Hamostaseologie 2024; 44(03): 170
DOI: 10.1055/s-0044-1788201
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Übergewicht und Adipositas erhöht Risiko für venöse Thromboembolien

Frischmuth T. et al.
The Risk of Incident Venous Thromboembolism Attributed to Overweight and Obesity: The Tromsø Study.

Thromb Haemo 2024;
124: 239-249
 

    Die Inzidenz von venösen Thromboembolien (VTE) hat in den letzten Jahrzehnten leicht zugenommen -und wird, aufgrund der zunehmenden Verbreitung wichtiger VTE-Risikofaktoren, von denen Adipositas eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit darstellt, wahrscheinlich weiter zunehmen: Adipositas ist mit einem zwei- bis dreifach erhöhten VTE-Risiko verbunden, und das Risiko steigt linear mit zunehmendem BMI.


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    Es gibt nur wenige Daten zum Anteil der VTE-Fälle, die auf Übergewicht und Adipositas in der Allgemeinbevölkerung zurückzuführen sind. Die Schätzungen reichen von 12,4% für VTE insgesamt bis zu 33% für nicht provozierte Ereignisse. Inwieweit Adipositas also zur Inzidenz von VTE auf Bevölkerungsebene beiträgt, ist nicht gut untersucht. Durch Ermittlung des PAF könnte diese Frage beantwortet werden. Der PAF (population attributable fraction) gibt den Anteil der Fälle einer bestimmten Krankheit in der Bevölkerung an, der auf einen bestimmten Risikofaktor zurückzuführen ist.

    Ziel einer aktuellen Studie von Tobias Frischmuth von der Arctic University of Norway in Tromsø war es nun, die PAF von VTE infolge von Übergewicht und Adipositas in einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie mit wiederholten Messungen des BMI zu ermitteln.

    Die Teilnehmer der vierten bis siebten Erhebung der Tromsø-Studie (Teilnahmebeginn zwischen 1994-2016) wurden ab dem Zeitpunkt der Teilnahme bis 2020 nachverfolgt. Bei der Tromsø-Studie handelt es sich um eine prospektive bevölkerungsbezogene Kohortenstudie mit wiederholten Gesundheitsbefragungen der Einwohner der norwegischen Stadt Tromsø. Alle Fälle von VTE wurden erfasst und als tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie klassifiziert. Das Team wertet Daten von 36.341 Teilnehmern aus. Der BMI war in die Kategorien <25 kg/m2, 25-30 kg/m2 (Übergewicht) und ≥30 kg/m2 (Adipositas) eingeteilt.

    Das Durchschnittsalter bei Aufnahme in die Studie betrug 47 Jahre und der durchschnittliche BMI lag bei 25,7 kg/m2. Bei Studienbeginn waren 37,9% der Teilnehmer übergewichtig und 13,8% fettleibig, und 2,2%, 2,9% bzw. 5,3 % hatten eine Vorgeschichte von Diabetes, Krebs und arterieller Verschlusskrankheit.

    Während der insgesamt 595.091 Personenjahre der Nachbeobachtung wurden 1.051 VTE-Ereignisse registriert, was einer einfachen Inzidenzrate von 1,77 pro 1.000 Personenjahren entspricht. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des VTE-Ereignisses betrug 69 Jahre.

    Die alters- und geschlechtsbereinigten Hazard Ratios für VTE betrugen 1,40 für Übergewicht und 1,86 für Adipositas im Vergleich zu Probanden mit einem BMI <25 kg/m2.

    Die PAF von VTE aufgrund von Übergewicht und Adipositas betrug 24,6%, wobei 12,9% auf Übergewicht und 11,7% auf Adipositas zurückzuführen waren. Ähnliche PAF-Werte ergaben sich bei Analysen, die nach Geschlecht, Alter und VTE-Subtypen stratifiziert waren (provozierte/unprovozierte Ereignisse, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie).

    Fazit

    Fast 25 % aller VTE-Ereignisse konnten in dieser bevölkerungsbasierten Kohortenstudie, durchgeführt in Norwegen, auf Übergewicht und Adipositas zurückgeführt werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Entwicklung von Strategien zur effektiven Bekämpfung der Adipositas-Epidemie und gezielte Maßnahmen zur Verringerung des Thromboserisikos bei übergewichtigen und fettleibigen Personen die Inzidenz von VTE in der Allgemeinbevölkerung erheblich senken könnten.

    Dr. Michaela Bitzer, Tübingen


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    02. Juli 2024

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