Pneumologie 2018; 72(02): 99-100
DOI: 10.1055/s-0043-124796
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akademische Spam-E-Mails – Auswüchse des Internetzeitalters

Grey A. et al.
We read spam a lot: prospective cohort study of unsolicited and unwanted academic invitations.

BMJ 2016;
355: i5383
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Publication History

Publication Date:
20 February 2018 (online)

 

    Akademiker werden in zunehmendem Maße mit elektronischen Einladungen konfrontiert: Konferenzen sollen besucht oder mit Vorträgen bereichert und Zeitschriftenartikel wollen verfasst oder editiert werden. Die Reaktionen auf solche E-Mails sind vielfältig und variieren zwischen amüsierter Verwunderung, Frustration und Resignation. Eine Arbeitsgruppe aus Neuseeland beleuchtete jetzt das Ausmaß des Phänomens.


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    Ganz im Stil des elektronischen Spammens erfolgte die Rekrutierung der Arbeitsgruppe der „Academic Spam Study“: Der Erstautor verfasste eine E-Mail an 5 Kollegen, in der die Anrede „Eminenter Herr Professor“ bzw. „Eminente Frau Professorin“ mit nachfolgend 5 oder mehr Ausrufezeichen verwendet wurde, und die zur Teilnahme an der Studie einlud. Eine Möglichkeit, sich von der Mailing-Liste abzumelden, fehlte, und ein Nicht-Antworten auf die Nachricht führte zu einer Flut von Folge-E-Mails. Einschlusskriterien waren eine persönliche Bekanntschaft mit dem Erstautor, ein Sinn für Humor, der unbedingte Wunsch, Spitzenforschung zu betreiben, das verzweifelte Streben nach akademischen Veröffentlichungen sowie die Unfähigkeit, „Nein“ zu sagen. 4 Kollegen willigten schließlich ein, sich an der Studie zu beteiligen; bei einem Kollegen führte die fehlende Unfähigkeit, solche Einladungen abzulehnen, zum Studienausschluss. Die Arbeitsgruppenmitglieder waren in den Bereichen Endokrinologie, Rheumatologie, Biostatistik und Frauengesundheit tätig.

    Als akademische Spam-E-Mails definierten die Autoren unverlangte und unerwünschte elektronische Einladungen, auf Konferenzen zu sprechen oder dieselben zu besuchen, sowie Artikel für Zeitschriften zu verfassen bzw. zu editieren. Alle akademische Spam-E-Mails, die zwischen Februar und April 2014 bei den Autoren eingingen, wurden gesammelt und analysiert; dabei wurde insbesondere die Relevanz der Nachrichten für das persönliche Tätigkeitsgebiet eingeschätzt. Im Mai 2014 erfolgte die Abbestellung der Spam-E-Mails und zwischen Juni 2015 und Mai 2015 wurden erneut Spam-E-Mails gesammelt.

    Im Beobachtungszeitraum erhielt jedes Arbeitsgruppenmitglied täglich durchschnittlich 2,1 elektronische Spam-Einladungen. Die Anzahl der Spam-Einladungen betrug damit ca. das 80-fache der Menge seriöser Einladungen. Nach der Abbestellung der E-Mails sank die Anzahl der Einladungen innerhalb eines Monats um 39 %, um dann allerdings im Laufe des nächsten Jahres wieder deutlich anzusteigen. Bei einigen Versendern war eine Austragung von der Mailing-Liste nicht vorgesehen. 83 % der Einladungen waren für die Empfänger irrelevant oder nur von geringer Relevanz. Bei bis zu jeder 5. E-Mail handelte es sich um ein Duplikat, dabei wurde beispielsweise eine Einladung der koreanischen Gesellschaft für Knochen- und Mineralienforschung an einem Abend innerhalb von 72 Sekunden 19 Mal verschickt und an einem anderen Abend innerhalb von 57 Sekunden 10 Mal.

    Die Autoren unterscheiden bei den Spam-E-Mails folgende Kategorien:

    • Spam-E-Mails, die als Lamm verkleidet daherkommen: Erkennbar an verlockenden Überschriften, wie „Lernen und Spaßhaben auf der internationalen Konferenz für Kieferchirurgie und Kieferorthopädie“, „Knacken mysteriöser psychiatrischer Störungen auf der Euro Psychiatry 2015“ oder auch „Besonderheiten der Wein-Gesundheit“ (allerdings aus Sicht der Autoren bedauerlicherweise ohne Aussicht auf die Teilnahme an einer Wein-Studie)

    • Schmackhafte Spam-E-Mails: Hier herrschen Phrasen vor, die den Empfänger in ein besonders gutes Licht rücken, wie „Lassen Sie Ihre Klugheit andere entflammen“ oder „Wir haben alle Ihre Publikationen gelesen und sind verzaubert von Ihrem Ruf und Ihrem Engagement in dem Bereich“. Auch wird beispielsweise ein Zertifikat für die Publikation von Forschungsergebnissen in der Erstausgabe einer Zeitschrift in Aussicht gestellt, dessen Verlockung die Autoren kaum widerstehen können.

    • Irritierende Spam-E-Mails: Hinterlassen beim Empfänger ein Gefühl der Verwirrung, wie beispielsweise die Einladung, eine Sitzung auf dem 3. Weltkongress für Geriatrie und Gerontologie zu gestalten und dabei mit den besten Plattformen zu Partnersuche, Investorendialog und Talentsuche vertraut gemacht zu werden.

    Fasziniert waren die Autoren außerdem von Zeitschriftentiteln wie „International Journal of Advances in Case Reports“, „Hair: Therapy and Transplantation“ oder „Journal of Ancient Disease and Preventive Remedies“ und von Konferenzen wie „Global 1000: Meet Partner Deal: Showcase + Conference 2014“ oder „2015 International Conference on Steel and Composite Structures“.

    Fazit

    Akademische Spam-Einladungen sind ein verbreitetes Phänomen und lassen sich kaum bzw. nur kurzfristig reduzieren. Weitere Forschung zu dem Thema sollte erfolgen. Die Autoren schlagen vor, Konferenzen zum akademischen Spammen ins Leben zu rufen („Spam-2017“) und möchten eine Zeitschrift mit dem Titel „Journal of Advances in Interdisciplinary Academic Spam“ aus der Taufe heben. Sobald sich Organisatoren hierfür gefunden haben, werden Akademiker via E-Mail informiert.

    Dr. Katharina Franke, Darmstadt


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