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DOI: 10.1055/s-2001-16406
Frühzeitige Detektion portalvenöser
Gasansammlungen bei ischämischer Kolitis
Publication History
Publication Date:
15 August 2001 (online)
Dem im Erwachsenenalter nur selten beobachteten Bild einer portalvenösen Gasansammlung kann eine Vielzahl iatrogener und nicht-iatrogener Ursachen im Gastrointestinaltrakt zugrunde liegen. Insbesondere die nicht-iatrogen verursachten Fälle weisen häufig eine hohe Mortalität auf und erfordern eine frühzeitige Diagnostik und Therapie. Wir berichten von einem Fall, bei dem eine portalvenöse Gasansammlung noch vor Einsetzen der klinischen Symptome diagnostiziert wurde und daher eine rasche Therapie eingeleitet werden konnte.
#Fallbeschreibung
Ein 53-jähriger Patient mit Hypopharynxkarzinom und generalisierter Vasosklerose war in der Abteilung für Strahlentherapie zum 4. Zyklus einer Radiochemotherapie aufgenommen und uns zur weiteren diagnostischen Abklärung einer während des stationären Aufenthaltes entwickelten Makrohämaturie vorgestellt worden. Klinisch wies der Patient einen deutlichen Meteorismus auf bei jedoch weichem Abdomen und subjektiv nahezu völliger Beschwerdefreiheit. Das CRP betrug 100 mg/dl, das Laktat lag im Normbereich. Bei der Sonographie des Abdomens zeigten sich neben dem massiven Meteorismus als Zufallsbefund multiple echoreiche Fleckschatten im Pfortaderhauptstamm sowie disseminiert innerhalb der Pfortaderäste bis in die Leberperipherie, im Sinne portalvenöser Gasansammlungen, ohne dass hierfür eine Ursache nachgewiesen werden konnte (Abb. [1]). In der unmittelbar anschließend durchgeführten Computertomographie des Abdomens zeigten sich intravasale Luftfiguren in den proximalen Anteilen der V. mesenterica superior (Abb. [2 a] [2 b]), in der V. portae sowie in den intrahepatischen peripheren Pfortaderästen des linken Leberlappens (Abb. [3]). Bei liegender PEG-Sonde (Perkutane endoskopische Gastrostomie) konnte keine freie Luft in der V. lienalis und somit den Magen drainierenden Venen festgestellt werden. Eine Ursache für die portalvenöse Luft ließ sich nicht nachweisen. Wegen der klinischen Beschwerdefreiheit des Patienten und des fehlenden Nachweises eines weiteren pathologischen intraabdominellen Befundes war zunächst ein konservatives Vorgehen unter antibiotischer Abdeckung vorgeschlagen worden. In der Kontroll-Sonographie am Folgetag war die Luft im portalvenösen System nicht mehr nachweisbar. Es zeigten sich nun jedoch bei regelrecht perfundierter A. mesenterica superior eine mäßige Wandverdickung im Colon ascendens und Coecum sowie geringe Mengen freier Flüssigkeit im rechten Unterbauch. Der Patient klagte über Schüttelfrost und zunehmende Schmerzen im rechten Unterbauch, so dass bei hochgradigem Verdacht auf eine ischämische Kolitis die Indikation zur sofortigen explorativen Laparotomie gestellt wurde. Intraoperativ fanden sich erhebliche ödematöse Veränderungen des Zökalpols und des Colon ascendens, und es ließen sich derbe Tumoren im Bereich des Zökalpols palpieren. Es wurde daher eine Hemikolektomie rechts durchgeführt. Am aufgeschnittenen Präparat zeigte sich bereits makroskopisch eine deutlich ischämisch veränderte Kolonschleimhaut mit Ausbildung eines Ulcus (Abb. [4]). Die histologische Aufarbeitung des Operationspräparates ergab eine ischämisch induzierte transmurale Entzündung des Colon ascendens mit ausgedehnten Nekrosen der Mukosa und Submukosa sowie dichtem granulozytären Infiltrat bis ins subseröse Fettgewebe ohne Anhalt für Malignität. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos, und der Patient konnte am 16. postoperativen Tag entlassen werden.
#Diskussion
Der erste berichtete Nachweis portalvenöser Gasansammlungen gelang 1955 mittels Abdomenübersichtsaufnahmen (Wolfe et al., Am J Roentgenol Radium Ther Nucl Med 1955; 74:486). Seitdem ist ihre Detektion durch die weiterentwickelten bildgebenden Verfahren immer früher möglich. In der konventionellen Abdomenübersichtsaufnahme zeigen sich streifige Zonen vermehrter Transparenz im Bereich des Leberschattens. Sonographisch zeigen sich stark hyperechogene, mobile Areale und computertomographisch tubuläre Hypodensitäten im Verlauf der Portalvenen und ihrer Äste. Dabei weist die Computertomographie noch vor der Dopplersonographie die höchste Sensitivität auf (Schulze et al., Acta Radiol 1995; 36:377) und kann gleichzeitig die zugrundeliegende Ursache und begleitende Veränderungen erfassen. Es ist jedoch zu beachten, daß insbesondere kleinere Luftansammlungen durch eine i. v.-Kontrastmittelgabe verschleiert werden können, so dass bei Verdacht auf eine intraportale Gasansammlung immer zunächst eine native Computertomographie durchgeführt werden sollte.
Die wichtige Unterscheidung zwischen Aerobilie und einer Gasansammlung im portalvenösen System erfolgt nativradiologisch anhand ihrer Lokalisation, was mit zahlreichen Irrtumsmöglichkeiten verbunden ist. Auch sonographisch ist die Differenzierung zwischen Aerobilie und portalvenöser Gasansammlung gelegentlich schwierig. Aufgrund des Meteorismus konnten in diesem Fall die Gefäße proximal des Konfluens nicht beurteilt und die Ursache der portalvenösen Gasansammlung nicht geklärt werden, so dass eine CT-Untersuchung angeschlossen wurde. Aber auch computertomographisch kann eine sichere Unterscheidung zwischen geringen portalvenösen Luftansamlungen und einer gering ausgeprägten Aerobilie im Einzelfall unmöglich sein. Es besteht sogar die Möglichkeit der transhepatischen Migration einzelner Luftblasen in benachbarte Strukturen, wie es für Pfortaderäste, Lebervenen und Leberarterien beschrieben ist (Aikawa et al., Nippon Shokakibyo Gakkai Zasshi 1994; 91: 1320), so dass auch das gleichzeitige Auftreten von Gasblasen in Blutgefäßen und Gallengängen denkbar ist.
Der genaue Pathomechanismus der portalvenösen Gasansammlungen ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch eine Kombination aus Mukosaschaden, Distension des Darmes und Septikämie bei Darmnekrose diskutiert. Intraportale Gasansammlungen können zahlreiche iatrogene und nicht-iatrogene Ursachen haben. Bei den nicht-iatrogenen Ursachen finden sich die ischämische Darmerkrankung, der Ileus sowie entzündliche Prozesse im portalvenösen Drainagesystem des Gastrointestinaltrakts, wie z. B. die Divertikulitis, Appendizitis, Cholezystitis und Cholangitis, und schließlich die nekrotisierende Enterokolitis im Säuglingsalter. Als iatrogene Ursachen wurden der Bariumkontrasteinlauf, die ERCP, die Sigmoidoskopie und Coloskopie sowie operative Eingriffe beobachtet. Bei dem Patienten in diesem berichteten Fall war eine ausgeprägte generalisierte Vasosklerose bekannt, welche die wahrscheinlichste Ursache für die histologisch gesicherte ischämisch induzierte transmurale Entzündung ist.
Portalvenöse Gasansammlungen gelten nach wie vor als Signum malum. Insbesondere bei nicht-iatrogener Ursache sind sie mit einer hohen Mortalität assoziiert, was häufig auf ihre verzögerte Detektion und damit auf das Fortschreiten der zugrundeliegenden Pathologie zurückgeführt wird. In einer großen Übersichtsarbeit konnte gezeigt werden, dass Patienten, bei denen die Gasansammlungen länger als 24 Stunden nachweisbar waren, eine deutlich erhöhte Mortalität aufwiesen (Griffiths et al., Br J Surg 1986; 73:172). Bei dem vorgestellten Patienten waren die intraportalen Gasansammlungen bereits am Folgetag nicht mehr nachweisbar. Einschließlich des beschriebenen Falles gibt es bisher nur wenige Kasuistiken, bei denen Patienten mit spontaner portalvenöser Gasansammlung überlebten. Allerdings ist ein Rückgang der Mortalität in der jüngeren Vergangenheit zu beobachten (Fabermann et al., Am J Roentgenol 1997; 169:1535). Die genauen Ursachen für diese Entwicklung sind nicht bekannt. Sicherlich hat die verbesserte Diagnostik eine entscheidende Bedeutung, da sie einerseits auch unkomplizierte, spontan heilende Fälle detektiert, andererseits aber auch eine frühere und damit effizientere Therapie ermöglicht.
B. Frericks, A. Wefer, M. Galanski, Hannover