Aktuelle Dermatologie 2003; 29(11): 477-479
DOI: 10.1055/s-2004-814171
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Reaktive perforierende Kollagenose bei einem 49-jährigen Diabetiker

Reactive Perforating Collagenosis in a 49-Year-Old Diabetic PatientH.  Voß1 , N.  Wroblewski1 , P.  Mayser1
  • 1Zentrum für Dermatologie und Andrologie, Justus-Liebig-Universität Gießen
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Dr. H. Voß

Zentrum für Dermatologie und Andrologie · Justus-Liebig-Universität Gießen

Gaffkystraße 14 · 35385 Gießen

Email: Heike.M.Voss@derma.med.uni-giessen.de

Publication History

Publication Date:
02 January 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Ein 49-jähriger Patient stellte sich mit seit 3 Monaten bestehenden juckenden Hautveränderungen in der dermatologischen Poliklinik vor. Primär entstanden erythematöse Papeln, die sich im Verlauf in krustös bedeckte Läsionen umwandelten. Das klinische Bild ließ im Zusammenhang mit einem beim Patienten bekannten Diabetes mellitus sowie Störungen der Leber- und Nierenfunktion an eine reaktive perforierende Kollagenose denken. Die Diagnosesicherung erfolgte histologisch, die Therapie wurde mit topischen Steroiden und Vitamin-A-Säure-Derivaten eingeleitet.

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Abstract

A 49-year-old diabetic man presented at the dermatology outpatient clinic because of pruritic skin lesions experienced for three months. The initially erythematous papules had gradually changed into crusted lesions. In view of the patient’s known diabetic condition and impaired liver and kidney function, the clinical picture suggested reactive perforating collagenosis. The diagnosis was established histologically, therapy was initiated with topical steroids and acid derivatives of vitamin A.

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Einleitung

Die reaktive perforierende Kollagenose gehört zur Gruppe der perforierenden Erkrankungen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass geschädigtes Kollagen aus der Dermis an die Hautoberfläche ausgeschleust wird. Klinisch finden sich zuerst erythematöse Papeln, im Verlauf krustös bedeckte Läsionen. Der genaue Mechanismus der Kollagenschädigung bei der reaktiven perforierenden Kollagenose ist ungeklärt. Diskutiert werden neben einer rein mechanischen Schädigung der Kollagenfasern Umbauprozesse im Rahmen von vorbestehenden Grunderkrankungen wie beispielsweise dem Diabetes mellitus.

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Anamnese

Der 49-jährige Patient litt seit 10 Jahren unter generalisiertem Pruritus. Seit 3 Monaten traten am ganzen Körper juckende Hautveränderungen hinzu. Diese begannen als hautfarbene bis erythematöse Papeln, die sich im weiteren Verlauf in von grünlich-bräunlichen Krusten bedeckte Läsionen mit einem geröteten Hof umwandelten. Die bisher beim niedergelassenen Hautarzt durchgeführte Phototherapie sowie die Anwendung von topischen und systemischen Steroiden zeigte keinen Erfolg. Seit 20 Jahren litt der Patient an Diabetes mellitus bei endo- und exokriner Pankreasinsuffizienz nach Teilresektion des Pankreas bei chronisch obstruktiver Pankreatitis. Weiter bestand Zustand nach Hemikolektomie, Dünndarmteilresektion, Cholezystektomie, Gastroenterostomie mit biliodigestiver Anastomose sowie rezidivierende Pankreasgangsteine mit intermittierender Stent-Einlage und eine rezidivierende Nephrolithiasis.

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Dermatologischer Aufnahmebefund

Am Körperstamm sowie an den Armen fanden sich multiple disseminierte hautfarbene bis erythematöse Papeln sowie mit einer festhaftenden grünlich-bräunlichen Kruste belegte, zentral etwas eingesunkene Ulzera mit einem geröteten Randsaum ( 3 - 6 mm) (Abb. [1]).

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Abb. 1 Nahaufnahme von älteren Läsionen. Man erkennt eine zentrale Einsenkung mit der aufliegenden Kruste, Rötung des Randbereichs.

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Befunde diagnostischer Untersuchungen

Histologie: Es wurde eine Probe von einer Papel sowie einem krustös belegten Ulkus entnommen, formalinfixiert und HE gefärbt. Der histologische Befund der Papel (frische Läsion) zeigte eine akanthotische Verbreiterung der Epidermis im Papillenbereich sowie ein geringfügiges Entzündungsinfiltrat in der Dermis. Weiterhin fanden sich bläulich gefärbte Bindegewebsfasern, welche degeneriertem Kollagen entsprachen. Die Biopsie des krustös belegten Ulkus (alte Läsion) zeigt Abb. [2]. In der Elastika-Färbung (Abb. [3]) sind neben Kollagenfasern auch Fragmente elastischer Fasern im Ulkusgrund zu finden.

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Abb. 2 Zentraler Defekt der Epidermis. Im zentralen Krater findet sich Debris aus nekrotischen basophilen Kollagenfasern und Entzündungszellen. In der Dermis degenerierte Kollagenfasern, die sich teilweise perpendikulär zur Hautoberfläche anordnen und in das Ulkus hineinreichen. Entzündliches Begleitinfiltrat.

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Abb. 3 Die Elastika-Färbung zeigt eine den Follikel involvierende Ulzeration. Apikal Debris und neutrophile Granulozyten. Von der Dermis ragen Kollagenfasern und Fragmente elastischer Fasern in den Ulkusgrund.

Pathologische Laborparameter: Thrombozyten 90 000/µl, Glukose 287, Kreatinin 1,6, GOT 21, GPT 37, GGT 53, alkalische Phosphatase 213, Gallensäuren 54,1 µmol/l, HbA1c 8,3 %.

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Therapie

Die Therapie erfolgte extern mit Steroiden sowie mit dem Vitamin-A-Säure-Derivat Tretinoin. Im Falle einer ausbleibenden Besserung unter dieser Therapie wurde eine interne Behandlung mit Allopurinol geplant, eine Wiedervorstellung fand bisher jedoch nicht statt.

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Diskussion

Der Hautbefund des Patienten ließ im Zusammenhang mit dem 20 Jahre bestehenden Diabetes mellitus sowie Störungen der Leber- und Nierenfunktion an eine reaktive perforierende Kollagenose denken. Die Diagnose konnte histologisch bestätigt werden.

Perforierende Erkrankungen zeichnen sich dadurch aus, dass dermales Material durch die Epidermis an die Hautoberfläche ausgeschleust wird. Dieser Vorgang wird auch als Transepidermale Elimination (TEE) bezeichnet. Primäre Dermatosen mit TEE werden von Hauterkrankungen mit TEE als Sekundärphänomen unterschieden. Zu den primären Dermatosen mit TEE gehört neben der Elastosis perforans serpiginosa, der perforierenden Follikulitis und der Hyperkeratosis follicularis et parafollicularis in cutem penetrans auch die reaktive perforierende Kollagenose [1]. Eine angeborene Form wird von der erworbenen Form unterschieden. Die angeborene Form beginnt im Kindesalter und neigt zur Persistenz bis ins Erwachsenenalter. Die erworbene Form tritt im Rahmen von verschiedenen Grunderkrankungen, v. a. im Zusammenhang mit Diabetes mellitus und seinen Folgeerkrankungen sowie bei Niereninsuffizienz, auf. Weiterhin sind Assoziationen zu Lymphomen, AIDS, Hyper/Hypothyreose, und Leberfunktionsstörungen beschrieben [2].

Die genaue Pathogenese der reaktiven perforierenden Kollagenose ist ungeklärt. Geschädigtes Kollagen wird im Rahmen einer Entzündungsreaktion an die Hautoberfläche ausgeschleust. Geringfügige superfizielle Traumen werden als wichtige Ursache der Kollagenschädigung diskutiert [1], z. B. durch Kratzeffekte bei Juckreiz im Rahmen eines Diabetes mellitus [3]. Die mechanische Induzierbarkeit der Läsionen konnte experimentell gezeigt werden [4]. Weiterhin könnte eine Minderdurchblutung der dermalen Strukturen bei diabetischer Mikroangiopathie die Entstehung der Läsionen begünstigen [5].

Auch eine lang bestehende Hyperglykämie sowie erhöhter oxidativer Stress mit vermehrter Bildung von advanced glycation endproducts (AGE) und veränderter Vernetzung von kollagenen Fasern wird im Rahmen der Pathogenese der reaktiven perforierenden Kollagenose diskutiert [6].

Klinisch finden sich zunächst stecknadelkopfgroße, hautfarbene Papeln, die auf eine Größe von 5 - 10 mm heranwachsen können. Es bildet sich eine zentrale Eindellung, die mit einer grünlich-braunen, fest haftenden Kruste belegt ist (Abb. [1]). Prädilektionsstellen der Läsionen sind bei der angeborenen Form die Streckseiten der Knie, Ellenbogen und Handgelenke; bei der erworbenen Form ist eher der Stamm betroffen. Pruritus kann begleitend auftreten. Die Hautveränderungen sind durch mechanische Reize auslösbar und zeigen lineare Anordnung. Die Einzelläsionen können unter leichter Narbenbildung und Hypopigmentierung innerhalb von 2 - 6 Wochen spontan abheilen [7].

Die klinische Diagnose einer reaktiven perforierenden Kollagenose wird histologisch bestätigt. In der HE-Färbung basophil gefärbtes Kollagen, welches in ein darüber gelegenes Ulkus mit basophilem Debris und Entzündungszellen hineinragt, ist die wegweisende Veränderung. Die einzelne Hautläsion durchläuft verschiedene Stadien: Anfangs findet man lediglich eine akanthotisch verbreiterte Epidermis mit darunter liegendem basophilem Kollagen; in reiferen Läsionen ein Ulkus mit basophilem Debris. Von der Dermis reichen basophil gefärbte degenerierte Kollagenfasern in das Ulkus hinein, begleitet von einem stärker ausgeprägten entzündlichen Infiltrat. Im späten Stadium einer Läsion findet man basophilen Debris auf einer bereits reepithelialisierenden Epidermis [1] [8]. Eine Entnahme von mehreren Biopsien kann zur Diagnosesicherung nötig sein.

Die Therapie erfolgt symptomatisch. Lokal können wie in diesem Fall zunächst durchgeführt, Kortikosteroide sowie Retinoide verwendet werden [9] [10], weiterhin ist die Durchführung einer Phototherapie [11] [12] möglich. In einigen Fällen wurde Allopurinol (100 mg/Tag) - auch bei normalem Harnsäurespiegel - erfolgreich eingesetzt [13] [14]. Allopurinol wirkt protektiv gegen oxidativen Stress [15], dem in der Pathogenese der reaktiven perforierenden Kollagenose bei der Schädigung kollagener Fasern eine Bedeutung zugesprochen wird. Die Quervernetzung kollagener Fasern durch advanced glycation endproducts (AGE) könnte so reduziert werden.

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Literatur

  • 1 Mehregan A H, Schwartz O D, Livingood C S. Reactive perforating collagenosis.  Arch Dermatol. 1967;  96 277 - 282
  • 2 Faver I R, Daoud M S, Daniel W P. Acquired reactive perforating collagenosis.  J Am Acad Dermatol. 1994;  30 575 - 580
  • 3 Poliak S C, Lebwohl M G, Parris A, Prioleau P G. Reactive perforating collagenosis associated with diabetes mellitus.  New Engl J Med. 1982;  306 81-84
  • 4 Bovenmyer A. Reactive perforating collagenosis. Experimental production of the lesion.  Arch Dermatol. 1970;  102 313 - 317
  • 5 Cochran R J, Tucker S B, Wilkin J K. Reactive perforating collagenosis of diabetes mellitus and renal failure.  Cutis. 1983;  31 55 - 58
  • 6 Monnier V M, Glomb M, Elgawish A, Sell D R. The mechanism of collagen cross-linking in diabetes: a puzzle nearing resolution.  Diabetes. 1996;  45 Suppl 3 67 - 72
  • 7 Braun-Falco O. Dermatologie und Venerologie, 4. Aufl. Berlin; Springer 1996
  • 8 Yanagihara M, Fujita T, Shirasaki A, Ishiguro K, Kawahara K I, Ueda K. The pathogenesis of transepithelial elimination of the collagen bundles in acquired reactive perforating collagenosis.  J cutan Pathol. 1996;  23 398 - 403
  • 9 Rook A J, Wilkinson D S, Ebling A J. Textbook of Dermatology. 6th edition. Vol. 2. Oxford; Blackwell Scientific Publication 1996
  • 10 Altmeyer P. Therapielexikon Dermatologie und Allergologie. Berlin; Springer 1998
  • 11 Serrano G, Aliaga A, Lorente M. et al . Reactive perforating collagenosis responsive to PUVA.  Int J Dermatol. 1988;  27 118 - 119
  • 12 Vion B, Frenk E. Erworbene reaktive Kollagenose des Erwachsenen: erfolgreiche Behandlung durch UVB-Licht.  Hautarzt. 1989;  40 448 - 450
  • 13 Krüger K, Tebbe B, Krengel S, Goerdt S, Orfanos C E. Acquired reactive perforating dermatosis - successful treatment of two cases with allopurinol.  Hautarzt. 1999;  50 115 - 120
  • 14 Querings K, Balda B R, Bachta D. Treatment of acquired reactive perforating collagenosis with allopurinol.  Brit J Dermatol. 2001;  145 174 - 176
  • 15 Lonn E, Factor S M, Van Hoeven K H, Wen W H, Zhao M, Dawood F, Liu P. Effects of oxygen free radicals and scavangers on the cardiac extracellular collagen matrix during ischemia-reperfusion. Can J.  Cardiol. 1994;  10 203 - 213

Dr. H. Voß

Zentrum für Dermatologie und Andrologie · Justus-Liebig-Universität Gießen

Gaffkystraße 14 · 35385 Gießen

Email: Heike.M.Voss@derma.med.uni-giessen.de

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Literatur

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Abb. 1 Nahaufnahme von älteren Läsionen. Man erkennt eine zentrale Einsenkung mit der aufliegenden Kruste, Rötung des Randbereichs.

Zoom Image

Abb. 2 Zentraler Defekt der Epidermis. Im zentralen Krater findet sich Debris aus nekrotischen basophilen Kollagenfasern und Entzündungszellen. In der Dermis degenerierte Kollagenfasern, die sich teilweise perpendikulär zur Hautoberfläche anordnen und in das Ulkus hineinreichen. Entzündliches Begleitinfiltrat.

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Abb. 3 Die Elastika-Färbung zeigt eine den Follikel involvierende Ulzeration. Apikal Debris und neutrophile Granulozyten. Von der Dermis ragen Kollagenfasern und Fragmente elastischer Fasern in den Ulkusgrund.