Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(42): 2243
DOI: 10.1055/s-2004-831870
CME
Gastroenterologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen - Der konkrete Fall

Inflammatory bowel disease - case reportK. Herrlinger1 , E. F. Stange1
  • 1Abteilung Innere Medizin 1, Zentrum für Innere Medizin, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart
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Prof. Dr. med. Eduard Stange

Abteilung Innere Medizin 1, Zentrum für Innere Medizin, Robert-Bosch-Krankenhaus

Auerbachstraße 110

70376 Stuttgart

Phone: 0711/81013406

Fax: 0711/81013793

Email: Eduard.Stange@rbk.de

Publication History

eingereicht: 25.6.2004

akzeptiert: 24.8.2004

Publication Date:
14 October 2004 (online)

Table of Contents #

Anamnese

Eine 38-jährige Patientin wurde mit seit Wochen bestehenden Durchfällen in einer täglichen Frequenz von bis zu 30 und einer äußerst schmerzhaften Schwellung des rechten Sprunggelenks stationär aufgenommen. Seit 25 Jahren war die Diagnose eines Morbus Crohn bekannt. Nach Angaben der Patientin bestand die bisherige Therapie in der wiederholten Gabe von systemischen Steroiden. Unter dieser Therapie sei die Erkrankung regelmäßig zu beherrschen gewesen, bei Dosisreduktion träten die Symptome jedoch wieder auf. Da sie zunehmend an Nebenwirkungen der Therapie leide, insbesondere der Entwicklung eines „Mondgesichts”, habe sie die Therapie jetzt unterbrochen. Aufnahmegrund seien weniger die Durchfälle, an die sie sich mittlerweile gewöhnt habe, als die neue, äußerst schmerzhafte Gelenkentzündung.

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Befunde

Bei der klinischen Untersuchung war die Patientin auffallend blass und zeigte ein deutliches „cushingoides” Erscheinungsbild insbesondere im Gesicht. Bei der abdominellen Untersuchung gab die Patientin einen diskreten Druckschmerz im Bereich des Kolonrahmens an, die Darmgeräusche waren regelrecht auskultierbar. Das rechte Sprunggelenk imponierte massiv gerötet, überwärmt und stark geschwollen. Die Patientin hatte Fieber mit 39º C.

Die Labordiagnostik ergab folgende pathologische Befunde: BSG 75 mm/h, Hämoglobin 73 g/l, Hämatokrit 27 %, Thrombozyten 818 Giga/l, C-reaktives Protein 34,2 mg/dl, Procalcitonin 0,3 ng/ml. Der Abdomen-Ultraschall zeigte eine akzentuierte Darmwandschichtung im Bereich des Kolonrahmens mit einer segmentalen Wandverdickung insbesondere im Bereich des Colon transversum bis zu 5 mm. Die Ileokoloskopie ergab den Befund eines floriden Morbus Crohn mit segmentaler Pancolitis insbesondere im Bereich des Colon transversum und Colon descendens mit Beteiligung des terminalen Ileums. Die Dünndarm-Kontrastaufnahme nach Sellinck zeigte im Bereich des terminalen Ileums auf einer Länge von 10 cm ein typisches Pflastersteinrelief ohne Hinweis auf Stenose.

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Therapie und Verlauf

Die Patientin litt offensichtlich an einem akuten Schub bei steroidabhängigem Verlauf ihres Morbus Crohn. Die Sprunggelenksarthritis interpretierten wir als extraintestinale Manifestation der Grunderkrankung. Unter einer Therapie mit systemischen Steroiden (Prednisolon 1 mg/kg Körpergewicht) sistieren die Beschwerden, die Gelenkschwellung war vollständig rückläufig, die Stuhlfrequenz normalisierte sich nahezu. Supportiv behandelten wir zur Osteoporoseprophylaxe mit Vitamin D und Kalzium. Zeitgleich zur Steroidtherapie leiteten wir eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin in einer Dosierung von 2,5 mg/kg Körpergewicht ein. Diese Therapie wurde von der Patientin gut vertragen und unter anfangs 2-wöchentlicher, später monatlicher Kontrolle von Blutbild und Leberenzymen traten keine Zeichen der Hämato- oder Hepatotoxizität auf. Im weiteren Therapieverlauf konnten unter der Azathioprintherapie die Steroide über einen Zeitraum von 10 Wochen ausgeschlichen werden, ohne dass erneute Symptome auftraten.

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Fazit

Etwa die Hälfte der Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind Kandidaten für eine dauerhafte immunsuppressive Therapie. Dies sind die Patienten mit häufigen Krankheitsschüben, Patienten, bei denen mit Steroiden alleine keine Remission erzielt werden kann (steroidrefraktärer Verlauf) oder, wie im präsentierten Fall, solche bei denen die Steroidgabe zwar eine Remission erzielt, die aber bei Reduktion unter eine individuell unterschiedliche Schwellendosis regelhaft ein Rezidiv erleiden (steroidabhängiger Verlauf). Immunsuppressivum der ersten Wahl ist Azathioprin. Bei unserer Patientin kam komplizierend eine Sprunggelenksarthritis hinzu (periphere Arthropathie Typ I, große Gelenke betroffen, in der Regel Schub-assoziiert). Die Differentialdiagnostik zur septischen Arthritis kann schwierig sein, insbesondere bei hohem Fieber und massiv erhöhten Entzündungsparametern. Hier kann die Bestimmung von Procalcitonin hilfreich sein. Die Therapie dieser extraintestinalen Manifestation besteht in der Therapie der Grunderkrankung.

Prof. Dr. med. Eduard Stange

Abteilung Innere Medizin 1, Zentrum für Innere Medizin, Robert-Bosch-Krankenhaus

Auerbachstraße 110

70376 Stuttgart

Phone: 0711/81013406

Fax: 0711/81013793

Email: Eduard.Stange@rbk.de

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