Pneumologie 2001; 55(2): 57-71
DOI: 10.1055/s-2001-11286
EXPERTISE
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das Strahlenrisiko bei Röntgenuntersuchungen des Thorax

Deutsches Zentralkommitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK)N. Konietzko, H. Jung, K. G. Hering, Th Schmidt
Further Information

Prof. Dr N Konietzko (federführend)

Ärztlicher Direktor der RuhrlandklinikAbt. Pneumologie Universitätsklinik

Tüschener Weg 4045239 Essen

Prof. Dr H Jung

Universität HamburgUniversitätskrankenhaus EppendorfInstitut für Biophysik und Strahlenbiologie

Martinistr. 5220246 Hamburg

Dr K G Hering

KnappschaftskrankenhausRadiologische Klinik

Wieckesweg 3744309 Dortmund

Prof. Dr Th Schmidt

Klinikum der UniversitätErlangen/Nürnberg

Flurstr. 1790840 Nürnberg

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Table of Contents #

Einführung

Etwa 100 Mio. Röntgenuntersuchungen werden jährlich in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen, mehr als jede 5. davon ist eine Röntgenaufnahme des Thorax. Jede Röntgenuntersuchung muss einer Nutzen-/Risikoabschätzung unterzogen werden. Dabei ist bei Abschätzung des Nutzens nicht nur die Treffsicherheit und Zuverlässigkeit von Röntgenuntersuchungen zu berücksichtigen, sondern auch ihre Auswirkungen auf das ärztliche Handeln, also auf den Grad der Sicherheit des ärztlichen Urteils, ihren Beitrag zur Gesamtdiagnose und ihren Einfluss auf das weitere therapeutische Vorgehen. Es liegt auf der Hand, dass die Indikationsstellung entscheidend für den Anteil der positiven Befunde ist: Sind bei Anforderungen eines Röntgenbildes des Thorax Beschwerden und/oder pathologische Befunde vorhanden, werden in 60 - 70 % pathologische Röntgenbefunde erhoben. Sind die anamnestischen Hinweise vage oder die Befunde weniger eindeutig, sieht man nur in 20 - 30 % ein positives Ergebnis [11]. Handelt es sich um eine reine Routineuntersuchung ohne aktuelle Krankheitszeichen, so geht die Fallfindung auf 7 - 15 % zurück. Beim „Routinethorax”, etwa im Rahmen der präoperativen Durchuntersuchung, liegt die Zahl der positiven Befunde bei 6 - 11 % [14]. Fragt man dann noch nach therapierelevanten pathologischen Röntgenbefunden, so kommt man auf eine sehr niedrige Quote, die zwischen 0,2 und 0,3 % liegt [3].

Trotzdem rechtfertigt die statistische Betrachtung nach dem Nutzen eines Röntgenbildes des Thorax nicht den generellen Verzicht auf eine Routine-Thoraxaufnahme und schon gar nicht auf eine indizierte Untersuchung, da die Unterlassung einer Röntgenaufnahme einen diagnostischen Informationsverzicht und eine Einschränkung der Therapieentscheidung bedeutet mit dem Risiko des Verlustes von Lebensqualität und Lebenszeit für den Betroffenen. Die Indikation zur Röntgen-Thoraxaufnahme muss vielmehr individuell unter Berücksichtigung des Nutzens für den Patienten auf der einen und des möglichen Schadens durch schädigende Strahlen auf der anderen Seite gestellt werden [16].

Bei der Einschätzung des Strahlenrisikos von Röntgenuntersuchungen im Speziellen und von Strahlen im Allgemeinen erleben wir derzeit allerdings in der öffentlichen Meinung ein wachsendes Misstrauen gegenüber wissenschaftlich fundierten Argumenten. Und dies, obwohl der Nutzen des Röntgens ohne jeden Zweifel die Risiken bei Weitem überwiegt, ja die moderne Medizin ohne Röntgenstrahlen undenkbar wäre. Dieses Misstrauen ist eingebettet in einen breiten Strom der Skepsis gegenüber technisch-wissenschaftlichen Fragen und markiert einen Wandel im teilweise unkritischen Fortschrittsglauben der vergangenen Jahrzehnte. Im Extremfall äußert sich dieser Wandel in irrationaler Kritik am Wissenschaftsfortschritt, insbesondere an ihren Konsequenzen und Langzeiteffekten. In keinem Fall ist dies so evident wie in der Einstellung der Öffentlichkeit zu den Strahlenfolgen. Selbstkritisch muss sich allerdings die wissenschaftliche Elite am Ende fragen lassen, warum sie die anfangs unbegrenzten Erwartungen, wie sie etwa bei der Entdeckung der Röntgenstrahlen oder der Atomenergie verbreitet wurden, nicht dämpfte. Lange Zeit wurden Warnungen über Schäden durch Strahlungen missachtet oder bagatellisiert. Selbst die große Marie Curie nannte Harrison Martland, einen jungen Arzt aus Chicago, der eindringlich auf Strahlenschäden durch radioaktives Material hinwies, einen Scharlatan. Martland hatte Kieferschäden bei Arbeiterinnen beobachtet, die Ziffernblätter von Uhren mit einer Leuchtfarbe bemalten, die alphastrahlendes Radium enthielten. Dabei spitzten die Arbeiterinnen den Pinsel mit den Lippen, um scharfkonturierte Zahlen zu malen. Madame Curie warf dem jungen Kollegen vor, er wisse nicht, dass ionisierende Strahlung Gesundheitsschäden nur nach langer und unverhältnismäßig hoher Exposition hervorrufen könne.

Als die blinde Zuversicht in den Nutzen des Fortschrittes zu den Katastrophen von Hiroshima und Tschernobyl führte, schlug die Stimmung in der Öffentlichkeit um und jegliche Art von Strahlung wurde und wird verdammt und zum Symbol des Bösen schlechthin erklärt. In exemplarischer Weise spiegelt die Geschichte der Strahlenforschung und der technischen Anwendung in den vergangenen hundert Jahren Glanz und Elend, Nutzen und Missbrauch wissenschaftlichen Strebens wider. All diesen kritischen öffentlichen und veröffentlichten Meinungen zum Trotz müssen wir als wissenschaftlich orientierte Mediziner nicht müde werden, nüchtern und mit kühlem Kopfe zu argumentieren, Verständnis zu wecken und ehrliche Lösungen zu erreichen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und belegten Fakten beruhen. Dazu soll die vorliegende Expertise zum „Strahlenrisiko bei Röntgenuntersuchungen des Thorax” einen kleinen Beitrag in einem umstrittenen Segment leisten. Vorausgeschickt sei allerdings, dass „Risiko” unterschiedlich definiert ist. Wenn man im täglichen Leben von Risiko spricht, ist damit stets eine nennenswerte Gefährdung verbunden. Wenn man in der Wissenschaft von Risiko spricht, so bedeutet dies die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes negatives Ereignis, zum Beispiel, zu erkranken oder zu sterben, eintritt. Die Wissenschaftler sprechen auch dann noch von Risiko, wenn die betreffende Wahrscheinlichkeit außerordentlich klein ist. Beispielsweise ist das Risiko, innerhalb der nächsten Stunde vom Blitz erschlagen zu werden, etwa 1 : 10 Milliarden. Im Alltag wird ein solches Risiko keineswegs als reale Gefährdung verstanden. Wenn im Folgenden von Risiko die Rede ist, bedeutet dies nicht automatisch eine Gefahr.

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Strahlenphysik

Strahlung ist Energietransport. Zur ionisierenden Strahlung zählt man die elektromagnetische Wellenstrahlung (Röntgen- und Gammastrahlung) sowie leichte (Elektron = β-strahlung) und mittelschwere (Protonen, Neutronen und Alphateilchen) sowie schwere Teilchenstrahlung. In der Röntgendiagnostik interessiert allein die Wellenstrahlung (Synonym: Photonen- und Quantenstrahlung).

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Ionisierende Strahlung

Der Energiebereich für die ionisierende Strahlung liegt im Bereich von keV und Mev. Sie ist um ein Vielfaches größer als die Bindungsenergie der Elektronen in den äußeren Atomhüllen, die für die chemische Bindung verantwortlich ist. Folglich können Elektronen aus Atomen und Molekülen freigesetzt werden. Dieser Prozess der Ionisierung hat der Strahlung ihren Namen gegeben. Beim Prozess der Ionisation können chemische Bindungen aufgebrochen werden (Radiolyse). Durch diese kommt es zu dauerhaften Veränderungen biologisch wichtiger Moleküle, Voraussetzung für die strahlenbiologischen Schäden.

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Erzeugung und Eigenschaft von Röntgenstrahlen

Die aus der glühenden Kathode austretenden Elektronen werden durch die angelegte Hochspannung in Richtung Anode beschleunigt. Bei der Abbremsung der Elektronen im Feld der Atomkerne des Anodenmaterials entsteht die Röntgenbremsstrahlung. Diese setzt sich aus Photonen (Quanten) mit einem kontinuierlichen Energiespektrum, das von 0 bis zu einer bestimmten Grenzenergie reicht, zusammen. Diese Grenzenergie ist proportional zur angelegten Hochspannung.

Neben der Abbremsung der Elektronen im Feld der Atomkerne des Anodenmaterials kommt es bei der Ionisation auch zur Emission von Elektronen der Atomhülle. Hierbei wird aus den innersten Schalen der Atomhülle (K- oder L-Schale des Anodenmaterials) ein Elektron emittiert. Bei der „Wiederbesetzung” dieser Lücke durch ein Elektron aus der äußeren Schale wird ein Röntgenquant mit einer für das Anodenmaterial charakteristischen Energie abgestrahlt. Diese sog. charakteristische Strahlung spielt in der Röntgendiagnostik - abgesehen von der Mammographie - keine Rolle (Kα bzw. Kβ in Abb. [1]).

Die „Ausbeute” an Röntgenstrahlung ist abhängig vom Röntgenstrom und der anliegenden Spannung:

  • Wird der Röntgenstrom (bei konstanter Spannung) erhöht, steigt proportional die Zahl der Röntgenquanten und damit die Dosis.

  • Wird die anliegende Hochspannung (bei konstantem Röhrenstrom) erhöht, nimmt die Energie der Strahlung und überproportional die Ausbeute der Röntgenstrahlung zu (Abb. [1]).

Dieser Sachverhalt schlägt sich unmittelbar in den Belichtungstabellen nieder, die bei manueller Einstellung der Aufnahmeparameter verwendet werden.

Auch bei Verwendung einer Organautomatik sind selbstverständlich derartige Belichtungstabellen hinterlegt. Aus den Begleitunterlagen für jede Anlage müssen die der Organautomatik zugrundegelegten Belichtungswerte dokumentiert sein.

Um Bewegungsunschärfen zu vermeiden - dies gilt vor allem bei Lungenaufnahmen -, muss die notwendige Strahlung in hinreichend kurzer Zeit erzeugt werden (bei Lungenaufnahmen ist dies typischerweise etwa 20 ms, bei Kindern < 5 ms).

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Absorptionsprozesse und Kontraste

Der „Arbeitsbereich” der Röntgendiagnostik liegt (von der Mammographie einmal abgesehen) bei Spannungen zwischen 45 und 150 kV. In der mehr als 100-jährigen Geschichte der Röntgendiagnostik haben sich Erfahrungen für die optimale Spannung in Abhängigkeit von der Fragestellung herausgebildet. Diese finden zum Beispiel ihren Niederschlag in den vorgeschlagenen Aufnahme- und Durchleuchtungsspannungen der Leitlinien der Bundesärztekammer [2]. Die Leitlinien empfehlen z. B. für die Aufnahme der Hand eine Spannung zwischen 45 und 55 kV, für Ellbogen 50 - 60 kV, Schulter 60 - 75 kV und für den Thorax 125 kV (110 - 150 kV).

Für das Verständnis, warum die Röntgendiagnostik nur in diesem Spannungsbereich arbeiten kann und warum für verschiedene Aufnahmen unterschiedliche Aufnahmespannungen erforderlich sind, muss kurz auf die verschiedenen Absorptionsprozesse für die Röntgenstrahlung eingegangen werden.

Im Bereich der Röntgendiagnostik sind zwei Absorptionsprozesse von Bedeutung, und zwar der Fotoeffekt und der Comptoneffekt (Abb. [2]).

Beim Fotoeffekt wird die Energie des Quants auf ein Elektron übertragen. Dieses Elektron überträgt seine Energie in Form von sekundären Ionisationen entlang einer sehr kurzen Wegstrecke (maximal 1/10 Millimeter). Bei diesem Prozess wird das Röntgenquant vollständig absorbiert und seine Energie in unmittelbarer Nähe des Absorptionsortes durch Ionisationen „verbraucht”.

Beim Comptoneffekt wird Energie des primären Röntgenquants nur zum Teil auf ein Rückstoßelektron übertragen. Das restliche Röntgenquant „fliegt” mit geänderter Richtung und reduzierter Energie weiter. Dies bedeutet eine Streustrahlung, die stets eine geringere Energie als die Primärstrahlung besitzt und zu einer Verschlechterung des Kontrastes führt (siehe später).

Die Wahrscheinlichkeit für beide Effekte hängt in unterschiedlicher Weise von der Energie der Röntgenstrahlung ab (Abb. [2]).

Der Fotoeffekt dominiert bei kleinen Energien und nimmt mit zunehmender Spannung an Bedeutung ab. Der Comptoneffekt zeigt dagegen nur geringe Abhängigkeit von der Energie der Röntgenstrahlung.

Entscheidend aber ist die Abhängigkeit der Absorptionsprozesse von der Zusammensetzung der Gewebe.

  • Der Absorptions-Koeffizient für den Fotoeffekt ist in erster Näherung proportional der Dichte (ρ) und zur 3. Potenz (!) der Ordnungszahl (Z3) und Wellenlänge.

  • Der Absorptions-Koeffizient für die Comptonstreuung ist in erster Näherung proportional der Dichte (ρ). Bei zunehmender Röhrenspannung und damit zunehmender Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Comptoneffekts nimmt die Absorption der Röntgenstrahlung daher ab.

Diese Abhängigkeiten haben unmittelbare Auswirkung auf die Belichtungstabellen (Organautomatik).

  • ρ und Z unterscheiden sich zwischen Weichteil und Knochen deutlich. Wegen der größeren Z-Abhängigkeit des Fotoeffektes kommt es deswegen zu erheblichen Kontrastunterschieden im niederenergetischen Bereich (geringe Röhrenspannung).

  • Bei kleinen Röhrenspannungen ist jedoch die Absorptionswahrscheinlichkeit insgesamt so hoch, dass bei dickeren Objekten (Schulter versus Finger) keine ausreichende Intensität ohne unverantwortlich hohe Dosisbelastung des Patienten an der Austrittsseite für die Schwärzung des Films zur Verfügung steht. Die Auswahl der Spannung ist also ein Kompromiss zwischen Strahlenbelastung und Kontrast.

Die Untersuchung der Lunge stellt einen Sonderfall dar. Hier ist der große Kontrast zwischen Weichteil und Knochen unerwünscht, da Gefäße hinter den Rippen bis in die Peripherie erkannt werden sollen und ein Einblick in das Mediastinum und in den Retrokardialraum erwünscht ist. Durch sukzessive Erhöhung der Erzeugungsspannung nimmt der Fotoeffekt ab und der Comptoneffekt zu. Damit verringert sich die Abhängigkeit von Z, die Rippen werden transparenter. Eine Thoraxaufnahme mit 70 kV zeigt immer „zu viel” Skelett, aber „zu wenig” Lunge. Hier sind Spannungen zwischen 110 und 150 kV (Leitlinie!) notwendig.

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Dosisbegriffe

Bereits kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen wurde in Anlehnung an die Pharmakologie der Begriff Dosis eingeführt. Aus noch zu erläuternden Gründen sind verschiedene Dosisbegriffe (Energiedosis, Äquivalentdosis, effektive Dosis) notwendig.

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Energiedosis

Beim Röntgen wird der überwiegende Anteil der Röntgenstrahlung im Körper absorbiert; nur wenige Prozent der Primärstrahlung durchdringen den Körper und werden für die Bilderzeugung verwendet. Entscheidend für die biologischen Strahlenschäden ist die absorbierte Strahlung, die transmittierte Strahlung verursacht keine Effekte im Körper. Energiedosis bezeichnet diejenige Energie, die von der Strahlung pro Masse (eines jeden Volumenelementes) des Körpers abgegeben wurde. Die Einheit der Energie ist das Joule, die Einheit der Masse das Kilogramm; damit hat die Energiedosis die Einheit Joule pro Kilogramm. Nach dem neuen internationalen System (SI), welches seit 1986 verbindlich ist, wird für den praktischen Gebrauch die spezielle Einheit Gray (Gy) benutzt (benannt nach einem englischen Strahlenphysiker und Biologen):1 J kg-1 = 1 Gy.Beziehungen zu alten Einheiten siehe Tab. [1].

Die Energiedosis ist unmittelbar nur schwer zu messen (direkte Methode: Kalorimetrie), indirekte Methoden gehen von der Ionisationsdosimetrie aus.

Tab. 1Größen und Einheiten im Strahlenschutz
Größegesetzliche Einheit (SI-Einheit)alte EinheitUmrechnung alt/neu
Energiedosis (D)GrayEinheitenzeichen: Gy1 Gy = 1 J/kgRadEinheitenzeichen: rd1 rd = 10-2 Gy
Äquivalentdosis (H)SievertEinheitenzeichen: SvRemEinheitenzeichen: rem1 rem = 10-2 Sv
Effektive Dosis (E)SievertEinheitenzeichen: Sv--
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Äquivalentdosis

Unterschiedliche Strahlenarten können bei gleicher Energiedosis sowohl qualitativ als auch quantitativ höchst unterschiedliche biologische Effekte hervorrufen. Dies hängt im Wesentlichen von der unterschiedlichen Ionisationsdichte ab, d. h. der Anzahl der pro Wegstrecke im Gewebe erzeugten Ionisationen. Beispielsweise ist es für die Reaktion eines Gewebes durchaus von Bedeutung, ob wenige Zellen häufig oder viele Zellen weniger häufig „getroffen” werden.

Die Relative Biologische Wirksamkeit (RBW) kann direkt im Experiment gemessen werden. Die RBW ist definiert als das Verhältnis der Energiedosis einer Referenzstrahlung (meistens 200 kV Röntgenstrahlen) zur Energiedosis einer zu vergleichenden Strahlenart (z. B. Teilchenstrahlung), die jeweils den gleichen biologischen Effekt hervorruft. Die RBW hängt von der getesteten Reaktion, der Strahlendosis und vielen anderen Faktoren ab.

Die Äquivalentdosis (H) ist definiert als das Produkt aus Strahlungs-Wichtungsfaktor wR (R = Radiation) und Energiedosis (D), also H = wR × D.Dieser Wichtungsfaktor wR gibt an, um welchen Faktor eine Vergleichsstrahlung für den Menschen aufgrund ihrer höheren Ionisationsdichte biologisch wirksamer (gefährlicher) ist als Röntgen- oder Gammastrahlung. Die Strahlungs-Wichtungsfaktoren werden von internationalen Gremien festgelegt, wobei alle am Menschen gemessenen RBW-Werte berücksichtigt werden.

Da der Wichtungsfaktor dimensionslos ist, hat die Äquivalentdosis dieselbe Einheit wie die Energiedosis, also das Joule pro Kilogramm. Als spezielle Einheit ist seit 1986 das Sievert (Sv) verbindlich geworden. Das Sievert hat die alte Einheit das Rem abgelöst: Umrechnungen siehe Tab. [1].

Röntgen- und Gammastrahlen haben definitionsgemäß einen Wichtungsfaktor von 1. Somit entspricht in diesem Fall eine Energiedosis von 1 Gy stets einer Äquivalentdosis von 1 Sv. Für Neutronen einer Energie von 1 MeV beträgt der Wichtungsfaktor z. B. 10; somit entspricht eine Energiedosis von 1 Gy dieser Neutronen einer Äquivalentdosis von 10 Sv. Für Alphateilchen und schwere Ionen wurde ein Wichtungsfaktor von 20 festgesetzt; dies ist der höchste Wert, der verwendet wird.

Die Äquivalentdosis wurde eingeführt, um die Strahlenschutzgesetzgebung einigermaßen handlich zu machen. Während die International Commission on Radiological Protection (ICRP) den Strahlenwichtungsfaktor wR verwendet, wird in der deutschen Strahlenschutzgesetzgebung Q eingeführt, wobei die Qualitätsfaktoren ebenfalls zwischen 1 und 20 variieren (s. Anlage 7 zur Strahlenschutzverordnung).

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Effektive Dosis

Die effektive Dosis wurde eingeführt, um Teilkörper- mit Ganzkörperexposition oder Bestrahlung unterschiedlicher Organe hinsichtlich ihres Risikos einer malignen Entartung miteinander vergleichen zu können. Die Langzeitrisiken nach Strahlenexposition betreffen in erster Linie die Induktion von Tumoren und Leukämie, wobei unterschiedliche Organe in unterschiedlichem Ausmaß zum Risiko beitragen. Eine weitere Art der Schädigung betrifft die Induktion von genetischen Veränderungen nach Strahlenexposition der Keimdrüsen. Um diese unterschiedlichen Beiträge zu berücksichtigen, hat die ICRP [4] Gewebe-Wichtungsfaktoren wT (T = Tissue) eingeführt. Dabei wurde die Summe der wT-Faktoren auf 1 normiert. Für die Strahlenexposition der Keimdrüsen gilt wT = 0,2, d. h. der Beitrag strahleninduzierter Mutationen zum gesamten Schädigungspotenzial wird mit 20 % angesetzt, die übrigen 80 % betreffen die strahleninduzierten Krebserkrankungen.

Die effektive Dosis E ist definiert als die Summe der gewichteten Äquivalentdosen in allen Geweben und Organen des Körpers:

Dabei ist HT die Organ-Äquivalentdosis in Gewebe oder Organ T und wT der Wichtungsfaktor für das Organ bzw. Gewebe T. Da die Wichtungsfaktoren dimensionslos sind, hat die effektive Dosis dieselbe Einheit wie die Äquivalentdosis, nämlich das Sievert (Sv). Die effektive Dosis wurde von der ICRP zunächst nur für Überlegungen im Strahlenschutz eingeführt. Mittlerweile wird sie jedoch auch als Indikator, z. B. für Vergleiche verschiedener radiologischer Methoden, angewandt.

Der Zusammenhang zwischen Energiedosis, Äquivalentdosis und effektiver Dosis ist in Abb. [3] schematisch dargestellt. Damit soll veranschaulicht werden, wie die drei erläuterten Dosisbegriffe zusammenhängen.

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Weitere Dosisbegriffe

In der Röntgendiagnostik, der Strahlentherapie, der Nuklearmedizin und im Strahlenschutz sind weitere Dosisbegriffe gebräuchlich, die sich jedoch meist selbst erklären (s. Abb. [4]). Hierzu zählt z. B. die Einfalldosis (Abb. [4a]), die Oberflächendosis (Abb. [4b]), die Tiefendosis (Abb. [4c]), die Kollektivdosis, u. ä.

In der Röntgendiagnostik wird häufig die Einfall- oder Oberflächendosis (Oberflächendosis = Einfalldosis × Rückstreufaktor) als Maß für die Exposition verwendet. Ohne zusätzliche Information, wie z. B. über die Feldgröße, ist die Einfall- bzw. Oberflächendosis wenig aussagekräftig, jedoch für einen Methodenvergleich bei gleicher Einstellung ausreichend.

Verschiedene Verfahren zur Ermittlung der Organdosis und damit auch der effektiven Dosis gehen von der Einfalldosis aus und erlauben (bei bekannter Feldgröße) deren Beträge in guter Näherung abzuschätzen (Tab. [2]).

Eine besondere Bedeutung hat das Dosisflächenprodukt. Das Dosisflächenprodukt ist keine Dosis, sondern das Produkt aus Dosis und Querschnittsfläche des Röntgenstrahlenbündels. Bei der Änderung des Messortes ändert sich die Fläche proportional und die Dosis umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung zur Röntgenquelle, so dass dieses Produkt bei vorgegebenen Bedingungen konstant bleibt.

Da beim Dosisflächenprodukt die Fläche berücksichtigt wird, ist diese Größe der absorbierten Energie und damit dem biologischen Effekt proportional. Die Einheit für das Dosisflächenprodukt ist im Allgemeinen: mGy × cm2.

Tab. 2Oberflächendosis, Organdosis und effektive Dosis bei Thoraxuntersuchungen
Thorax paThorax lateralThorax-CTThorax-Low-Dose-CT
Oberflächen (Haut)-Dosis (mGy)0,40,8225
mittlere Organdosis (mGy)0,20,2184
effektive Dosis (mSv)0,10,192
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Röntgentechniken und Strahlenexposition

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Röntgenverfahren

Die Basisuntersuchungen in der Röntgendiagnostik ist die Röntgen-Thorax-Übersicht in zwei Ebenen. Die Auswahl der übrigen Verfahren erfolgt nach Indikation und Plausibilität. Um die Indikation abgewogen stellen zu können, muss der Arzt mit den verschiedenen Röntgentechniken vertraut sein, insbesondere der qualitätsorientierten Ausführung und des spezifischen Strahlenrisikos.

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Projektionsradiographie

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Thoraxaufnahme in 2 Ebenen

Die Basisaufnahme ist die Darstellung in 2 Ebenen in Hartstrahltechnik mit einem speziellen Lungenfilm entsprechend den Qualitätsrichtlinien. Erst danach kommen weitere bildgebende Verfahren zum Einsatz. Herkömmlicherweise wird die 2. Ebene streng seitlich in dextro-sinistrem Strahlengang angefertigt.

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Schrägaufnahme in Hartstrahltechnik (RAO/LAO 35 - 45°)

Diese ergeben ergänzende Hinweise zum Lungenparenchym, zur Pleura und zum Mediastinum.

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Planare und oblique konventionelle Tomographie

Der Einsatz ist zur Abklärung von Fremdkörpern, Schwielen, Einschmelzungen, Distorsion des Bronchialbaumes und bei Verdacht auf Rundherdatelektasen nach wie vor berechtigt, zumal die Technik kostengünstig ist.

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Durchleuchtung/Zielaufnahme

Die Indikation ist nur noch selten gegeben. Zur Beurteilung der Zwerchfellbeweglichkeit ist sie nach wie vor unerlässlich.

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Digitale Aufnahmetechniken

Zunehmend werden bei radiologischen Untersuchungsverfahren die Bilddaten in digitaler Form aufgenommen, verarbeitet und gespeichert. Mehrheitlich wird derzeit der Befund noch auf einer „hardcopy” dokumentiert, deren Basis das herkömmliche Filmmaterial ist. Bei der Herstellung von Hardcopies auf Laserfilm muss die größtmögliche Abbildung, wenn möglich eine 1 : 1-(full-size)Darstellung, erreicht werden. Eine Abbildung, die weniger als 75 % der Originalgröße entspricht, ist mit einem Informationsverlust verbunden, insbesondere für kleine unregelmäßige Schatten und damit nicht akzeptabel.

Wird eine voll digitalisierte Technik einschließlich digitaler Speicherung eingesetzt und eine Bildschirmbefundung gewählt, sollte als Mindestanforderung ein 2-K-System (Matrix 2000 × 2000 Pixel) benutzt werden.

  • Digitale Bildverstärker-(BV-)Radiographie: In der Thoraxdiagnostik hat sich die Bildverstärkerradiographie nicht durchgesetzt. Die erforderliche räumliche Auflösung benötigt eine hohe Matrix von > 1024 × 1024 Bildpunkten und einen großen BV-Durchmesser von > 40 cm. Dies ließ sich nicht realisieren, so dass diese Methode derzeit nicht weiter empfohlen wird.

  • Digitale Lumineszenzradiographie (Speicherleuchtstoff-System) (DLR): Phosphor-Speicherfolien werden anstelle der herkömmlichen Film-Folien-Kombinationen belichtet. Dadurch werden Elektronen in der Folie durch die Röntgenstrahlung entsprechend der einfallenden Intensität auf ein höheres Energieniveau angehoben. Die Information wird in speziellen Lese-Lasern und Auswerteeinheiten gemessen, in digitaler Form aufbereitet und entweder digital gespeichert oder als „hardcopy” ausgedruckt.

  • Digitale Selenradiographie (Selentrommelsystem): Bei der Selenradiographie wird eine dünne Selenschicht als Detektor auf eine rotierende Trommel aufgetragen. Durch die Röntgenstrahlung wird die elektrische Leitfähigkeit des Selens verändert, es entsteht ein latentes Bild in Form eines Ladungsmusters, das elektrisch abgetastet und digital ausgewertet wird.

  • Digitale Bildplatte: Anstelle eines Kassettenhalters für Film-Folien-Systeme oder Speicherfolien sind diese Systeme mit großflächigen Festkörperdetektoren ausgestattet. Diese Flachdetektoren bestehen aus einer Halbleiterschicht aus amorphem Silizium (a-Si), die auf einem Glasträger aufgedampft ist. Zugeordnet ist eine Matrix aus Fotodioden, mit denen das Ladungsrelief des Detektors, das von den einfallenden Röntgenstrahlen verändert wurde, pixelweise ausgelesen und dokumentiert wird.

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Computertomographie (CT)

  • Hochauflösende Computertomographie (High-Resolution-Computertomographie HRCT): Die Computertomographie, vor allem in hochauflösender Technik (HRCT), ermöglicht eine frühe und exaktere Erfassung pathologischer Veränderungen am Parenchym und an der Pleura. Zunehmend setzt sich eine Kombination von Spiraltechnik mit zusätzlichen hochauflösenden Schichten durch.

  • Spiral-Computertomographie: Gegenüber der herkömmlichen CT, bei der die Schnitte einzeln angefertigt werden, rotiert das Röhren-Detektorsystem ständig während eines gleichförmigen Tischvorschubs. Der wesentliche Teil einer Spiral-CT liegt in seinem Geschwindigkeitszuwachs: Eine moderne Spiral-CT mit Subsekundentechnik (0,5 s/Rotation) und Mehrschicht-Detektorensystem (multi slice) bedeutet eine Aufnahmezeitreduktion um mindestens den Faktor 8. Dadurch gelingt eine lückenlose Erfassung des Organes praktisch in Atemstillstand. Die Gefahr, dass durch eine unterschiedliche Atemlage verdächtige Strukturen nicht erfasst werden, wird somit vermieden. Außerdem erlaubt die kontinuierliche Datenerfassung eine mehrdimensionale Rekonstruktion des Organs. Ein weiterer Vorteil besteht in der funktionellen, kontrastmittelunterstützten Darstellung von Gefäßprozessen, insbesondere der Lungenembolie.

  • Niedrig-Dosis-Computertomographie (Low-Dose-CT): Die technische Weiterentwicklung ermöglicht es heute, bei ausreichendem Signal-Rausch-Verhältnis Bilder in diagnostischer Qualität mit einer reduzierten Strahlendosis zu erstellen, die bis auf 20 - 25 % der ursprünglich angewandten Dosis verringert werden kann.Neue aktuelle Techniken der Dosissteuerung werden zu einer weiteren Dosisreduktion führen. Dabei wird die Dosis ständig dem jeweils durchstrahlten Volumen angepasst, d. h. bei jeder Röhrenumdrehung wird die Dosis für den sagittalen oder den frontalen Strahlengang dem geringeren oder größeren Organdurchmesser adaptiert.

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Spezialverfahren

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Linearbildverstärker

Das herkömmliche Schirmbildverfahren bedarf einer relativ hohen Strahlendosis, so dass andere Möglichkeiten gesucht werden. Der Linearbildverstärker arbeitet mit einer normalen Röntgenröhre, der Röntgenstrahl wird fokusnah auf einen schmalen Spalt von 2,4 × 40 cm eines linearen Bildverstärkers eingeblendet. Der Thoraxbereich wird in 0,8 s abgetastet. Über ein optisches System werden die Spaltbilder zu einem 10 × 10 cm-Bild zusammengesetzt. Die Dosis liegt auch wegen der starken Einblendung, die eine Streustrahlung verhindert und ein Raster erübrigt, gegenüber den Schirmbildaufnahmen um einen Faktor 50 niedriger.

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Amber-Verfahren

Das Amberverfahren bedient sich ebenfalls der Schlitztechnik, jedoch mit erheblich höherem apparativen Aufwand. Die Dokumentation muss aus technischen Gründen auf Film erfolgen. Durch Dosisanpassung bei stark absorbierenden Strukturen (z. B. Mediastinum) kommt es insgesamt doch zu einem größeren Dosisbedarf und auch zu hohen Anschaffungskosten, so dass sich diese Methode trotz hervorragender Abbildungseigenschaften nicht durchgesetzt hat.

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Qualitätsrichtlinien

Die Thoraxaufnahme ist nach wie vor ein unerlässliches Instrument bei der Diagnosestellung pulmonaler Erkrankungen. Die ubiquitäre Verfügbarkeit, die niedrige Strahlenbelastung und das günstige Kosten-Nutzen-Verhältnis sprechen auch in absehbarer Zukunft für diese Methode [19].

Die Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik definieren die Anforderungen an die Aufnahmetechnik analoger und digitaler Thoraxdarstellungen und an die Bildqualität [2] [13].

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Aufnahmetechnische Leitlinien

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Thorax p. a.:

Aufnahmetechnik:

  • Aufnahmeart; Rasterwandgerät

  • Aufnahmespannung: 125 kV (110 - 150)

  • Brennfleckwert: < 1,3

  • Film-Fokus-Abstand: 180 cm (150 - 200)

  • Belichtungsautomatik: seitliche Messkammer

  • Expositionszeit: < 20 ms

  • Streustrahlenraster: 2 = 12 (8)

  • Film-Folien-System: Empfindlichkeitsklasse 400 (200)

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Thorax seitlich:

Aufnahmetechnik:

  • Aufnahmeart: Rasterwandgerät

  • Aufnahmespannung: 125 kV (110 - 150)

  • Brennfleckwert < 1,3

  • Film-Fokus-Abstand: 180 cm (150 - 200)

  • Belichtungsautomatik: mittleres Messfeld

  • Expositionszeit: < 40 ms

  • Streustrahlenraster: 2 = 12 (8)

  • Film-Folien-System: Empfindlichkeitsklasse 400 (200)

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Bildtechnische Leitlinien

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Thorax p. a.:

Bildmerkmale:

  • symmetrische Darstellung des Thorax in Inspiration

  • Abbildung der Gefäße bis zur Lungenperipherie

  • Darstellung der kostopleuralen Grenze von der Lungenspitze bis zum Zwerchfellrippenwinkel

  • visuell scharfe Abbildung von Gefäßen, Hilus, Herzrand und Zwerchfell

  • Einsicht in retrokardiale, paravertebrale Lunge und Mediastinum

  • Darstellung wichtiger Bilddetails:- rundlich: 0,7 - 1,0 mm- streifig: 0,3 mm breit- scharfe Abgrenzung kritischer Strukturen:- kleine rundliche Details in Lungenkern und -peripherie- Gefäßstruktur und lineare Elemente in der Lungenperipherie - ergänzend vorgeschlagen:

  • Darstellung der 6. Vorderrippe oder 10. Hinterrippe bei tiefer Inspiration

  • Processus spinosus des 3. BWK muss zwischen beide Sternoklavikulargelenke zentriert sein

  • Darstellung vom 7. HWK bis zum Zwerchfellrippenwinkel

  • Darstellung der retrokardial gelegenen Gefäße

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Thorax seitlich:

Bildmerkmale

  • exakte Einstellung mit erhobenen Armen

  • Sternum „tangential” und abstandsunabhängige Deckung der dorsalen Rippen beider Seiten

  • visuell scharfe Darstellung der großen Lungengefäße und des hinteren Herzrandes

  • Darstellung des Zwerchfelles und der Zwerchfellrippenwinkel

  • Darstellung wichtiger Bilddetails:- rundlich: 0,7 - 1,0 mm- streifig: 0,3 mm breit

  • scharfe Abgrenzung kritischer Strukturen:- kleine rundliche Details in Lungenkernen und -peripherie- Gefäßstruktur und lineare Elemente in der Lungenperipherie - Ergänzend vorgeschlagen:

  • Darstellung des 10. Wirbelkörpers bei tiefer Inspiration

  • Darstellung vom 7. HWK bis zum hinteren Zwerchfellrippenwinkel

  • Darstellung der durch das Herz überlagerten Gefäße

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Strahlenexposition

Bei jedem Einsatz ionisierender Strahlung müssen der Nutzen und das Risiko gegeneinander abgewogen werden. Für die Bundesrepublik ist in der derzeit gültigen Röntgenverordnung (RöV) die Forderung aufgestellt, durch Optimierung der röntgenologischen Techniken mit möglichst geringer Strahlenexposition ein diagnostisch optimales Ergebnis zu erzielen. Die tatsächliche Strahlenexposition des Patienten muss aus den Aufzeichnungen nach §28 der RöV zu ermitteln sein. Der Einsatz neuer Film-Folien-Kombinationen mit Seltenen-Erden-Folien und verbesserter Empfindlichkeit (Wechsel von Empfindlichkeitsklasse 200 auf 400 entspricht der Reduktion des definierten Dosisbedarfs von 5 am 2,5 μGy) hat zu einer deutlichen Reduktion der Strahlenexposition bei Thoraxaufnahmen geführt. Die digitale Radiographie wird entsprechend der Empfindlichkeitsklasse 400 durchgeführt, zusätzlich wird aber eine Dosiseinsparung durch den größeren Objektumfang und die Möglichkeit der computerisierten Nachbearbeitung erreicht. Damit entfallen Zusatzaufnahmen z. B. für das Mediastinum, die Zahl der Wiederholungsaufnahmen geht gegen Null [1] [18].

Gegensätzlich zu dieser Entwicklung hat der zunehmende Einsatz der Computertomographie zunächst zu einer vermehrten Strahlenbelastung geführt. Durch Anwendung von differenzierten Untersuchungsverfahren, jeweils an den Einzelfall angepasst, kann jedoch auch hier eine Dosisreduktion errreicht werden; eine weitere Verminderung ist durch die technische Entwicklung und die Gestaltung der Untersuchungsabläufe zu erwarten (Tab. [2], [3]).

Tab. 3Relative Strahlenexposition bei verschiedenen Aufnahmetechniken
Linearbildverstärker1
Großbildverstärker2
Speicherleuchtstoff- oder Selentrommelsystem6
herkömmlicher Lungenarbeitsplatz10
Schirmbildgerät (Gd-Schirm)30
Schirmbildgerät (alt)50
Tab. 4Relative Strahlenexposition in Abhängigkeit von den Aufnahmeparametern (herkömmlicher Lungenarbeitsplatz)
Standardbedingungen (nach Leitlinien der BÄK): 125 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung, Raster 12/40,Film-Folien-Klasse 400 (ca. 2 mAs)1
125 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung, Raster 12/40,Film-Folien-Klasse 200 (ca. 4 mAs)2
125 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung, Raster 8/40,Film-Folien-Klasse 400 (ca. 2,5 mAs)1,25
80 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung, Raster 12/40,Film-Folien-Klasse 200 (ca. 20 mAs)10
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Strahlenbiologie und Strahlenrisiko

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Strahlenbiologische Grundlagen

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Strahlenschäden

Ausgangspunkt aller biologischen Strahlenschäden sind Strukturveränderungen der im Zellkern enthaltenen Desoxyribonukleinsäure (DNS). Besonders häufig treten Einzelstrangbrüche sowie abgespaltene oder modifizierte DNS-Basen auf, während Doppelstrangbrüche sowie lokale Häufungen mehrerer Schäden zwar seltener vorkommen, jedoch biologisch besonders relevant sind. Der überwiegende Anteil (ca. 99,9 %) der Schäden kann durch zelleigene Enzyme repariert werden. Diejenigen Schäden, die nicht oder falsch repariert werden, können zweierlei Folgen für die Zelle haben:

Zum einen kann die betroffene Zelle ihre Fähigkeit zur Zellteilung verlieren, so dass sie anschließend zugrunde geht. Der Zelltod ist mit Abstand der häufigste Effekt. Zum anderen kann es aber auch vorkommen, dass eine Zelle trotz Veränderung ihrer Erbinformation sich weiter teilt und damit die veränderten Eigenschaften auf ihre Nachkommen übertragen kann. Man spricht dann von einer Transformation oder Mutation der betreffenden Zelle. Diese beiden Typen von Zellreaktionen ziehen für den Menschen völlig unterschiedliche Arten von Strahlenrisiken nach sich.

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Strahlenpathologie und Strahlensyndrom

Die Zellabtötung führt zu den sog. deterministischen Strahlenschäden (Tab. [5]). Hierzu gehören die akuten Schäden, wie das Erythem und die akute Strahlenkrankheit, die nichtkanzerösen Spätschäden, wie fibrotische Gewebeveränderungen, Trübung der Augenlinse und vorübergehende oder dauernde Sterilität sowie die teratogenen Schäden nach Bestrahlung in utero. Bei der Bewertung der deterministischen Schäden ist zu berücksichtigen, dass das Absterben von Zellen ein natürlicher Prozess in dem vom Organismus regulierten Fließgleichgewicht von Zellerneuerung und Zelltod ist, der in praktisch allen Geweben stattfindet. Eine strahleninduzierte Erhöhung der Zell-Sterberate führt daher nur dann zu einem Schaden in dem bestrahlten Gewebe, wenn die Anzahl der durch Strahlung abgetöteten Zellen relativ groß ist, d. h. wenn eine Schwellendosis überschritten wird. Oberhalb dieser Schwellendosis nimmt die Schwere des Strahlenschadens mit steigender Dosis zu. Die Dauer bis zum Auftreten der Symptome wird in erster Linie durch die Zellumsatzrate im betroffenen Gewebe bestimmt. Während bei Ganzkörperbestrahlung der Untergang der Knochenmarksstammzellen nach zwei bis drei Wochen im peripheren Blut deutliche Auswirkungen zeigt, führt bei höherer Strahlendosis der Ausfall der Stammzellen in den Krypten des Dünndarms bereits innerhalb von zehn Tagen zum Verlust des Epithels.

Tab. 5Einteilung der Strahlenschäden: Bei Bestrahlung höherer Organismen sind deterministische und stochastische (d. h. zufallsmäßige) Schäden zu unterscheiden, die auf unterschiedlichen Ursachen beruhen [8]
SchadenstypUrsache
deterministische Strahlenschäden:
Frühschäden (z. B. Erythem, akute Strahlenkrankheit)
nichtkanzeröse Spätschäden (z. B. fibrotische Gewebsveränderungen, Trübung der Augenlinse, Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit, etc.)Zellabtötung
teratogene Effekte (Bestrahlung in utero)
stochastische Strahlenschäden:
Krebserkrankungen (Transformation)Erbschäden (Mutation)Zellveränderung
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Strahlenrisiken

Entscheidend für die Gesundheitsgefährdung im Bereich niedriger Strahlendosen und somit auch für die Abschätzung der Risiken der Röntgendiagnostik sind die sog. stochastischen Strahlenschäden. Sie beruhen auf der Transformation und Mutation der betroffenen Zellen und führen zu neoplastischen Veränderungen und zu Erbkrankheiten. Bei diesen Schäden ist nicht die Schwere des Schadens von der Dosis abhängig, sondern die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens nimmt mit der Dosis zu. Mit anderen Worten: Eine Erhöhung der Dosis führt nicht zu dramatischeren Mutationen oder bösartigen Tumoren, sondern diese Veränderungen treten mit größerer Häufigkeit auf. Man nimmt an, dass die Zunahme proportional zur Dosis und ohne Schwellenwert erfolgt. Vieles spricht für diese Annahme, streng bewiesen ist sie allerdings nicht; doch stellt sie die Grundphilosophie des gesamten Strahlenschutzes dar.

Ein ganz wichtiger Befund ist nun, dass durch Bestrahlung keine DNS-Veränderungen hervorgerufen werden, die nicht auch spontan auftreten. Deshalb ist es bei einer Einzelperson nicht möglich, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer vorausgegangenen Strahlenexposition und einer klinisch manifesten Krebserkrankung streng nachzuweisen, weil ein durch Strahlung verursachtes Karzinom klinisch nicht von demjenigen zu unterscheiden ist, das durch andere natürliche oder zivilisatorische Einflüsse hervorgerufen wurde.

Deshalb kann eine qualifizierte Aussage über das Strahlenkrebsrisiko immer nur für ein großes Kollektiv bestrahlter Personen getroffen werden, und zwar nur dann, wenn durch den alleinigen Einfluss der Bestrahlung in dieser Gruppe eine statistisch signifikante Erhöhung gegenüber der spontanen Krebsrate auftritt. Unsere Kenntnisse über das Strahlenkrebsrisiko beim Menschen stammen aus langjährigen Beobachtungen großer Patientengruppen nach medizinischer Strahlenanwendung und insbesondere der Überlebenden der Atombombenexplosionen von Hiroshima und Nagasaki.

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Quantifizierung des Krebsrisikos

Bei allen bisher durchgeführten Studien sind die Zahlenwerte erst für Strahlendosen oberhalb von 200 mSv statistisch vom Nullwert verschieden. Hierin liegt die zentrale Problematik des Strahlenschutzes im Bereich kleiner Strahlendosen. Die meisten röntgendiagnostischen Maßnahmen sind mit einer Dosis von einigen wenigen Milli-Sievert verbunden. Deren Risiko kann nur aufgrund der Annahme berechnet werden, dass die Dosis-Wirkungs-Kurve linear bis zum Nullpunkt weitergeht und dass kein Schwellenwert existiert.

Auf der Basis aller vorliegenden Daten hat die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP = International Commission on Radiological Protection) eine Abschätzung des Strahlenkrebsrisikos vorgenommen. Die Resultate sind in Tab. [6] zusammengestellt. Danach beträgt das individuelle Lebenszeit-Krebsmortalitätsrisiko durch ionisierende Strahlen 5 % pro Sievert. Dies bedeutet Folgendes: Werden 100 Personen am ganzen Körper mit einer Dosis von 1 Sv bestrahlt, werden im Verlauf ihres Lebens 5 davon am strahleninduzierten Krebs sterben. Ein Sievert ist allerdings eine äußerst hohe Strahlendosis, bei einer Ganzkörperdosis von 3 bis 4 Sv ist mit einer 50 %igen Sterblichkeit (Mortalität) zu rechnen. Im Mittel vergehen mehr als 40 Jahre, bis eine durch Strahlenexposition verursachte Krebserkrankung eintritt [8]. Das Leukämierisiko (nach Bestrahlung des roten Knochenmarks) beträgt 0,5 % Sv-1, also ein Zehntel des gesamten Krebsrisikos. Strahleninduzierte Leukämien treten im Durchschnitt nach 15 Jahren auf; 30 Jahre nach einer Strahlenexposition ist nicht mehr mit dem Auftreten von strahleninduzierten Leukämien zu rechnen. Aus Tab. [6] wird deutlich, dass die verschiedenen Organe höchst unterschiedliche Risikokoeffizienten aufweisen.

Mit den in Tab. [6] aufgeführten Risikokoeffizienten können Strahlenrisiken direkt berechnet werden, indem man die Strahlendosis für ein bestimmtes Organ mit dem Risikokoeffizienten für dieses Organ multipliziert. Ehe wir dieses im Einzelnen tun können, müssen wir als nächstes den Dosisbedarf verschiedener Thoraxuntersuchungen näher anschauen.

Tab. 7Mittlere Organdosen pro Thoraxaufnahme bzw. CT-Untersuchung (mGy). Nach Mini [9]
Art der Untersuchung
OrganeLunge p. a.Lunge lateralCT-Thorax
Haut-Oberfläche0,420,8422,1
rotes Knochenmark0,050,074,7
Testes< 0,01< 0,010,03
Ovarien< 0,01< 0,010,17
Uterus< 0,01< 0,010,16
Blase< 0,01< 0,010,16
Dickdarm0,030,034,2
Dünndarm0,010,011,5
Nieren0,070,056,8
Leber0,140,2713,2
Milz0,170,0313,7
Pankreas0,110,1110,5
Magen0,140,0812,2
Lunge0,170,2017,6
Brust0,040,0720,3
Speiseröhre0,110,1613,8
Schilddrüse0,040,125,6
Speicheldrüse0,010,011,2
Nasennebenhöhlen< 0,01< 0,010,43
Augenlinsen< 0,01< 0,010,37
Gehirn< 0,01< 0,010,37
effektive Dosis [mSv]0,090,099,3
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Strahlenexposition bei Röntgenuntersuchungen des Thorax

Tab. [7] zeigt die Verteilung der Strahlenexposition über die verschiedenen Organe des Körpers des Patienten für die gängigsten Untersuchungen. Eine Basisuntersuchung besteht im Allgemeinen aus zwei Übersichtsaufnahmen des Thorax in zwei Ebenen, und zwar einmal p. a. (posterior-anterior, von hinten nach vorn), einmal lateral (seitlich). Bei der p. a.-Aufnahme beträgt die Strahlendosis der Lunge 0,17 mGy. Andere Organe, die vollständig oder zum größten Teil im Bestrahlungsfeld liegen, wie Milz, Magen, Leber, Pankreas und Speiseröhre, erhalten ähnliche Strahlendosen. Die Brust liegt zwar ebenfalls im Direktstrahl, erhält aber nur 0,04 mGy. Dies hängt damit zusammen, dass die Strahlung beim Durchgang durch den Oberkörper etwa um einen Faktor 25 (bei 125 KV) geschwächt wird. Die p. a.-Aufnahme ist somit nicht nur von der Qualität der Röntgenbilder, sondern auch aus Strahlenschutzüberlegungen vorzuziehen, auch bei Bettaufnahmen. Im a. p.-Strahlengang wäre die Dosis der Brust fast um einen Faktor von 25 höher, nämlich ähnlich der Dosis der Hautoberfläche. Organe, die deutlich außerhalb des Direktstrahls liegen und somit nur von Streustrahlung getroffen werden, wie die im Unterbauch oder im Kopf, erhalten Strahlendosen, die bei einigen wenigen Prozent der Lungendosis liegen.

Bei einer Computertomographie (CT) des Thorax ist die Strahlenexposition etwa um einen Faktor von 100 höher als bei einer konventionellen Röntgenaufnahme. Natürlich hängen diese Werte in starkem Maße von den Betriebsdaten der Röntgenröhre, insbesondere dem mAs-Produkt und der Anzahl der untersuchten Schichten ab [15]. Aber generell kann man sagen, dass die Strahlendosis einer Schicht (Scan) etwa der einer konventionellen Röntgenaufnahme entspricht (Abb. [5]).

Überhaupt sind die in Tab. [7] zusammengestellten Dosisangaben lediglich als orientierende Durchschnittswerte anzusehen. Sie wurden durch umfangreiche Erhebungen in 500 Arztpraxen der Schweiz bzw. durch langjährige Messungen im Krankenhaus ermittelt. Feldstudien haben gezeigt, dass in verschiedenen Kliniken der Dosisbedarf für ein und dieselbe Untersuchung um das 10- bis 20fache unterschiedlich sein kann.

Bei jeder einzelnen Untersuchung sollte der Aspekt möglicher Dosiseinsparungen beachtet werden. Das Ziel ist, die diagnostisch wichtige Information mit einer vertretbar niedrigen Strahlendosis darzustellen (ALARA-Prinzip: As low as reasonably achievable). Zu diesem Zweck hat die Bundesärztekammer Leitlinien zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik herausgegeben [2]. Diese enthalten Empfehlungen für die Aufnahmetechnik und die physikalischen und technischen Parameter des Bilderzeugungssystems, mit denen eine Dosisverminderung ohne Einschränkung der diagnostisch notwendigen Informationen zu erreichen ist. In Verbindung mit einer kritischen Indikation und einer fachkundigen Beurteilung bilden die Prinzipien der Leitlinien einen wesentlichen Bestandteil der Qualitätssicherung und des Strahlenschutzes.

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Berechnung der Strahlenrisiken einzelner radiologischer Untersuchungsverfahren

Um das mit einer bestimmten Untersuchung verbundene Krebsrisiko abzuschätzen, gibt es zwei Vorgehensweisen. Falls man die Krebshäufigkeit für ein bestimmtes Organ ermitteln will, ist die betreffende Organdosis aus Tab. [7] mit dem zugehörigen Risikokoeffizienten aus Tab. [6] zu multiplizieren. Als Beispiel betrachten wir das Risiko für strahleninduzierten Lungenkrebs bei einer p. a.-Thoraxaufnahme. Die Lungendosis beträgt 0,17 mGy; dies entspricht 0,17 mSv (da bei Röntgenstrahlen 1 mGy = 1 mSv ist) oder 0,17 · 10-3 Sv. Der Risikokoeffizient (für einen Patienten im mittleren Lebensalter) beträgt 0,85 % Sv-1. Das Produkt (0,17 × 10-3 Sv × 0,85 % Sv-1) ergibt ein Mortalitätsrisiko durch Lungenkrebs von 0,00015 % oder 1,5 × 10-6 oder 1 : 700 000.

Der zweite Fall, der in der Praxis häufiger vorkommt, ist der, dass man das gesamte Krebsrisiko ermitteln will. Wie Tab. [7] deutlich macht, sind bei einer Thoraxaufnahme nicht nur die Lunge, sondern eine Reihe weiterer Organe der Strahlung ausgesetzt. Somit ist für jedes strahlenexponierte Organ das Krebsrisiko zu berechnen, welches aus der jeweiligen Strahlendosis und dem betreffenden Risikokoeffizienten resultiert.

Diese Berechnung wird für eine Basisuntersuchung (2 Aufnahmen) in exemplarischer Weise in Tab. [8] vorgeführt. Die zweite Spalte der Tabelle zeigt die Strahlendosis für 2 Aufnahmen, was nichts anderes ist als die Summe der beiden mittleren Kolonnen von Tab. [7]. Die Dosis ist hier in 10-3 Sv (= mSv) angegeben. In Spalte 3 sind die Risikokoeffizienten aus Tab. [6] für das jeweilige Organ aufgeführt. Für diejenigen Organe, für die kein separater Risikokoeffizient existiert, wurde der Risikokoeffizient für „übrige Organe” von 0,5 % Sv-1 gleichmäßig auf diejenigen 5 Organe aufgeteilt, die die jeweils höchsten Strahlendosen erhalten haben. In der letzten Spalte von Tab. [8] steht schließlich das Risiko für die einzelnen Organe. Es wird, wie oben bereits vorgerechnet, durch Multiplikation der in den beiden mittleren Kolonnen stehenden Zahlenwerte erhalten. Das Risiko ist hier in Tausendstel Prozent (10-3 %) angegeben, da bei der Multiplikation und von 10-3 Sv mit % Sv-1 letztlich 10-3 % übrig bleibt. Die letzte Spalte zeigt, dass bei einer Thoraxuntersuchung das höchste Risiko die Entstehung von Lungenkrebs betrifft, während das Risiko für Magenkrebs etwa die Hälfte und das für Speiseröhrenkrebs etwa ein Viertel des Risikos für Lungenkrebs beträgt. Das gesamte Krebsrisiko einer Thoraxuntersuchung ergibt sich durch Aufsummieren der Risikowerte der letzten Spalte von Tab. [8]: Es beträgt 0,89 × 10-3 %.

Fazit: Von einer Million Menschen, die die konventionelle Thorax-Doppelaufnahme erhielten, sterben - nach diesem Modell - 9 Personen an einer der oben angeführten Krebsarten.

Die Risikoberechnung nach Tab. [8] ist zwar nicht schwierig, aber doch so umständlich, dass man diese Vorgehensweise niemandem so recht zumuten mag. Deshalb gehen wir noch einmal zurück in die Tab. [7] und betrachten die letzte Zeile. Dort steht „Effektive Dosis”, dieser Begriff wurde bereits erklärt. Vereinfacht kann man sagen: Die effektive Dosis bezeichnet diejenige Strahlendosis, die bei homogener Ganzkörperbestrahlung des Patienten dasselbe Risiko bedingt wie die höchst ungleichmäßig verteilte reale Strahlenexposition. Eine Aufnahme der Lunge führt somit zu demselben Risiko wie eine Ganzkörperbestrahlung mit 0,09 mGy (oder mSv).

Mit der effektiven Dosis lässt sich das gesamte Strahlenkrebsrisiko leicht berechnen (Tab. [5], S. 64). Die effektive Dosis für 2 Aufnahmen beträgt 0,18 mSv. Dieser Wert (der ja einer Ganzkörperdosis entspricht) ist mit dem Risikokoeffizienten für das gesamte Krebsrisiko von 5 % Sv-1 (Tab. [8], letzte Zeile) zu multiplizieren. Das Resultat ist 0,90 · 10-3 %; es stimmt vorzüglich mit dem Resultat der detaillierten Berechnung von Tab. [8] überein.

Tab. 6Zusätzliches Lebenszeitkrebsrisiko (Mortalität) durch ionisierende Strahlen bei Ganzkörperexposition mit niedriger Einzeldosis (nach ICRP [4])
GewebeRisiko-Koeffizient (% Sv-1)
rotes Knochenmark0,5
Lunge0,85
Dickdarm0,85
Magen0,7 *)
Brust0,6 *)
Ösophagus0,3
Blase0,3
Leber0,15
Ovar0,1
Schilddrüse0,08
Knochenoberfläche0,05
Haut0,02
Restkörper0,5
insgesamt5,0 % Sv-1
*) Originalwerte nach ICRP: Magen 1,1 % Sv-1, Brust 0,2 % Sv-1; modifiziert nach Jung 1991 [6]
Tab. 8Berechnung des gesamten Krebsrisikos für eine Basisuntersuchung des Thorax (2 Aufnahmen)
OrganeStrahlendosisRisiko-KoeffizientRisiko
[10-3 Sv][% Sv-1][10-3 %]
Haut-Oberfläche1,260,020,025
rotes Knochenmark0,120,50,060
Testes <0,01--
Ovarien <0,010,10,001
Uterus <0,01--
Blase <0,010,30,003
Dickdarm0,060,850,051
Dünndarm0,020,1 *0,002
Nieren0,120,1 *0,012
Leber0,410,150,062
Milz0,200,1 *0,020
Pankreas0,220,1 *0,022
Magen0,220,70,154
Lunge0,370,850,315
Brust0,110,60,066
Speiseröhre0,270,30,081
Schilddrüse0,160,080,013
Speicheldrüse0,020,1 *0,002
Nasennebenhöhlen <0,01--
Augenlinsen <0,01--
Gehirn <0,01--
Summe0,89
effektive Dosis0,185,00,90
* Übrige Organe: Risiko-Koeffizient 0,5 % Sv-1, aufgeteilt auf die 5 Organe mit der höchsten Dosis
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Altersabhängigkeit des Strahlenkrebsrisikos

Die in Tab. [6] und [8] aufgeführten Risikokoeffizienten sind Mittelwerte, die beide Geschlechter und alle Altersgruppen umfassen. Um das individuelle Strahlenkrebsrisiko eines exponierten Patienten zu ermitteln, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass das Strahlenrisiko vom Lebensalter bei Strahlenexposition abhängt. Die Altersabhängigkeit für alle strahleninduzierten Krebserkrankungen wurde von der ICRP angegeben. Danach ist in der ersten Lebensdekade das Risiko mehr als doppelt so hoch wie der Mittelwert. Mit zunehmendem Alter bei Strahlenexposition verringert sich das Risiko. Zwischen 30 und 40 Jahren ist das Risiko etwa zwei Drittel des Mittelwertes; es verringert sich kontinuierlich mit zunehmendem Lebensalter und ist oberhalb von 80 Jahren praktisch zu vernachlässigen.

Wenn wir lediglich Strahlenexpositionen des Thoraxbereiches betrachten, ist die Altersabhängigkeit nach ICRP ungeeignet, da das Risiko für die Induktion von Lungenkrebs - im Gegensatz zu allen anderen Tumoren - zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr um ein Vielfaches höher ist als in früheren oder späteren Lebensdekaden. Da es keine diesbezüglichen veröffentlichten Werte gibt, wurde aus den von dem amerikanischen National Research Council (NRC) [10] mitgeteilten Altersabhängigkeiten des Strahlenrisikos alters- und geschlechtsspezifische Korrekturfaktoren abgeschätzt (Tab. [9]). Für den Mann zeigen diese Faktoren über die ersten 6 Lebensdekaden nur eine geringe Variation, da die Zunahme der Risiken für den Atemtrakt und die Abnahme der Risiken für den Verdauungstrakt sich weitgehend kompensieren. Erst im hohen Lebensalter ist eine deutliche Reduktion festzustellen. Die Korrekturfaktoren für Frauen sind deutlich höher als die der Männer, da einerseits zusätzlich das Risiko für Brustkrebs zu berücksichtigen ist, andererseits das Strahlenrisiko für Tumoren des Verdauungstraktes deutlich höher liegt als das der Männer.

Tab. 9Alters- und geschlechtsspezifische Korrekturfaktoren für die effektive Dosis für Risikoberechnungen bei Lungenuntersuchungen (abgeschätzt nach Angaben von NRC [10])
AltersgruppeWichtungsfaktoren für die effektive Dosis
Alter (Jahre)FrauenMänner
0 - 91,470,72
10 - 192,150,87
20 - 291,701,16
30 - 391,040,93
40 - 491,211,32
50 - 591,131,45
60 - 690,721,01
70 - 790,310,33
> 800,060,06
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Patientenspezifische Risiken

Damit haben wir alle Zahlen zusammen, um für eine Patientin oder einen Patienten das individuelle Risiko einer Röntgenuntersuchung der Lunge (2 Aufnahmen) zu berechnen.

Als erstes Beispiel betrachten wir einen 65-jährigen Mann. Die effektive Dosis beträgt 0,18 mSv (Tab. [8]). Der Korrekturfaktor beläuft sich auf 1,01 (Tab. [9]); bei Anwendung der effektiven Dosis ist jeweils der Koeffizient für das gesamte Krebsrisiko, also 5 % Sv-1, heranzuziehen. Diese drei Werte miteinander multipliziert ergeben 0,9 × 10-3 % oder (aufgerundet) 0,001 % oder 10-5 oder 1 : 100 000.

Als zweites Beispiel betrachten wir den ungünstigsten Fall, und zwar die Untersuchung eines 15-jährigen Mädchens. Hier beläuft sich der Korrekturfaktor auf 2,15 (Tab. [9]). Die Rechnung ist dieselbe: 0,18 × 10-3 Sv × 2,15 × 5 % Sv-1 = 0,002 % oder 2 × 10-5 oder 1 : 50 000.

Somit können wir zusammenfassend feststellen: Das Krebsrisiko durch eine konventionelle Basisuntersuchung der Lunge (2 Aufnahmen) beläuft sich für eine Patientin oder einen Patienten im mittleren Lebensalter auf etwa 1 : 100 000. Bei Mädchen und jungen Frauen kann dieses Risiko auf das Doppelte ansteigen, während bei älteren Patienten das Strahlenrisiko deutlich niedriger liegt.

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Veranschaulichung des Strahlenrisikos

Es ist ziemlich einfach, das Risiko auszurechnen. Es ist allerdings äußerst schwierig, dieses Risiko einem Patienten anschaulich zu vermitteln, so dass dieser die Information nicht nur verstandesgemäß erfasst, sondern auch emotional akzeptiert. Die Relation 1 : 100 000 besagt, dass durch 100 000 Basisuntersuchungen der Lunge eine fatal verlaufende Krebserkrankung induziert wird. Bei gleicher Strahlenexposition sind zwar alle 100 000 Patienten a priori dem gleichen Risiko ausgesetzt. Doch wird eine einzige Person im Verlauf von mehreren Jahrzehnten von dem Schaden betroffen, während sich bei allen übrigen überhaupt kein Schaden manifestiert. Welcher der strahlenexponierten Patienten betroffen sein wird, ist nicht anzugeben. Deshalb werden diese Strahlenschäden als stochastische (d. h. zufallsmäßig verteilte) Schäden bezeichnet.

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Vergleich mit dem allgemeinen Krebsrisiko

Krebs ist eine ausgesprochene Krankheit des Alters. Durch die zunehmende Lebenserwartung nimmt der Anteil derjenigen, die an einer Krebskrankheit sterben, trotz der Erfolge der Medizin kontinuierlich zu. Heute stirbt jeder Vierte an einer Krebserkrankung. Dies bedeutet ein Risiko von 25 %. Durch eine Röntgenuntersuchung der Lunge erhöht sich somit das Risiko des exponierten Patienten, im Verlauf des Lebens an Krebs zu sterben, rechnerisch von 25 % auf 25,001 %. Dies ist wirklich eine minimale Zunahme des Risikos, insbesondere wenn man bedenkt, dass es dem Einzelnen an die Hand gegeben ist, durch eine entsprechende Lebensweise sein Krebsrisiko auf 20 % zu verringern oder auf 30 % zu erhöhen.

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Vergleich mit den Risiken des Straßenverkehrs

Eine weitere Möglichkeit, die Größe eines Strahlenrisikos zu veranschaulichen, besteht in dem Vergleich mit den Risiken des Straßenverkehrs [7]. Dies ist ein Risiko, mit dem wir täglich leben oder leben müssen und das jedermann einigermaßen zu überschauen glaubt. Im Jahre 1998 starben in Deutschland 7772 Personen bei Verkehrsunfällen. Dies entspricht einem Todesrisiko von 9,5 × 10-5 % oder 1 : 10 500. Das Risiko einer Lungenuntersuchung von 10-5 entspricht demnach 10 % des jährlichen Straßenverkehrsrisikos. Wenn man weiter berücksichtigt, dass durch einen Verkehrsunfall im Durchschnitt 40 Lebensjahre verloren gehen, durch Strahlenkrebs etwa 13 Jahre, dann verringert sich dieser Wert (10 × 13/40) auf 3,3 %. Eine Röntgenaufnahme der Lunge wäre demnach mit einem vergleichbaren Risiko verbunden wie die Teilnahme am Straßenverkehr an 12 Tagen (0,033 × 365). Vielleicht ist dies ein Weg, um das mit einer radiologischen Untersuchung verbundene Risiko etwas anschaulicher zu machen. Die Chancen für den Einzelnen sind sehr hoch, während der nächsten 12 Tage keinen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden: Und trotzdem sterben in diesem Zeitraum etwa 250 Menschen auf unseren Straßen. Damit sind wir bei dem Problem, dass verschwindend kleine Individualrisiken sich bei 82 Millionen Personen zu erschreckenden Gesamtzahlen summieren. Hieraus ist folgender Schluss zu ziehen: Das individuelle Strahlenrisiko des exponierten Patienten ist verschwindend gering. Trotzdem ist an jede Untersuchung, die mit einer Strahlenexposition verbunden ist, die Forderung nach einer strengen Indikationsstellung zu stellen. Dies dient dem Zweck, das Gesamtrisiko in unserer Bevölkerung zu reduzieren.

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Risiken der Computertomographie

Bei einem CT der Lunge ist die effektive Dosis etwa 50-mal höher als die von zwei Röntgenaufnahmen (vgl. Abb. [5]) und in gleicher Weise erhöht sich das Strahlenrisiko. Bei Patienten im mittleren Lebensalter beträgt dieses 1 : 2000 und bei einem weiblichen Teenager etwa 1 : 1000. Selbst bei der Niedrig-Dosis-CT in Spiraltechnik liegt das Risiko im Bereich von 1 : 5000 bis 1 : 10 000. Diese relativ hohen Strahlenrisiken erfordern eine äußerst strenge Indikationsstellung zur Thorax-CT. Der Arzt muss sich im Klaren darüber sein, welche diagnostische Fragestellung präzise beantwortet werden soll, und muss sich außerdem fragen, welchen Nutzen der strahlenexponierte Patient aus der Untersuchung zieht. Hierbei ist auch das Risiko des Patienten durch die Erkrankung in die Überlegung mit einzubeziehen in dem Sinne, dass bei einem hohen Risiko durch die Erkrankung Untersuchungsverfahren, die mit einem höheren Risiko behaftet sind, leichter zu rechtfertigen sind. Bei einem Vergleich mehrerer internationaler Studien zu diesem Thema kommt man zu dem Ergebnis, dass das Risiko des Patienten durch die Erkrankung selbst wesentlich, je nach Erkrankung bis zu 1000-mal höher ist als das Strahlenrisiko durch die CT-Untersuchung.

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Genetische Strahlenschäden

Die genetischen Wirkungen einer Bestrahlung bestehen in der Erzeugung von Mutationen in den Keimzellen, die zu vererbbaren Strahlenschäden führen. Das genetische Strahlenrisiko des Menschen kann nur aufgrund von Tierversuchen indirekt erschlossen werden. Auf der Basis aller zugänglichen Informationen hat die ICRP die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten schwerer genetischer Schäden mit 1 % Sv-1 abgeschätzt [4]. Das Risiko für die erste und zweite Generation beträgt jeweils 0,15 % Sv-1, das für alle weiteren zukünftigen Generationen zusammengenommen 0,7 % Sv-1. Bei konventionellen Röntgenuntersuchungen der Lunge liegt die Strahlendosis der Testes und der Ovarien unter 0,01 mGy (vgl. Tab. [7]). Dies ist weniger als 1 % der jährlichen natürlichen Strahlenexposition und somit nicht als risikorelevant einzustufen. Beim Thorax-CT beläuft sich die Dosis der Testes auf 0,03 mSv und die der Ovarien auf 0,17 mSv. Obwohl die Mutationsfrequenz bei Frauen wahrscheinlich niedriger liegt als die der Männer, sollen diese Dosiswerte direkt zur Risikoberechnung herangezogen werden. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Thorax-CT ein Kind mit einem strahleninduzierten genetischen Defekt zu bekommen, beträgt somit nach Strahlenexposition eines Mannes 0,03 × 10-3 Sv × 0,15 % Sv-1 = 4,5 × 10-6 %, das für eine strahlenexponierte Frau 0,17 × 10-3 Sv × 0,15 % Sv-1 = 2,6 × 10-5 %. Im Vergleich zur spontanen Missbildungsrate von etwa 2 % ist der Beitrag einer solchen Strahlenexposition von absolut untergeordneter Bedeutung.

Resümee: Wenn es um die Abschätzung des gesamten Strahlenrisikos einer exponierten Person geht, ist somit in erster Linie das Strahlenkrebsrisiko in Betracht zu ziehen. Trotzdem ist weiterhin der Grundsatz zu beachten, dass alle unnötigen Strahlenexpositionen der Keimdrüsen zu vermeiden sind, um das Risiko für Erbkrankheiten so gering wie möglich zu halten.

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Ausblick

Auch innerhalb der hochzivilisierten Länder mit guter ärztlicher Versorgung nimmt Deutschland neben Japan eine Spitzenstellung in der Anzahl der Röntgenuntersuchungen bzw. -aufnahmen pro Kopf der Bevölkerung ein. Generell gilt jedoch, dass die „Röntgenuntersuchungsdichte” abhängig ist von der Arztdichte bzw. dem Bruttosozialprodukt. Dies lässt sich gut an den Erhebungen der United Nations zeigen [17].

In Abb. [6] ist die Häufigkeit verschiedener Röntgenuntersuchungen miteinander verglichen. In derselben Abbildung ist auch der Beitrag der Thoraxuntersuchungen zur Dosisexposition der Gesamtbevölkerung dargestellt. Wie die Gegenüberstellung zeigt, ist es sicher einfacher, eine Reduktion der Strahlenexposition der Bevölkerung zu erreichen, bei den vergleichsweise seltenen, aber dosisintensiven Untersuchungen. Diesen Gedanken verfolgt auch die neue Patientenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaften, die explizit die Computertomographie und die interventionellen Untersuchungen aufführt und die Mitgliedsstaaten auffordert, durch spezielle Schulungen die Exposition von Patient und Personal zu minimieren [1].

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Zusammenfassung

Generell kann man sagen, dass in den allermeisten Fällen der Nutzen der Röntgenuntersuchung das Risiko bei weitem überwiegt. Die üblicherweise auftretenden Strahlenrisiken sind verschwindend gering im Vergleich zu anderen Risiken des Lebens. Beispielsweise sind mehr als zwei Drittel aller Krebserkrankungen auf Rauchen, Alkohol und ungesunde Ernährung zurückzuführen. In der Landwirtschaft oder im Baugewerbe liegt das berufsbedingte Mortalitätsrisiko bei etwa 1 : 1500 und damit im Bereich der Lebenszeitrisiken einer Computertomographie des Thorax.

Kein Umweltrisiko ist so gut bekannt und erforscht wie das Strahlenrisiko, welches relativ genau zu beziffern ist. Dies führt vielfach dazu, dass die Größe des Strahlenrisikos überschätzt wird, und zwar sowohl in der Öffentlichkeit als auch von dem einzelnen Patienten. Ein Risiko von exakt Null gibt es bei keiner menschlichen Tätigkeit. Insofern wurden die Strahlenrisiken in diesem Beitrag nicht mit einem hypothetischen Null-Risiko verglichen, sondern mit anderen Risiken, denen wir täglich ausgesetzt sind.

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Anhang

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Strahlenschutz-Gesetzgebung

Die nationale Strahlenschutz-Gesetzgebung hat heute ihre Vorgaben in den Richtlinien der Europäischen Union, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die EU-Richtlinien wiederum beruhen meist auf den gewonnenen und publizierten Kenntnissen der internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP). In der nationalen Gesetzgebung sind von Bedeutung: das Atomgesetz und die hierzu erlassenen beiden Verordnungen, nämlich die Strahlenschutz- und Röntgenverordnung. Beide werden durch zahlreiche Richtlinien ergänzt, die praktisch Ausführungsbestimmungen und Hinweise für die Handhabung darstellen. Neben diesem hierarchisch aufgebauten Schema existieren noch verschiedene Gremien, die sich ebenfalls mit dem Strahlenschutz und der Strahlenexposition befassen, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ein Komitee der Vereinten Nationen „United Nation Committee of the Effects of Atomic Radiation” (UNSCEAR).

Daneben sind noch zahlreiche Normen existent, die den Wissensstand in den einzelnen Bereichen dokumentieren. Diese Normen sind zwar nicht verbindlich, erlangen doch gewissermaßen Gesetzeskraft, wenn sie im Streitfall als Maßstab für gute und übliche Praxis genommen werden.

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Auflagen für den Anwender

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Personelle Voraussetzungen

Nach bestehendem nationalen Recht (RöV §24, Abs. 3) darf die Indikation zu einer Röntgenuntersuchung nur von einer Person gegeben werden, die zur Ausübung eines ärztlichen oder zahnärztlichen Berufes berechtigt ist und über den Fachkundenachweis verfügt.

Die Fachkunde wird durch theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen erworben. Beide sind miteinander verbunden. Für das theoretische Wissen werden von verschiedenen Veranstaltern sog. Strahlenschutzkurse durchgeführt (Kurs, Ort und Veranstalter sind im Allgemeinen bei den Landesärztekammern zu erfragen).

Die sog. Sachkunde (praktische Erfahrungen) wird unter fachspezifischer Anweisung, d. h. unter Aufsicht eines Arztes, der auf dem betreffenden Gebiet oder Teilgebiet die Fachkunde im Strahlenschutz besitzt, erworben. Im Falle der Röntgendiagnostik des Thorax beträgt diese Zeit 12 Monate.

Auch für die Durchführung gelten Vorgaben nach §23 der RöV. Es dürfen nur

  • fachkundige Ärzte

  • Ärzte mit Kenntnissen im Strahlenschutz und unter ständiger Aufsicht und Verantwortung eines fachkundigen Arztes

  • Medizinisch-technische Radiologieassistentinnen und -assistenten und

  • Hilfskräfte mit speziellen Kenntnissen unter Aufsicht eines fachkundigen Arztes

Röntgenstrahlen anwenden.

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Organisatorische Voraussetzungen

Dem Betreiber einer Röntgenanlage obliegen bestimmte Verpflichtungen, die er oder der von ihm benannte Strahlenschutzbeauftragte zu beachten haben, bzw. deren Einhaltung von ihnen zu kontrollieren sind.

Hierzu zählen unter anderem:

  • Abgrenzung des Kontrollbereiches (Röntgenraum)

  • Überwachung des im Kontrollbereich tätigen Personals (kein Zutritt für Schwangere, Personendosiskontrolle)

  • Belehrung des Strahlenexponierten und des Röntgenstrahlen anwendenden Personals in regelmäßigen Abständen (z. Z. 1/2-jährlich)

  • Durchführung der Konstanzprüfung (Qualitätskontrolle in regelmäßigen Abständen)

  • Durchführung von Abnahmeprüfungen nach wesentlichen Änderungen

  • Durchführung von Sachverständigenprüfungen in 5-jährigen Abständen und vor der ersten Inbetriebnahme

  • Dokumentation über die durchgeführte Anwendung und Befragung der Patienten über existierende Schwangerschaft und bereits durchgeführte Röntgenuntersuchungen, im vorliegenden Fall im Bereich der Lunge

  • Organisation der Aufbewahrung der Röntgenaufnahmen und sonstigen Aufzeichnungen für 10 Jahre

  • Organisation der ärztlichen Überwachung bei Personen der Kategorie A

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Apparative und räumliche Voraussetzungen

Neben den personellen Voraussetzungen müssen die apparativen und räumlichen Voraussetzungen gegeben sein. Hierzu ist es notwendig, dass Röntgengerät und Röntgenraum von einem Sachverständigen vor der ersten Inbetriebnahme geprüft und der Genehmigungsbehörde spätestens 48 Stunden vor geplanter Inbetriebnahme aufgezeigt werden.

Die RöV in ihrer derzeitigen Fassung (Herbst 2000) nennt Körperdosen für beruflich strahlenexponierte Personen, die nicht überschritten werden dürfen. Im Allgemeinen wird zwischen Ganzkörper- und Teilkörperdosen unterschieden, ebenso zwischen Personen der Kategorie A und B, wobei die Personen der Kategorie A mit einer höheren Dosis exponiert werden dürfen als Personen der Kategorie B. Erstere unterliegen der ärztlichen Überwachung. Mit Inkrafttreten der neuen RöV im Mai 2000 liegt dieser Wert bei 20 mSv pro Jahr. Alle diese Grenzwerte dürfen für die Lungendiagnostik von geringer Bedeutung sein, da abgesehen von der Lungendurchleuchtung, Manipulationen in unmittelbarer Nähe des Patienten nicht stattfinden und damit auch keine Exposition des untersuchenden Arztes und evtl. Hilfskräfte auftritt.

Aufgaben und Pflichten von Strahlenschutzverantwortlichen und Strahlenschutzbeauftragten sind in den Kurslehrbüchern zum Strahlenschutzkurs nach der RöV im Detail aufgeführt.

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Abb. 1Röntgenspektrum der Photonenstromdichte (jE) für 10 kV Erzeugungsspannung; dargestellt ist der Einfluss der Filterung (nach ICRU) [5].

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Abb. 2Absorptionswahrscheinlichkeit für verschiedene Erzeugungsspannungen.

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Abb. 3Zusammenhang zwischen Energiedosis, Äquivalentdosis und effektiver Dosis zur Bewertung des Strahlenrisikos.

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Abb. 4Veranschaulichung verschiedener Dosisbegriffe. a) Einfalldosis: Dosis am Ort des Strahlenentritts in den Patienten, jedoch ohne Patient, d. H. ohne Berücksichtigung der Rückstreuung. b) Oberflächendosis: Dosis an der Oberfläche des Patienten; die Oberflächendosis berücksichtigt die Rückstreuung aus dem Patienten. c) Organdosis: Mittlere Energiedeposition im Organ. Im skizzierten Beispiel ist also im linken dargestellten Organ die Dosis etwa halb so groß wie im rechten (wenn die Intensitätsabnahme mit der Tiefe vernachlässigt wird).

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Abb. 5Vergleich der Strahlenexposition (Heff) verschiedener diagnostischer Verfahren mit der Schwankungsbreite der natürlichen Umgebungsstrahlung (nach Reiners [12]).

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Abb. 6Häufigkeit verschiedener Röntgenuntersuchungen, Beitrag zur Dosisexposition der Gesamtbevölkerung.

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Abb. 7Vergleich der Strahlenexposition (Heff) verschiedener diagnostischer Verfahren mit der Schwankungsbreite der natürlichen Umgebungsstrahlung (nach Schober u. Reiners).

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Literatur

  • 1 Bernhardt J B, Bauer B. Strahlenschutz des Patienten: Konzepte und Regelungen. In: Strahlenexposition in der medizinischen Diagnostik. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission Bd. 30 Stuttgart: Fischer 9-28
  • 2 Bundesärztekammer . Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik, Qualitätskriterien röntgendiagnostischer Untersuchungen.  Dt Ärzteblatt. 1995;  92 B1691-1703
  • 3 Gerhardt P. Indikation zur präoperativen Thoraxaufnahme.  Fortschr Röntgenstr. 1992;  156 409-410
  • 4 ICRP .1990 Recommendations of the International Commission on Radiological Protection. ICRP Publication 60. Pergamon Press, Oxford 1991. - Deutsche Übersetzung: Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission 1990. Stuttgart: G. Fischer 1993
  • 5 ICRU .1970 Bericht Nr. 17 Radiation Dosimetry, X-Rays Generated at Potentials of 5 to 150 keV. Stuttgart: H. Krieger, B. G. Teubner
  • 6 Jung H. Die Risiken der Röntgendiagnostik.  Röntgenstrahlen. 1991;  66 46-53
  • 7 Jung H. Strahlenrisiko.  Fortschr Röntgenstr. 1995;  162 91-98
  • 8 Jung H. Strahlenrisiken. In: Ewen K (Hrsg). Moderne Bildgebung Stuttgart: Thieme 1998: 24-44
  • 9 Mini R. Strahlenexposition in der Röntgendiagnostik. In: Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission Bd. 30 Stuttgart: Fischer Verlag 1995: 49-74
  • 10 NRC, National Research Council, Committee on the Biological Effects of lonizing Radiations .Health Effects of Exposure to Low Levels of lonizing Radiations (BEIR V). Washington: National Academy Press 1990
  • 11 Neumann G. Akute Diagnostik in der Pneumologie.  Pneumologie. 1992;  46 2
  • 12 Reiners C. Die Strahlenexposition in der nuklearmedizinischen Diagnostik: Risikovergleiche auf der Basis effektiver Dosen.  Nucl Med. 1993;  32 47-51
  • 13 Schäfer C M, Prokop M, Oestmann J W. et al . Impact of Hard-Copy Size on Observer Performance in Digital.  Chest Radiography Radiology. 1992;  184 77-81
  • 14 Schmidt F, Chammas S. Zum diagnostischen Wert der routinemäßigen Thoraxaufnahme.  Bildgebung. 1991;  58 3
  • 15 Schmidt T. Strahlenexposition bei digitalen Verfahren - Computertomographie. In: BMU, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg). Strahlenexposition in der medizinischen Diagnostik. Veröffentlichung der Strahlenschutzkommission, Band 30 Stuttgart: G. Fischer 1995: 75-91
  • 16 Stender H S. Die unterlassene Röntgenuntersuchung - Nutzen und Risiko-Vergleich.  Akt Radiol. 1993;  3 135-139
  • 17 Strahlung und Strahlenschutz. Veröffentlichung des Bundesamtes für Strahlenschutz Salzgitter 1999
  • 18 Strotzer M, Völk M, Feuerbach S. Experimentelle Untersuchungen und erste klinische Erfahrungen mit einem Flachbilddetektor in der Radiographie.  Electromedica. 1999;  67 47-52
  • 19 Vano E, Guibelalde E, Morillo A. et al . Evaluation of the European image quality criteria of chest examinations.  Brit J Radiol. 1995;  68 1349-1355

Prof. Dr N Konietzko (federführend)

Ärztlicher Direktor der RuhrlandklinikAbt. Pneumologie Universitätsklinik

Tüschener Weg 4045239 Essen

Prof. Dr H Jung

Universität HamburgUniversitätskrankenhaus EppendorfInstitut für Biophysik und Strahlenbiologie

Martinistr. 5220246 Hamburg

Dr K G Hering

KnappschaftskrankenhausRadiologische Klinik

Wieckesweg 3744309 Dortmund

Prof. Dr Th Schmidt

Klinikum der UniversitätErlangen/Nürnberg

Flurstr. 1790840 Nürnberg

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Literatur

  • 1 Bernhardt J B, Bauer B. Strahlenschutz des Patienten: Konzepte und Regelungen. In: Strahlenexposition in der medizinischen Diagnostik. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission Bd. 30 Stuttgart: Fischer 9-28
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  • 17 Strahlung und Strahlenschutz. Veröffentlichung des Bundesamtes für Strahlenschutz Salzgitter 1999
  • 18 Strotzer M, Völk M, Feuerbach S. Experimentelle Untersuchungen und erste klinische Erfahrungen mit einem Flachbilddetektor in der Radiographie.  Electromedica. 1999;  67 47-52
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Prof. Dr N Konietzko (federführend)

Ärztlicher Direktor der RuhrlandklinikAbt. Pneumologie Universitätsklinik

Tüschener Weg 4045239 Essen

Prof. Dr H Jung

Universität HamburgUniversitätskrankenhaus EppendorfInstitut für Biophysik und Strahlenbiologie

Martinistr. 5220246 Hamburg

Dr K G Hering

KnappschaftskrankenhausRadiologische Klinik

Wieckesweg 3744309 Dortmund

Prof. Dr Th Schmidt

Klinikum der UniversitätErlangen/Nürnberg

Flurstr. 1790840 Nürnberg

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Abb. 1Röntgenspektrum der Photonenstromdichte (jE) für 10 kV Erzeugungsspannung; dargestellt ist der Einfluss der Filterung (nach ICRU) [5].

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Abb. 2Absorptionswahrscheinlichkeit für verschiedene Erzeugungsspannungen.

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Abb. 3Zusammenhang zwischen Energiedosis, Äquivalentdosis und effektiver Dosis zur Bewertung des Strahlenrisikos.

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Abb. 4Veranschaulichung verschiedener Dosisbegriffe. a) Einfalldosis: Dosis am Ort des Strahlenentritts in den Patienten, jedoch ohne Patient, d. H. ohne Berücksichtigung der Rückstreuung. b) Oberflächendosis: Dosis an der Oberfläche des Patienten; die Oberflächendosis berücksichtigt die Rückstreuung aus dem Patienten. c) Organdosis: Mittlere Energiedeposition im Organ. Im skizzierten Beispiel ist also im linken dargestellten Organ die Dosis etwa halb so groß wie im rechten (wenn die Intensitätsabnahme mit der Tiefe vernachlässigt wird).

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Abb. 5Vergleich der Strahlenexposition (Heff) verschiedener diagnostischer Verfahren mit der Schwankungsbreite der natürlichen Umgebungsstrahlung (nach Reiners [12]).

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Abb. 6Häufigkeit verschiedener Röntgenuntersuchungen, Beitrag zur Dosisexposition der Gesamtbevölkerung.

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Abb. 7Vergleich der Strahlenexposition (Heff) verschiedener diagnostischer Verfahren mit der Schwankungsbreite der natürlichen Umgebungsstrahlung (nach Schober u. Reiners).