Gesundheitswesen 2002; 64(1): 3-10
DOI: 10.1055/s-2002-19511
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Soziale Einflussfaktoren für die Mortalität von männlichen Krankenversicherten in den Jahren 1989 bis 2000

Eine Kohortenstudie der Geburtsjahrgänge 1940 bis 1949 der Gmünder ErsatzkasseSocial Characteristics Influencing the Mortality of Male Members of an Insurance Company in the Years 1989 to 2000 - A Longitudinal Study for the Birth Cohorts 1940-1949 of the Gmuend Statutory Insurance BodyU. Helmert, W. Voges, T. Sommer
  • 1Abteilung Gesundheitspolitik, Arbeits- und Sozialmedizin, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen
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Publication Date:
11 January 2002 (online)

Zusammenfassung

Es wird untersucht, in welchem Maße die Mortalitätsentwicklung von sozialen und berufsbezogenen Merkmalen beeinflusst wird. Datenbasis ist ein längsschnittorientierter Leistungsdatensatz für die Mitglieder der Gmünder Ersatzkasse (GEK) für den Zeitraum 1989 bis 2000. Einbezogen wurden alle männlichen Personen der Geburtsjahre 1940-1949, die am 1. Januar 1989 bei der GEK krankenversichert waren (n = 58 705). Als Kriteriumsereignis galt das Merkmal: „Austrittsgrund: verstorben” (n = 2283). Folgende unabhängige Variablen wurden untersucht: Alter, Berufsgruppenzugehörigkeit bei der letzten Berufstätigkeit, Familienstand, Nationalität und Versichertenstatus. Die statistische Datenanalyse erfolgte mit dem Softwarepaket „Transitional Data Analysis” (TDA). Es wurden kumulative Sterberaten nach der Kaplan-Meier-Methode und Hazardraten (ML-Schätzer) berechnet. Statistisch signifikant erhöhte Mortalitätsraten für den 12-Jahres-Beobachtungszeitraum ergaben sich für Angehörige von gering qualifizierten Berufsgruppen, für Nicht-Verheiratete und für Pflichtversicherte. Zwischen Personen mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit zeigten sich keine signifikanten Unterschiede für die Mortalitätsentwicklung. Der insgesamt stark ausgeprägte soziale Gradient für die Sterblichkeitsentwicklung der männlichen Krankenversicherten der GEK unterstreicht somit die Forderung des § 20 des SGB V nach Reduktion der sozialen Ungleichheit der Gesundheitschancen für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.

Abstract

The study goal is to analyse the association between social and occupational characteristics and mortality. Data are from a longitudinal register for the members of a statutory insurance body ‘Gmuender Ersatzkasse’ (GEK) for the period 1989 to 2000. Included are males, born 1940 - 1949, who were GEK-members on January 1, 1989 (n = 58 705). The dependent variable is defined as ‘reason for end of health insurance: deceased’ (n = 2283). Independent variables are: age, occupational group, family status, nationality and insurance status. The statistical analysis was performed with the software package ‘Transitional Data Analysis’ (TDA). It included cumulative mortality rates based on the Kaplan-Meier method and the multivariate analysis in order to assess hazard rates (maximum likelihood estimation). Statistically significant increased mortality rates for the 12-year observation period were found for non-married persons, for persons with less qualified occupations, and for mandatory health insurance members. No significant difference was observed between study subjects with and without German nationality. The observed strong social gradient in the overall mortality rates for male members of the GEK underline the challenge to reduce the social inequities in health chances which has recently been placed on the political agenda for the German health insurance companies.

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PD Dr. Uwe Helmert

Zentrum für Sozialpolitik
Universität Bremen

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