Aktuelle Dermatologie 2002; 28(5): 170-172
DOI: 10.1055/s-2002-33485
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapierefraktäres Ulcus cruris leukozytoklastisch-vaskulitischer Genese im Rahmen eines hereditären Thrombophilie-Syndroms

Abheilung durch autologe Keratinozyten-Transplantation (BioSeed®-S)Leukocytoclastic Vasculitis Presenting as a Therapy-Refractory Leg Ulcer in a Hereditary Thrombophilic SyndromComplete Healing after Transplantation of Autologous Keratinocytes in Fibrin Glue Suspension (BioSeed®-S)T.  Ermuth1 , S.  Johnsen1 , W.  Vanscheidt2 , E.  Tanczos1 , M.  Augustin1 , M.  Peschen1
  • 1Universitäts-Hautklinik Freiburg (Direktor: Prof. Dr. E. Schöpf)
  • 2Alpenpanorama-Klinik Höchenschwand
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Dr. med. T. Ermuth

Universitäts-Hautklinik Freiburg

Hauptstraße 7 · 79104 Freiburg

Publication History

Publication Date:
22 August 2002 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die vorliegende Kasuistik verdeutlicht die Berechtigung innovativer Therapiekonzepte bei richtiger Indikationsstellung, z. B. bei Patienten mit chronischen therapierefraktären Wunden. Wir berichten über eine 51-jährige Patientin mit histologisch gesichertem Ulcus cruris leukozyklastisch-vaskulitischer Genese, welches trotz intensiver Therapie seit Jahren bestand. Eine Abheilung konnte durch die Transplantation autologer Keratinozyten in Fibrinklebersuspensionen erzielt werden.

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Abstract

We report on a 56 y. o. female patient with a histologically proven leukocytoclastic vasculitis presenting clinically a leg ulcer, which has been therapy-refractory for years although intensive therapeutic means had been applied. Complete healing could be achieved by transplantation of autologous keratinocytes in fibrin glue suspension (BioSeed®-S). These results suggest that this novel therapeutic concept is applicable when correct indication is given, i. e. for therapy of chronic wounds that have been refractory to standard treatment.

Wir berichten über eine 51-jährige Patientin mit einem Ulcus cruris leukozytoklastisch-vaskulitischer Genese, bei der eine autologe Keratinozyten-Transplantation als Therapie durchgeführt wurde.

Bei der Patientin trat erstmals Ende 1995 im Bereich des rechten Unterschenkels prätibial ein ca. 1,5 × 2,5 cm großes Ulkus auf, welches in der Folge starke Schmerzen bereitete. Des Weiteren bestehen bei der Patientin seit Jahren ein Thrombophilie-Syndrom in Form eines hereditären Faktor XIII-Mangels, eine ausgeprägte Adipositas sowie eine Mononeuritis multiplex mit Fußheberschwäche rechts, ein Diabetes mellitus ist nicht bekannt. Das Ulkus stellte sich 1995 schwach belegt, mit geringer Granulation in der Tiefe und einem lividen Randsaum dar.

Nach initial erfolgloser Lokaltherapie mit vornehmlich bakteriziden und granulationsfördernden Wundauflagen wurde Anfang 1996 bioptisch die Diagnose eines Ulcus cruris leukozytoklastisch-vaskulitischer Genese gestellt. Daraufhin wurde die Patientin systemisch auf Azathioprin 50-0-50 mg/d und Prednisolon 5-0-5 mg/d eingestellt. Die Blutwerte lagen unter immunsuppressiver Therapie, bis auf passagere CRP-Erhöhungen, z. B. bedingt durch rezidivierende Wundinfektionen, im Normbereich.

Die angiologischen Befunde von 2/96 und 11/99 zeigten jeweils eine isolierte Insuffizienz der Boydschen Perforansvene rechts bei ansonsten unauffälligen Klappenverhältnissen im sub- wie suprafaszialen Venensystem. Der Brachiopedalindex lag beidseits bei 1,1 womit eine pAVK ausgeschlossen werden konnte. Die Lokaltherapie des Ulkus bestand daraufhin schwerpunktmäßig in dem Einsatz von enzymatischen Wundreinigungsauflagen kombiniert mit bakterizid wirksamen Umschlägen, z. B. Octenisept und einer konsequenten Kompressionstherapie.

Wegen fehlender Heilungstendenzen des Ulkus in der Folge kam eine breite Palette von Lokaltherapeutika zum Einsatz: enzymatische Wundreinigungssalben, lokalantibiotische Salben, Kalzium-Alginat-haltige Präparate, AgNO3-haltige Salben und Umschläge, Hydrokolloidverbände, Steroid-haltige Salben und Flüssigkeiten, Zink-Salben, sowie Faktor XIII-beinhaltende Lösungen. Intermittierend wurde mehrfach ein chirurgisches WunddÅbridement durchgeführt. Eine Madentherapie wie auch eine Spalthauttransplantation wurde in 12/98 ohne Erfolg durchgeführt.

Aufgrund rezidivierender Superinfektionen des Ulkus erhielt die Patientin darüber hinaus eine ganze Reihe von Antibiotika systemisch, wie z. B. Cephalosporine, Penicilline und Gyrasehemmer.

Die systemische Steroidtherapie wurde Anfang 1998 beendet ohne Änderung des Ulkusbefundes.

Die Patientin stand aufgrund starker Schmerzen unter Dauerschmerztherapie mit Tramadol.

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Methodik

Im November 1999 entschlossen wir uns, das zugelassene Produkt (BioSeed®-S) - ein autologes Keratinozytentransplantat in einer Fibrinmatrix - der Firma Biotissue Technologies, Freiburg, zur Anwendung zu bringen [1] [2] [3] [4] [5]. Hierzu wurde der Patientin zur Gewinnung der autologen Keratinozyten ein ca. 2 cm2 großes Stück Vollhaut aus der rechten Leiste in Lokalanästhesie entnommen. Die Kultivierung der Zellen und die Herstellung der Keratinozyten-Fibrinkleber Suspension wurde in Reinsträumen der Firma BioTissue Technologies unter GMP-Bedingungen durchgeführt. Die Transplantation von BioSeed®-S erfolgte im Dezember 1999, die Präkonditionierungsphase musste wegen einer Superinfektion der Wunde verlängert werden. In der Regel stehen die Zellen ca. 14 Tage nach Vollhautentnahme zur Transplantation bereit.

Der Verband über dem Transplantat bestand aus weißer Vaseline in Kombination mit einer Fettgaze, sowie ein Kompressionsverband mit einer Pelotte direkt über dem Transplantationsareal.

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Ergebnisse

Die Abb. [1] zeigt das Ulkus im Bereich des rechten Unterschenkels am Behandlungstag, direkt vor Auftragung der autologen Keratinozyten in Fibrinmatrix. 3 Tage später wurde erstmalig der Verband gewechselt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine deutliche Epithelisierungstendenz vom Wundrand her zu erkennen und die Patientin berichtete über ein stark herabgesetztes Schmerzempfinden. Es folgten Verbandswechsel im 2-Tages-Rhythmus in unserer Wundambulanz. Bereits 10 Tage später kam es zur vollständigen Epithelisierung des Ulkus und Schmerzfreiheit (Abb. [2]).

Zur letzten Nachuntersuchung im Januar 2001 waren keine neuen Läsionen im Bereich des Transplantationsareales und des übrigen Unterschenkels aufgetreten.

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Abb. 1 Vor Behandlung.

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Abb. 2 10 Tage nach Transplantation.

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Zusammenfassung

Epidemiologische Studien zeigen [6] [7], dass ca. 1 % der Bevölkerung in der westlichen Welt unter chronischen Wunden zu leiden hat. Diese Gruppe stellt somit unter anderem eine große finanzielle Belastung für das Gesundheitswesen dar. Die Patientenanamnese der von uns therapierten Patientin stellt keine Seltenheit dar. Mit Blick auf die Einführung der Diagnosis- related-groups besteht umso mehr die Notwendigkeit von Etablierung und Optimierung ambulanter Therapieverfahren, um Therapiekosten zu senken.

Das Fallbeispiel zeigt, dass die Transplantation autologer Keratinozyten eine effektive Methode in der ambulanten Behandlung von chronischen, therapierefraktären Wunden ist, welche eine Kostenersparnis in der Gesamttherapie zur Folge haben kann.

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Literatur

  • 1 Stark G B, Bannasch H, Schaefer D J, Bittner K, Bach A, Voigt M. Tissue engineering: possibilities and perspectives.  Zbl Chir. 2000;  125 69-73
  • 2 Stark G B, Horch R E, Voigt M, Tanczos E. Biological wound tissue glue systems in wound healing. Kongressband.  Langenbecks Arch Chir. 1998;  115 683-688
  • 3 Tanczos E, Horch R E, Bannasch H, Andree C, Walgenbach K J, Voigt M, Stark G B. Keratinocyte transplantation and tissue engineering. New approaches in treatment of chronic wounds.  Zbl Chir. 1999;  124 81-86
  • 4 Pomahac B, Svensjo T, Yao F, Brown H, Eriksson E. Tissue engineering of skin.  Crit Rev Oral Biol Med. 1998;  9 333-344
  • 5 Myers S, Navsaria H, Sanders R, Green C, Leigh I. Transplantation of keratinocytes in the treatment of wounds.  Am J Surg. 1995;  170 75-83
  • 6 Schimmelpfennig M. Ökonomische Aspekte fehlerhafter Prävention und Therapie chronischer Wunden. Deutsches Wundjournal 1/97 1997
  • 7 Pelka A, Rainer B. Expertise im Auftrag der „Initiative Chronische Wunden”. München; 1997

Dr. med. T. Ermuth

Universitäts-Hautklinik Freiburg

Hauptstraße 7 · 79104 Freiburg

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Literatur

  • 1 Stark G B, Bannasch H, Schaefer D J, Bittner K, Bach A, Voigt M. Tissue engineering: possibilities and perspectives.  Zbl Chir. 2000;  125 69-73
  • 2 Stark G B, Horch R E, Voigt M, Tanczos E. Biological wound tissue glue systems in wound healing. Kongressband.  Langenbecks Arch Chir. 1998;  115 683-688
  • 3 Tanczos E, Horch R E, Bannasch H, Andree C, Walgenbach K J, Voigt M, Stark G B. Keratinocyte transplantation and tissue engineering. New approaches in treatment of chronic wounds.  Zbl Chir. 1999;  124 81-86
  • 4 Pomahac B, Svensjo T, Yao F, Brown H, Eriksson E. Tissue engineering of skin.  Crit Rev Oral Biol Med. 1998;  9 333-344
  • 5 Myers S, Navsaria H, Sanders R, Green C, Leigh I. Transplantation of keratinocytes in the treatment of wounds.  Am J Surg. 1995;  170 75-83
  • 6 Schimmelpfennig M. Ökonomische Aspekte fehlerhafter Prävention und Therapie chronischer Wunden. Deutsches Wundjournal 1/97 1997
  • 7 Pelka A, Rainer B. Expertise im Auftrag der „Initiative Chronische Wunden”. München; 1997

Dr. med. T. Ermuth

Universitäts-Hautklinik Freiburg

Hauptstraße 7 · 79104 Freiburg

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Abb. 1 Vor Behandlung.

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Abb. 2 10 Tage nach Transplantation.