Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(10): 513
DOI: 10.1055/s-2002-20931
CME
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung - Der konkrete Fall

Chronic obstructive pulmonary disease: the concrete caseA. Gillissen1 , W. Seeger 2
  • 1Robert Koch-Klinik, Städtisches Klinikum »St. Georg«, Leipzig
  • 2Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universität Gießen
Further Information
#

A Gillissen
W Seeger

Publication History

Publication Date:
11 March 2002 (online)

Table of Contents

    Der örtlich und zeitlich orientierte 63-jährige Patient wurde uns von einem niedergelassenen Pneumologen zugewiesen. Er klagte über eine seit ca. 5 - 6 Jahren langsam zunehmende belastungsabhängige Dyspnoe. Seit seiner Jugendzeit hat er täglich etwa eine Packung Zigaretten geraucht, sodass sich eine kumulative Zigarettenmenge von > 40 pack years errechnete. Seitens seines Berufes sei er nie einer wesentlichen Staubexposition ausgesetzt gewesen. Seit den letzten Wochen hatte die Dyspnoe jedoch deutlich an Schwere zugenommen, sodass die kleinste Anstrengung, z. B. Zähneputzen oder der Gang zur Toilette, zur Belastung geworden seien. Zudem würde Husten und meist klarer, gelegentlich aber auch eitriger Auswurf bestehen.

    Klinischer Befund: Der übergewichtige Patient (Größe 174 cm, Gewicht 93 kg) wies eine Lippenzyanose auf, die Auskultation des Thorax erbrachte ein leises Atemgeräusch und leise Herztöne. Der Klopfschall war über beiden Lungen hypersonor, und es bestanden diskrete Knöchel- und prätibiale Ödeme.

    Diagnostik: In der a. p. Röntgenaufnahme ließ sich eine dekompensierte Herzinsuffizienz als Ursache für die geklagte Dyspnoe ausschließen. Die Rarefizierung der Lungengefäße und die tiefstehenden Zwerchfelle wiesen auf eine deutliche Überblähung hin, wie sie für ein Lungenemphysem typisch ist. Die Lungenfunktion zeigte eine schwergradige, unter inhalativer Gabe eines kurzwirksamen β 2 -Rezeptoragonisten und eines Parasympatholytikums (Ipratropiumbromid) nicht wesentlich beeinflussbare (FEV1: < 15 %, < 150 ml) Atemwegsobstruktion. Der in der Flussvolumenkurve sichtbare Knick im exspiratorischen Schenkel wies auf einen Bronchiolenkollaps hin, wie er für ein Emphysem typisch ist. In der Bodyplethysmographie stellte sich in der Druckvolumenkurve die typische Keulenform, wie bei einer Atemwegsobstruktion dar. Die kapillär gemessene Blutgasanalyse belegte eine respiratorische Globalinsuffizienz (PO2 45 mmHg, PCO2 56 mmHg), an die sich der wache Patient offenbar adaptiert hatte. Ergänzend wurde eine Computertomographie der Lunge angefertigt, die keinen Zweifel an dem ausgeprägten klein- bis mittelgradig ausgeprägten, ubiquitär in beiden Lungenhälften vorhandenen Emphysem ließ.

    Therapie: Die initiale Therapie bestand in der zunächst hochdosiert intravenös applizierten Theophyllin- und Glukokortikosteroid-Gabe, die nach 14 Tagen abgeschlossen wurde. Zusätzlich erhielt der Patient inhalativ kurzwirksame β2-Agonisten bei Bedarf, einen langwirksamen β2-Agonisten, Ipratropiumbromid und Steroide als Dauermedikation. Die Effektivität der inhalativen Steroidmedikation wird nach Entlassung aus der stationären Betreuung nach ca. ¿ Jahr kontrolliert und die Steroidindikation entsprechend angepasst. Physiotherapeutische Maßnahmen zur Optimierung der Atemtechnik, Schulungen zum Erlernen der Ursachen und des Umgangs mit der Erkrankung, Anleitung zur korrekten Anwendung der inhalativen Medikation und Raucherentwöhnungsmaßnahmen ergänzten die Pharmakotherapie.

    Diskussion: Der Patient litt an einem ausgeprägten Lungenemphysem und einer schwergradigen nicht-reversiblen Atemwegsobstruktion. In den allermeisten Fällen lässt sich die COPD klinisch, durch die Lungenfunktion und die Blutgasanalyse diagnostizieren, sodass die bildgebenden Verfahren einschließlich des CT-Thorax oder der Echokardiographie nur in Zweifelsfällen zur Abklärung der Differentialdiagnosen oder zur Quantifizierung von Sekundärkomplikationen (z. B. Rechtsherzinsuffizienz, wie bei unserem Patienten klinisch angedeutet) indiziert sind. Die Ursache dieses Befundes liegt ausschließlich in dem ausgeprägten jahrzehntelangen Nikotinabusus. Der Patient bot einen typischen klinischen Verlauf, da a) die COPD nicht zuletzt auch aufgrund des ausgeprägten CT-morphologischen Befundes sicher länger als die geklagten 5-6 Jahre bestanden haben dürfte, b) die Patienten oft über Jahre bis Jahrzehnte ihre Beschwerden negieren, und c) die Erkrankung in der Regel über lange Zeiträume schleichend verläuft und sich die Patienten an diesen Verlauf adaptieren.

    Die Pharmakotherapie hat bei solchen Fällen nur eine begrenzte Wirkung, da sich die Lungenfunktion im Gegensatz zum Asthma bronchiale durch die lange Erkrankungsdauer und Expositionszeit nur schwer beeinflussen und die Exazerbationsraten nur unzureichend reduzieren lassen. Die dem Patienten zusätzlich offerierte Sauerstofflangzeittherapie wird, eine O2-Gabe von > 16 h/Tag vorausgesetzt, sein Mortaliätsrisiko senken. Als weitere konservative Therapiemaßnahme kämen noch nicht-invasive Beatmungsformen in Frage, deren Langzeiteffekt auf Morbidität und Mortalität allerdings derzeit noch nicht abschließend beurteilbar sind. Ergänzend dazu werden rehabilitative Maßnahmen, Impfungen (Influenza, Pneumokokken), Optimierung des Ernährungsstatus, da Untergewicht mit einer erhöhten Mortalität bei COPD assoziiert ist (betrifft nicht den hier vorgestellten Fall), und insbesondere die vollständige Einschränkung des Zigarettenabusus empfohlen.

    #

    A Gillissen
    W Seeger

    #

    A Gillissen
    W Seeger