ergopraxis 2018; 11(02): 32-35
DOI: 10.1055/s-0044-101094
Ergotherapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Ergotherapie bei Rhizarthrose – Wenn der Daumen Ärger macht

Andrea Zander

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Februar 2018 (online)

 

Der Daumen ist unser stärkster Finger und nahezu immer beim Greifen beteiligt. Eine Daumensattelgelenksarthrose beeinträchtigt entsprechend den Alltag. Andrea Zander zeigt effiziente Therapieansätze.


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Andrea Zander ist Physiotherapeutin und seit 1995 in einer Praxis mit Schwerpunkt Handrehabilitation tätig. Sie arbeitet außerdem als Fachhochschuldozentin der AfH und gibt regelmäßig Fortbildungen für Ergotherapeuten und Physiotherapeuten.

Die mit Abstand häufigste Arthroseform an der Hand ist die Arthrose des Daumensattelgelenkes. Vor allem Menschen, die im beruflichen oder sozialen Alltag viel feinmotorisch arbeiten, zum Beispiel Pianisten, Schreibkräfte oder Hausfrauen, leiden aufgrund dieser prädispositionierenden Bewegungsabläufe an Schmerzen und damit verbunden starken Einschränkungen im Alltag.

Vor allem Frauen betroffen

Die Rhizarthrose mit all ihren Symptomen geht mit zunehmendem Krankheitsverlauf mit einer Subluxationsstellung der Basis des Os metacarpale I nach radial-palmar einher. Sie tritt hauptsächlich primär idiopathisch auf. In der Regel sind beide Seiten betroffen, wobei die Erkrankung meist auf der Seite der Händigkeit beginnt. Ein sekundäres Auftreten ist fast immer durch ein früheres traumatisches Ereignis (zum Beispiel Skaphoidfraktur, Fraktur der Basis des Os metacarpale I) oder eine rheumatische Grunderkrankung bedingt. Die Daumensattelgelenksarthrose wird mit einer Häufigkeit von 10 % angegeben und betrifft zehnmal mehr Frauen als Männer. Vor allem Frauen jenseits der Menopause und über 50 Jahren sind betroffen [1].


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Stärkster Finger der Hand

Der Daumen als stärkster Finger der Hand bietet viele Bewegungsmöglichkeiten und ist an nahezu jedem Handgriff beteiligt. Erst durch seine Fähigkeit, zu opponieren, wird die vielfältige Greiffunktion der Hand ermöglicht. Seine Bedeutung zeigt sich auch in seiner Präsenz im sensorischen und motorischen Kortex, der deutlich stärker ausgeprägt ist als der der übrigen Finger und der Hand. Elf indirekt stabilisierende und fünf direkt stabilisierende Ligamente des Daumensattelgelenks sowie drei Gelenke und neun Muskeln des Daumens zeigen die Komplexität dieses Fingers.

Der Daumen ist an nahezu jedem Handgriff beteiligt.

Beim CMC I (Articulatio carpometacarpalis I) artikuliert das Os metacarpale I auf dem Trapezium. Aufgrund der Gelenksform (Sattelgelenk) finden die Bewegungen dabei in zwei Freiheitsgraden statt: Abduktion/Adduktion und Flexion/Extension. 90 % der Bewegung finden im Gelenk selber statt, 10 % kommen zusätzlich aus dem skapho-trapezio-trapezoidalen Gelenk, in dem die Bewegung zwischen Trapezium, Trapezoideum und Skaphoid stattfindet. Bei 55 % aller Rhizarthrosepatienten zeigt sich daher auch eine Arthrose des STT-Gelenkes. Opposition (Abduktion und Flexion) und Reposition (Adduktion und Extension) des Daumens ergeben zusammen die Möglichkeit, eine Zirkumduktion durchzuführen, das Kreisen des Daumens.

Eine weite, schlaffe Gelenkkapsel ermöglicht diese Bewegungen, deshalb muss das Gelenk ligamentär stabilisiert werden. Einer der wichtigsten Vertreter ist das Ligamentum carpometacarpale obliquum anterius. Es stützt von palmar kommend den Metacarpalknochen und wirkt somit der Subluxationsneigung entgegen. Zusammen mit dem M. abductor pollicis longus, der mit bis zu fünf Ansätzen in die Gelenkkapsel und in das Ligamentum carpometacarpale obliquum anterior einstrahlt, bildet dieses Ligament eine bedeutende Grundlage für ein stabiles CMC I.


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Beschwerden und Einschränkungen nehmen zu

Im Anfangsstadium der Arthrose weisen nur etwa 20–30 % der Patienten Beschwerden auf. Phasen mit völliger Schmerzfreiheit wechseln ab mit Phasen, in denen die Patienten belastungsabhängige Schmerzen haben. Mit Fortschreiten der Degeneration kommt es häufiger zu Schmerzen, zunehmend auch während der Belastung. Während Patienten anfangs einen tiefen stechenden Schmerz direkt im Bereich des Gelenkes wahrnehmen, kommen später ausstrahlende Schmerzen in den Unterarm hinzu. Die Patienten beklagen dann auch zunehmend Ruheschmerzen.

Mit Fortschreiten der Arthrose kommt es zunehmend zu Bewegungseinschränkungen, insbesondere bei Abduktion und Flexion. Der C-Bogen, der sich vom Daumen über den Zeigefinger beim Zugreifen bilden sollte, fällt den Patienten aufgrund der Subluxationsstellung des Metakarpalknochens schwerer oder ist gar nicht mehr möglich ([ABB. 1], S. 33). Bei der passiven Funktionsuntersuchung zeigen sich gleichmäßig starke Einschränkungen der Abduktion, Flexion und Extension, was auf eine Pathologie der gesamten Kapsel hinweist, wie sie bei Arthrose und Arthritis üblich ist. Krafteinschränkung bzw. Kraftverlust ist ein weiteres klinisches Zeichen.

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ABB. 1 Der C-Bogen bildet sich vom Daumen über den Zeigefinger.
Abb.: A. Zander

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Daumen und Hand werden schwächer

Ein großes Problem für die Patienten ist es, nicht mehr kraftvoll zugreifen zu können und dass ihnen Dinge sogar aus der Hand fallen. Daraus entwickelt sich eine Inaktivitätsatrophie des Daumenballens, die im Wesentlichen den M. abductor pollicis longus und M. flexor pollicis longus betrifft. Darüber hinaus entwickelt sich eine allgemeine Schwäche der gesamten Handmuskulatur. Beim alltäglichen Greifen kommt es physiologisch zum Aufbau des Quergewölbes der Mittelhand durch spiegelsymmetrisches Einrollen des Daumens und Kleinfingers. Dabei begrenzt der Kleinfinger die physiologische Bewegung des Daumens und schützt ihn so vor Überbeweglichkeit. Dem Kleinfinger kommt dabei die Bedeutung des stützenden, ruhenden Pols zu und dem Daumen die des mobilen, präzisen Pols. Schwächt die Kleinfingerseite ab, so fehlt dem Daumen die natürliche Bewegungsgrenze, und er überschreitet diese, was zu einer Überlastung im CMC-Gelenk führt und damit zur ansteigenden Druckbelastung des Gelenkknorpels. Deshalb sollte die Therapeutin im Rahmen der muskulären Funktionsuntersuchung mittels eines Pinch-Vigorimeters auch den Spitzgriff mit eingerolltem Kleinfinger testen.

Durch Therapie und Heimprogramm mit der Arthrose besser leben.


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Mit passiven Therapiemaßnahmen vorbereiten

Eine genaue Befunderhebung ist immer Grundlage für eine effiziente Behandlung. Sie entscheidet über die Auswahl und Dosierung der Therapiemaßnahmen. Im Folgenden möchte ich Maßnahmen zeigen, mit denen ich erfolgreich bei Patienten mit Rhizarthrose arbeite.

Die Behandlung startet mit passiven Maßnahmen zur Entspannung und Dehnung der Muskulatur. Dabei widme ich vor allem dem M. adductor pollicis viel Zeit und Beachtung, dessen Aktivität und Dauertonus die Subluxationsstellung weiter fördert. Allem voran setze ich auf eine allgemeine Entspannung des Thenars, eine Technik, die der Patient auch eigenständig ausführen kann ([ABB. 2] UND [3], S. 33). Diese Entspannungs- und Dehnstellung sollte er zwei bis drei Minuten halten, zumindest aber so lange, bis er eine Entspannung des Gewebes spürt. All meine Patienten sind schon nach dieser kurzen Zeit begeistert über den Effekt dieser ersten Übung.

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ABB. 2 UND 3 Entspannungs- und Dehnstellung für den Thenar
Abb.: A. Zander

Danach folgen Querdehnungen und die Triggerpunktbehandlung des M. adductor pollicis. Eine Möglichkeit der Eigendehnung zeigt [Abb. 4]. Der Patient schiebt dazu die Hände ineinander – soweit es schmerzfrei möglich ist – und hält diese Position ohne Kraftanstrengung für einige Minuten. Das Gewebe wird etwas nachgeben und entspannen. So kann man beide Seiten gleichzeitig behandeln.

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ABB. 4 Eigendehnung: die Hände ineinanderschieben und halten
Abb.: A. Zander

Grundsätzlich sollte man die Flexoren der gesamten Muskelkette bis zum Schulter-Nacken-Bereich in die Behandlung integrieren, da sie ebenso der Überlastung ausgesetzt sind. Manuelle Traktionstechniken erweitern den Gelenkflächenabstand und können als passive und aktive Maßnahme zur Schmerzreduktion in fortgeschrittenem Stadium zum Einsatz kommen. Arthrosepatienten mit Grad I/II dagegen tolerieren diese manchmal aufgrund begleitender entzündlicher Prozesse in der Gelenkkapsel nicht. Sie empfinden sanfte Piccolotraktionen als angenehmer. Dabei zieht man, bis der erste Widerstand des Gewebes zu spüren ist. Leichte manuelle Mobilisationstechniken können die Gelenkbeweglichkeit in entzündungsfreien Intervallen verbessern. Ab Arthrosegrad III sind sie kontraindiziert, da sich zunehmend Osteophyten im Gelenk bilden.


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Mit aktiven Therapiemaßnahmen korrigieren

Im Rahmen der aktiven Maßnahmen sensibilisiere ich den Patient für korrigierende Bewegungsabläufe zur Stabilisation des CMC im Alltag. Hilfsmittel wie Softbälle dienen als Unterstützung. Bei einer Übung soll der Patient seinen Daumen am Ball entlang hinabrollen. Ich verwende hier den Vergleich mit einem Baumstamm, der einen Berg hinabrollt ([ABB. 6]). Dadurch formt sich über die Abduktion des Daumens wieder ein C-Bogen, was das Umgreifen eines Gegenstandes erleichtert.

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ABB. 6 Den C-Bogen unterstützen: mit dem Daumen am Ball hinabrollen
Abb.: A. Zander

Unter Beibehaltung der korrigierten Daumenstellung erfolgen anschließend Kräftigungsübungen für den Daumen. Dabei beziehe ich auch die Kleinfingerflexoren ein. Eine Übung dazu könnte sein, dass der Patient mit dem kleinen Finger einen Stift hält, während er mit Daumen und Zeigefinger ein Steckspiel spielt. Zusätzlich eignet sich Therapieknete hervorragend für die Kräftigung der gesamten Daumen- und Handmuskulatur. Um die Subluxationstendenz zu minimieren, integriere ich den M. interosseus dorsalis I ins Kräftigungsprogramm, der von der Basis des Os metacarpale I/II kommend zum zweiten Finger zieht. Studien haben gezeigt, dass er über seine Funktion dem M. adductor pollicis entgegenwirken kann und maßgeblich zur Stabilisierung beiträgt [2]. [Abb. 5] zeigt eine einfache Übung, bei der der Patient den Zeigefinger gegen einen Widerstand (Gummiband) in die Abduktion bewegt.

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ABB. 5 Abduktionsübung gegen Widerstand
Abb.: A. Zander

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Zu Hause weiterüben

Alle Übungen, die der Patient eigenständig umsetzen kann, sollte er in einem Heimübungsprogramm täglich durchführen. Die Therapie unterstützen können verschiedene zusätzliche Maßnahmen wie die heiße Rolle, Wärmeanwendungen (Paraffin), Kryotherapie (zum Beispiel kalte Linsen) oder die Nadelreizmatte. Für den Heimgebrauch eignet sich auch ein TENS-Stromgerät, um reflektorische Schmerzen sowohl im Bereich der Schulter-Nacken-Muskulatur als auch am Daumen zu behandeln. Ultraschallanwendungen sind ebenfalls eine sinnvolle Ergänzung.

Für den Gelenkschutz eignen sich Schienen. Zum Beispiel eine für die Unterstützung des Gelenkes während einer Belastung und eine für die Ruhigstellung des Daumens zur Schmerzlinderung nach einer Belastung. Temporär angelegte Tapeanlagen sind eine weitere Möglichkeit der Schmerzlinderung und Stabilisierung ([ABB. 7]).

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ABB. 7 Temporäre Tapeanlagen wie diese eignen sich für die Schmerzlinderung und Stabilisierung des Daumensattelgelenks. Es wird unter Zug angebracht. Das rote Tape ist ein Sporttape, es stabilisiert zusätzlich.
Abb.: A. Zander

Meine bisherigen Erfahrungen in der Behandlung zeigen, dass die Patienten durchweg positive Rückmeldungen geben. Eine individuelle, am Befund orientierte Therapie, die vom Patienten regelmäßig zu Hause weitergeführt wird, bildet eine solide Grundlage, um mit der fortschreitenden Arthrose besser zu leben. Und so macht der Daumen deutlich weniger Ärger.


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ABB. 1 Der C-Bogen bildet sich vom Daumen über den Zeigefinger.
Abb.: A. Zander
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ABB. 2 UND 3 Entspannungs- und Dehnstellung für den Thenar
Abb.: A. Zander
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ABB. 4 Eigendehnung: die Hände ineinanderschieben und halten
Abb.: A. Zander
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ABB. 6 Den C-Bogen unterstützen: mit dem Daumen am Ball hinabrollen
Abb.: A. Zander
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ABB. 5 Abduktionsübung gegen Widerstand
Abb.: A. Zander
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ABB. 7 Temporäre Tapeanlagen wie diese eignen sich für die Schmerzlinderung und Stabilisierung des Daumensattelgelenks. Es wird unter Zug angebracht. Das rote Tape ist ein Sporttape, es stabilisiert zusätzlich.
Abb.: A. Zander