Aktuelle Urol 2004; 35(5): 365-366
DOI: 10.1055/s-2004-834360
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuer Marker für Prostatakrebs wird evaluiert

Further Information

Publication History

Publication Date:
22 September 2004 (online)

 
Table of Contents

Ein neuer Tumormarker könnte künftig die Früherkennung von Prostatakarzinomen erleichtern. Der immunhistochemische Nachweis eines für Prostatakarzinomzellen charakteristischen Proteins besitzt eine hohe Sensitivität und Spezifität, berichten US-Wissenschaftler, auch bei Patienten mit negativen Biopsien.

Zoom Image

Der bisherige Standard-Laborparameter zum Screening auf Prostatakrebs ist das prostataspezifische Antigen (PSA) im Serum. Die Spezifität dieses Wertes ist allerdings gering. Bei vielen Patienten mit anomal hohen PSA-Werten erfolgen Biopsien, deren Befund negativ ist. Der neue Tumormarker könnte bei diesen Patienten zur frühzeitigen Diagnose eines Prostatakarzinoms genutzt werden, berichten Dr. Robert Getzenberg und seine Kollegen aus Seattle im US-Bundesstaat Washington (J Urol 2004; 171: 1419-1423).

In ersten Untersuchungen haben die Wissenschaftler nachweisen können, dass sich der immunhistochemische Nachweis des Proteins EPCA zur Prostatakarzinomdiagnostik eignet. EPCA ist ein nukleäres Matrixprotein, dass in Prostatakarzinomzellen überexprimiert wird. Belegt wurde dies durch Untersuchungen von Prostatagewebeproben von 25 Patienten, bei denen radikale Prostatektomien erfolgt waren. Initiale Biopsien der Patienten waren negativ und erst Folgeuntersuchungen positiv gewesen. Zum Vergleich wurden Prostatagewebeproben von 27 Organspendern untersucht, bei denen es keine Hinweise auf eine Prostataerkrankung gab.

Wie die Wissenschaftler berichten, konnte in 21 der 25 negativen Biopsie-Proben (84 %) eine Überexpression von EPCA anhand der deutlichen Färbung beim Nachweisverfahren erkannt werden. Das Markerprotein war in den negativen Proben ähnlich häufig überexprimiert wie in Proben von positiven Biopsien und nach Prostatektomie, und zwar unäbhängig davon, ob normale oder Karzinomzellen untersucht worden waren. Im Gegensatz dazu fiel der Test in 23 der 27 Proben von Organspendern negativ aus oder es zeigte sich nur eine geringe Färbung. Die Sensitivität des Tests geben die Wissenschaftler mit 84 % und die Spezifität mit 85 % an.

Zwar müssen die Ergebnisse noch in größeren Studien bestätigt werden, schreiben die Autoren. Aber der neue Tumormarker könnte es ermöglichen, die Diagnose Prostatakrebs 5 oder sogar mehr Jahre früher als bisher zu stellen, und dazu beitragen, die Zahl von Biopsien wegen erhöhter PSA-Werte zu begrenzen.

Roland Fath, Frankfurt

#

Kommentar zur Studie

Das Prostatakarzinom ist der häufigste maligne Tumor des Mannes und im organbegrenzten Stadium heilbar. Die Früherkennung ist Grundvoraussetzung für eine kurative Therapie und ist grundsätzlich durch Bestimmung des PSA möglich. Dies wird u. a. durch die SEER-Daten des NCI zweifelsfrei belegt, insbesondere durch die Abnahme der tumorbedingten Mortalität in den Vereinigten Staaten. Betrachtet man die Situation bei anderen Tumorentitäten, so ist die Situation dort wesentlich trostloser, die Früherkennung wesentlich schwieriger und das Risiko einer Übertherapie wesentlich höher.

Trotz dieser nicht ungünstigen und für den Patienten durchaus akzeptablen diagnostischen Situation birgt die Bestimmung des PSA verschiedene Nachteile aufgrund der unbefriedigenden Spezifität dieses Testes; daran haben auch verschiedene Methoden der Testoptimierung wenig geändert. Dies kann zu wiederholten Biopsien mit dem Risiko einer Überdiagnostik führen - andererseits schließen normale PSA-Werte das Vorliegen eines Prostatakarzinoms nicht unbedingt aus.

Die sehr sinnvoll konzipierte Studie hebt sich von ähnlich zielgerichteten wissenschaftlichen Bemühungen deutlich ab

Um vor allem diese Lücke im Bereich der Spezifität zu schließen, wäre ein komplettierender Biomarker durchaus wünschenswert. Ausgehend von der Überlegung, dass abnormale Zellkerne in der Regel histologische Fingerabdrücke von Tumorzellen darstellen und intranukleäre Vorgänge und Veränderungen reflektieren, identifizierten R. Getzenberg und seine Mitarbeiter (Pittsburgh) unter 14 verschiedenen Matrixproteinen eines, nämlich EPCA, welches in Prostatakarzinomzellen immer überexprimiert wurde, aber im normalen Prostatagewebe nicht nachweisbar war. EPCA wurde zudem nicht nur im Tumor selbst überexprimiert, sondern war im gesamten restlichen - histologisch allerdings unauffälligen - Prostatagewebe immunhistochemisch nachweisbar. Bei retrospektiver Aufarbeitung von 25 Prostatektomiepräparaten (RPx) gelang dieser Nachweis selbst dann, wenn histologisch unauffällige Biopsien dem definitiven Tumornachweis bis zu 5 Jahre vorausgingen. Als Kontrollen dienten Prostatagewebsproben von 27 Organspendern

Der Blickwinkel dieser Studie und die vorgelegten Daten sind auf den ersten Blick beeindruckend und machen neugierig. So wäre dieser Test - allerdings auf der Basis einer Biopsie - der PSA-Bestimmung bei vergleichbarer Sensitivität nicht nur hinsichtlich der Spezifität deutlich überlegen, sondern EPCA wäre zudem in der gesamten Prostata - also auch außerhalb des Tumors nachweisbar. Darüber hinaus könnte das Aufspüren von Tumorzellen bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem histologisch noch keine Veränderungen sichtbar sind. Trotz dieser nicht unrealistischen Aussichten schrauben die Autoren selbst unsere Erwartungen etwas herab, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der noch geringen Fall- bzw. Organzahlen und entsprechender Kontrollen. Zweifelsohne müssen die genannten Daten und Ergebnisse prospektiv und retrospektiv durch Multicenterstudien erhärtet und bestätigt werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nur ein einziger Pathologe sämtliche immunhistochemischen Analysen durchführte und nicht verblindet war. Auch die Definition und Zusammensetzung der non-neoplastischen Organspendergruppe, also der gesunden Vergleichsgruppe, wird von den Autoren kritisch hinterfragt.

Die obigen Einwände sollten diesen äußerst interessanten diagnostischen Ansatz jedoch nicht schmälern: Bei Bestätigung der bislang vorliegenden Daten könnten sich PSA und EPCA sinnvoll ergänzen, die Früherkennung nachhaltig verbessern und die Rate von Prostatabiopsien deutlich reduzieren. Die sehr sinnvoll konzipierte Studie hebt sich von ähnlich zielgerichteten wissenschaftlichen Bemühungen deutlich ab. Auf weitere Ergebnisse darf man gespannt sein.

Dr. Uwe Ikinger, Heidelberg

 
Zoom Image