Laryngorhinootologie 2003; 82(6): 436-437
DOI: 10.1055/s-2003-40536
Aktuelle Habilitation
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Untersuchungen zur Expression von VEGF und Hemmung der Tumorangiogenese durch funktionelle Hemmung von VEGF in Kopf-Hals-Karzinomen

Expression of VEGF and Inhibition of Tumor Angiogenesis by Abrogation of VEGF in Head and Neck CancerF.  Riedel1
  • 1Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Mannheim (Direktor: Prof. Dr. med. K. Hörmann), Klinikum, Mannheim
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Publication Date:
09 July 2003 (online)

Die Angiogenese gilt als ein Schlüsselphänomen für das Wachstum maligner Tumoren. Bei der Initiation der Tumorangiogenese spielen angiogene Faktoren, die im Bereich des Tumors entstehen, eine entscheidende Rolle. Der „vascular endothelial growth factor” (VEGF) gilt als wichtigster Regulator dieses Prozesses. Zunächst sollten in der Arbeit die Angiogenese und die VEGF-Expression sowie wichtige synergistische Effekte zu anderen bei der Angiogenese diskutierten Faktoren in Kopf-Hals-Karzinomen an nativem Tumorgewebe untersucht werden. Darüber hinaus sollte durch funktionelle Hemmung der VEGF-Expression in vitro und in vivo die Angiogenese und damit die Proliferation von Kopf-Hals-Karzinomen beeinflusst werden.

Es konnte gezeigt werden, dass in einem Kollektiv von Patienten mit primären Kopf-Hals-Karzinomen die mittlere Gefäßdichte im Tumorgewebe gegenüber gesundem Kontrollgewebe signifikant erhöht ist. Die Expression des Regulator-Proteins VEGF, immunhistochemisch in 61 % der Tumorproben nachweisbar, zeigte zwar keine statistisch relevante Korrelation zu klinisch-pathologischen Parametern (Tumorlokalisation, Tumorstadium, Grading), vergleicht man jedoch die Überlebensraten, so zeigten Patienten mit VEGF-positiven Tumoren eine signifikant schlechtere Prognose als diejenigen mit VEGF-negativen Tumoren. Daneben konnte eine hochsignifikante Korrelation der VEGF-Expression mit der Gefäßdichte im Tumorgewebe nachgewiesen werden. Auch die Konzentrationen von VEGF im Serum dieser Patienten waren signifikant erhöht im Vergleich zu einem gesunden Kontrollkollektiv. Immunhistochemisch VEGF-positive Primärtumoren zeigten signifikant erhöhte mittlere VEGF-Serumwerte gegenüber negativen Tumoren. Untersuchungen zur Regulation der VEGF-Expression im Tumorgewebe zeigten, dass die Zahl von p53-Mutationen, die häufigste und bedeutsamste Mutation eines Tumorsuppressor-Gens in Kopf-Hals-Karzinomen, in VEGF-positiven Tumoren signifikant höher ist als in VEGF-negativen Tumoren. Trotz der herausragenden Rolle von VEGF bei der Tumorangiogenese sind dennoch auch der Einfluss anderer angiogener Faktoren und mögliche synergistische Effekte mit VEGF zu berücksichtigen. Darüber hinaus wurde eine inverse Korrelation von pro-apoptotischen und angiogenen Markern in Kopf-Hals-Karzinomen gezeigt. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass die Apoptose signifikant beeinflusst wird durch den Grad der Neovaskularisation, indem die Tumorangiogenese zu einer Reduzierung der Expression von pro-apoptotischen Faktoren führt.

Die an nativem Gewebe erhobenen Befunde legen die Hemmung des VEGF-/VEGF-Rezeptorsystems als eine mögliche Strategie zur Krebstherapie nahe. Somit wurde in einem In-vitro-Modell die Modulation der VEGF-Expression in Kopf-Hals-Karzinomen sowie der Effekt auf die Angiogenese untersucht. Eine Uptake-Analyse mittels Flow-Zytometrie-Untersuchung zeigte eine ausreichende Lokalisation der zur Modulation von VEGF verwendeten VEGF-Antisense-Oligonukleotide in den Tumorzellen. Die Behandlung der Tumorzelllinien mit Antisense-Oligonukleotiden zeigte keinen signifikanten antiproliferativen bzw. zytotoxischen Effekt auf die Tumorzellen selbst im Vergleich zu unbehandelten oder Sense-behandelten Zellen. Dieses Ergebnis zeigt, dass eine Reduktion der VEGF-Expression durch VEGF-Antisense-Nukleotide tatsächlich als eine Verminderung der Translation und nicht als Folge zytotoxischer Effekte zu werten ist. Da eine Modulation der VEGF-Expression auch in VEGF-Rezeptor-positiven Zelllinien keinen Einfluss auf die Proliferation der Tumorzellen hat, widerspricht dieses Resultat der Hypothese einer autokrinen wachstumsfördernden Wirkung von VEGF. Durch die Inkubation der Tumorzellen mit VEGF-Antisense-Nukleotiden konnte in allen untersuchten Tumorzelllinien eine signifikante Reduktion der VEGF-Expression sowohl in den Zellen selbst wie auch im Überstand der Zellen erreicht werden. Um den Einfluss einer VEGF-Antisense-Therapie auf die Angiogenese in vitro zu untersuchen, wurde konditioniertes Medium durch Inkubation der Tumorzelllinien mit den entsprechenden Oligonukleotiden gewonnen. Dieses konditionierte Medium wurde dann auf die Endothelzelllinien gegeben und so der Einfluss der VEGF-Antisense-Behandlung der Tumorzellen auf die Endothelzellen analysiert. Es zeigte sich eine signifikante Verminderung der Ausbildung tubulärer Formationen wie auch der Endothelzell-Proliferation und -Migration nach Behandlung der Tumorzellen mit VEGF-Antisense-Oligonukleotiden. Abschließend konnte auch im In-vivo-Modell gezeigt werden, dass die Behandlung von subkutanen Xenograft-Tumoren in Nacktmäusen durch systemische Applikation von VEGF-Antisense-Oligonukleotiden zu einer signifikanten Inhibition des Tumorwachstums führt.

Das VEGF-/VEGF-Rezeptorsystem ist in der Evolution hoch konserviert, so dass die durch dieses System vermittelten Prozesse bei Tier und Mensch ähnlich ablaufen. Es ist also zu hoffen, dass eine hierauf zielende pharmakologische Intervention auch beim Menschen erfolgreich ist. Noch stehen wir allerdings bei der klinischen Entwicklung von anti-angiogenen Strategien auf der Basis des VEGF-/VEGF-Rezeptorsystems ganz am Anfang. Bei unbefriedigendem therapeutischem Erfolg medikamentöser Behandlungsverfahren eröffnet jedoch der Einsatz von Hemmstoffen der Angiogenese möglicherweise neue Dimensionen in der Therapie von Kopf-Hals-Karzinomen. Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag, die wissenschaftliche Grundlage für diese viel versprechenden klinisch-therapeutischen Anwendungen zu liefern.

Priv.-Doz. Dr. med. Frank Riedel

Universitäts-HNO-Klinik Mannheim

Theodor-Kutzer-Ufer · 68135 Mannheim

Email: frank.riedel@hno.ma.uni-heidelberg.de