wurden dabei basierend auf den erwarteten Fallzahlen festgelegt. Zu beachten ist hierbei, dass in der „Kontrollgruppe” auch Fälle enthalten sein können. Tab. [1] gibt einen Überblick über die Basispopulation und die jeweils gezogene Subkohorte nach Alter und Geschlecht innerhalb der drei Surveys und in der gesamten Gruppe.

Tab. 1 Anzahl der Personen in der Basispopulation mit vorhandener Blutprobe und der zufällig gezogenen Subkohorte nach Alter, Geschlecht und Survey (MONICA/KORA Augsburg Kohorte 1984 - 2002, 35 - 74 Jahre, n = 10 718)
Basispopulation
S1
Subkohorte
S1
Basispopulation
S2
Subkohorte
S2
Basispopulation
S3
Subkohorte
S3
Basispopulation
gesamt
Subkohorte
gesamt
Männer (M)
35 - 44 Jahre 433 163 412 108 399 73 1 244 344
45 - 54 Jahre 385 119 455 123 422 75 1 262 317
55 - 64 Jahre 449 186 456 127 439 64 1 344 377
65 - 74 Jahre - - 445 107 401 61 846 168
M gesamt 1 267 468 1 768 465 1 661 273 4 696 1 206
Frauen (F)
35 - 44 Jahre 490 117 441 88 457 70 1 388 275
45 - 54 Jahre 474 128 479 96 428 85 1 381 309
55 - 64 Jahre 468 123 439 109 424 63 1 331 295
65 - 74 Jahre - - 387 82 348 58 735 140
F gesamt 1 432 368 1 746 375 1 657 276 4 835 1 019
gesamt 2 699 836 3 514 840 3 318 549 9 531 2 225
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Zielgrößen

Für die hier beschriebene Fall-Kohorten-Studie wurden alle inzidenten Herzinfarkte und alle inzidenten Typ-2 Diabetes mellitus Fälle berücksichtigt. Die Selbstangaben der Probanden zum Auftreten beider Krankheiten wurden durch einen Abgleich mit dem bevölkerungsbasierten Augsburger MONICA/KORA-Herzinfarktregister, durch Befragung der Hausärzte und durch Einsicht in die Krankenhausakten validiert. Bei verstorbenen Probanden wurden die Todesursachen auf den Todesbescheinigungen und - soweit vorhanden - die Krankenhausakten zur Validierung herangezogen. Im Follow-up-Zeitraum sind bis zum 31.12.2002 insgesamt 555 validierte inzidente Typ-2 Diabetes mellitus Fälle (329 Männer und 226 Frauen) und 397 validierte inzidente Herzinfarktfälle (307 Männer und 90 Frauen) aufgetreten (Tab. [2]).

Tab. 2 Anzahl der inzidenten Diabetesfälle und inzidenten Herzinfarkte nach Alter und Geschlecht (MONICA/KORA-Kohorte 1984 - 2002, 35 - 74 Jahre)
Basispopulation für Auswertungen zu inzidentem Diabetesinzidente Typ-2 Diabetikerinzidente Typ-2 Diabetiker, die auch in die Subkohorte gezogen wurdenBasispopulation für Auswertungen zu inzidentem Herzinfarktinzidente Herzinfarkteinzidente Herzinfarkte, die auch in die Subkohorte gezogen wurden
Männer (M)
35 - 44 Jahre1 101 53 131 241 29 7
45 - 54 Jahre1 077 88 231 242 75 19
55 - 64 Jahre1 082120 21 265145 55
65 - 74 Jahre 634 68 13 759 58 15
M gesamt3 894329 814 507307 96
Frauen (F)
35 - 44 Jahre1 251 21 71 387 3 0
45 - 54 Jahre1 215 76 181 375 23 8
55 - 64 Jahre1 059 92 181 315 52 12
65 - 74 Jahre 517 37 4 716 12 3
F gesamt4 042226 474 793 90 23
gesamt7 9365551289 300397119

Für Auswertungen zum inzidenten Herzinfarkt werden alle Personen mit einem prävalenten Herzinfarkt zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung ausgeschlossen. Daher reduziert sich die Basispopulation für diese Auswertungen um 231 Personen auf 9300 (4507 Männer und 4793 Frauen) (Tab. [2], Abb. [1]).

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Abb. 1 MONICA/KORA Fall-Kohorten-Studie 1984 - 2002, 35 - 74 Jahre

Für Auswertungen zum inzidenten Diabetes werden neben Personen mit einem prävalenten Diabetes zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung (n = 509) auch die Personen, bei denen im Verlauf des Follow-up-Zeitraums ein anderer Diabetestyp wie z. B. Typ-1 Diabetes oder sekundäre Diabetesformen diagnostiziert wurden (n = 14), sowie alle Personen, bei denen der Diabetesstatus nicht eindeutig geklärt werden konnte (n = 30), ausgeschlossen. Da die Diabetesinzidenz im Gegensatz zur Herzinfarktinzidenz, die für die meisten Studienteilnehmer über das Augsburger Herzinfarktregister ermittelt werden kann, nur über die Befragungen ermittelt werden konnte, werden darüber hinaus alle Personen, die an keiner Follow-up-Befragung teilgenommen haben (n = 988), ausgeschlossen. Zusätzlich werden noch 54 Personen mit einer Beobachtungsdauer von weniger als einem Jahr ausgeschlossen. Damit soll vermieden werden, dass die Ergebnisse durch noch nicht diagnostizierte prävalente Fälle verfälscht werden. Somit ergibt sich für Auswertungen zum inzidenten Diabetes eine Basispopulation von 7936 Personen (3894 Männer und 4042 Frauen) (Tab. [2], Abb. [1]).

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Statistische Analysen

Der Einfluss verschiedener Risikofaktoren auf das Auftreten eines Typ-2 Diabetes mellitus bzw. eines Herzinfarktes kann mit Hilfe multivariabler Überlebenszeitanalysen (Cox-Proportional-Hazards-Modelle) untersucht werden. Zur Schätzung der Regressionskoeffizienten des Cox-Modells wird in einem Fall-Kohorten-Design anstelle der partiellen Likelihood-Funktion eine Pseudo-Likelihood-Funktion verwendet. Zur Gewichtung der Fälle und Kontrollen stehen hierbei drei verschiedene Methoden zur Verfügung, bei denen jeweils unterschiedliche Wichtungen verwendet werden [3] [4] [5]. In allen drei Methoden wird ein Fall außerhalb der Subkohorte vor dem Eintritt des Ereignisses mit 0 und bei Eintritt des Ereignisses mit 1 (Prentice bzw. Barlow) oder 0 (Self und Prentice) gewichtet. Personen aus der Subkohorte werden bei Prentice und bei Self und Prentice jeweils mit 1 gewichtet. Barlow hingegen verwendet bei Personen aus der Subkohorte bei Fällen vor Eintritt des Ereignisses sowie bei allen Nicht-Fällen als Wichtung die Inverse der jeweiligen „sampling fraction”. Bei Eintritt eines Ereignisses wird einem Fall eine Wichtung von 1 zugeordnet.

Auswertungen einer Fall-Kohorten-Studie lassen sich mit einem SAS-Makro (ROBPHREG) durchführen, das über das Internet zugänglich ist und alle drei Wichtungsmethoden beinhaltet [6].

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Vergleich der Auswertungsmethoden

Um die Ergebnisse des Fall-Kohorten-Designs mit denen einer „üblichen” Kohortenstudie vergleichen zu können, wurde der Einfluss verschiedener Risikofaktoren, die für alle Teilnehmer der Gesamtkohorte bekannt waren, auf das Auftreten eines Typ-2 Diabetes mellitus für die Gesamtkohorte und das Fall-Kohorten-Design geschätzt. Für die Gesamtkohorte wurde das Cox-Modell zur Schätzung der relativen Risiken (Hazard Ratios) mit den zugehörigen 95 %-Konfidenzintervallen (KI) und p-Werten verwendet. Im Fall-Kohorten-Design wurden die entsprechenden relativen Risiken durch die drei oben beschriebenen Methoden (Methode I: Prentice; Methode II: Barlow; Methode III: Self und Prentice) mit Hilfe des SAS-Makros ROBPHREG geschätzt. In Tab. [3] ist beispielhaft der Einfluss von Adipositas, gegenwärtigem Rauchen und einer elterlichen Vorbelastung mit Diabetes mellitus auf inzidenten Typ-2 Diabetes mellitus bei Männern dargestellt. Es werden jeweils die Hazard Ratio (HR), das 95 %-KI, der p-Wert und die prozentuale Abweichung von der HR der Gesamtkohorte (Δ HR = 100 * [HR (Methode x) - HR (Gesamtkohorte)] / HR (Gesamtkohorte) angegeben.

Tab. 3 Einfluss verschiedener Risikofaktoren auf das Auftreten eines Typ-2 Diabetes mellitus bei Männern: Hazard Ratio (HR) mit 95 %-Konfidenzintervall (95 %-KI), p-Wert und prozentuale Abweichung der jeweiligen HR von der HR aus dem Modell der Gesamtkohorte (Δ HR in %)
n[1] [2] HR (95 %-KI)p-WertΔ HR
in %
Adipositas [3]
gesamte Kohorte4 3872,45 (1,99 - 3,01)< 0,001
Fall-Kohorten-Studie:
Methode I[4] 1 2532,43 (1,81 - 3,26)< 0,001- 0,82 %
Methode II[5] 1 2532,46 (1,82 - 3,31)< 0,001+ 0,41 %
Methode III[6] 1 2532,46 (1,82 - 3,33)< 0,001+ 0,41 %
Rauchen [7]
gesamte Kohorte4 3871,52 (1,23 - 1,88)< 0,001
Fall-Kohorten-Studie:
Methode I[4] 1 2531,55 (1,13 - 2,11)0,006+ 1,97 %
Methode II[5] 1 2531,55 (1,13 - 2,13)0,006+ 1,97 %
Methode III[6] 1 2531,55 (1,13 - 2,13)0,007+ 1,97 %
elterliche Vorbelastung
mit Diabetes mellitus
[8]
gesamte Kohorte4 3871,88 (1,47 - 2,41)< 0,001
Fall-Kohorten-Studie:
Methode I[4] 1 2531,83 (1,29 - 2,59)< 0,001- 2,66 %
Methode II[5] 1 2531,84 (1,29 - 2,63)< 0,001- 2,13 %
Methode III[6] 1 2531,85 (1,30 - 2,64)< 0,001- 1,60 %
1Anzahl der inzidenten Typ-2 Diabetiker in der Gesamtkohorte: 397 2Anzahl der inzidenten Typ-2 Diabetiker in der Fall-Kohorten-Studie: 325 (aufgrund von fehlenden Blutproben) 3BMI ≥ 30 kg/m2 vs. BMI ≤ 30 kg/m2; 4Methode I: berechnet nach Prentice [3] 5Methode II: berechnet nach Barlow [5] 6Methode III: berechnet nach Self and Prentice [4] 7gegenwärtiges Rauchen vs. Ex- und Nie-Rauchen 8mindestens ein Elternteil hat Diabetes mellitus vs. kein Elternteil hat Diabetes mellitus

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die mit Methode I bis III in der Fall-Kohorten-Studie ermittelten relativen Risiken nur geringfügig von den in der Gesamtkohorte ermittelten relativen Risiken unterscheiden. Somit kann festgehalten werden, dass alle drei Methoden zur Auswertung von Fall-Kohorten-Studien verhältnismäßig ähnliche Schätzungen ergeben.

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Diskussion

Da in epidemiologischen Studien häufig spezielle Expositionsvariablen untersucht werden, deren Messung sehr aufwändig und teuer ist, werden zunehmend Alternativen zur klassischen prospektiven Kohortenstudie gesucht. Das bekannteste und bisher am häufigsten eingesetzte Studiendesign dieser Art ist die eingebettete Fall-Kontroll-Studie. Hier wird für jeden Krankheitsfall, der in der Kohorte auftritt, mindestens eine Kontrolle gezogen. Die Auswahl der Kontrollen erfolgt dabei nach dem so genannten „risk set sampling”, d. h., die Kontrollen werden zu jedem Follow-up-Zeitpunkt, zu dem ein Fall auftritt, aus allen bis dahin noch nicht erkrankten Studienteilnehmern gezogen. Ziel dieses Vorgehens ist es zu erreichen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Person, als Kontrolle ausgewählt zu werden, proportional zur ihrer „Personenzeit” in der Studie ist, die bei der Berechnung der Inzidenzraten in den Nenner eingeht. Bei der Fall-Kohorten-Studie verzichtet man auf dieses „Zeit-Matching” und wählt als Kontrollgruppe eine zufällige Stichprobe der gesamten Kohorte aus. Da es bis vor wenigen Jahren kaum Softwareprogramme für die Auswertung von Fall-Kohorten-Studien gab, wurde dieses Design bisher relativ selten eingesetzt, obwohl es unter bestimmten Umständen durchaus Vorteile gegenüber der eingebetteten Fall-Kontroll-Studie hat. Besonders bei der gleichzeitigen Betrachtung von mehreren Krankheiten als Zielgröße ist dieses Design vorteilhaft, da man die gleiche „Kontrollgruppe” für mehrere Zielgrößen verwenden kann. Dies ist bei der eingebetteten Fall-Kontroll-Studie, bei der jede Kontrolle individuell nach der Follow-up-Zeit zum jeweiligen Fall „gematcht” wird, nicht möglich. Umgekehrt kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. dann wenn die Prävalenz der Krankheit relativ hoch ist und die zufällig gezogene Subkohorte daher viele Fälle enthält, eine eingebettete Fall-Kontroll-Studie effektiver sein. Wacholder et al. beschreiben einige praktische Gesichtspunkte, die die Wahl zwischen beiden Studientypen erleichtern können [7].

Da im Rahmen des oben beschriebenen Forschungsprojektes zum Zusammenhang zwischen subklinischen Entzündungsprozessen und dem Auftreten von Herzinfarkten und Typ-2 Diabetes mellitus zwei Krankheiten gleichzeitig untersucht werden sollen, fiel die Wahl auf das Fall-Kohorten-Design. Die Auswertung von Fall-Kohorten-Studien ist mittlerweile mit Standard-Softwareprogrammen möglich. Für die Auswertung mittels multivariabler Überlebenszeitanalyse stehen jedoch mehrere Methoden, bei denen jeweils unterschiedliche Wichtungen verwendet werden, zur Berechnung der relativen Risiken zur Verfügung [3] [4] [5]. Welche der drei Methoden zur Auswertung von Fall-Kohorten-Studien am besten zur Effektschätzung geeignet ist, lässt sich bislang nicht beurteilen [8]. Daher haben wir die drei Methoden exemplarisch, anhand von Daten, die für alle Teilnehmer der MONICA/KORA Kohorten-Studie erhoben wurden, verglichen.

Die Ergebnisse der Methoden I bis III unterscheiden sich für die untersuchten Risikofaktoren Adipositas, Rauchen und elterliche Vorbelastung mit Diabetes mellitus nur geringfügig voneinander und von den Ergebnissen der Gesamtkohorte. Die Fall-Kohorten-Studie stellt daher eine gute Alternative zur klassischen Kohortenstudie dar, wenn Expositionsfaktoren untersucht werden sollen, deren Bestimmung aufwändig und teuer ist.

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Ausblick

Neben den primären Auswertungen der DFG-geförderten MONICA/KORA Augsburg Fall-Kohorten-Studie zum Zusammenhang zwischen Entzündungsprozessen und dem Auftreten eines Typ-2 Diabetes mellitus bzw. eines Herzinfarktes lassen sich mit diesem Studiendesign noch eine Reihe weiterer Fragen zur Pathogenese von Typ-2 Diabetes und der koronaren Herzkrankheit beantworten. Im Rahmen der zweiten Förderphase des Nationalen Genomforschungsnetzes sind - aufbauend auf den Analysen des DFG-Inflammationsprojektes - die Identifizierung genetischer Faktoren und die Untersuchung möglicher Gen-Umwelt-Interaktionen im Hinblick auf eine inflammationsbedingte Arterioskleroseentstehung geplant.

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Danksagung

Unser ganz besonderer Dank gilt allen Mitarbeitern der MONICA/KORA Augsburg Studien und allen Studienteilnehmern, ohne deren Engagement dieses Forschungsprojekt nicht möglich gewesen wäre. Weiterhin möchten wir uns bei Cornelia Huth für die kritische Durchsicht und wertvolle Anregungen zum Manuskript bedanken.

Untersuchungen basierend auf dem Fall-Kohorten-Design wurden im Rahmen der MONICA/KORA Studie durch die GSF, das BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung (01GS0423 und NGFN), die DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft (TH784/2-1) und die EU - Europäische Union (QLG2 CT-2002 - 01 254), gefördert.

Der Artikel nimmt besonders Bezug auf folgende Beiträge dieses Sonderhefts von Das Gesundheitswesen: [9] [10].

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Literatur

  • 1 WHO MONICA Project Principal Investigators (prepared by H.Tunstall-Pedoe) . The World Health Organization MONICA Project (Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease): A major international collaboration.  J Clin Epidemiol. 1988;  34 105-114
  • 2 Hense H W, Filipiak B, Döring A. et al . Ten-year trends of cardiovascular risk factors in the MONICA Augsburg Region in Southern Germany. Results from the 1984/85, 1989/90 and 1994/1995 surveys.  CVD Prevention. 1998;  1 318-327
  • 3 Prentice R L. A case-cohort design for epidemiologic cohort studies and disease prevention trials.  Biometrika. 1986;  73 1-11
  • 4 Self S G, Prentice R L. Asymptotic distribution theory and efficiency results for case-cohort studies.  Ann Statistics. 1988;  16 64-81
  • 5 Barlow W E. Robust variance estimation for the case-cohort design.  Biometrics. 1994;  50 1064-1072
  • 6 Barlow W E, Ichikawa L. http://lib.stat.cmu.edu/general/robphreg (1998). 
  • 7 Wacholder S. Practical considerations in choosing between the case-cohort and nested case-control designs.  Epidemiology. 1991;  2 155-158
  • 8 Barlow W E, Ichikawa L, Rosner D. et al . Analysis of case-cohort designs.  J Clin Epidemiol. 1999;  52 1165-1172
  • 9 Löwel H, Döring A, Schneider A. et al. . The MONICA Augsburg surveys - basis for prospective cohort studies.  Gesundheitswesen. 2005;  67 S1 S13-S18
  • 10 Koenig W, Meisinger C, Baumert J. et al . Systemic Low-Grade Inflammation and Risk of Coronary Heart Disease: Results from the MONICA/KORA Augsburg Cohort Studies.  Gesundheitswesen. 2005;  67 S1 S62-S67

Dr. Barbara Thorand, MPH

GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie

Postfach 1129

85758 Neuherberg

Email: thorand@gsf.de

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Literatur

  • 1 WHO MONICA Project Principal Investigators (prepared by H.Tunstall-Pedoe) . The World Health Organization MONICA Project (Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease): A major international collaboration.  J Clin Epidemiol. 1988;  34 105-114
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  • 4 Self S G, Prentice R L. Asymptotic distribution theory and efficiency results for case-cohort studies.  Ann Statistics. 1988;  16 64-81
  • 5 Barlow W E. Robust variance estimation for the case-cohort design.  Biometrics. 1994;  50 1064-1072
  • 6 Barlow W E, Ichikawa L. http://lib.stat.cmu.edu/general/robphreg (1998). 
  • 7 Wacholder S. Practical considerations in choosing between the case-cohort and nested case-control designs.  Epidemiology. 1991;  2 155-158
  • 8 Barlow W E, Ichikawa L, Rosner D. et al . Analysis of case-cohort designs.  J Clin Epidemiol. 1999;  52 1165-1172
  • 9 Löwel H, Döring A, Schneider A. et al. . The MONICA Augsburg surveys - basis for prospective cohort studies.  Gesundheitswesen. 2005;  67 S1 S13-S18
  • 10 Koenig W, Meisinger C, Baumert J. et al . Systemic Low-Grade Inflammation and Risk of Coronary Heart Disease: Results from the MONICA/KORA Augsburg Cohort Studies.  Gesundheitswesen. 2005;  67 S1 S62-S67

Dr. Barbara Thorand, MPH

GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie

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85758 Neuherberg

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Abb. 1 MONICA/KORA Fall-Kohorten-Studie 1984 - 2002, 35 - 74 Jahre