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DOI: 10.1055/s-2003-45212
Psychiatrische Praxis: Das dreißigste Jahr
Psychiatrische Praxis: 30th AnniversaryPublication History
Publication Date:
05 December 2003 (online)
Mit der letzten Ausgabe dieses Jahres vollendet die Psychiatrische Praxis ihr dreißigstes Jahr. Seit drei Jahrzehnten steht sie - trotz des ein wenig irreführenden Namens - im Dienste der sozialpsychiatrischen Forschung im deutschsprachigen Raum, im Dienste der Entwicklung zeitgemäßer psychiatrischer Versorgung auf der Grundlage sozialpsychiatrischer Forschung. Die Psychiatrische Praxis war aber von Anfang an breiter angelegt. Sie widmete sich auch klinischen Themen aus dem gesamten Spektrum der Psychiatrie. Den klinischen Aspekt haben wir vor allem auch durch unsere regelmäßigen Kasuistiken und durch die spezielle Textgattung der Kurzkasuistik akzentuiert. Die psychiatrische Fachpresseschau - später aktuelle Psychiatrie - sollte unseren Leserinnen und Lesern einen Blick über den Zaun ermöglichen - nicht nur den Einblick in die internationale psychiatrische Literatur vermitteln, sondern auch über die biologisch-psychiatrische Entwicklung und die Entwicklung der Neurowissenschaften berichten. Die Psychiatriegeschichte ist uns von Anfang an ein Anliegen gewesen; und ein besonderes Engagement haben wir vor allem im letzten Jahrzehnt bei der Pflege der Buchbesprechung gezeigt. Das soll auch so bleiben.
Die Psychiatrische Praxis zeichnet sich durch eine beachtliche personelle Kontinuität aus: Die Zeitschrift ist in den 30 Jahren von 9 Personen - jeweils drei bis fünf zugleich - herausgegeben worden, zwei Frauen und sieben Männern, von denen sich vier aus Altersgründen in den Ruhestand zurückgezogen haben. Von den Gründungsmitgliedern (Finzen, Köster, Rose) ist einer noch im Amt. Drei der vier Ausgeschiedenen wirken weiterhin aktiv an der Gestaltung der Zeitschrift mit. In den 30 Jahren hat die Psychiatrische Praxis nur zwei geschäftsführende Herausgeber gehabt, Hans Klaus Rose (18 Jahre) und mich.
Beim Rückblick können wir zufrieden feststellen, dass die Zeitschrift sich gut entwickelt hat. Von einer Anfangsauflage von 400 über 800 auf schließlich 1200 Abonnenten (es könnten auch ein paar mehr sein), von vier Heften jährlich mit einem Gesamtumfang von 240 Seiten im A5-Format auf acht Hefte im A4-Format mit über 400 Seiten. Dazu sind in den letzten Jahren regelmäßig zwei Supplementhefte gekommen. Auch inhaltlich hat die Zeitschrift den Leistungsauftrag weitgehend erfüllt, den sie sich selbst gegeben hat. Als Kind der Psychiatriereform hat sie diese wissenschaftlich und kommentierend begleitet und sich schließlich von ihr emanzipiert. Einer der Schwerpunkte war am Anfang die Konzeptentwicklung psychiatrischer Dienste. Später deren Umsetzung und Evaluation. Das ist gewiss einer der Gründe, weshalb die Versorgungsforschung in der Psychiatrischen Praxis auch heute noch ein so großes Gewicht hat. Die Beiträge von Claassen u. Priebe und von Holzinger u. Angermeyer in diesem Heft belegen das. Das 54 % aller Originalarbeiten die letzten Jahre sich mit Fragen der Versorgungsforschung befassen ist für Holzinger und Angermeyer allerdings auch ein Grund zur Besorgnis, weil auf diese Weise andere zukunftsweisende Gegenstände und Themen der Sozialpsychiatrie zwangsläufig vernachlässigt werden. Ich teilte diese Auffassung: Sozialpsychiatrie kann nicht vorrangig Versorgungsforschung sein. Sozialpsychiatrie ist ein Teilaspekt alles dessen, was uns bei Diagnose und Behandlung psychisch Kranker Menschen bewegt. Sie steht in einem konstruktiven Spannungsverhältnis zu den derzeit vorherrschenden neurobiologischen Perspektiven der Psychiatrie die aber sehr wohl geeignet sind, die sozialpsychiatrische Sichtweise zu befruchten und voranzutreiben. Solchen Entwicklungen werden wir in Zukunft mehr aktive Aufmerksamkeit schenken. Das gleiche gilt für die Intensivierung des Public-Mental-Health-Aspektes sowie für eine verstärkte Aufmerksamkeit auf Impulse, die uns die Entwicklung der Mutterwissenschaften der Sozialpsychiatrie, der Sozialwissenschaften vermitteln kann.
Wir nutzen die Gelegenheit zum Dank, zu allererst an unsere AutorInnen und unsere GutachterInnen, die die Gestaltung der Zeitschrift möglich gemacht haben und denen sie ihr zunehmendes wissenschaftliches Gewicht verdankt: derzeitiger Impaktfaktor fast 1,3 nach 1,1 und 0,9 in den Vorjahren. Unser Dank gilt aber auch dem Verlag und seinen Mitarbeiterinnen.
Asmus Finzen, Basel