Aktuelle Dermatologie 2003; 29(12): 521-523
DOI: 10.1055/s-2004-814300
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psoriasis am behaarten Kopf

Psoriasis of the ScalpRegine  Gläser1
  • 1Abt. Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Further Information

Regine Gläser

Abt. Dermatologie, Venerologie und Allergologie · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Schittenhelmstr. 7 · 24105 Kiel

Publication History

Publication Date:
04 February 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Der behaarte Kopf ist der häufigste Manifestationsort einer Psoriasis vulgaris. Während leichte und mittelschwere Formen hauptsächlich kosmetische Probleme bereiten und häufig mit Juckreiz einhergehen, kann ein schwerer Befall der Kopfhaut zu vorübergehendem, selten auch zu bleibendem Haarverlust führen. Bei der Therapie der Psoriasis am behaarten Kopf müssen die Besonderheiten der Kopfhaut und der verwendeten Medikamente berücksichtigt werden. Neben lokaltherapeutischen Maßnahmen muss im Einzelfall auch eine systemische Therapie erwogen werden. Der Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der Therapie der Psoriasis am behaarten Kopf.

#

Abstract

The scalp is the most frequently affected body site in patients with plaque-type psoriasis vulgaris. In mild and moderate forms cosmetic problems and pruritus are common, in severe cases, however, transient or rarely permanent hair loss may occur. Therapeutical approaches have to consider environmental specialties of the scalp and pharmacologic properties of the chosen drugs. Beside the local treatment modalities systemic therapy is necessary in individual cases. The article gives an overview over the most important aspects of treatment of scalp psoriasis.

Ein Befall der Kopfhaut besteht bei mehr als der Hälfte der Psoriasispatienten. Besonders bei Kindern gehört der Kopf häufig zu den primären Manifestationsorten einer Psoriasis. Bei etwa 7 % der Patienten mit Psoriasis besteht ein alleiniger Befall der Kopfhaut.

Schuppenbildung und Juckreiz sowie die Sichtbarkeit der Läsionen vor allem bei Überschreiten der Haargrenzen führen zu kosmetischen aber auch psychischen Problemen bei den betroffenen Patienten [1].

Die Psoriasis capitis erscheint klinisch in Form scharf begrenzter erythematöser Herde an der Kopfhaut mit festhaftenden silbrigen Schuppenauflagerungen (Abb. [1]). Die Herde können lokal begrenzt oder großflächig auftreten und überschreiten typischerweise den Haaransatz. Die Kopfhautpsoriasis kann zu Haarausfall führen. Bei der reversiblen psoriatischen Alopezie, die bei bis zu 66 % der Patienten beobachtet werden kann, wachsen die Haare im Bereich der Psoriasisplaques weniger dicht und zeigen viele dystrophische oder telogene Haarwurzeln im Trichogramm. Vernarbungen und eine damit irreversible Alopezie können in der Folge von Verletzungen durch Kratzen bei starkem Juckreiz auftreten, sind insgesamt bei der Psoriasis aber selten [2].

Zoom Image

Abb. 1 Typische Psoriasis capitis mit Befall der Stirn-Haar-Grenze.

Allerdings können auch zur Psoriasistherapie verwendete Medikamente zu einem passageren Haarverlust führen. Besonders bei der Anwendung von Methotrexat und Acitretin ist ein Effluvium nicht selten als Nebenwirkung zu beobachten. Auf der anderen Seite kann die Gabe von Ciclosporin mit einer Hypertrichose einhergehen, die auch zu verstärktem Haarwachstum am Kopf führt [3].

Eine klinische Besonderheit entsteht durch Einmauerung der Haarschäfte mit Schuppenkrusten und kann als Maximalvariante der Kopfhautpsoriasis ein „asbestartiges” Bild verursachen, das die klinische Entität der Pityriasis amiantacea bzw. Tinea asbestosa charakterisiert (Abb. [2]). Die Bezeichnung „Tinea” ist dabei aber irreführend, eine mykotische Infektion besteht nicht.

Zoom Image

Abb. 2 Tinea asbestosa als Maximalvariante einer Schuppenbildung am behaarten Kopf.

Allerdings muss in die Differenzialdiagnose einer isoliert am behaarten Kopf bestehenden Psoriasis auch eine oberflächliche Mykose, selten auch eine tiefe Trichophytie mit einbezogen werden.

#

Therapie der Kopfhautpsoriasis

#

Keratolyse

Ein wichtiges Ziel bei der Behandlung der Psoriasis capitis ist die Beseitigung der störenden Schuppenbildung und die möglichst langfristige Verminderung der Schuppenneubildung. Wesentlicher Bestandteil der Therapie sind schuppenlösende Shampoos mit verschiedenen Wirkstoffen. Bewährt haben sich Salizylsäure, Pyrithion-Zink aber auch antimykotische Zusätze wie Ketozonazol oder Climbazol. Auch teerhaltige Shampoos können hier wirksam sein, jedoch wird der starke Geruch häufig als störend empfunden.

Bei sehr starker und festhaftender Schuppung kann eine Vorbehandlung durch lokale Anwendung salizylsäurehaltiger Lösungen, Öle oder auswaschbarer Cremes, selten auch stationär oder teilstationär, unter Folienokklusion sinnvoll sein. (Cave! Toxizität besonders bei Kindern.)

Sehr gute schuppenlösende Eigenschaften haben einfache emulgierende Cremes wie Unguentum emulsificans aquosum oder Onguent Roche-Posay® ohne weitere Zusätze. Diese werden abends aufgetragen, in die schuppenden Herde eingerieben und morgens mit herkömmlichen Shampoos ausgewaschen. Die Therapie ist auch besonders für Kinder geeignet!

#

Differente Lokaltherapie

Bei Juckreiz können besonders Kortikoide mit Erfolg eingesetzt werden [4]. Geeignet sind meist kortikoidhaltige Lösungen. Lösungen mit großem Alkoholanteil können mitunter zu Reizungen oder Austrocknungserscheinungen der Kopfhaut führen. Bewährt hat sich auch die Anwendung kortikoidhaltiger Cremes in auswaschbaren Grundlagen, die vorzugsweise abends aufgetragen und morgens ausgewaschen werden. Zur Verstärkung des Effektes können über Nacht Kopfverbände (z. B. TG-Schlauchverband Nr. 4) angelegt werden.

Besonders gut hat sich in unserer Klinik bei der Therapie der Kopfhautpsoriasis die Mischung von Diprosone®- oder Ecural®-Lösung und Propylenglycol zu gleichen Teilen bewährt. Durch die große Benetzungsfähigkeit dieser Lösung kann die Rezeptur sehr sparsam angewendet werden. In der Regel genügt die einmal tägliche Anwendung abends. Am Morgen können die Haare mit handelsüblichem Shampoo gewaschen werden. Nach zwei bis drei Therapiewochen ist meist eine weitgehende Abheilung der Herde erreicht.

Nach einer zeitlich begrenzten Behandlung mit Kortikoiden (ca. zwei bis drei Wochen) kann erfolgreich mit Vitamin-D3-Analoga weiterbehandelt werden [5]. Hier bieten sich Calcipotriol-haltige Lösungen (Daivonex®- oder Psorcutan®-Lösung) an, die jedoch mitunter zu Reizwirkungen und Austrocknung führen können. Die neu eingeführte Tacalcitol-haltige Emulsion (Curatoderm®-Emulsion) wird hier offensichtlich besser vertragen. Jedoch ist es auch mit gutem Erfolg möglich, Calcipotriol-haltige Creme abends in die befallenen Bereiche einzureiben und morgens mit einem Shampoo auszuwaschen. (Auf die Verschreibung der Creme achten, da sich die Salbe praktisch nicht auswaschen läßt!) Diese Medikamente können jedoch auch ohne Kortikoid-Vorbehandlung als Monotherapie eingesetzt werden. Neben der entzündungshemmenden Wirkung besitzen diese Vitamin-D3-Analoga eine sehr gute Wirkung auf die Schuppenneubildung. Diese Therapie kann nach Erreichen eines für den Patienten befriedigenden Zustandes der Kopfhaut als Dauerbehandlung ein- bis dreimal wöchentlich durchgeführt werden. Da Langzeitnebenwirkungen nicht bekannt sind, eignet sich diese Methode zur effektiven Kontrolle einer Psoriasis capitis über längere Zeit [6]. Allerdings enthält die Fachinformation von Daivonex®- und Psorcutan®-Creme noch den Hinweis, sie nicht am behaarten Kopf anzuwenden, hierüber müssen die Patienten aufgeklärt werden!

#

UV-Licht

Die regelmäßige Anwendung von UV-Licht in Form sog. Licht-Kämme kann bei einer ausgeprägten Psoriasis der Kopfhaut sinnvoll sein. Zuvor muss die Schuppung als Lichtbarriere komplett entfernt werden. Zu beachten ist ferner, dass Vitamin-D3-Analoga durch UV-Licht inaktiviert werden. Daher sollte die Anwendung derartiger Präparate immer nach der UV-Therapie durchgeführt werden.

Die besten therapeutischen Erfolge werden meist durch die richtige Kombination der verschiedenen Externa oder Verfahren erzielt. So stellt die Keratolyse durch emulgierende Cremes, gefolgt von einer kurzzeitigen Kortikoid-Therapie mit Übergang in die längerfristige Behandlung mit Vitamin-D3-Analoga sicher ein für die Mehrheit der Patienten gutes Therapiekonzept für die Psoriasis am behaarten Kopf dar.

#

Systemische Therapie

Sehr ausgedehnte Formen der Psoriasis capitis und Patienten mit beispielsweise Publikumskontakt bedürfen gelegentlich einer systemischen Therapie. Diese sollte zumindest so lange durchgeführt werden, bis ein ausreichender Rückgang der Läsionen erzielt worden ist. Anschließend kann eine konsequente Lokaltherapie beispielsweise mit Vitamin-D3-Analoga Rezidive vermindern. Zur systemischen Therapie eignen sich vor allem Ciclosporin und Fumarsäureester. Weniger geeignet ist Acitretin, da es unter der Behandlung gelegentlich zu einem passageren Haarausfall kommen kann.

#

Sonstige Therapieoptionen

Eine Pflegetherapie der Kopfhaut mit dem Ziel, nach einer differenten Lokalbehandlung eine Rezidivprophylaxe zu versuchen, ist im Prinzip nicht möglich. Bei der Wahl der Shampoos sollte bedacht werden, dass stark austrocknende Präparate durch ihre Reizwirkung nicht geeignet sind. Bewährt haben sich milde Shampoos oder die eingangs erwähnten Produkte mit keratolytischen Zusätzen. Von Haarwässern und Tinkturen ist wegen der meist alkoholischen Grundlage (Reizwirkung) abzuraten.

Frauen mit Psoriasis capitis sollten vor dem Legen einer Dauerwelle oder intensivem Haarfärben durch geeignete Therapiemaßnahmen einen guten Zustand der Kopfhaut erreichen. Auch hier sollte auf stark reizende Prozeduren und zu häufige Anwendung verzichtet werden.

#

Zusammenfassung

Für die Therapie der Kopfhautpsoriasis stehen heute eine Reihe wirksamer und verträglicher Behandlungsoptionen zur Verfügung, mit denen im Allgemeinen gute Erfolge erzielt werden können. Im Einzelfall kann allerdings auch die kurzzeitige teilstationäre oder stationäre Behandlung zur Einleitung einer therapeutischen Strategie notwendig werden.

#

Literatur

  • 1 Gläser R. Kopfhautpsoriasis (Psoriasis capitis). In: Christophers E, Mrowietz U, Sterry W (Hrsg) Psoriasis auf einen Blick. Berlin; Blackwell 2003: 37-41
  • 2 Runne U, Kroneisen-Wiersma P. Psoriatic alopecia: acute and chronic hair loss in 47 patients with scalp psoriasis.  Dermatology. 1992;  185 82-87
  • 3 van de Kerkhof P C, Franssen M E. Psoriasis of the scalp. Diagnosis and management.  Am J Clin Dermatol. 2001;  2 159-165
  • 4 Feldman S, Housman T. Patients’ vehicle preference for corticosteroid treatments of scalp psoriasis.  Am J Clin Dermatol. 2003;  49 221-224
  • 5 Koo J. Vitamin D and scalp psoriasis.  Cutis. 2002;  70 21-24
  • 6 Thaci D, Daiber W, Boehncke W H, Kaufmann R. Calcipotriol solution for the treatment of scalp psoriasis: evaluation of efficacy, safety and acceptance in 3396 patients.  Dermatology. 2001;  203 153-156

Regine Gläser

Abt. Dermatologie, Venerologie und Allergologie · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Schittenhelmstr. 7 · 24105 Kiel

#

Literatur

  • 1 Gläser R. Kopfhautpsoriasis (Psoriasis capitis). In: Christophers E, Mrowietz U, Sterry W (Hrsg) Psoriasis auf einen Blick. Berlin; Blackwell 2003: 37-41
  • 2 Runne U, Kroneisen-Wiersma P. Psoriatic alopecia: acute and chronic hair loss in 47 patients with scalp psoriasis.  Dermatology. 1992;  185 82-87
  • 3 van de Kerkhof P C, Franssen M E. Psoriasis of the scalp. Diagnosis and management.  Am J Clin Dermatol. 2001;  2 159-165
  • 4 Feldman S, Housman T. Patients’ vehicle preference for corticosteroid treatments of scalp psoriasis.  Am J Clin Dermatol. 2003;  49 221-224
  • 5 Koo J. Vitamin D and scalp psoriasis.  Cutis. 2002;  70 21-24
  • 6 Thaci D, Daiber W, Boehncke W H, Kaufmann R. Calcipotriol solution for the treatment of scalp psoriasis: evaluation of efficacy, safety and acceptance in 3396 patients.  Dermatology. 2001;  203 153-156

Regine Gläser

Abt. Dermatologie, Venerologie und Allergologie · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Schittenhelmstr. 7 · 24105 Kiel

Zoom Image

Abb. 1 Typische Psoriasis capitis mit Befall der Stirn-Haar-Grenze.

Zoom Image

Abb. 2 Tinea asbestosa als Maximalvariante einer Schuppenbildung am behaarten Kopf.