Gesundheitswesen 2023; 85(S 01): S27-S28
DOI: 10.1055/s-0043-1762699
Abstracts | BVÖGD/BZÖG
28.04.2023
Fachausschuss Infektionsschutz – Postersitzung
08:00 – 10:00 ‖ Fachtagungsraum 0.226

Hepatitis C und B-, HIV-, und Syphilisprävalenz bei Menschen, die Drogen injizieren – Ergebnisse der Pilotierung eines nationalen Surveillancesystems

G. Steffen
,
A. Krings
,
R. Zimmermann
 
 

    Hintergrund & Ziel DRUCK 2.0 pilotiert ein zukünftiges Surveillancesystem für sexuell und durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten bei Menschen mit injizierendem Drogenkonsum (IVD) in Deutschland. Dieses soll regelmäßig aktuelle Daten zu Prävalenzen und relevanten Verhaltens- und Versorgungsindikatoren liefern und damit die Grundlage für eine gezielte Anpassung von Präventions- und Kontrollmaßnahmen bilden. Regelmäßig erhobene differenzierte Daten sind notwendig, um die an die globalen Ziele der World Health Organization angelehnten nationalen Eliminationsziele für Hepatitis/HIV/STI bis 2030 zu erreichen.

    Methoden Die Rekrutierung von IVD, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung mindestens 16 Jahre alt waren und während der letzten 12 Monate mindestens einmal Drogen injiziert hatten, erfolgte 2021/2022 durch niedrigschwellige Einrichtungen der Drogenhilfe und Substitutionspraxen in Berlin und Bayern im Rahmen ihrer Routinearbeit. Alle Teilnehmenden wurden aus Kapillarblut auf einer Trockenblutkarte auf Hepatitis B und C (HBV, HCV), HIV und Syphilis getestet. Außerdem füllten sie, falls nötig mit Unterstützung, einen Fragebogen zu Soziodemographie, Risikoverhalten sowie Testungs- und Behandlungserfahrung aus. Alle Teilnehmenden erhielten einen 10€-Einkaufsgutschein als Aufwandsentschädigung.

    Ergebnisse Insgesamt haben sich zwischen Juni 2021 und April 2022 in Berlin und Bayern 20 niedrigschwellige Einrichtungen der Drogenhilfe und 3 Substitutionspraxen an der Studie beteiligt und Studienteilnehmende rekrutiert.

    In die Analysen konnten die Daten von N=596 Teilnehmenden aus Berlin, Augsburg, Ingolstadt, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg eingeschlossen werden. Das mediane Alter lag bei 39 Jahren (Spanne: 17-66 Jahre), 68% (404/595) waren männlich, und 22% (131/596) außerhalb Deutschlands geboren, die Mehrheit davon in Osteuropa. 84% (494/589) der Teilnehmenden gab an, während der letzten 30 Tage intravenös Drogen konsumiert zu haben. Von allen hatten 14% (67/488) in den letzten 30 Tagen gebrauchte Spritzen und/oder Nadeln genutzt. Der Anteil von Personen in aktueller Opioidsubstitutionsbehandlung lag bei 61% (357/582). Insgesamt hatten 77% (451/584) der Teilnehmenden bereits Hafterfahrung und 38% (167/443) gaben an, in Haft Drogen injiziert zu haben.

    Die Prävalenz lag bei 73% (432/591) für HCV-Antikörper, 27% (160/591) für aktive HCV-Infektionen (mit positiver PCR), 17% (99/583) für ausgeheilte HBV-Infektionen, 1,2% (7/584) für aktive HBV-Infektionen (HBs Antigen positiv), 2,4% (14/590) für HIV und 1,7% (10/584) für ausgeheilte Syphilis-Infektionen.

    Eine Testung auf HCV in der Vergangenheit gaben 93% (547/590) aller Teilnehmenden an, eine Testung auf HIV 89% (515/578). Von den Teilnehmenden mit HCV-Antikörpern wussten 85% (362/427) von einer früheren/derzeitigen Infektion, davon gaben 58% (194/333) eine frühere/derzeitige HCV-Therapie an. Von den Teilnehmenden mit einer HIV-Infektion wussten 85% (11/13) von ihrer Infektion, alle von ihnen waren auch in Behandlung.

    Schlussfolgerung Um die hohe Krankheitslast durch virale Hepatitiden und HIV unter IVD in Deutschland zu verringern und die Eliminationsziele zu erreichen, müssen Hürden sowohl zur Inanspruchnahme von Präventionsangeboten wie Maßnahmen der Schadensminimierung, Impfung, niedrigschwellige Testung als auch zum Zugang zu medizinischen HCV- und HIV-Versorgungsangeboten abgebaut werden. Das zukünftige Surveillance unterstützt dabei, den Eliminierungsprozess bei IVD in Deutschland fortlaufend zu beobachten und Anpassungen vorzunehmen. Es ermöglicht auch die internationale Berichterstattung. Eine bundesweite Ausrollung der Datenerhebung im Sinne einer nationalen Surveillance soll vorbereitet werden.


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    Publication History

    Article published online:
    08 March 2023

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