Aktuelle Urol 2004; 35(5): 344-348
DOI: 10.1055/s-2004-834353
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Prostatabiopsie - Weniger Schmerzen durch Diclofenac

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Publication Date:
22 September 2004 (online)

 
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Der transrektale Ultraschall sowie die Prostatabiopsie werden von der Mehrzahl der Patienten als schmerzhaft empfunden. Aus diesem Grund wurden bereits verschiedene Analgesiemethoden untersucht. Eine englische Studie zeigt nun, dass die rektale Gabe von Diclofenac signifikant den Schmerz unter dieser Prozedur senkt.

In einem randomisierten doppelblinden Ansatz untersuchten A. Haq und Mitarbeiter die Wirkung von Diclofenac bei der transrektalen Sonographie und bei der Prostatabiopsie anhand von 72 Männern (The Journal of Urology, 2004; 171: 1489 - 1491). Patienten, die in die Analgesiegruppe randomerisiert wurden, erhielten 1 Stunde vor der Untersuchung 100 mg Diclofenac im Zusammenhang mit der Antibiotikaprophylaxe (500 mg Ciproflaxacin). Patienten aus der Plazebogruppe erhielten ein adäquates Plazebo nach dem gleichen Zeitschema. Direkt nach der Untersuchung dokumentierten die Patienten ihr Schmerzempfinden mittels einer 10 cm linearen visuellen Analogskala.

Beide Patientengruppen waren bezüglich Alter, Volumen der Prostata, Anzahl der Biopsien, PSA-Werten, histologischer Diagnose und Komplikationsraten vergleichbar. Die Patienten aus der Analgesiegruppe hatten signifikant weniger Schmerzen als die Patienten aus der Plazebogruppe (2,8 vs. 4,9).

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Transrektale Prostatabiopsie unter Sonographiekontrolle, sagittaler Schnitt (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).

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Fazit

Die Ergebnisse der Studie zeigen eindeutig, dass die rektale Gabe von Diclofenac den Komfort für die Patienten bei der transrektalen Sonographie und bei der Prostatabiopsie verbessert, was eine höhere Patientencompliance mit sich bringt.

Dr. Sabine Adler, Mülsen St. Niclas

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Erster Kommentar

Die von Haq et al. vorgelegte Serie untersucht den Effekt einer rektalen Diclofenac-Applikation eine Stunde vor einer geplanten TRUS-gesteuerten Prostatabiopsie. Die relativ kleinen Gruppen (35 vs. 37 Patienten) erhielten doppelblind randomisiert Verum vs. Plazebo. Es zeigte sich eine signifikante Verbesserung des VAS-Scores von 4,9 auf 2,8.

Die Tatsache der Schmerzhaftigkeit einer Prostatabiopsie war lange umstritten. Arbeiten aus den letzten 5 Jahren zeigen jedoch in allgemeinem Konsens, dass ohne Analgesie/Anästhesie im Rahmen einer Sechs- bis Zehnfachbiopsie signifikante Schmerzen zu erwarten sind. Die meisten Autoren berichten von VAS/NAS-Werten um 5 auf der Skala bis 10. Dies wird auch durch die vorliegende Arbeit bestätigt.

Nur wenn es gelingt, die Prostatabiopsie von dem Makel des schmerzhaften Eingriffes zu befreien, können wir unsere Früherkennungskonzepte realisieren.

Die Effektivität der hier vorgestellten Analgesie erscheint jedoch geringer als in vergleichbaren Arbeiten, in denen eine Lokalanästhesie auf ihre Wirksamkeit hin überprüft wurde. Unterschiedliche Techniken erreichen einen Score von 0 bis 2. Die Autoren der vorliegenden Serie weisen zu Recht darauf hin, dass einerseits die Lokalanästhesie selbst Schmerzen verursachen kann und dass andererseits ein Plexusblock ein schwieriges Verfahren mit erheblicher Variabilität je nach Untersucher sein kann. Sie beziehen sich dabei allerdings im Wesentlichen auf die Arbeiten von Soloway et al., die bis zu 6 Injektionen vor einer 6fach-Biopsie durchführten. Neuere Arbeiten zeigten jedoch, dass eine Infiltration der Oberfläche der Apex prostatae durch nur eine Injektion mittig oder beidseitig in Höhe der Gefäß-/Nervenbündel einen vergleichbaren Effekt gegenüber dem klassischen Block mit weniger Injektionen bringen. Die Apex der Prostata ist auch durch wenig erfahrene Untersucher einfach im TRUS einzustellen. Das Argument, es handele sich um ein schwieriges Verfahren, wird dadurch stark entkräftet. Die Effektivität einer solchen Lokalanästhesie ist höher als die der rektalen Applikation von Diclofenac. So wird in unterschiedlichen Serien von erzielten Werten zwischen 1 und 2 auf der Skala bis 10 berichtet. Die Autoren der vorliegenden Arbeit postulieren einen möglicherweise das Gefäß-/Nervenbündel nachhaltig schädigenden Effekt einer Lokalanästhesie, insbesondere im Hinblick auf eine bevorstehende potenzerhaltende Operation. Multiple historische Arbeiten zur Lokal- und Leitungsanästhesie widersprechen jedoch dieser Behauptung. Eine kurzfristige Restitutio ad integrum der Nerven nach der Injektion ist zu erwarten. Auch gibt es bislang keinerlei Berichte, dass der Nerverhalt durch eine Lokalanästhesie bei der Prostatabiopsie erschwert würde. Das Verfahren der Lokalanästhesie dauert zwischen 2 und 5 Minuten und ist damit zusätzlich wesentlich schneller als die hier vorgestellte Technik (eine Stunde).

Mehrere Arbeiten zeigten, dass die rektale Applikation von Lokalanästhetika wie Lidocain einen geringen Effekt zeigt. Handelt es sich bei der beschriebenen Wirkung in der vorliegenden Serie also nur um die systemische Wirkung des Medikaments? Aus früheren Arbeiten, welche die Pharmakokinetik von Diclofenac untersuchen, ist bekannt, dass rektal nur ca. 50% resorbiert werden. Die perorale Gabe könnte demnach prinzipiell einen noch höheren Effekt erreichen. Zudem ist die Einnahme einer Tablette sicherlich noch einfacher als die Gabe eines Zäpfchens. Allerdings müssen potenziell schleimhautschädigende Wirkungen von Diclofenac bei beiden Applikationsarten bedacht werden. Paracetamol käme hier als Alternative ohne diese Nebenwirkungen in Betracht.

Im Fazit kann das vorgestellte Verfahren keinesfalls als Optimum der Analgesie bei einer TRUS-gesteuerten Prostatabiopsie angesehen werden. Möglicherweise bringt die Kombination aus Lokalanästhesie und rektaler/peroraler Gabe von Diclofenac oder Paracetamol eine weitere Verbesserung für den Patienten. Dies wäre in weiteren Studien randomisiert zu untersuchen.

Literatur beim Autor

Dr. Martin Schostak, Berlin

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Zweiter Kommentar

Hat die Rücksicht auf den Patienten Schritt gehalten mit der Entwicklung der Prostatabiopsie? Tun wir genügend, um unseren Patienten dabei Schmerzen zu ersparen?

In der vorliegenden Arbeit haben die befragten Patienten die Schmerzhaftigkeit der Prostatabiopsie ohne Analgesie mit dem Wert von 4,8 auf einer Skala von 0 bis 10 eingeordnet, also mit dem Halben dessen, was sie sich als maximal vorstellen können. In der vor-PSA-Ära war die Prostatabiopsie zur Abklärung eines verdächtigen Knotens ein vergleichsweise seltener Eingriff, und meist konnte die Diagnose dann mit der Entnahme nur weniger Stanzzylinder gestellt werden.

Die PSA-Früherkennung hat diese Situation grundlegend verändert: Wesentlich häufiger wird die Indikation zur Biopsie gestellt. Um den kleinen, nicht palpablen Tumor zu finden, muss systematisch eine größere Anzahl von Proben entnommen werden, mit steigender Tendenz bis hin zur Massenbiopsie und mit modifizierter Lokalisation. Häufiger werden Patienten biopsiert, bei denen ein Infekt Ursache der PSA-Erhöhung ist, was den Eingriff meist schmerzhafter macht. Junge Männer geraten zunehmend in unser Blickfeld, die öfter über Schmerzen bei der Biopsie klagen als ältere. Und nicht selten müssen wir unsere Patienten zu einer Re-Biopsie motivieren. Ein Teil dieser "Erfahrenen" besteht dann auf einer Regional- oder Allgemeinanästhesie, was durch die stationäre Aufnahme zu Kosten führt, die weit über denen der Biopsie liegen.

Deshalb ist es notwendig, die Schmerzbekämpfung bei der Prostatabiopsie in das Zentrum des Interesses zu stellen, das nicht nur das des Patienten ist. Es ist auch unseres und zwar aus mindestens 2 Gründen: Zum einen ist es sicher für die Qualität der Untersuchung vorteilhaft, nicht auf jede Reaktion des Patienten Rücksicht nehmen zu müssen. Zum zweiten muss uns daran gelegen sein, die Akzeptanz dieser Untersuchung in der Bevölkerung zu verbessern. Nur wenn es gelingt, die Prostatabiopsie von dem Makel des schmerzhaften Eingriffes zu befreien, können wir unsere Früherkennungskonzepte realisieren. Zum Vergleich: Die Koloskopie (ebenfalls eine schmerzhafte Untersuchung, aber in Sedo-Analgesie durchgeführt) etabliert sich mittlerweile als Früherkennungsmaßnahme und wird von der Bevölkerung akzeptiert.

Verschiedene Methoden zur lokalen Schmerzbekämpfung wurden schon erprobt. Die rektale Gabe von Lokalanästhetika ist wohl nur gering wirksam. Die periprostatische Lokalanästhesie kann mit einem erhöhten Infektrisiko einhergehen, ist schwer standardisierbar, erreicht die Bläschendrüsen nicht und kann eine spätere Operation durch Fibrose erschweren.

In der vorliegenden Arbeit wird eine bestechend einfache Methode vorgestellt: der Patient erhält eine Stunde vor der Biopsie 100 mg Diclofenac. Dabei handelt es sich um eine Substanz, mit der wir Urologen häufig umgehen und die nebenwirkungsarm ist, wenn die Kontraindikationen beachtet werden. Um neben dem generalisierten Effekt auch die lokale analgetische Wirkung auszunutzen, werden Suppositorien verwendet. In dieser Studie schätzten die Patienten untermittelbar nach der Untersuchung die Stärke ihrer Schmerzen auf einer Skala von 0-10 ein. Das Medikament senkte den Schmerzscore von 4,9 (ohne Medikament) auf 2,8. Das Medikament störte die Untersuchung (einschließlich TRUS) nicht, führte auch zu keiner Erhöhung der Komplikationsrate, wie die Konsultation nach 2 Wochen ergab.

Mit diesem Medikament wurde der Schmerz also von der Hälfte auf ein knappes Drittel dessen gesenkt, was die Patienten sich als maximal vorstellen können. Interessant wäre gewesen, bei der Konsultation nach 2 Wochen die Erinnerung an den Schmerz zu evaluieren, um zu sehen, welche Empfindungen langfristig im Gedächtnis bleiben, die dann ja spätere Entscheidungen beeinflussen und auch kolportiert werden. Neben Diclofenac bieten sich vermutlich auch andere, leicht applizierbare Analgetika für diesen Zweck an, bis hin zu schwächeren Opioiden. Auch eine verminderte Fahrtüchtigkeit könnte bei entsprechender Organisation in der Praxis akzeptiert werden. Denn letztlich muss es das Ziel sein, die Angst vor einer Prostatabiopsie deshalb zu vermindern, weil sie einer der Gründe ist, weshalb Männer die Prostatakarzinomfrüherkennung scheuen.

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Biopsiepistole mit Biopsienadel im Führungskanal des transrektalen Schallkopfes (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).

Dr. Helmut Haas, Heppenheim

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Dritter Kommentar

Es wurden bereits einige Studien durchgeführt, die untersucht haben, ob sich mit einem rektal applizierten Medikament die Schmerzen bei der transrektalen Prostatabiopsie verringern lassen. Dieses Verringern der Schmerzen während der Prostatabiopsie ist wichtig, um die Verträglichkeit bei den Patienten zu steigern und um die Bereitschaft bei den Patienten zur Prostatabiopsie zu erhöhen. Ein Großteil der Studien benutzte als Medikament ein rektal appliziertes Lokalanästhetikum, meist Lidocain in verschiedenen Darreichungsformen. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, mal mit deutlicher Schmerzlinderung durch das Medikament, mal ohne messbaren Effekt. Allen lokal applizierten Substanzen, ob Lokalanästhetikum oder Diclofenac, ist eine relativ lange Einwirkzeit von ca. 1 Stunde gemeinsam. Diese Vorbereitung eines Patienten gestaltet sich in einer gut besuchten Praxis oder Sprechstunde als schwierig. Ein geordneter Ablauf ist nur schwer vorstellbar, beispielsweise wenn bei einem Patienten ungeplant die Indikation zur Prostatabiopsie gestellt wird und der Patient um eine Stunde verschoben werden muss und es so im gesamten Tagesablauf zu Verschiebungen kommt. Gleiches gilt für die ersten Patienten am Morgen, welche dann entweder sehr früh einbestellt werden müssen, oder aber den Beginn der Sprechstunde um eine Stunde verzögern. Die erste Variante wird organisatorisch schwierig sein, die zweite ökonomisch gesehen kaum möglich.

Wenn jedoch der Effekt der Schmerzminderung erzielt werden soll, ist die Einwirkzeit von mindestens einer Stunde unerlässlich. Somit ist die Grundidee des Artikels richtig, die Lösung aber im alltäglichen Ablauf nur schwierig umsetzbar. Weiterhin scheint die Verwendung eines Medikamentes, welches die Thrombozytenaggregation hemmt, vor einer Prostatabiopsie fraglich. Die Hauptkomplikation der transrektalen Prostatabiopsie ist die Blutung, sei es in Form einer Hämaturie, einer Hämospermie oder in Form einer rektalen Blutung. Eine Erhöhung des Blutungsrisikos durch die Verwendung von Diclofenac ist als bedenklich und gefährlich anzusehen. Der Patient wird eine ausgeprägte Blutung nach Prostatabiopsie sicherlich als bedrohender und störender empfinden, als ein vorübergehender Schmerz während der Biopsie. So zeigt sich in der vorgestellten Studie zwar kein signifikanter Unterschied bezüglich der Blutungskomplikationen, es war aber in der Diclofenac-Gruppe eine operative Blasentampondenausräumung notwendig, welche in der Kontrollgruppe nicht zu beobachten war. Um einen statistisch signifikanten Unterschied bezüglich der Komplikationen zu erzielen, reicht die geringe Fallzahl von 37 und 35 Patienten pro Gruppe nicht aus. Andere Studien aus anderen medizinischen Disziplinen zeigen jedoch ein signifikant erhöhtes Blutungsrisiko nach Diclofenc-Einnahme.

Die Grundidee des Artikels ist richtig, die Lösung aber im alltäglichen Ablauf nur schwierig umsetzbar.

Aus diesen Gründen halte ich die Verabreichung eines Diclofenac-Suppositoriums vor einer Prostatabiopsie für nicht sinnvoll. Sollte jedoch die lokale Applikation eines Medikamentes gewünscht werden, würde ich ein Lidocain-Gel bevorzugen. Für die verträgliche Durchführung einer transrektalen Prostatabiopsie erscheint es mir jedoch wichtiger, auf folgende Punkte besonderen Wert zu legen:

  • Der Patient sollte ausführlich über die transrektale Prostatapunktion informiert sein. Nützlich ist ein Informationszettel, den der Patient im Wartezimmer bereits lesen kann. Ein informierter Patient ist meist ruhiger und weniger ängstlich.

  • Der Patient sollte sich in Linksseitenlage und in einer bequemen Position befinden. In der Steinschnittlage ist eine gute Entspannung und somit schmerzärmere Untersuchung nur selten möglich.

  • Der Patient sollte sich so gut wie möglich entspannen. Ein Hinweis auf entspannte Bein-, Rücken- und Pomuskulatur vor Beginn der Punktion, wenn notwendig auch wiederholt, kann hilfreich sein.

  • Der Patient sollte über das momentane Geschehen informiert sein, vor allem Beginn und Ende der reinen Ultraschalluntersuchung und Beginn und Ende der Probenentnahme. Ein zusätzlicher "Patientenmonitor" kann diese Informationen unterstützen.

  • Der Schallkopf sollte möglichst schonend eingeführt und so ruhig wie möglich bewegt werden.

  • Ein häufiger Positionswechsel des Schallkopfes, z.B. beim Herausziehen des Biopsiegerätes aus der Stanzführung und bei der Entfernung des Gewebes aus der Biopsienadel, sollte vermieden werden.

  • Ein schnelles und zügiges Vorgehen bei der Probenentnahme trägt ebenfalls zur besseren Verträglichkeit bei. So sollten alle notwendigen Materialien vorbereitet sein, die Geräte einwandfrei funktionieren und der Ablauf so effizient wie möglich gestaltet werden, ohne dass lange Pausen entstehen.

  • Eine gewisse Erfahrung und Routine des Untersuchers sind hilfreich, die oben genannten Punkte umzusetzen.

Mit diesen Maßnahmen lässt sich die transrektale Prostatabiopsie im Großteil der Fälle für den Patienten erträglich durchführen, ohne dass die lokale Applikation von Medikamenten notwendig ist und ohne dass die Prostatabiopsie als schmerzhaft in Erinnerung behalten wird.

Jochen Walz, PD Markus Graefen, Hamburg

 
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Transrektale Prostatabiopsie unter Sonographiekontrolle, sagittaler Schnitt (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).

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Biopsiepistole mit Biopsienadel im Führungskanal des transrektalen Schallkopfes (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).