RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0043-1769456
Zwischen Leber und Milz – die neonatale Hämochromatose (aka GALD – ‚gestational alloimmune liver disease‘)
Wir berichten über ein Frühgeborenes der 35. Schwangerschaftswoche mit akutem Leberversagen. Die Entbindung erfolgte als eilige Sectio bei pathologischem CTG und Verdacht auf fetale Anämie. Die postnatale Anpassung gestaltete sich protrahiert mit Atemunterstützung und Übernahme auf die neonatologische Intensivstation. Eine Anämie bestand postnatal nicht. Auffällig im Kreißsaal war eine nasale Schleimhautblutung nach Absaugen und Petechien am Körperstamm. Laborchemisch fielen ein erhöhtes IL-6 (463 pg/ml), eine Thrombozytopenie (92 Gpt/l) und eine Laktatazidose bis 5,6 mmol/l auf.
Bei Verdacht auf eine Infektion erfolgte eine antibiotische Behandlung. Die initialen Gerinnungswerte wurden aufgrund nicht plausibler Werte im Labor nicht validiert.
Die Patientin stabilisierte sich mit CPAP in den ersten 12 Lebensstunden. Es kam zu einer Hypoglykämie bei Infusionspause. Am 2. Lebenstag verfiel das Neugeborene rapid. In der erweiterten Diagnostik zeigten sich massiv erhöhte Leberwerte, eine Hyperammonämie (Ammoniak bis 112 µmol/l), reduzierte Lebersyntheseparameter mit schwerer Koagulopathie sowie einer Laktatazidose bis 7 mmol/l. Bei Ferritinwerten bis 230 000 µg/l bestand der dringende Verdacht auf eine schwangerschaftsassoziierte alloimmune Hepatopathie (oder ‚Gestational alloimmune liver disease‘ GALD). Sonografisch zeigten sich eine inhomogene Leber und zerebrale Echogenitätsanhebungen, die im MRT als Parenchymblutungen gesichert wurden. Die Patientin wurde durch Substitution von Gerinnungsfaktoren, Albumin und Blutprodukten stabilisiert.
Unter der Arbeitsdiagnose einer GALD erfolgte eine immunmodulatorische Therapie mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG) und die Elimination zirkulierender maternaler Antikörper durch eine Austauschtransfusion. Die Patientin stabilisierte sich unter weiterhin hohem Substitutionsbedarf und zeigte eine progrediente Cholestase.
Infektiologische oder metabolische Ursachen wie Mitochondriopathien sowie ein Alpha-1-Antitrypsinmangel konnten im weiteren Verlauf ausgeschlossen werden. Bildmorphologisch bestand der Verdacht auf eine Siderose im Leber-MRT. In einer Lippen-Schleimhautbiopsie konnte jedoch keine Eisenüberladung nachgewiesen werden [1].
Die Patientin wurde für weitere Diagnostik und eine Leberbiopsie in ein Leberzentrum verlegt. Diese zeigte keine Siderose. Bei ausreichender Erholung konnte auf eine Transplantationslistung verzichtet werden.
GALD ist eine der häufigsten Ursachen für ein neonatales Leberversagen. Maternale plazentagängige Antikörper vom IgG-Typ mit Affinität zu fetalen hepatozytären Antigenen führen bereits in-utero zu Komplementaktivierung, Leberschädigung und Eisenüberladung. Unser Fallbericht zeigt, dass die initialen Symptome und Laborparameter der GALD oft unspezifisch sind. Die Bestimmung des Serumferritins kann wegweisend sein. Eine konkrete Nachweismethode für maternale Antikörper existiert aktuell nicht. Eine frühzeitige Therapie mittels IVIG und Austauschtransfusion ist prognosebestimmend.
#
Interessenkonflikt
Es bestehen keine Interessenkonflikte.
-
Literatur
- 1 Neonatale Hämochromatose – eine Single-Center Fallserie Klinik für Kinderheilkunde II, Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Elisabeth-Krankenhaus Essen Klaus Bienemann, Simone Kathemann, Bianca Hegen, Peter Hoyer, Denisa Pilic, Elke Lainka
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Neonatale Hämochromatose – eine Single-Center Fallserie Klinik für Kinderheilkunde II, Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Elisabeth-Krankenhaus Essen Klaus Bienemann, Simone Kathemann, Bianca Hegen, Peter Hoyer, Denisa Pilic, Elke Lainka