Aktuelle Urol 2004; 35(5): 389-390
DOI: 10.1055/s-2004-834368
Qualitätsmanagement

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Gesetzlicher Ballast oder nützliches Instrument für urologische Praxen?

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Publication Date:
22 September 2004 (online)

 
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Die Einhaltung, Förderung und Entwicklung der Qualität ärztlicher Leistungserbringung ist seit jeher genuine Aufgabe und Selbstverständnis der ärztlichen Profession. Keine Arztpraxis kann heute erfolgreich am Markt bestehen, wenn nicht qualitätsrelevante Aspekte von vornherein in die Praxisführung eingebunden werden.

Dennoch ist festzustellen, dass insbesondere in der Darstellung der Politik wie auch der Medien die Zuständigkeit für das Thema Qualität innerhalb der ärztlichen Selbstverwaltung immer mehr in Frage gestellt wird. Dies hatte auch Auswirkungen auf die letzte Gesundheitsreform, in der neben anderen qualitätsrelevanten Aspekten die Einführung eines praxisinternen Qualitätsmanagements vorgeschrieben wurde. Der Gesetzgeber hält dabei gleichwohl fest, dass dieses für den ärztlichen Praxisbetrieb geeignet sein muss und der Aufwand in einem entsprechend angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen muss. Diese Entwicklung war nach dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz 1999 absehbar gewesen: Nachdem schon der Krankenhaussektor zur Einführung von Qualitätsmanagement und Qualitätsberichten verpflichtet wurde, schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis dies auch den ambulanten Bereich betrifft.

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Qualitätsmanagement: pour qoui?

Qualitätsmanagement zielt prinzipiell darauf ab, dass Abläufe so stattfinden, wie sie geplant waren. Dies setzt voraus, dass

  • zunächst ein Ziel definiert (z.B. standardisierter Ablauf der Zystoskopie) wird,

  • der Weg, wie dies erreicht werden soll, festgelegt und dokumentiert (nämlich durch Klärung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sowie Erstellung von Ablaufschemata),

  • und durch regelmäßige Hinterfragung dieses Ablaufes (funktioniert es, was kann verbessert werden?) der Ablauf optimiert und weiterentwickelt wird.

Wesentlich ist hierbei die Erarbeitung und Weiterentwicklung dieser Abläufe im Praxisteam. Ziel ist es, alle maßgeblich am Prozess Beteiligten verantwortlich einzubinden. Was auf der Ebene der einzelnen Ablauforganisation stattfindet, spiegelt sich auf der Ebene der Praxisorganisation insgesamt: Durch die Definition, Umsetzung und das Nachhalten von Praxiszielen wird die Organisation sowie die medizinische Qualität der urologischen Arztpraxis systematisch weiterentwickelt. Mit anderen Worten: Es geht um die geplante Anwendung von gesundem Menschenverstand nicht nur kursorisch in einzelnen Bereichen, sondern als systematisch angewandtes Grundprinzip. Unterstützt wird dies durch Instrumente, wie sie in vielen Dienstleistungssektoren lange etabliert sind, um einige zu nennen: Erarbeitung von Verfahrens- und Arbeitsanweisungen, regelmäßige, geplante Teambesprechungen oder standardisierte Befragungen von Patienten und Mitarbeitern. Damit wird deutlich, dass Qualitätsmanagement eine Aufgabe der Praxisführung ist. Nur wenn die Chefin oder der Chef dahinter stehen, kann eine Einführung und Weiterentwicklung eines QM-Systems funktionieren und langfristig wirksam bleiben.

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Risiken erkennen, Probleme vermeiden

Qualitätsmanagement zielt ebenso darauf ab, individuelle Risiken von Praxen zu erkennen und potenzielle Probleme ex ante zu vermeiden. Diese Risiken sind völlig unterschiedlich je nach Praxisart und -größe verteilt und können in den medizinischen Abläufen, der Mitarbeiterführung oder aber in der Zusammenarbeit mit anderen Praxen oder Leistungsanbietern begründet sein. Die zunehmende Komplexität von Abläufen und Interventionen begründet eine Fehleranfälligkeit, die auf eine zunehmend informierte und nachfragende Öffentlichkeit trifft. Die Selbstbewertung des eigenen Organisationsniveaus in Verbindung mit gezielten Aktivitäten an denjenigen Stellen, die ein Verbesserungspotenzial versprechen, wirken hier präventiv und ermöglichen den Nachweis einer gelenkten Planung im Schadensfalle. Selbstverständlich sind schon heute die relevanten Abläufe in Arztpraxen strukturiert und verantwortlich geregelt. Dieses bestehende Qualitätsniveau in deutschen Praxen ist unzureichend bekannt. Indem qualitätsrelevante Aspekte erfasst, beschrieben und verglichen sowie das in der Praxis angesammelte Wissen für alle Mitarbeiter und in aufbereiteter Form auch für Außenstehende verfügbar gemacht wird, wird die Transparenz geschaffen, die heute immer wieder als fehlend beklagt wird. Diese Qualitätsdarlegung kann die Basis für die Vereinbarung einer fairen Vergütung werden - vorausgesetzt, dass das zugrunde liegende QM-System oder -verfahren als anspruchsvoll und valide angesehen werden. Ergebnisindikatoren kommt hier eine wesentliche Bedeutung zu: Bei entsprechender Eignung sind diese potenziell geeignet zur Entwicklung von ergebnisorientierten Vergütungsmodellen. Damit wird nicht zuletzt die Zukunftsfähigkeit der ambulanten Versorgung gesichert.

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Qualität und Entwicklung in Praxen (QEP) - das QM-System der KBV/KVen

Für den Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung waren die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz Anlass gewesen, in den Jahren 2002 und 2003 ein eigenes, für die besonderen Bedürfnisse der vertragsärztlichen und damit auch urologischen Praxis zugeschnittenes Qualitätsmanagementsystem zu entwickeln. Erster Schritt der Entwicklung dieses QM-Verfahrens war deshalb eine systematische Gegenüberstellung der international verbreiteten Verfahren und deren Sichtung im Hinblick auf Anteile, die für die ambulante vertragsärztliche und psychotherapeutische Versorgung relevant und anwendbar sind. Insbesondere wurde darauf geachtet, alle wesentlichen Aspekte verbreiteter Verfahren zu berücksichtigen. Auf diese Weise wurde sichergestellt, dass diejenigen Praxen, die schon ein Qualitätsmanagement beispielsweise mit der ISO eingeführt haben, ohne größeren Aufwand auf das QM-System der KBV/KVen überwechseln können.

Kernstück des QEP-Systems ist ein Qualitätszielkatalog, der es Praxen ermöglicht, über eine Selbstbewertung diejenigen Bereiche zu identifizieren, die möglicherweise von Ablaufverbesserungen profitieren können (Abb. 1). Für die Umsetzung solcher Verbesserungen und die Einführung von QM werden Unterstützungstools bereitgestellt wie beispielsweise Checklisten, Musterabläufe oder aber auch Tipps und Hinweise auf erfolgreich praktizierten Vorgehensweisen. Das QM-System deckt dabei den Querschnitt einer Praxis ab und reicht von Praxisführung und Qualitätsmanagement über die Patientenversorgung, Information und Patientensicherheit bis hin zu den Themengebieten Mitarbeiter/-innen und Fortbildung sowie (gesetzliche)-Rahmenbedingungen und Praxisorganisation. Dabei ist selbstverständlich klar, dass eine solche Einführung nicht innerhalb eines Jahres geschehen kann, sondern einen entsprechenden zeitlichen Rahmen braucht. Unterstützt wird die Einführung außerdem durch das Angebot von Schulungen, die kostengünstig über KVen oder Berufsverbände angeboten werden können. Das QM-System der KBV und KVen "Qualität und Entwicklung in Praxen" wird derzeit in einer Pilotphase in 60 Praxen getestet und durch ein externes Institut evaluiert, um einen Nachweis darüber zu erbringen, ob die Umsetzung tatsächlich mit Verbesserungen im Praxisablauf einhergeht. Ab Anfang 2005 wird die dann überarbeitete Version zur Verfügung stehen. Der Qualitätszielkatalog ist jetzt schon über das Internet unter www.kbv.de/qm abrufbar. Die Ausführungen des Bundesausschusses werden voraussichtlich Ende des Jahres vorliegen und in Richtlinien veröffentlicht werden.

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Zusammenfassung

Qualitätsmanagement für Arztpraxen kann über die gezielte Organisation von kritischen Abläufen zu einer Stabilisierung und Verbesserung der Organisation von Praxen und damit auch der Qualität führen. Dabei ist wichtig zu beachten, dass Qualitätsmanagement kein Selbstzweck wird und nicht einer erstickenden Flut von Dokumentationen führt. Qualität in der Arztpraxis ist eine Aufgabe der Praxisführung und nur wenn sie dort den entsprechenden Rückhalt findet, können tatsächlich auch nachhaltige Verbesserungen erzielt werden. Dass aber Qualitätsmanagement zur kontinuierlichen wird setzt voraus, dass dies nicht per Ukas von oben verordnet, sondern tatsächlich gelebt wird. Bei den jetzt anstehenden Definitionen zur Gestaltung einer Richtlinie im Gemeinsamen Bundesausschuss wird es deshalb essenziell sein, diesen Umständen Rechnung zu tragen. Mit der Vorlage des QEP-Systems wird die Möglichkeit geschaffen, stufenweise Qualitätsmanagement in urologische Praxen einzuführen und, sofern dies gewünscht wird, später auch an einem praxenübergreifenden Benchmarking teilzunehmen.

Dr. Bernhard Gibis, Berlin