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DOI: 10.1055/s-1999-8189
Spontanes thorakales Weichteilemphysem im Übersichtsbild. Radiologischer Einstieg in eine mehr als ungewöhnliche Ätiologie
Publication History
Publication Date:
31 December 1999 (online)
Thorakale Weichteilemphyseme können iatrogen, posttraumatischer oder spontaner Genese sein. Spontane thorakale Weichteilemphyseme treten vorwiegend als Folge nach außen fortgeleiteter intrathorakaler pathologischer Luftansammlungen diverser Ätiologien (Mediastinalemphysem, interstitielles Emphysem, Spontanpneumothorax) auf. Unsere Kasuistik belegt eine extrathorakale Ursache.
#Fallbeschreibung
Die Akutaufnahme der 70jährigen Patientin erfolgte wegen seit zwei Wochen bestehender Schmerzen im rechten Oberbauch bei nun zunehmender Intensität und Schmerzausstrahlung in die rechte Flanke.
#Klinik und Labor
Bereits bei der Inspektion fiel eine mächtige phlegmonöse Rötung und Schwellung über dem rechten Oberbauch und Nierenlager auf. Palpatorisch hier hochgradiger Druckschmerz, mit Fluktuation der Bauchwand und lokaler Abwehrspannung. Die übrigen abdominellen Quadranten ohne peritoneale Abwehrspannung. Auszug aus signifikant erhöhten Laborwerten: Leukozyten: 31 000, C-reakt. Protein: 38,2 mg/dl, Fibrinogen: 8,83 g/l, CK: 247 U/l, Kreatinin: 1,72 mg/dl, BUN: 88,4 mg/dl. Klinische Verdachtsdiagnose: schwerer abdomineller Sepsisherd im rechten oberen Quadranten mit ausgedehnter subkutaner Abszedierung und rechter oberer Quadranten-Peritonitis.
#Radiologische Befunde
#Thorax-Übersicht
Massives rechtsseitiges Weichteilemphysem, von axillär nach kaudal zunehmend, mit Fortsetzung in den thorakoabdominalen Übergang, und Projektion auch auf den rechten oberen abdominalen Quadranten (Abb. [1]).
#Computertomographie
Massives rechtsseitiges Weichteilemphysem rechts thorakoabdominal, insbesondere auch die rechte Flankenregion einbeziehend. Verbindung des abdominalen Emphysem-Anteils an der vorderen Bauchwand zu einer relativ weit kaudal gelegenen, schalig wandverkalkten, mit solidem Material gefüllten, von der rechten Bauchwand und umgebenden Darmschlingen teilweise nicht abgrenzbaren Gallenblase (Abb. [2]).
CT-Verdachtsdiagnose: in die vordere Bauchwand gedeckt perforierte Cholezystitis bei Cholezystolithiasis, radiologisch differentialdiagnostisch ein (koinzidentes) Gallenblasenkarzinom nicht auszuschließen.
#OP-Befund, Postop. Verlauf, Obduktionsbericht (Auszüge)
Inzision der Bauchwand paramedian rechts: spontane Entleerung von über zwei Liter Eiter, mit Ausdehnung von Abszeßtaschen bis zur Wirbelsäule. Nekrotisch aufgelöster Musculus rectus abdominis, mit direkt in die Gallenblase mündendem Zugang ins Abdomen. OP-Situs: entzündlicher Konglomerattumor im rechten Oberbauch, Bild einer eitrigen Cholezystitis mit gedeckter Perforation in Musculus rectus und Subkutis sowie in Duodenum und angrenzenden, drei große Konkremente enthaltenden Dünndarm, bei beginnendem Gallenstein-Ileus. Absetzen dieses Dünndarmabschnittes außerhalb der entzündlichen Veränderungen, End-zu-End-Anastomose. Übernähung des Duodenaldefektes. Sackförmig erweiterter Ductus hepatocholedochus, völlig aufgebrauchter Ductus cysticus. Intraoperative Cholangiografie: Infundibulum-naher Gallenblasenanteil nicht von einer Ductus Choledochus-Struktur unterscheidbar, daher Absetzung der Gallenblase am Gallenblasenhals, dort Übernähung und retrograde Cholezystektomie. Resektion der nekrotischen Anteile des Musculus rectus. Postoperativ unbeherrschbare generalisierte Staphylokokken-Sepsis, trotz Dauerspülung der breit offenen und mehrfach gegeninzidierten Abszeßhöhle. Exitus der Patientin am 11. postoperativen Tag. Autopsie: ausgedehnte Bauchdecken-Nekrosen und -Phlegmone, Staphylokokkensepsis und Pulmonalembolie.
#Diskussion
Der Hinweis, daß die Ursache für ein spontanes thorakales Weichteilemphysem auch „von unten” kommen kann, drängt sich für den den Thoraxübersichts-Film befundenden Radiologen zwar nicht sofort auf; je vergeblicher jedoch die Suche nach intrathorakalen Quellen und je „abdomineller” die Klinik ist, desto stärker erhärten sich - zusammen mit der in Richtung Abdomen hinunterwandernden Empyhsemstraße - die Indizien einer abdominellen, in unserem Falle cholezystogenen Komplikation als Ursache für den Thoraxröntgen-Befund.
Zu den häufigsten Komplikationen der akuten Cholezystitis zählen die Konversion in die empyematöse und gangränöse Form, die biliäre Sepsis sowie die freie und die - etwa ins Leberbett oder angrenzende Bauchwand - gedeckte Perforation bzw. die enterogen einbrechende Perforation mit spontaner biliodigestiver Fistel - in Einzelfällen zum Kolon (Chepcheruk et al., Vestn Khir Im II Grek 1992;148:62) - sowie (im Falle meist koinzidenter Cholezystolithiasis) ein Gallensteinileus.
Weniger übliche Kompliktionen der akuten Cholezystitis sind perihepatale Abszesse (Forbes et al., Am J Gastroenterol 1996;91:786), retroperitoneale Abszesse (Shimanuki et al., Fikushima J Med Sci 1997;43:113), oder Pfortaderthrombosen (Kidney et al., Clin Radiol 1998,53: 459).
Ein - entsprechend unserer Kasuistik - riesiges spontanes abdomino-thorakales Weichteilemphysem als Folge einer in die Bauchwand perforierten gangränösen Cholezystitis stellt einen besonders ungewöhnlichen Befund dar. Differentialdiagnostisch ist beim spontanen abdomino-thorakalen Weichteilemphysem im Falle fehlender intraabdomineller bzw. intrathorakaler Infektionsherde bzw. intrathorakaler pathologischer Luftansammlungen wohl in erster Linie an subkutane Infektionen bzw. Phlegmonen mit gasbildenden Erregern (v. a. Diabetiker) zu denken.
Der Lehrwert des Falles liegt darin, bei spontanen thorako-abdominellen Weichteilemphysemen ohne offensichtliche intrathorakale Quelle auch eine abdominelle Komplikation bzw. bei rechtsseitiger Emphysemlokalisation auch eine cholezystogene Komplikation in Betracht zu ziehen.

Abb. 1Massives thorakales Weichteilemphysem rechts mit Ausläufer in den rechten oberen abdominalen Quadranten.

Abb. 2CT: massive, gasgefüllte subkutane Abszeßstraßen im Oberbauch rechts, Ausläufer zur autochthonen Rückenmuskulatur. Teils kaum von der Bauchwand und angrenzenden Darmschlingen abgrenzbare, partiell wandverkalkte Gallenblase mit solidem Inhalt (lange Pfeile); undeutliche Erkennbarkeit der cholezystoduodenalen Fistel (kurzer Pfeil).
I. Gruber, M. Hermann, M. Schratter, Wien

Abb. 1Massives thorakales Weichteilemphysem rechts mit Ausläufer in den rechten oberen abdominalen Quadranten.

Abb. 2CT: massive, gasgefüllte subkutane Abszeßstraßen im Oberbauch rechts, Ausläufer zur autochthonen Rückenmuskulatur. Teils kaum von der Bauchwand und angrenzenden Darmschlingen abgrenzbare, partiell wandverkalkte Gallenblase mit solidem Inhalt (lange Pfeile); undeutliche Erkennbarkeit der cholezystoduodenalen Fistel (kurzer Pfeil).