Aktuelle Urol 2004; 35(5): 356-357
DOI: 10.1055/s-2004-834355
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ESWT bei der Peyronie-Krankheit - Keine überzeugenden Ergebnisse

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Publication Date:
22 September 2004 (online)

 
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Die extrakorporale Schockwellentherapie (ESWT) wird seit einigen Jahren auch bei der Therapie der Induratio penis plastica (Peyronie-Krankheit) angewandt. In einer prospektiven Studie wurde die Wirksamkeit der ESWT an einer großen Patientenpopulation bewertet.

Ekkehard W. Hauck u. Mitarb. von der Universität Gießen und dem Bundeswehrhospital in Ulm behandelten 114 Männern mit der Peyronie-Krankheit mit einem Lithotriptor mit 4 000 Schockwellen bei einer maximalen Energie von 0,17 mJ/mm2 pro Sitzung. Die ESWT wurde einmal bei 53 Patienten, zweimal bei 38 und drei- und viermal bei 2 eingesetzt. Insgesamt wurden 96 Patienten nachbeobachtet (The Journal of Urology 2004; 171: 296-299).

Bei der gesamten Studiengruppe wurden keine signifikanten Veränderungen bezüglich der Peniskrümmung, der Plaquegröße oder der Sexualfunktion festgestellt. Signifikante Verbesserungen beobachteten die Autoren dagegen bei denjenigen Patienten, die eine Krümmung zwischen 31 und 60 Grad hatten. Schmerzen im Penis verschwanden bei 26 von 37 (76%) Männern und verminderten sich bei 2 Patienten. Auch dieser Effekt war signifikant. Schwere Nebenwirkungen der ESWT-Therapie wurden nicht gesehen.

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Fazit

Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie und denen aus früheren Untersuchungen ziehen die Autoren den Schluss, dass eine ESWT bei der Peyronie-Krankheit nicht als Standardtherapie empfohlen werden kann.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt

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Kommentar zur Studie

Der typische IPP-Patient leidet unter den Symptomen peniler Schmerzen und einer penilen Deviation. Die Ursache ist der Plaque, eine narbige Verhärtung der penilen Tuncia albuginea. Häufig tritt auch eine begleitende erektile Dysfunktion auf. Da die genaue Ätiopathogenese der IPP unklar ist, gibt es keine kausale medikamentöse oder operative Therapie. Viele konservative Therapieverfahren verlaufen frustran. Die Ergebnisse repräsentieren nicht selten lediglich den natürlichen Krankheitsverlauf, der mit der Zeit bei fast allen Patienten mit Schmerzfreiheit und zumindest bei einigen auch mit einer spontanen, zumindest partiellen Rückbildung der Symptome einhergeht.

Da nicht alle Patienten eine operative Therapie wünschen oder ein solche in der frühen, progressiven Phase der Erkrankung noch nicht indiziert ist, besteht häufig gerade nach frustraner medikamentöser Therapie der Wunsch nach einem alternativen Therapieverfahren. In den vergangenen Jahren hat in dieser Phase die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zunehmend Verbreitung gefunden. Es wurden mittlerweile 20 gereviewte Originalarbeiten von 14 Arbeitsgruppen zur ESWT bei IPP publiziert, obwohl die Wirkungsweise dieser Therapie bei IPP weit gehend unklar ist.

Unsere Arbeitsgruppe hat die Effektivität der ESWT zur Behandlung der IPP prospektiv über einen längeren Zeitraum evaluiert. Von 114 eingeschlossenen Patienten, konnten 96 mit einem Follow-up von bis zu 53 Monaten (durchschnittlich 9,4 Monate) nachbeobachtet werden. Für die Gesamtpopulation zeigte sich keine signifikante Besserung der Deviation, der Plaquegröße und der sexuellen Funktion trotz deutlicher Besserungen der Symptomatik in Einzelfällen. Die Patienten werden aber durch die ESWT offenbar schneller schmerzfrei als während des natürlichen Krankheitsverlaufs. Dieses wird von vielen Patienten bereits als Benefit empfunden. Ob dieses Ergebnis aber den Einsatz der ESWT rechtfertigt, bleibt fragwürdig.

Für viele Patienten stellt die Deviation das wichtigste Symptom dar, da hierdurch die Ausübung von Geschlechtsverkehr erheblich beeinträchtigt werden kann. Außerdem bedeutet eine ausgeprägte Deformierung häufig auch eine nicht zu unterschätzende psychische Belastung. Daher ist der fehlende Effekt bezüglich der Gesamtpopulation der ESWT auf die Deviation sicherlich ein entscheidender Kritikpunkt. Bei nur 5% der Patienten - mit Deviationen zwischen 15 ° und 45° - trat überhaupt nur eine vollständige Begradigung nach der Intervention auf. Nur für Patienten mit Deviationen zwischen 31° und 60° konnte ein signifikanter Rückgang der Deviation beobachtet werden. Auch hier stellt sich die Frage, ob dieser statisch signifikante Rückgang der Deviation auch dem Patienten wirklich hilft? Schließlich nimmt die Deviation in dieser Gruppe nur um durchschnittlich 7° von 45,7° auf 38,5° ab. Trotz der statistischen Signifikanz darf an der klinischen Bedeutung dieses Befundes für den Patienten doch erheblich gezweifelt werden.

Wenn ein Patient die ESWT als Benefit betrachtet, bezieht es sich nach unserer Erfahrung häufig auf den guten Effekt bezüglich des Rückganges peniler Schmerzen. Dies führt dann zu einer geringeren Beeinträchtigung beim Geschlechtsverkehr. Dieser Trend wurde auch durch unsere explorative Metaanalyse der bisher publizierten Studien bestätigt. Im Vergleich zu Kontrollkollektiven, die ebenfalls der Literatur entnommen worden, zeigten sich folgende Ergebnisse: Es gibt für die Gesamtpopulationen im Vergleich zu den Kontrollen keinen signifikanten Effekt bezüglich der objektiven Parameter Plaquegröße und Deviation. Die ESWT hat einen signifikanten Effekt auf die Schmerzen, die sich offenbar schneller als während des natürlichen Krankheitsverlaufs, bei dem die Mehrheit der Patienten nach 12-18 Monaten Schmerzfreiheit erreicht, zurückbilden. Im Vergleich zum natürlichen Krankheitsverlauf bessert sich die sexuelle Funktion deutlich, wobei diese nur schwer zu definieren und zu erfassen ist. Möglicherweise beruht dies auf einer Reduktion der Schmerzsymptomatik.

Zusammenfassend kann nach dem aktuellen Kenntnisstand die ESWT nicht als Standardbehandlung zur Therapie der IPP empfohlen werden, da insgesamt ein signifikanter Effekt auf die Symptome Plaquegröße und penile Deviation für die Gesamtpopulation der IPP-Patienten nicht eindeutig nachgewiesen ist. In Einzelfällen kann es zu deutlichen Befundbesserungen kommen. Die Schmerzsymptomatik scheint sich durch die ESWT schneller als während des natürlichen Krankheitsverlaufs zurückzubilden. Dies führt möglicherweise auch zu einer verbesserten sexuellen Funktion. Die Anwendung der ESWT ist allenfalls als Heilversuch gerechtfertigt. Sie entspricht nicht den Kriterien der evidenzbasierten Medizin.

Ob die ESWT zur Therapie der IPP mittel- und langfristig überleben wird, erscheint fragwürdig. Möglicherweise wird auch die ESWT, wie schon viele andere konservative Therapieverfahren zuvor, ihren Platz im historischen Kapitel der IPP finden. Noch aber erscheint dieses komplikationsarme Verfahren vielen Kollegen beim Gespräch mit dem eine Therapie einfordernden Patienten ein probates Mittel zu sein, um aus der nicht selten frustranen Situation zu entrinnen.

PD Ekkehard Hauck, Prof. Wolfgang Weidner, Gießen

Literatur beim Autor