Laryngorhinootologie 2003; 82(3): 199-201
DOI: 10.1055/s-2003-38410
Rechtsprechung
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Zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Tinnitus nach Schädelverletzung

OLG Köln, Urteil v. 12. 1. 2000 - 5 U 194/98Reduction of Work Capacity in Connection with Tinnitus after a Head InjuryO.  Michel 1 , A.  Wienke 2
  • 1 Univ.-HNO-Klinik, Köln
  • 2 Wienke & Becker, Köln
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Publication History

Publication Date:
02 April 2003 (online)

Sachverhalt

Der Kläger begehrte eine Invaliditätsentschädigung aufgrund einer bei einem Arbeitsunfall am 7. 5. 1994 erlittenen Kopfverletzung. Strittig war dabei insbesondere der Invaliditätsgrad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen eines unfallbedingt entstandenen starken Ohrgeräusches.

Der Kläger war als Maschinenschlosser bei einem Tiefbauunternehmen beschäftigt. In dieser Funktion arbeitete er auch auf Baustellen, um dort Maschinen instand zu setzen. Auf dem Rückweg zu seiner Unterkunft an der Baustelle kam er eines Abends zu Fall und schlug mit dem linken Hinterkopf auf einen Stein. Dabei wurde er zwar nicht bewusstlos, fühlte sich aber benommen und beschrieb ein Schädelbrummen. Blut lief ihm weder aus Mund, Nase oder Ohren. Am Morgen nach dem Sturz versuchte der Kläger aufzustehen; er stürzte jedoch erneut, fühlte sich sehr schwach und konnte nur verschwommen sehen.

Bei der anschließenden Krankenhausbehandlung wurde eine Schädelbasisfraktur diagnostiziert. Weiterhin bemerkte der Kläger ein stärkeres Ohrgeräusch auf dem linken Ohr, welches im Laufe der Zeit lauter wurde. Gleichzeitig stellte sich ein Hörverlust auf diesem Ohr ein, den der Kläger insbesondere beim Telefonieren bemerkte und der durch Hörtests und weitere Untersuchungen objektiviert werden konnte. Eine Besserung dieser Beschwerden - insbesondere der Ohrgeräusche - stellte sich trotz zahlreicher Klinikaufenthalte mit psychosomatischen Behandlungsmaßnahmen nicht ein. Als weitere Beeinträchtigung gab der Kläger eine Gangunsicherheit, einen stark eingeschränkten Geschmackssinn sowie Schwindel verbunden mit Übelkeit an. Im Übrigen leide er infolge der als Tinnitus beschriebenen Ohrgeräusche unter Depressionen. Aufgrund dieser Gesundheitsschäden war der Kläger ab November 1996 berentet.

Das Landgericht hatte in der ersten Instanz unter Einbeziehung des Ohrgeräusches die Höhe des Invaliditätsgrades mit über 50 % ausgeurteilt.

Hiergegen richtete sich die Berufung der beklagten Unfallversicherung, die vor allem damit begründet wurde, dass krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen gemäß § 2 Abs. 4 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88) außer Betracht zu bleiben hätten. Als solche krankhaften Störungen seien auch die vom Kläger beschriebenen Depressionen zu werten, so dass diese als Folge des Tinnitus bei der Bemessung des Grades der MdE nicht mit einfließen dürften.

Prof. Dr. med. O. Michel

Ltd. Oberarzt · Univ.-HNO-Klinik

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