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DOI: 10.1055/s-1999-8191
Venöses Aneurysma im Mediastinum als diagnostische Fehlermöglichkeit in der Computertomographie
Publication History
Publication Date:
31 December 1999 (online)
Venöse Aneurysmata stellen im Gegensatz zu arteriellen eine seltene Gefäßanomalie dar. In der Literatur finden sich vorwiegend Fallberichte (Rappaport DC et al., Can Assoc Radiol J 1992; 43: 385, Bosshardt TL et al., Mil Med 1996; 161: 246, Petrunic M et al. Eur J Vasc Endovasc Surg 1997;13:221). Am häufigsten treten sie an der unteren Extremität auf, gefolgt von Abdomen und Thorax. Als Rarität werden Venenaneurysmen an der oberen Extremität, im Kopf oder am Hals gefunden. Als Ursachen für ihre Entstehung gelten kongenitale Mißbildungen, Traumen und Infektionen (Schatz IJ et al., New Engl J Med 1962; 266: 1310). Häufig handelt es sich um Zufallsbefunde, da die Aneurysmen oft symptomlos sind und, falls Symptome auftreten, diese stark in Abhängigkeit von der Lokalisation und Größe der Gefäßveränderung divergieren.
#Fallbeschreibung
Eine 60jährige Patientin wurde in einer auswärtigen Klinik stationär aufgenommen, da sie seit einem halben Jahr an progredienter Dyspnoe litt. Bei der körperlichen Untersuchung fielen eine leichte periphere und zentrale Zyanose sowie eine Tachykardie auf. Aus der Anamnese war ein seit 8 Jahren bestehendes endogenes Asthma bronchiale bekannt, das unter inhalativer Therapie mit Beta-2-Mimetika und intermittierend oralen Steroiden stets kompensiert war. Laborchemisch zeigten sich leichte Entzündungsparameter sowie eine respiratorische Partialinsuffizienz. Das EKG wies Zeichen einer Rechtsherzbelastung auf, und echokardiographisch bestätigte sich ein Cor pulmonale. Die daraufhin durchgeführte Szintigraphie zeigte ausgeprägte Perfusionsstörungen beider Lungenunterlappen und partiell auch der Oberlappen passend zu stattgehabten Lungenembolien. Als mögliche Ursache der Embolien ließen sich weder eine Beinvenenthrombose noch eine Hyperkoagulabilität nachweisen. Im Röntgenthorax fand sich neben einem pulmonal konfigurierten Herz ein Infiltrat im rechten Oberlappen. Zum Ausschluß eines Tumors wurde eine Computertomographie mit Kontrastmittelgabe über die rechte Cubitalvene angeschlossen. Sie bestätigte die pulmonalarteriellen Thromben in den Unterlappenarterien und im Truncus pulmonalis und zeigte neben einzelnen mediastinalen Lymphknoten eine ausgedehnte hypodense Raumforderung (etwa 4,8 × 2,7 × 6,5 cm) ventral des Aortenbogens und der supraaortalen Äste (Abb. [1 a, b]). Unter der Annahme eines tumorösen Geschehens wurde eine Mediastinoskopie zur histologischen Klärung durchgeführt, bei der allerdings kein Tumor gesehen wurde. Nach Vorstellung der CT-Bilder in unserer Klinik wurde die Patientin ambulant zur CT-gesteuerten Punktion einbestellt. Zur besseren Abgrenzung der Raumforderung gegenüber den mediastinalen Gefäßen, insbesondere der im auswärtigen Vor-CT nicht abgrenzbaren linken Vena brachiocephalica, führten wir eine erneute CT der oberen Thoraxapertur mit längerer Delayzeit und mit Kontrastmittelgabe über die linke Vena cubitalis durch. Nun zeigte die Raumforderung eine gefäßtypische kräftige Kontrastmittelanreicherung und ließ sich topographisch einer aneurysmatisch erweiterten linken Vena brachiocephalica zuordnen (Abb. [2]). Eine anschließende venöse Angiographie mit Kontrastmittelgabe über beide Cubitalvenen bestätigte die Diagnose und stellte anschaulich die Form des Aneurysmas dar (Abb. [3]). Intraaneurysmatische Thromben ließen sich weder computertomo-graphisch noch angiographisch nachweisen.
#Diskussion
Mediastinale Raumforderungen stellen häufige Befunde in der Computertomographie dar und sind meist, gerade bei älteren Patienten, malignen Ursprungs, z. B. Lymphknotenmetastasen. Gründe für die anfängliche Fehlinterpretation der computertomographischen Bilder des hier vorgestellten Falles sind das unglückliche Zusammentreffen einer kurzen Delayzeit und der Kontrastmittelgabe über das unauffällige rechte venöse Stromgebiet. Als die Bilddaten in Höhe der Raumforderung in Spiraltechnik akquiriert wurden, war noch keine komplette Kreislaufpassage des Kontrastmittels erfolgt. Da deshalb die linksseitigen brachiocephalen Venen noch nicht kontrastiert waren, stellte sich das Aneurysma hypodens und tumorähnlich dar. Der Tumorverdacht wurde darüber hinaus auch klinisch gebahnt, da die Patientin ursächlich ungeklärte Lungenembolien erlitten hatte und eine paraneoplastische Genese in Erwägung gezogen worden war. Das diagnostizierte venöse Aneurysma stellt den wahrscheinlichsten Ursprungsort der Lungenembolien dar. Nach Schild (Schild H et al, Aktuelle Radiol 1992; 2: 75), der in einer Literaturübersicht die zwischen 1939 und 1992 beschriebenen venösen Aneurysmen auswertete, treten Lungenembolien in 6,1 % der Fälle auf. Meistens entstehen die Thromben in Aneurysmen der unteren Extemität, die mit 25.4 % auch die häufigste Lokalisation dieser Gefäßanomalie darstellt. Bei 55 (17,6 %) der 311 von Schild aus der Literatur erfaßten Fälle handelte es sich um thorakale Aneurysmen. Frauen sind mit 72 % häufiger betroffen als Männer. Etwa die Hälfte der Gefäßerweiterungen wurde vor dem 30. Lebensjahr diagnostiziert. Ätiologisch handelte es sich hier überwiegend um kongenitale Gefäßmißbildungen. Im vorliegenden Fall bleibt die Ätiologie letztlich ungeklärt, da das späte Auftreten der Symptome gegen eine kongenitale Anomalie spricht, ein Trauma oder eine Entzündung andererseits anamnestisch ebenfalls nicht zu eruieren sind. Allerdings konnte letztlich nicht bewiesen werden, daß die aneurysmatische Vena brachiocephalica der Ursprungsort der Lungenembolien war, da kein Thrombus direkt im Aneurysma nachgewiesen wurde. Andererseits muß die zeitweilige Gabe eines Östrogen-Gestagen-Präparates und oraler Kortikosteroide als thrombogene Risikofaktoren diskutiert werden. Zur Prophylaxe weiterer Lungenembolien wurde eine Marcumartherapie eingeleitet. Die konsultierten Gefäßchirugen hielten eine operative Sanierung des Aneurysmas bei fehlendem Thrombusnachweis für nicht indiziert. Die Operationsindikation des Venenaneurysmas wird in der Literatur unterschiedlich diskutiert. Während z. B. Calligaro (Calligaro KD et al, Surgery 1995; 117: 1) den risikoreichen Eingriff nur für symptomatische oder wachsende thorakale Aneurysmen empfiehlt, hält Pasic (Pasic M et al, J Vasc Surg 1995; 21: 505) eine Operation in jedem Fall zur Prävention größerer Komplikationen wie z.B. der Ruptur für indiziert.
S. Heise1, S. Bitter-Suermann2, H.-D. Weiss1 1 Borstel 2 Lübeck

Abb. 1 (a) Axiales CT-Bild in Höhe des Abganges der supraaortalen Äste nach intravenöser Kontrastmittelgabe von rechts mit Nachweis einer mediastinalen Raumforderung. (b) Gleiches CT wie a) in Höhe des Aortenbogens.

Abb. 2Zweites CT mit Kontrastmittelgabe über die linke Vena cubitalis und längerem Delay. Die bekannte mediastinale Raumforderung läßt sich nun als aneurysmatisch erweiterte linke Vena brachiocephalica identifizieren.

Abb. 3 Venöse Angiographie mit simultaner bilateraler Kontrastmittelgabe cubital. Großes sackförmiges Aneurysma der Vena brachiocephalica links.

Abb. 1 (a) Axiales CT-Bild in Höhe des Abganges der supraaortalen Äste nach intravenöser Kontrastmittelgabe von rechts mit Nachweis einer mediastinalen Raumforderung. (b) Gleiches CT wie a) in Höhe des Aortenbogens.

Abb. 2Zweites CT mit Kontrastmittelgabe über die linke Vena cubitalis und längerem Delay. Die bekannte mediastinale Raumforderung läßt sich nun als aneurysmatisch erweiterte linke Vena brachiocephalica identifizieren.

Abb. 3 Venöse Angiographie mit simultaner bilateraler Kontrastmittelgabe cubital. Großes sackförmiges Aneurysma der Vena brachiocephalica links.