Aktuelle Urol 2003; 34(2): 72-73
DOI: 10.1055/s-2003-44505
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Extended release Oxybutynin - gute Effektivität, weniger Nebenwirkungen

Ludger Franzaring1 , Joachim W. Thüroff1
  • 1Mainz
Further Information
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Dr. Ludger Franzaring
Prof. Joachim W. Thüroff

Mainz

Publication History

Publication Date:
23 April 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Der hyperaktive Detrusor verursacht Symptomen wie Pollakisurie, imperativen Harndrang und Dranginkontinenz. Der Standard in der Behandlung ist die medikamentöse Therapie, wobei Oxybutynin hier den Stellenwert einer Referenzsubstanz hat. Ursprünglich lag Oxybutynin in einer galenischen Form vor, die schnell wirkte und gut enteral absorbiert wurde. Um Nebenwirkungen zu reduzieren, die auf die Freisetzung von Metaboliten zurückgeführt werden, wurde eine neue Darreichungsform mit verzögerter Wirkstofffreisetzung entwickelt.

Das Oxybutynin wirkt effektiv gegen die Drangsymtomatik, allerdings limitierten hohe Nebenwirkungsrate (Mundtrockenheit) häufig die Therapie (1). Mit der Einführung einer Extended-release-Form (ERF) konnte bei gleichbleibender Wirkung durch eine gleichmäßige Freisetzung des Wirkstoffs die Nebenwirkungsrate gesenkt werden.

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Pathophysiologie der hyperaktiven Blase

Der genaue Mechanismus der Hyperaktivität der Blase ist nicht in allen Einzelheiten bekannt. Neurogene und muskuläre Aspekte kommen in Betracht (2, 3). Die Acetylcholin-induzierte Stimulation der postganglionären muskarinischen Rezeptoren der glatten Blasenmuskulatur beeinflusst die willkürliche und unwillkürliche Blasenkontraktionen. Hier unterscheidet man 5 unterschiedliche Muskarin-Rezeptoren (M1- M5) mit unterschiedlicher Verteilung an den Zielorganen. Der menschliche Blasenmuskel hat vorwiegend M2- und M3-Rezeptoren. Die Kontraktionen des glattmuskulären Detrusors werden aber vornehmlich über die in der Minderzahl vorliegenden M3-Rezeptoren mediiert (4, 5, 6). Die einzelnen Muskarin-Rezeptoren weisen neben unterschiedlicher Organverteilung ein unterschiedliches Bindungsverhalten zu Antagonisten auf, wodurch sich therapeutische Konsequenzen ergeben können [Tab. 1].

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Wirkweise von Oxybutynin

Oxybutynin wurde in den 1960er Jahren für die Therapie der gastrointestinalen Hypermobilität entwickelt. Weitere Untersuchungen zeigten einen Effekt auf den Detrusor mit Unterdrückung ungehemmter Blasenkontraktionen (7).

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Effektivität

Die Effektivität von Oxybutynin auf die Miktionssymptomatik wurde in zahlreichen Studien belegt. So konnten Mardersbacher et al. zeigen, dass sich bei 80 % der mit Oxybutynin (3 x 5 mg) behandelten Patienten die Symptome verbesserten (8). Dies konnte auch in einer multizentrischen, randomisierten Doppelblindstudie untermauert werden. Hier zeigten 58 % der 154 untersuchten Patienten eine Verbesserung der Symptomatik einer Detrusorhyperkontraktilität. Im Vergleich zu Plazebo trat der erste Harndrang der Patienten unter Oxybutynin deutlich später ein (9). Allerdings brachen ca. 30 % der mit Anticholinergika therapierten Patienten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab (10).

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Intravesikale Applikation

Vorteil dieser Applikation ist, dass weniger Nebenwirkungen auftreten. Dies erklärt sich durch die Umgehung des First-pass-Effektes (Metabolite). Nachteil dieser Applikationsform: wenig praktikabel und teuer.

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Rektale Applikation

Ähnlich wie bei der intravesikalen ist bei der rektalen Applikation der First-pass- Metabolismus vermindert. Ebenso liegt eine langsamere Resorption vor (10).

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Orale Applikation

Durch eine verzögerte Freisetzung aus dem Osmotic-Drug-Delivery-System OROS® können gleichbleibende Wirkspiegel erreicht werden. Dieses System besteht aus einer semipermeablen Membran, die eine Schicht mit Oxybutynin und eine Schicht mit einer osmotisch wirkenden Substanz enthält [Abb. 1]. Durch das Eindringen von Wasser expandiert die osmotische Substanz und Oxybutynin wird über eine kleine Öffnung kontrolliert ausgetrieben (11).

Hierdurch lassen sich gleichmäßige Serumspiegel ohne Schwankungen erzielen. Dies steht im Gegensatz zu den Wirkstoffspitzen des Serumspiegels bei einer 3-maligen Gabe bei der Immediate-release-Form (IRF). Dennoch stellt auch bei dieser Form die Mundtrockenheit die Hauptnebenwirkung dar, wenngleich sie bei der ERF geringer ist (12).

Bei gleicher Effektivität konnte mit der ERF in 50 % der Fälle die Mundtrockenheit reduziert werden (13). Da die Nebenwirkungen seltener eintreten, ist eine höhere Dosierung möglich (14). Nach 6 Monaten behalten ca. 67 % der Patienten die Therapie mit der ERF bei, während nur ca. 30 % die Therapie mit der Immediate-release-Form beibehalten (15). Die ERF wird in einer Dosis von 5-30 mg/die als einmal tägliche Gabe empfohlen. Bei Gabe von 15 mg/die wurde eine Spitzen-Plasmakonzentration von 6,7 μg/l gemessen, die nach 5,2 Stunden erreicht wurde (16). Im Vergleich dazu erreicht die IRF bei Gabe von 15 mg eine maximale Serumkonzentration von 15 μg/l bereits nach einer Stunde (17).

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Effektivität

Die Effektivität von Oxybutynin in seiner ERF ist mittlerweile in mehreren Studien belegt. So zeigte die Studie von Zinner et al., dass die ERF die durchschnittliche Anzahl der wöchentlichen Inkontinenz-Episoden um 90 vs. 49 % (Plazebo) senkt (18). Eine komplette Kontinenz konnte in 50 vs. 13 % (Plazebo) in der Studie von Schmidt et al. erzielt werden (19). Im Vergleich zu der IRF des Oxybutynin konnte in der Studie von Anderson bei 107 Patienten mit Dranginkontinez ein Rückgang der wöchentlichen Inkontinenz-Episoden erzielt werden. Eine Kontinenz konnte in 41 vs. 40 % erreicht werden. Die Wirkung einer einmal täglichen Gabe des Extended-release Oxybutynin entsprach somit der 3-4-maligen täglichen Gabe des Immediate-release Oxybutynin. Allerdings traten Nebenwirkungen weniger häufig auf (20). Gleason zeigte, dass die Erhaltungsdosis bei ca. 17 % der Therapierten höher liegt als bei der IRF (25-30 mg). Trotz dieser höheren Erhaltungsdosis erhöhte sich die Rate des nebenwirkungsbedingten Absetzens nicht (21). Im Vergleich zu Tolterodine zeigte Appel in einer 12-Wochen-Studie, dass die ERF des Oxybutynin in den Zielpunkten wöchentliche Inkontinenz-Episoden, Kontinenzraten und Miktionsfrequenz signifikant besser war. Allerdings konnte auch Tolterodine die Symptome, verglichen zur Baseline, signifikant verbessern. (22).

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Tolerabilität

Ebenso wie bei der IRF des Oxybutynin ist die Mundtrockenheit bei der ERF die häufigste Nebenwirkung. Mundtrockenheit trat in der Studie von Anderson et al. (23) bei der Gabe der ERF in 68 vs. 87 % bei der IRF auf. Die anderen Nebenwirkungen traten in vergleichbarer Häufigkeit auf. In einer 12-Wochen-Studie lag die Rate des Therapieabbruchs bei der ERF bei nur 1,6 vs. 7,8 % bei der IRF (24). Bei längeren Studien (6 Monate) stieg die Rate der Patienten, die die Therapie aufgrund der Nebenwirkung abbrachen, auf 7 (ERF) vs. 15 % (IRF) (25). Viele Studien beschränken sich auf einen kurzen Untersuchungszeitraum. Andere Langzeitstudien zeigen, dass es in einem nicht unerheblichen Prozentsatz zum Absetzen der Therapie kommt. So beschreibt Kelleher (26) in einer Studie, dass nur 18,2 % eine Therapie mit Anticholinergika länger als 6 Monate fortsetzen. Längere Untersuchungen, die die Tolerabilität der ERF überprüfen, liegen bislang nicht vor. Die geringere Nebenwirkungsrate lässt ein besseres Langzeitergebnis erwarten.

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Schlussfolgerung

Anticholinergika stellen das Mittel der Wahl zur medikamentösen Therapie der hyperaktiven Blase und der Dranginkontinenz dar. Unter den Anticholinergika hat sich in der Vergangenheit Oxybutynin als Referenzsubstanz etabliert. Allerdings führte die hohe Rate an Nebenwirkungen (besonders Mundtrockenheit) bei einer großen Zahl der Patienten trotz guten Therapieeffektes zum vorzeitigen Absetzen der Medikation. Diese Nebenwirkungen treten besonders bei der Form auf, die eine hohe enterale Absorptionsrate und damit schnell Spitzen in der Serumkonzentration erreicht. Wird die Substanz zu schnell verstoffwechselt, ist eine mehrmalige Gabe am Tag erforderlich. Mit der Einführung der ERF können die Nebenwirkungen durch eine gleichmäßige Wirkstofffreigabe über einen längeren Zeitraum und damit gleichbleibenden Serumspiegel reduziert werden. Die kontrollierte Wirkstofffreigabe ermöglicht daher auch eine einmalige, tägliche Gabe. Nach ca. 4 Tagen befindet sich der Wirkspiegel im Gleichgewicht. Größere Schwankungen der Serumkonzentration lassen sich dadurch vermeiden. Dennoch muss festgehalten werden, dass die bislang gewonnen Erkenntnisse zur Effektivität und Tolerabilität der ERF des Oxybutynin vorwiegend in kleineren und zeitlich sehr begrenzten Studien gewonnen wurden. Hier allerdings konnte eine gute Wirksamkeit bei reduzierten Nebenwirkungen nachgewiesen werden.

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Abb. 1 Schema- tische Darstellung der Wirkstoff-freisetzung (modifiziert nach Gleason DM; Urology 54; 1999)

 

Antagonist nmol/l

Rezeptor

Tolterodine

Oxybutynin

Darifenacin

M1

3,0

2,4

35,0

M2

3,8

6,7

56,0

M3

3,4

0,67

1,2

M4

5,0

2,0

18,0

M5

3,4

11,0

9,0

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Dr. Ludger Franzaring
Prof. Joachim W. Thüroff

Mainz

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Dr. Ludger Franzaring
Prof. Joachim W. Thüroff

Mainz

 
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Abb. 1 Schema- tische Darstellung der Wirkstoff-freisetzung (modifiziert nach Gleason DM; Urology 54; 1999)