Gesundheitswesen 2023; 85(S 01): S74
DOI: 10.1055/s-0043-1762806
Abstracts | BVÖGD/BZÖG
29.04.2023
Fachausschuss Infektionsschutz – Block 4 – Hygiene/Krankenhaushygiene
09:00 – 10:30 ‖ Fachtagungsraum 0.226

Devices ohne Indikation und Dokumentation auf den peripheren Stationen stellen mögliche schlecht sichtbare Auslöser von nosokomialen Infektionen dar

L. Lendowski
 
 

    Zusammenfassung Zur weiteren Arbeit an der Prävention von nosokomialen Sepsen und Harnwegsinfekten wurde bei 6 Krankenhäusern eines Verbundes eine Punktprävalenz der entsprechenden Devices erhoben. Bei 1321 am Bett der peripheren Stationen visitierten Patienten hatten 59% ein Device entweder- mit großem Abstand am häufigsten- als periphervenöse Verweilkanüle, oder bei Häusern mit vielen geriatrischen Patienten als Harnwegskatheter und vereinzelt meist nach vorangegangenem Aufenthalt auf der Intensivstation als zentralen Venenkatheter. Zu einem sehr großen Anteil sind diese Devices sowohl nicht (mehr) indiziert als auch nicht dokumentiert.

    Hintergrund Bei den nosokomialen Infektionen sind die beatmungsassoziierte Pneumonie, die postoperative Wundinfektion und die katheterassoziierte Harnwegsinfektion in der Menge mit jeweils über 20% die häufigsten. Daneben sind die Gefäßkatheter-assoziierten Sepsen mit rund 5% zahlenmäßig zwar nicht so häufig, dafür aber wegen der zum Teil dramatischen Verläufe für den Patienten klinisch von hoher Relevanz. Daher gilt es in der Prävention nosokomialer Infektionen auf allen peripheren Stationen den Blick auf die in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit eingesetzten Devices periphervenöse Verweilkanüle (PVK), Harnwegskatheter (HWK) und zentralen Venenverweilkatheter (ZVK) zu richten. Während der stationären Versorgung ist bereits in der zentralen Notfallausnahme oder später auf Station routinemäßig die Anlage dieser Devices erforderlich. Viele dieser Devices geraten dann im klinischen Alltag aus dem Sinn und werden nur unzuverlässig dokumentiert und rechtzeitig entfernt. Im Sinne der Infektionsprävention ist die Reduktion des Einsatzes von Devices auf das notwendige Minimum erforderlich. Hierzu wurde sich bei 6 Krankenhäusern im Verbund ein Überblick über den tatsächlichen Einsatz im Rahmen einer Punktprävalenz verschaffen.

    Methode Bei allen 6 Krankenhäusern der Akutversorgung eines Verbundes wurden im Rahmen einer Punktprävalenz im Sommer 2021 alle 1321 Patienten der peripheren Stationen am Bett angeschaut, ob sie eine periphervenöse Verweilkanüle, einen Harnwegskatheter oder einen zentralen Venenkatheter hatten, in welchem Zustand dieser war, ob eine Indikation vorlag und ob dieses Device vollständig dokumentiert war. Die Indikation wurde überprüft, indem entweder eine Neuaufnahme innerhalb von 48 Stunden vorlag oder innerhalb der letzten 48 Stunden eine inravenöse Anwendung erfolgt ist. Die Dokumentation in der Akte sollte sichtbar machen, welches Device vorlag und wie alt das aktuell liegende Device war.

    Ergebnisse In den 6 Häusern fielen die Ergebnisse in der Tendenz sehr ähnlich und in der Ausprägung unterschiedlich aus. Über alle Häuser zusammen gefasst haben von den 1321 Patienten 41% eine periphervenöse Verweilkanüle gehabt, 15% einen Harnwegskatheter und 3% einen zentralen Venenzugang. Insbesondere beim Harnwegskathete unterschieden sich die Häuser stark mit einer Schwankungsbreite zwischen 4%-20%. Die Minderheit von 41% der gesehenen Patienten hatten zum Zeitpunkt der Visite kein Device. Bei den peripheren Verweilkathetern lag bei 60% eine Indikation und bei 40% eine Dokumentation vor. Bei den Harnwegskathetern lag die Indikation bei 30% und eine Dokumentation bei 70% vor. Und bei den zentralen Venenkathetern lag zu 58% eine Indikation und zu 42% eine Dokumentation vor. Bei der Blickvisite waren die Devices überwiegend gut gepflegt, nur vereinzelt fielen blutige oder schmutzige Verbände auf.

    Erkenntnisse Es zeigte sich, dass Devices auf peripheren Stationen eine schlecht sichtbare Infektionsgefahr darstellen. Optisch sind sie in der großen Mehrheit einwandfrei, aber oft sind sie nicht indiziert und / oder dokumentiert und können so durch eine zu lange Liegezeit in eine nosokomiale Infektion münden. Es lässt sich feststellen, dass bei fehlender Indikation zu lange mit dem Entfernen des Zugangs gezögert wird. In Einzelfällen lief über eine periphervenöse Verweilkanüle über mehrere Tage (im Maximum 13 Tage) keine iv. Applikation mehr. Bei Harnwegskathetern lässt sich feststellen, dass diese häufig nur aus dem Grund der Pflegeerleichterung eingesetzt werden. Bei schlechter Dokumentation ist bei Visite der Kurve oft nicht zu entnehmen, wie alt genau das vorliegende Device beim Patienten ist. Auch wenn es keine vorgeschriebenen Wechselrhythmen gibt, ist die Information, ob eine periphervenöse Verweilkanüle im Einzelfall älter als eine Woche ist nicht unerheblich. Eine primäre Sepsis muss sich nicht zwingend mit einer Rötung an der Einstichstelle anbahnen. Da Devices bei der Mehrheit der Patienten (58%) angetroffen werden, handelt es sich dabei um eine kontinuierliche Hygienemanagementaufgabe neben der Verbandspflege auch die Entfernung nicht gebrauchter Zugänge regelhaft durchzuführen. Überwiegend handelt es sich dabei um die peripheren Verweilkanülen mit 41%. Diese waren zum Zeitpunkt der Untersuchung nur zu 60% indiziert und nur in der Minderheit 40% dokumentiert. Die Harnwegskatheter finden sich je nach Ausrichtung des Hauses mehr oder weniger oft. Sie sind nach den RKI Kriterien „Prävention und Kontrolle Katheter assoziierter Harnwegsinfektionen“ in der vorliegenden Untersuchung nur zu 30% indiziert gewesen und dienten mehrheitlich der Pflegeerleichterung. Dafür ist hier der Anteil an Dokumentationen mit 70% am höchsten.

    Die vorgefunden zentralen Venenkatheter stammten noch von den Verlegungen von der Intensivstation und hatten auf der peripheren Station eine abnehmende Indikation und Dokumentationsgenauigkeit. Sie gerieten zunehmend aus dem Blick und wurden noch für „Notfälle“ bereitgehalten.

    Konsequenzen Die Ergebnisse werden in den Häusern in den Hygienekommissionssitzungen und bei den Runden mit den Hygienebeauftragten Ärzten vorgestellt und treffen auf sehr großes Interesse und Verständnis. Als Konsequenz soll in einigen Häusern, die schon mit der digitalen Patientenakte arbeiten, eine genaue Dokumentation der Devices eingepflegt werden, die tägliche Indikationsprüfung soll als Pflichtfeld in die digitale Patientenakte eingeführt werden. In einem anderen Haus sollen gemeinsame Visiten mit Pflege und Ärzten wieder vermehrt eingeführt werden, um den Informationsverlust zu verringern. Schulungsmaßnahmen rund um das Thema Infektionsprävention bei Devices müssen verstetigt werden.


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    Publication History

    Article published online:
    08 March 2023

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