Der Klinikarzt 2003; 32(11): 373-378
DOI: 10.1055/s-2003-44530
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Digitale Krankenakte - Aspekte handlungsunterstützender klinischer Informationssysteme

Digital Patient Records - Aspects of Action-supporting Clinical Information Systems
P. Haas
Medizinische Informatik, Fachhochschule Dortmund
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Zusammenfassung

Obwohl medizinische Informationssysteme heute immer stärker in den klinischen Alltag implementiert werden, ist ihr tatsächliches Innovationspotenzial noch nicht annähernd ausgeschöpft. So könnten solche Systeme die Dokumentation im Sinne des effektiven Managements von Patientenakten und -dokumenten unterstützen. Möglich wäre es aber auch, mit ihrer Hilfe die Organisation des Termin-, Auftrags- und Workflowmanagements oder die Kommunikation mit internen und externen Partnen zu verbessern. Ein potenzieller Einsatzbereich könnte auch in der Unterstützung des ärztlichen Handelns und des Wissensmanagements liegen. Voraussetzung für entsprechende Funktionen ist jedoch ein prozessorientiertes medizinisches Informationssystem, in dem auch eine digitale Krankenakte integriert ist. Im Vordergrund steht dabei immer der unterstützende Aspekt des Informationssystems - elektronische Automatismen ersetzen die Handlungsautonomie des Arztes nicht, sie schränken diese auch nicht ein. Damit können medizinisch orientierte klinische Informationssysteme einen wesentlichen Beitrag zu einer modernen Gesundheitsversorgung leisten und zu einem ähnlich effektiven Instrument werden, wie es bereits die Verfahren der medizinisch-technischen Informatik sind.


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Summary

Although medical information systems are increasingly being integrated into the everyday clinical situation, their true innovation potential has by no means been exhausted. Such systems could, for example, support documentation by enabling effective management of patient records and documents. Another possibility would be improving the organization of appointments, orders and workflow management, or communication with internal and external partners. A potential field of use would be supporting medical activities and the management of information. A prerequisite for relevant functions is, however, a processor-orientated medical information system in which digital patients' records are also integrated. The main emphasis is, however, on the supporting function of such systems - digital automatism cannot replace the physician's autonomy of action, nor may it restrict it in any way. Under this proviso, medically-oriented clinical information systems can make a major contribution to modern health care, and become just as effective an instrument as medical technological informatics already are.


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Medizinische Informationssysteme halten zunehmend Einzug in den klinischen Alltag und leisten einen wesentlichen Beitrag zur effektiven und transparenten Versorgung im Krankenhaus. Eingeleitet wurde diese Entwicklung Mitte der 80er Jahre mit der Bundespflegesatzverordnung und der damit einhergehenden Notwendigkeit der Diagnosendokumentation. Seither haben mehrere Gesetzeswellen bis hin zur Einführung der so genannten „diagnosis related groups” (DRGs), die eine detaillierte Dokumentation von Diagnosen und Leistungen erfordern, die Anforderungen an diese Informationssysteme aber auch an den dokumentierenden Arzt kontinuierlich erhöht.

Leider stand bei der Implementierung dieser Informationssysteme die Unterstützung der Dokumentation für die Verwaltung - also für Abrechnung und Kostenrechnung - im Vordergrund der Überlegungen. Umfassende medizinische Informationssysteme sollten aber durch darüber hinaus gehende Funktionen ein hilfreiches Werkzeug in der Hand des klinisch tätigen Arztes sein und auch den klinischen Versorgungs- und Entscheidungsprozess unterstützen.

Die digitale Krankenakte

Die Vielfalt der verschiedenen Definitionen zur digitalen („elektronischen”) Krankenakte in der einschlägigen Literatur zeigt, wie schwer es ist, diesen weit gefassten Begriff tatsächlich zu operationalisieren und ihm Leben einzuhauchen [5] [7] [14]. Laut der einfachsten Definition ist eine digitale Akte „die vollständig auf digitalen Speichermedien abgelegte Sammlung der medizinischen Informationen zu einem Patienten sowie die zugehörige Interaktions- und Präsentationskomponete” [9]. Prinzipiell ist damit eine Speicherung aller Dokumente in gescannter Form - wie es zum Beispiel gängige Dokumentenmanagementsysteme möglich machen - schon eine digitale Krankenakte [Abb. 1]. Bei Waegemann, der fünf Stufen zum „Electronic Health Record” beschreibt, entspricht dies der zweiten Stufe, dem „computerized medical record” [17].

Dokumentenorientierte Informationssysteme

An dieser Definition orientieren sich dokumentenorientierte medizinische Informationssysteme. Sie stellen architektonisch das einzelne Dokument in den Mittelpunkt und erlauben es, die vielfältigen medizinischen Dokumente elektronisch zu erfassen, abzulegen und wiederzufinden. Die Interaktions- und Präsentationskomponente dieser so realisierten digitalen Akten orientiert sich zumeist an den bekannten Ordnerstrukturen eines allseits präsenten Betriebssystems [Abb. 1]. Das konkrete Arbeiten mit diesen Akten ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Navigations- und Suchvorgängen, um eine bestimmte Information bzw. ein Dokument zu finden. Fraglich bleibt bei diesem Lösungsansatz der gewinnbringende Nutzen, denn dieser beschränkt sich hier auf den Zugriff auf Vorhandenes.

Wird jedoch eine weiter gehende handlungsorientierte Unterstützung durch den Einsatz der Informationstechnologie erwartet, reicht eine solche Definition bzw. Implementierung der digitalen Krankenakte nicht mehr aus. Dazu ist es nötig, so genannte Metadaten zu Dokumenten (z.B. Art des Dokuments; medizinische Prozedur, die damit dokumentiert wird) ergänzend zu erfassen und zu speichern. Auch inhaltliche Einzelangaben bestimmter Dokumente gehören in diesen Bereich.

Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen: Die Speicherung verschiedener gescannter Formulare zur Bartheleinstufung erlaubt es, diese zwar wieder abzurufen, sie ermöglicht aber weder die automatische Berechnung des Summenscores, noch eine grafische Verlaufsdarstellung der einzelnen Einstufungen oder des Gesamtscores. Denn auf die Werte aus dem gescannten Dokument kann nicht zurückgegriffen werden. Eine weitere Verarbeitung oder eine andere Präsentation der Daten ist also nicht möglich!

Die vorangehende Definition muss demnach eine Erweiterung im folgenden Sinne erfahren: „Die digitale Patientenakte ist die vollständig auf digitalen Speichermedien abgelegte Sammlung der medizinischen Informationen zu einem Patienten in einer für die Erfüllung der Primärziele und der nachgeordneten Verwendungszwecke einer Krankenakte ausreichend strukturierten und formalisierten Form sowie die zugehörigen Interaktions- und Präsentationskomponente(n)” [9].


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Prozessorientierte Informationssysteme

Im Fokus der prozessorientierten Informationssysteme steht daher der Behandlungsprozess mit seinen einzelnen Handlungen und den diesen zugeordneten Dokumenten, Diagnosen und Ereignissen [Abb. 2]. Dreht man diesen zeitorientierten Prozess um 90 Grad, so erhält man eine zeitverlaufsorientierte (elektronische) Darstellung des Behandlungsprozesses im Informationssystem [Abb. 3]. Werden den einzelnen Handlungen nun die zugehörigen Dokumente - wie zum Beispiel Formulare, Bilder oder Videos - zugeordnet, erschließen sich die Dokumente und die Inhalte der Akte zeitlich und inhaltlich kontextuell über den Prozess.

Über die semantisch benannten und innerhalb einer Versorgungseinrichtung standardisierten Handlungsbegriffe (Maßnahmen, Prozeduren) lässt sich die so vorliegende Krankenakte nach beliebigen Kriterien filtern und ordnen: So ist beispielsweise ein Überblick zu allen durchgeführten Röntgenuntersuchungen, allen EKGs oder bestimmten konkreten Maßnahmen möglich, aber auch alle Maßnahmen bezogen auf eine bestimmte Diagnose sind nachzuvollziehen.

Das konkrete Arbeiten mit diesen Akten ist gekennzeichnet durch

  • eine geringe Navigationstiefe - wodurch man sehr schnell und gezielt zu bestimmten Informationen gelangt

  • eine hohe semantische Transparenz

  • vielfältige Filter- und Sortierkriterien.

So bieten medizinische prozessorientierte Informationssysteme die Möglichkeit, Behandlungsprozesse retrospektiv sowohl medizinisch für das Qualitätsmanagement als auch ökonomisch für die Prozesskosten- und Deckungsbeitragsrechnung auszuwerten. Vor allem ermöglichen sie aber auch eine Behandlung - z.B. mittels definierter Pfade oder Leitlinien - prospektiv zu planen und zu überwachen. Daher ist die Prozessorientierung dieser Systeme das Paradigma der Zukunft, die Voraussetzung für den Einsatz klinischer Pfade und die Implementierung eines (auch einrichtungsübergreifenden) Case-Managements.

Damit ist die digitale Krankenakte Teil und Basis klinischer Informationssysteme. Darüber hinaus macht sie aber auch die Erfassung und die Verwaltung von Einzelinformationen sowie Funktionalitäten möglich, die über den statischen Aspekt einer digitalen Krankenakte - Erfassen, Archivieren und Wiederfinden von Patientenakten und -dokumenten - weit hinausgehen.


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Handlungsunterstützende Bausteine

Die entscheidende Frage auf Basis der vorangehenden Definition ist also: Welche Primärziele und nachgeordneten Verwendungszwecke bilden die Intentionen für den Einsatz einer digitalen Krankenakte? Drängt man einmal die verwaltungsorientierten Zielsetzungen in den Hintergrund, so sind die vorrangigen Aufgaben klinischer Informationssysteme:

  • die Unterstützung des ärztlichen Handelns

  • die Unterstützung des pflegerischen Handelns

  • die Unterstützung des Qualitätsmanagements

  • die Unterstützung der medizinischen und administrativen Betriebsführung.

Unabhängig von der medizinischen Fachrichtung gibt es verschiedene Lösungsbausteine, wie klinische Informationssysteme diese Ziele umsetzen können.

Basisdokumentation, „Disease Staging” und Assessments

Die Vielzahl der in konventionellen Papierakten abgelegten Dokumente erlaubt keinen raschen und effizienten Überblick zum aktuellen Zustand des Patienten oder zur epikritischen Bewertung des - auch fallübergreifenden - Verlaufes. Dies ist aber wichtig, um strategische und taktische ärztliche Entscheidungen im Kontext einer Vielzahl von Variablen fällen zu können. Ein wesentliches Ziel klinischer Informationssysteme ist daher die effektive und übersichtliche Breitstellung aktueller medizinischer Informationen zu einem Patienten [3].

Schon früh wurde vor diesem Hintergrund das Konzept der klinischen Basisdokumentation vorgestellt [12], grundsätzliche Überlegungen gehen bis in die 30er Jahre zurück. Das Konzept hat aber aufgrund der nur aufwändigen Umsetzbarkeit auf Basis der Papierdokumentation - im Wesentlichen durch die doppelte Dokumentation von Diagnosen, Risikofaktoren usw. in den Detaildokumenten und auf einem gesonderten Basisdokumentationsbogen - nie breite Anwendung gefunden.

Erst elektronische Verfahren machen es heute möglich, einmal erfasste medizinische Angaben flexibel für verschiedenste Zwecke zusammenzustellen. Quasi „auf Knopfdruck” sind so die aktuellen Diagnosen, die aktuellen Probleme wie Risiken und Handicaps, die aktuellen Anordnungen und deren Durchführungsstatus sowie zum Beispiel ein fachspezifisches Assessment oder spezielle Scores rasch zu überblicken [Abb. 4].

Denkbar ist es auch, die aktuelle Medikation mit aufzunehmen. Zusätzlich wäre zum Beispiel denkbar, dass sich einzelne Assessmenteinstufungen bzw. Scores durch in anderen Dokumentationsfunktionen der Akte eingetragene Werte selbst aktualisieren [10]. Als Lösungsbaustein steht so quasi ein patientenbezogenes ärztliches „Informationscockpit” zur Verfügung, das medizinisches Handeln durch eine hohe, effektive und zeitnahe Informationstransparenz unterstützt und von dem aus auf weitere Detailinformationen und Dokumente bzw. neue Anordnungen verzweigt werden kann.


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Problemorientiertes Krankenblatt

Weltweit große Resonanz erfuhr das Konzept des problemorientierten Krankenblattes, das Larry Weed erstmals 1969 vorstellte [4] [18]: „Das Krankenblatt braucht nicht bloß eine statische proforma-Ablage von medizinischen Beobachtungen und Tätigkeitsnachweisen zu sein, die in sinnloser Anordnung nach ihren Quellen - Arzt, Schwester, Labor oder Röntgenabteilung - angelegt ist, anstatt mit Bezug auf die zugrunde liegenden Probleme. Es kann problemorientiert sein und damit zu einem dynamischen, strukturierten, kreativen Instrument werden, das eine umfassende und hochspezialisierte medizinische Versorgung ermöglicht.”

Grundidee ist die Orientierung bzw. die Ergänzung der Dokumentation und des ärztlichen Vorgehens an den spezifischen Problemen des Patienten. Auch dieses Konzept ließ sich aufgrund der vielen doppelten Schreibarbeit mit reinen papierbasierten Akten jedoch nicht konsequent umsetzen. Integriert in klinische Informationssysteme kann aber ein solcher Baustein sehr wohl zu einem wertvollen Instrument werden, in dem problembezogene Maßnahmen, Ziele, Verlaufsnotizen und Problemzusammenhänge dokumentiert werden können und Anordnungen in Bezug auf Einträge aus der Problemliste erfolgen [Abb. 5].


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Behandlungsmanagement und klinische Pfade

Ärztliches und pflegerisches Handeln ist gekennzeichnet durch die patientenorientierte problem- bzw. diagnosebezogene Strategie sowie durch situationsspezifische Einzelinterventionen bzw. -maßnahmen. Welche Leistungen sind jedoch zur differenzialdiagnostischen Abklärung notwendig - gegebenenfalls auch in welcher Reihenfolge? Welche Maßnahmen im Zeitverlauf sind bei einer Therapie gegebenenfalls mehrfach anzuwenden? Welchen klinischen Kernprozess führen wir generell bei Diagnose „x” immer durch?

Neben einem Handlungsprozess vor epidemiologischem Hintergrund und gesichertem Faktenwissen evidenzbasierter Vorgehensbeschreibungen im Rahmen von Leitlinien stehen viele Kliniken heute vor der Einführung klinischer Pfade. Diese sind im Gegensatz zu den Leitlinien vereinfachte, meist lineare multidisziplinäre Handlungsstränge, die sich auf ein definiertes Problem beziehen (z.B. eine Operation oder eine bestimmte Diagnose). Sie beschreiben, welche Handlungen am ersten Tag, am zweiten Tag usw. durchzuführen sind [6].

Ein Behandlungsmanagement kann auf der Basis prozessorientierter Informationssysteme ganz wesentlich unterstützt werden [8]: So können vordefinierte klinische Pfade elektronisch abgelegt werden [Abb. 7] - beispielsweise über entsprechende Definitionsbildschirme [Abb. 6] oder grafische Editoren [11]. Diese wiederum können bei Bedarf nach einer patientenbezogenen Individualisierung - wie das Streichen oder Hinzufügen verschiedener Maßnahmen oder das Ändern von zeitlichen Distanzen oder Frequenzen - direkt zur Abarbeitung bzw. Dokumentation in die digitale Krankenakte übernommen werden [Abb. 7].


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Benachrichtigungs- und Erinnerungsfunktionen

Ein weiterer hilfreicher Baustein, der heute in kommerzieller Software aber nur selten zu finden ist, sind die Benachrichtigungs- und Erinnerungsfunktionen („message” und „reminder”) in klinischen Systemen [1]. Definierte Eingaben oder Änderungen der Daten sind die Basis, auf deren Grundlage automatisiert elektronische Nachrichten an bestimmte Personen oder Gruppen verschickt werden, die an der Behandlung der Patienten beteiligt sind. Die Komplexität reicht hier von einfachen administrativen oder organisatorischen Benachrichtigungen bis hin zu wissensbasierten Remindern.

Ein einfaches Beispiel: Ein Arzt in MedAktIS - einem an der Fachhochschule Dortmund als Lehrexponat entwickelten klinischen Informationssystem - ändert den geplanten Entlassungstag. Daraufhin benachrichtigt das System automatisch jene Therapeuten (z.B. Logopäden, Physiotherapeuten) auf elektronischem Weg, bei denen der Patient regelmäßig zur Therapie ist. Gleichzeitig werden die Therapietermine im elektronischen Kalender der Therapeuten entsprechend bis zum neuen Entlassungstag verlängert (oder gekürzt). Zusätzlich erhält die zentrale Patientenaufnahme eine entsprechende eMail.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die automatische Benachrichtigung des behandelnden Arztes, wenn sich bestimmte Laborwerte normalisiert haben. Dieser kann dann gegebenenfalls die Medikation ändern. Möglich wäre aber auch die Meldung über neu eingetroffene Untersuchungsergebnisse oder eine Änderung des Zustands des Patienten auf Basis definierter Scores. All dies kann per elektronischer Post geschehen. Heute besteht zudem die Option, die Nachricht per SMS („short message service”) an Handys bzw. PDAs („personal digital assistants”) oder in geeigneter Weise an den Piepser zu übermitteln.


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Literaturdatenbanken und Wissensbasen

In den vergangenen Jahren können wir auf wichtige Informationsquellen der Medizin immer häufiger öffentlich und schnell zugreifen - entweder über das Internet oder über einschlägige Informationsdienste. Damit entstand die Möglichkeit, aus klinischen Informationssystemen heraus kontextsensitiv - also unter Einbezug der konkreten klinischen Situation eines bestimmten Patienten - individuelle Fragestellungen abzufragen [2] [13].

Auch hier ein einfaches Beispiel: In der Basisdokumentation bzw. dem Informationsbildschirm in Abbildung 4 zu einem aktuellen Fall sind die aktuellen Diagnosen links oben übersichtlich aufgelistet. Durch einen Klick mit der rechten Maustaste auf eine Diagnose erscheint ein Kontextmenü, mit dem es möglich ist, mit dieser Diagnose beispielsweise eine Recherche in MEDLINE zu starten [Abb. 8]. Dabei wird im Hintergrund für die Abfrage auch der zugeordnete ICD-Code - oder besser wenn eine entsprechende Transformationstabelle im klinischen System zum MESH („medical subject headings”) hinterlegt ist, der MESH-Code - für die Abfrage verwendet. Weitere Anwendungen dieser Funktion, zum Beispiel zur Aktivierung diagnose- und patientenbezogener Nachrichtendienste, sind denkbar.


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Entscheidungsunterstützende Funktionen

Abzugrenzen von all diesen Ansätzen, die im Wesentlichen vorhandene Informationen organisieren, kontextsensitiv auffinden und sachgerecht präsentieren sind wissensbasierte entscheidungsunterstützende Funktionen. Hier wendet das Informationssystem auf Basis einer hinterlegten Wissensbank selbstständig eben dieses „Wissen” an und gelangt zu Schlussfolgerungen oder Entscheidungsvorschlägen. So vielfältig und hoffnungsfroh die ersten Ansätze und Einschätzungen Mitte der 80er Jahre hierzu waren, so ernüchternd waren die tatsächlich erzielten Ergebnisse.

Bislang hat es die kombinatorische Explosion des Problemraumes in der Medizin nicht möglich gemacht, umfassende Diagnostikexpertensysteme zu implementieren. Der Arzt bleibt als handelnder Experte Souverän seines Berufsfeldes. Nur in sehr isolierten Betrachtungsbereichen wie der Labordiagnostik, der Auswertung von Signalen oder Bildern sowie der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten für die Prognose können wir heute von Computern expertenähnliche intelligente Leistungen erwarten. Insofern hat sich der Forschungsschwerpunkt des „medical knowledge enigneerings” von der Entwicklung „klassischer” Expertensysteme zum Aufbau wissensbasierter Systeme verlagert [15], deren Ziel es ist, dem Benutzer formal modelliertes und damit algorithmisch auffindbares und anwendbares Wissen schnell und kontextsensitiv zur Verfügung zu stellen.


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Abb. 1
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Abb. 2
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Abb. 3
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Abb. 4
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Abb. 5
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Abb. 6
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Abb. 7
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Abb. 8

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No conflict of interest has been declared by the author(s).

  • Literatur

  • 1 Balas EA. et al The clinical value of computerized information services. A review of 98 randomized clinical trials.. Archive of Family Medicine 1996; 271-278
  • 2 Cimino JJ. Linking patient information systems to bibliographic resources.. In: Methods of information in medicine. Stuttgart: Schattauer 1996; 122-126
  • 3 Clayton PD. The state of clinical information systems after four decades of effort.. In: Yearbook of medical informatics 01. Stuttgart: Schattauer Verlag 2001; 333-337
  • 4 Dahmer J. Anamnese und Befund. Stuttgart - New York: Thieme 1998; 519-537
  • 5 Dick RS, Steen EB. The computer-based patient record - an essential technology for health care.. Washington DC: National Academy Press; 1991
  • 6 Dykes KW. Critical pathways - Interdisziplinäre Versorgungspfade.. Bern: Verlag Hans Huber; 2002
  • 7 Haas P. Die Implementierung der digitalen Patientenakte. In: Krankenhaus Umschau.. Kulmbach: Baumann Verlag 1997; 21-25
  • 8 Haas P. DV-gestützte Behandlungsplanung und -management.. In: das krankenhaus. Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2000; 294-299
  • 9 Haas P. Script zur Lehrveranstaltung „Medizinische Informationssysteme”.. Intern. FH Dortmund; 2002
  • 10 Haas P, Höltmann B. Assessmentorientierung in klinischen Informationssystemen - Eine neue Dimension der IT-Unterstützung klinischen Handelns. In: Forum der Medizin_Dokumentation und Medizin_Informatik 4'2002 und 1'2003 Berufsverband Medizinischer Informatiker Eigenverlag;
  • 11 Haas RT. MedGUIDE - ein grafischer Editor für medizinische Leitlinien unter Berücksichtigung klinischer Entscheidungssituationen.. Diplomarbeit Fachhochschule Dortmund; 2001
  • 12 Immich H, Wagner G. Basisdokumentation.. In: Koller S, Wagner G (Hrsg). Handbuch der Medizinischen Dokumentation und Datenverarbeitung. Stuttgart - New York: Schattauer 1975; 335-390
  • 13 Johansson B. et al Database and knowledge base integration - A data mapping method for arden syntax knowledge modules.. Methods of information in medicine. 1996; 302
  • 14 Schmücker P, Ohr C, Beß A. et al Die elektronische Patientenakte.. Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie 1998; 29: 221-241
  • 15 Spitzer K, Bürsner S. Wissensbasierte Systeme in der Medizin.. In: Informationstechnik und technische Informatik 1994; 6: 53-58
  • 16 Wache C. et al Implementierung von Funktionen des problemorientierten Krankenblattes.. Praxisarbeit Studiengang Medizinische Informatik.
  • 17 Waegemann CP. Current status of EPR developments in the US.. In: Toward an Electronic Health Record '99 Medical Records Institute 1999; 116-118
  • 18 Weed LL. Medical records, medical care, and medical education.. Chicago: Year Book Medical Publishers Inc; 1969

Prof. Dr. Peter Haas
Fachhochschule Dortmund
Medizinische Informatik
Emil-Figge-Str. 42
44227 Dortmund

Publication History

Article published online:
20 November 2003

© 2003. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

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