Handchir Mikrochir Plast Chir 2017; 49(06): 374-379
DOI: 10.1055/s-0043-119122
Nachruf
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frau Em. Univ.-Prof. Dr. med. Ursula Schmidt-Tintemann
19. Juni 1924 bis 26. Juli 2017

Ein persönlicher Nachruf aus unterschiedlichen Perspektiven
W Mühlbauer
,
E Biemer
,
H U Steinau
,
R R Olbrisch
,
G von Mallinckrodt
,
R E Giunta
Further Information

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Riccardo Giunta
Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Ästhetische Chirurgie,
Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität München
Pettenkoferstr. 8a
80336 München

Publication History

Publication Date:
11 September 2017 (online)

 

Wolfgang Mühlbauer

Als Plastischer Chirurg der frühen Jahre und langjähriger Weggefährte verdanke ich meiner „Chefin“ die Berufung zur Plastischen Chirurgie, beginnend mit einer stimulierenden Famulatur im Jahre 1960. Sie wurde gefestigt durch eine 4-monatige Tätigkeit als Medizinalassistent und entscheidend geprägt durch die Rückholung von der University of Colorado in Denver, USA, wohin ich zur Facharztausbildung gegangen war, ans neugegründete Universitätsklinikum r.d. Isar 1968. Sie begleitete meinen klinischen, akademischen und berufspolitischen Werdegang bis zur Neugründung 1984 einer eigenen Abteilung am Klinikum Bogenhausen in München vertrauensvoll und fördernd.
All die Jahre versuchte ich ihr nicht nur in der Klinik eine Stütze zu sein, sondern auch privat in schwierigen Lebenslagen beizustehen, nicht zu Letzt im Sinne unseres Hypokratischen Eids „unsere Lehrer zu achten, zu ehren bis ans Ende ihres Lebens“.


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Einige Begebenheiten sind mir besonders in Erinnerung geblieben:
Nach der Rückkehr aus den USA trat ich am 1. Februar 1968 die mir angebotene Weiterbildungsstelle an ihrer Abteilung am Klinikum r.d. Isar an. Keine sechs Wochen darauf – zu Ostern – brach ich mir ein Bein bei einem lokalen Slalomrennen in St. Moritz. Mit einem Transportgips wurde ich noch mitternachts in die Chirurgische Klinik r.d. Isar eingeliefert. Meine Chefin besuchte mich gleich am nächsten Morgen (Ostersonntag). Statt Mitgefühl zu zeigen, hielt sie mir die unerwarteten Folgen meines Arbeitsausfalls für die Abteilung vor, legte mir nahe, in Zukunft von gefährlichen Sportarten Abstand zu nehmen und lud zwei Tage später einen Stapel Krankenakten auf mein Bein im Streckverband ab mit dem Auftrag, diese aufzuarbeiten für ihren anstehenden Vortrag über „Hypoglossus-Fazialisanastomose zur dynamischen Rekonstruktion nach N7-Lähmung“.

Im Herbst dieses Jahres (1968) war alles vergessen und ich durfte sie zum Jahreskongress der Dt. Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellende Chirurgie nach Hamburg begleiten, deren Schriftführerin sie war. Dort hielt ich mit ihrer Billigung meinen ersten Kongressvortrag über „Das punktförmige Kleben von Spalthauttransplantaten bei Brandverletzten“.
Bei der Gelegenheit wurde ich Zeitzeuge des Zerwürfnisses mit der DGPWC, das zu ihrem Austritt aus der Gesellschaft führte zusammen mit gleichgesinnten Mitstreitern wie F.E. Müller, Bochum, R. Zellner, Ludwigshafen, D. Buck-Gramko, Hamburg, H. Höhler, Frankfurt u. a., das dann 1969 in Bochum die „Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen“ (VDPC) gründete.

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Abb. 1 PD Dr. W. Mühlbauer Habil-Grillfest an der Isar mit Frau Prof. Schmidt-Tintemann 1974

1970 richtete Ursula Schmidt-Tintemann die historische „1. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen“ am Klinikum r.d. Isar mit fleißiger Unterstützung durch Peter Härtel (verstorben) und mir aus. Eine professionelle Kongressorganisation konnten wir uns damals noch nicht leisten.
Diese Tagung wurde auch von einer Reihe prominenter Plastischer Chirurgen aus dem Ausland besucht; so ergab sich die Möglichkeit, diese näher kennenzulernen und später an ihren Wirkungsstätten aufzusuchen und mich auf deren Spezialgebieten als Stipendiat oder Gastarzt weiterzubilden.

Nach meiner Facharztanerkennung und dann als Oberarzt gewährte sie mir großzügiger Weise die selbständige Behandlung von Privatpatienten einschließlich des von ihr abgeleiteten Liquidationsrechts. Das war zur damaligen Zeit ungewöhnlich und vorbildlich.

Als Famulus durfte ich erstmals bei einer gekreuzten Beinlappenplastik zur Deckung einer freiliegenden Tibia nach Phosphorbomben-Verbrennung assistieren. Durch mehrere derartig aufwendige Lappenplastiken rettete sie das Bein ihres späteren Ehemanns vor der Amputation. Über die Jahrzehnte durfte ich immer wieder Narbenulzerationen an diesem Bein unter ihren kritischen Augen operieren.

In den 1990-er Jahren musste ich die Tibia-Vorderkante in ihrer ganzen Länge mit Gastrocnemius- und Soleus-Muskellappenplastik und Spalthauttransplantaten decken. Der aufwendige Eingriff heilte bis auf einen briefmarkenkleinen Restdefekt ab. Nach „VAC“-Vorbereitung wollte ich abschließend ein kleines Spalthaut-Transplantat aufbringen. Meine frühere „Chefin“ – längst emeritiert und zwischenzeitlich mit dem Patienten verheiratet, dessen Problembein sie hingebungsvoll versorgte – bestand darauf, dass ich ihr das entnommene Spalthaut-Transplantat in einer sterilen Schale mit nach Hause gebe, damit sie es dort fern von „multiresistenten Krankenhauskeimen“ selbst auflegen konnte. Zehn Tage darauf teilte sie mir mit Stolz in der Stimme mit, das Hauttransplantat sei problemlos eingeheilt. Die letzten kleineren Eingriffe an diesem Bein führte ich 2015 unter ihrer Assistenz und entsprechenden chirurgischen „Anweisungen“ durch. Dies sollten die letzten gemeinsamen Operationen im Verlauf einer 55 Jahre währenden, vertrauensvollen Zusammenarbeit sein!

Ich trauere mit den Hinterbliebenen – Ehemann Dagobert Lindlau und Tochter Dr. med. Michaela Deloch – um eine herausragende Persönlichkeit, die sich um die Deutsche Plastische Chirurgie verdient gemacht und mich maßgeblich mitgeprägt hat. Ich werde sie in dankbarer Erinnerung behalten.

Wolfgang Mühlbauer
München, im August 2017

Edgar Biemer

12 Jahre hatte ich das Glück mit Frau Professor Schmidt-Tintemann zusammenarbeiten zu können um dann auch noch ihr Nachfolger im Amt zu werden – wie sie mir zum Abschied sagte, mit ihrer vollen Unterstützung.
Sie war eine Pionierin für die Plastische Chirurgie in Deutschland. Als sie 1972 die 2. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen in München abhielt, erlebte ich zum ersten Mal die ungeheure Vielfalt dieses chirurgischen Gebietes, da sie viele internationale Größen der Plastischen Chirurgie eingeladen hatte. Als junger Assistent an ihrer Abteilung gab sie mir Gelegenheit, danach für 3 Monate die Wirkungsstätten dieser Könner in Großbritannien und Skandinavien zu besuchen. Dies war sehr prägend für mich, besonders für die gerade entstehende Mikrochirurgie. Frau Schmidt-Tintemann war immer offen für neue Ideen und Entwicklungen. So unterstützte sie im Besonderen die für Deutschland ersten Replantationen. Ich erinnere mich, dass sie nachts zu uns in den Operationssaal kam zu einer 4-Finger-Replantation, um uns mit belegten Brötchen nach 6 Stunden Operation für die nächsten 5 Stunden fit zu machen.
Frau Schmidt-Tintemann ließ ihren Mitarbeitern viel Freiraum in wissenschaftlichem und vor allem auch klinischem Gebiet. Eine Haltung, die damals unter den Klinikchefs überhaupt nicht üblich war. Mit dieser Einstellung war sie ihrer Zeit voraus. Dies zeigte sich auch bei ihrer Förderung der freien Gewebetransplantation und Lappentransplantation, bei denen viele Ersteingriffe waren und damit fast experimentellen Charakter hatten. Sie stand immer hinter uns.

So gab sie mir auch Gelegenheit für 4 Wochen ihr Sommerhaus auf Elba zu benutzen, um meine Habilitationsarbeit zusammenzustellen. Ich verdanke ihr somit sehr viel.

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Abb. 2 Prof. U. Schmidt-Tintemann überreicht Wolfgang Mühlbauer historische Rhinoplastik Instrumente zur Emeritierung 2003

Unterschiedliche Ansichten entwickelten sich später in Bezug auf die Ästhetische Plastische Chirurgie. Alleine die Bezeichnung „Ästhetische Chirurgie“ oder gar „Schönheitschirurgie“ gehörte nicht zu ihrem Vokabular.
Völlig aus der Allgemeinchirurgie kommend – wie wir damals alle noch – war immer eine Indikation wichtig für den Eingriff. Hier sah sie die Gefahr, dass die Ästhetische Chirurgie zu einer Handelsware verkommt, die nur auf Wunsch eines Patienten ausgeführt wird. Dies bedeutet aber, dass auf diesem Gebiet keinerlei Ausbildung durchgeführt wurde und selbst auf Tagungen diese Thematik nicht diskutiert wurde.
Immer mehr junge Fachärzte für Plastische Chirurgie fanden aber in den Kliniken keinen Platz und ließen sich nieder. Hier spielte – alleine schon aus ökonomischen Gründen – die Ästhetische Chirurgie eine zunehmende und immer wichtigere Rolle. Diese Nachfrage wurde zunehmend von anderen Disziplinen abgedeckt. Als ich mich für die Aus- und Weiterbildung in der Ästhetischen Plastischen Chirurgie einsetzte und dies auch universitär vertrat, kamen die unterschiedlichen Standpunkte klar zum Vorschein. Leider konnten wir hier bei mehreren Diskussionen keine Übereinstimmung erreichen.
Aber diese Unterschiede in der Sichtweise verschiedener Dinge konnte ich nur entwickeln, weil ich in Frau Schmidt-Tintemann eine Lehrerin hatte, die es mir erlaubte, ja geradezu anregte, selbstständig zu denken und zu handeln.
Frau Schmidt-Tintemann war eine große Wegbereiterin und Vertreterin der Plastischen Chirurgie in Deutschland, dass unser Fach „Plastische Wiederherstellende und Ästhetische Chirurgie“ heute einen gleichberechtigten Platz im Verband der Chirurgie hat. Hinzufügen darf ich, dass sie sich sicherlich mehr gewünscht hätte, wir führten nur den Namen:
„Plastische Chirurgie“. Hier wurden wir aber durch die Bezeichnungen auf internationaler Ebene überrollt.

Edgar Biemer
München, im September 2017


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Ulrich Steinau

„Alles gaben Götter, die unendlichen
Ihren Lieblingen ganz,
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen ganz.“

J.W.v. Goethe an die Gräfin zu Stolberg

Die Grande Dame der Deutschen Chirurgie und Plastischen Chirurgie ist in gesegnetem Alter aus unserer Mitte gegangen. Tief bewegt nehmen wir Abschied von Frau Prof. Dr. med. Ursula Schmidt-Tintemann, Emerita der TU München.

Ihre Geburtsstadt Goldap in Ostpreussen, jetzt Ermland Masuren in Polen führt die „Plastische Chirurgin Ursula Schmidt Tintemann (1924–2017)“ nun im Internet unter der Kategorie „Bedeutende Söhne und Töchter“.

Nach dem Abitur im nahen Königsberg beginnt ihr Studium der Humanmedizin in Königsberg und Prag. Die brutale Zäsur des II Weltkrieges fordert ihren Einsatz als Rotkreuzschwester, nach dem Einmarsch der Roten Armee gelingt ihr die Flucht in den Westen. Hier in München arbeitet sie zunächst als Praxishelferin, um schliesslich mit dem Staatsexamen abzuschliessen. Nach der Medizinalassistenten-Zeit folgt 1951 die Promotion. Sie erhält eine Assistentenstelle im Krankenhaus Perlach bei Georg Maurer und entscheidet sich für die Chirurgie. Als junge Fachärztin folgt Sie ihm in das Haidhausener Krhs. r.d.Isar, das mit guten Vernetzungen schliesslich zum Klinikum der Technischen Universität avanciert. Hier beginnt sie den Aufbau einer plastischchirurgischen Einheit.

Sie folgt nicht den Krokowschen Analysen [4], „dass Frauen in der Nachkriegszeit sich wieder in den alten Rollen einfinden“.
Sie entspricht darüberhinaus nicht den Grundsätzen der Gender-Forschung, „dass Frauen in Führungspositionen auch deswegen unterrepräsentiert sind, da ihnen weibliche Vorbilder fehlen“ [7]: Nach einem Vortrag der „Priv. Dozentin und Plastischen Chirurgin“ Elisabeth Winkler aus Wien [12], die bereits Hanno Millesi in ihre Arbeitsgruppe integriert, organisiert sie einen mehrmonatigen Assistenten-Austausch.

Durch regen Briefverkehr, der von Empathie und Akzeptanz erzählt, folgen danach Fortbildungsreisen an die renommierten Kliniken der Penn Universität Philadelphia. [5], [6], [11] Hier bietet Hans May, Prof. Dr.med. FACS, der 1934 mit Hilfe von Erich Lexer aus Deutschland flieht, das gesamte plastische Spektrum mit hoher operativer Kompetenz [5]. Zu seinen Mitarbeiterinnen zählt Hazel I. Holst, eine begabte Hand- und plastische Chirurgin, die als eine der ersten Professorinnen in den USA dann dessen Nachfolge antreten wird. [3] Eine weitere Professorin für Hand und Plastische Chirurgie kommt ebenfalls aus dem „Womens Medical College of Pennsylvania“: „Alma Dea Morani“ die den Karriereweg von Frauen in der abgeschotteten Männerwelt der Chirurgen-Profession auch durch ungewöhnliche Zonta Actionen unterstützt. [8]
Als weitere Ziele folgen u.a. Zentren in England und USA. JG Mc Carthy, G. Aufricht und I. Littler hinterlassen bleibende Grundlagen.
Das Resumee ihrer Erfahrungen gibt sie als Mutter zweier Kinder den jungen Chirurginnen wiederholt mit klaren Ratschlägen auf den Weg: „Ich habe mich nie zurückstellen lassen von Nachtdiensten und Bereitschaftsdiensten. Frauen sind dort willkommen, wo sie nicht nur auf die Toleranz und den guten Willen der Männer hoffen.“ [7], [9]

In der Struktur des Klinikums rechts der Isar eröffnet Ursula Schmidt-Tintemann klare plastische Zukunftsperspektiven und lässt gleichzeitig weite persönliche Entwicklungsräume für engagierte Mitarbeiter: So entstehen national und international anerkannte, interdisziplinäre Spezialbereiche wie die Rekonstruktive Mikrochirurgie, Cranio-faziale Korrekturen, onkologische und posttraumatische plastische Wiederherstellung zur Gliedmassenerhaltung, urogenitale Korrekturen, und innovative ästhetische Plastik. Den Ruf bestätigen eine Vielzahl begehrter wissenschaftlicher und klinischer Preise, Einladungen zu ehrenvollen Lectures, Präsidentschaften, universitäre Positionen.

Wer auf der Leiter des Erfolges nach ganz oben gelangt, trifft naturgemäss auch auf engstirnige Beschränkungen und unfaire Tricks. Kleinliche klinische Kabalen entsprechen jedoch niemals ihrem Niveau. Sie setzt mit preussischen Tugenden geradlinig, hartnäckig und verlässlich dagegen, erntet den Progress und weiteren Ausbau der Klinik bis zur Emeritierung.
Ihre persönliche Wertschätzung zeigen u.V. die „Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie“, die nach 125 Jahren erstmals einer Frau zugesprochen wird, das „Bundesverdienstkreuz am Bande“, der „Bayrische Verdienstorden“, die „Meyer-Leibniz-Medaille“ der TU München. Selbst der eiserne Generalsekretär der DGCH Heinrich Bürkle de la Camp widmet 1967 als besonderes Zeichen eine seiner Erich Lexer Biografien „Der Plastischen Ursula“. [1]

Vor fast 50 Jahren gründet sie gemeinsam mit F. Müller, D. Buck Gramcko, R. Zellner und anderen profilierten Kollegen unsere Fachgesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie (vormals VDPC) und erhält die Ehrenmitgliedschaft und die Dieffenbach-Medaille.
„Ich hatte das Glück, Mitarbeiter zu finden, die Plastische Chirurgie als Chirurgie und damit als ärztliches Handeln verteidigt haben.“ [9], [10]
Nach ihrer Emeritierung 1984 wird Prof. Dr. Edgar Biemer, ihr langjähriger Oberarzt, 1986 zum Vorstand und Extraordinarius berufen.

Ursula Schmidt Tintemann hat sich in besonderem Maße um die deutsche Plastische Chirurgie verdient gemacht.

Wir nehmen dankbar Abschied. Sie wird uns präsent bleiben.

Hans Ulrich Steinau
Bochum, im September 2017


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Rolf Rüdiger Olbrisch

Nach einer harten Lehrzeit bei einem klassischen Universitätschirurgen die Weiterbildung zum Wunschbild eines Plastischen Chirurgen in der Schule einer Dame erleben zu dürfen, war wie ein großes Geschenk. Es machte jeden Tag Freude, die Klinik zu betreten, neugierig sein zu dürfen und viel machen zu können. Unsere Lehrerin kam uns mit großem Vertrauen entgegen, welches nicht zu enttäuschen jede Anstrengung lohnte, insbesondere wenn einmal neuere Behandlungs- oder andere Organisationswege beschritten werden wollten oder sollten.

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Abb. 3 Prof. Mühlbauer operiert mit Frau Prof. Schmidt-Tintemann 2015

Den sensiblen Umgang mit den Patienten, im Gespräch wie in der Behandlung, lebte sie eindrücklich vor und erwartete unbedingt ein gleiches Verhalten. Die Neugierde förderte sie mit großzügiger Reiseerlaubnis zu anderen Kliniken und Unterstützung bei Vortragsreisen auch zu entfernteren Kongressen.
Fehler wurden im sehr persönlichen Gespräch geklärt und Erfolge öffentlich anerkannt: Tadel und Lob wurden auf diese Weise sehr ernst genommen.
Im Kreis sehr engagierter und arbeitsfreudiger Kollegen unter ihrer Regie die Ausbildung zum Arzt und Chirurgen erhalten zu haben, war eine der besten Schulen, die man sich nur wünschen konnte: Ich bin meiner Lehrerin Frau Professor Dr. Ursula Schmidt-Tintemann für die guten Jahre unter ihrer Obhut, Aufsicht, Anleitung und Führung überaus dankbar.

Rolf Rüdiger Olbrisch
Berlin, im August 2017


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Goswin von Mallinckrodt

Aus der Sicht eines Privatassistenten: Nach sechsjähriger Privatassistenz bei Herrn Professor Georg Maurer am Klinikum rechts der Isar München gelang es mir nach einem kurzen Anruf durch ihn bei der schon damals von mir bewunderten Leiterin der Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Frau Professor Dr. Ursula Schmidt-Tintemann, eine Stelle zu bekommen. Daraus wurden weitere sechs Jahre Privatassistenz bei ihr in ihrer weit über Deutschland hinaus renommierten Klinik. Oberärzte und Assistenten mit sehr verschiedenen bei Frau Professor Schmidt-Tintemann erworbenen Qualifikationen darf ich heute noch zu meinem engen Freundeskreis zählen.

Frau Professor Schmidt-Tintemann verstand es, uns alle in ihr unmittelbar berufliches Umfeld einzubinden, Defizite zu erkennen und herausragende Ergebnisse für die ganze Abteilung zu verbuchen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei Rhinoplastiken schickte sie mich spontan zu ihrem Freund Tom Rees, MD an der NYU, den ich über die Flying Doctors in Kenya schon kannte. 40 Nasen in zwei Wochen verliehen mir dank vieler Tricks und wohlwollenden Hinweisen die nötige Sicherheit, „meine“ Nasen – zurück in München – auf dem erwarteten Niveau zu operieren.
Während meiner Auslandsaufenthalte in New York (Rees, Aston, Baker,Tabbal), an der Mayo Klinik (Arnold), in Südamerika (Uebel, Pitanguy), in Glasgow Bearsdan (Mc Gregor) und auf zahlreichen internationalen Kongressen war ich beeindruckt und sehr stolz, mit welcher Hochachtung alle meine Gesprächspartner von Ursula sprachen und mich damit automatisch als Freund akzeptierten.

Frau Professor Schmidt-Tintemann zeichnete eine bestechende Großzügigkeit uns Mitarbeitern gegenüber aus. Hatten wir ein vertrauenswürdiges Niveau in unserem operativen Können erreicht, durften wir auch von ihrer überlaufenen Privatsprechstunde profitieren und nach Rücksprache mit den Patienten gewünschte Eingriffe teils unter ihrer Aufsicht selbst durchführen.

Als sie beschlossen hatte, sich allmählich von ihrer plastisch-chirurgischen Tätigkeit zurückzuziehen, bestärkte sie mich in meinem Wunsch mich selbstständig zu machen, woraus dann meine Privatpraxis mit folgender Privatklinik in München Nymphenburg resultierte.

Frau Professor Schmidt-Tintemann war eine hochelegante Dame mit ausgeprägtem Understatement. Sie war eine sehr beliebte Gastgeberin in ihrem Traumhaus in Vaterstetten, in dem sie viele Jahre mit Dagobert Lindlau residierte.

Ich persönlich werde ihr für den Rest meines Lebens als ihr Privatassistent dankbar verbunden bleiben.

Goswin von Mallinckrodt
München, im August 2017


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Riccardo Giunta

Im Gegensatz zu ihren Schülern, die Frau Professor Schmidt-Tintemann gerne als „die Chefin“ bezeichnet haben, war Sie für mich nie meine Chefin, da ich nie mit ihr beruflich gearbeitet habe. Demzufolge kann ich mich auch nicht als Schüler ihrer Plastischen Chirurgischen Schule bezeichnen. Dennoch darf ich Sie als meine Lehrerin für das Fachgebiet der Plastischen Chirurgie, die berufspolitischen Konzepte im „Haus“ der Chirurgie und die ethisch-moralischen Werte unseres Fachgebietes bezeichnen:

Während meiner fast 10-jährigen Zeit am Klinikum rechts der Isar durfte ich 2007 in meiner Funktion als Herausgeber dieser Zeitschrift den Beitrag „Frau Professor Ursula Schmidt-Tintemann – Pionierin der Plastischen Chirurgie in Deutschland“ verfassen [2]. Der Beitrag gibt eine curriculäre Übersicht über ihr Lebenswerk. In vielen gemeinsamen Gesprächen zur Situation der Plastischen Chirurgie in Deutschland in ihrem Haus in Vaterstetten hat Sie mir historische Zusammenhänge in der Entwicklung des chirurgischen Fachgebietes „Plastische Chirurgie“ und der Gesellschaft, damals noch „Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen (VDPC), detailliert erläutert. Natürlich saß ich auch vielfach auf dem legendären Sofa, auf dem die VDPC von Rudolf Zellner, Fritz Müller, Dieter Buck-Gramcko und eben Frau Professor Schmidt-Tintemann konzipiert und begründet wurde. Daraus entwickelte sich ein lebhafter Gedankenaustausch über unsere Generationen hinweg, der mir als akademischer Plastischer Chirurg sehr wertvoll ist. Wir haben uns gemeinsam viele Gedanken über die aktuellen Entwicklungen gemacht. Zum einen über den Stellenwert des Fachgebietes Plastische Chirurgie an den Kliniken und insbesondere an den Universitätskliniken und wie wir diesen stärken können. Schon immer war es die rekonstruktive Plastische Chirurgie, die die Einführung eines Fachgebietes Plastische Chirurgie überhaupt erst ermöglichte. Die Probleme zur Zeit der Gründung der Abteilung für Plastische Chirurgie am Klinikum rechts der Isar in München von Frau Professor Schmidt-Tintemann und den aktuellen Schwierigkeiten unseres Fachgebiets an vielen Universitätskliniken die notwendige Organisations- und Infrastruktur im Rahmen eines echten Lehrstuhls zu erhalten, haben sich nur unwesentlich unterschieden. Letztlich habe ich aber gelernt, dass man die wechselseitige Anerkennung unseres Fachgebietes gerade von den anderen chirurgischen Disziplinen nur durch kontinuierliche sachliche, aber harte Argumentation erhält.

Aus unseren vielen gemeinsamen Gesprächen ergab sich für mich die Ehre im Jahr 2014 zum 90. Geburtstag von Frau Professor Schmidt-Tintemann im Ernst-von-Siemens-Auditorium der Pinakothek der Moderne in München ein Geburtstagssymposium zu organisieren [13]. Die meisten ihrer Schüler haben als Referenten das Fachgebiet darstellen können. Hinzu kamen Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und andere Weggefährten. Über 250 Teilnehmer kamen zu dieser Veranstaltung: Dies zeigte ihre hohe Bekanntheit, Anerkennung und Wertschätzung im ärztlichen Kollegenkreis. Frau Professor Schmidt-Tintemann wollte die Veranstaltung natürlich unter ein Motto stellen, welches dem Fachgebiet von Nutzen sein konnte. So kam es, dass wir gemeinsam die Thematik „Was soll Plastische Chirurgie? Was soll sie nicht?“ im Rahmen eines „Gedankenaustausches“ wählten. Wir hatten zuvor bereits 2013 ein gemeinsames Statement mit dem gleichen Titel in dieser Zeitschrift verfasst.3 Besonders wichtig war ihr stets, dass Plastische Chirurgie ärztliche Kunst im besten Sinne war und nicht zur Ware oder Dienstleistung verkommt, die den Patienten umgekehrt zum Kunden macht und den Plastischen Chirurgen selbst wiederum in seinem Ansehen als Arzt schadet.

Frau Professor Schmidt-Tintemann hat mich nicht nur ethisch-moralisch geleitet, sondern auch von Anfang an als Leiter der Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Ästhetische Chirurgie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München unterstützt: Zur Kick-off Veranstaltung des damals noch als Sektion der Unfallchirurgie über die Standorte Innenstadt und Großhadern neu entstandenen Bereichs hat sie einen großartigen freien Vortrag gehalten. Die mehr als 200 Anwesenden waren von der „Grande Dame“ der Plastischen Chirurgie – wie sie oft genannt wurde – schwer beeindruckt. Daneben hat Frau Professor Schmidt-Tintemann unsere Abteilung stets auch für spezielle Projekte unterstützt und damit etwa ein dringend benötigtes Videokonferenzsystem zur Kommunikation beider Standorte oder die Anschaffung von Kursoperationsmikroskopen samt Mikroinstrumentarien, die wir in unserem „Frau Professor Schmidt-Tintemann Laboratorium for Education and Research in Plastic Surgery“ nutzen, ermöglicht.

Aus den Treffen und Gesprächen hat sich über die Jahre eine Freundschaft mit Frau Professor Schmidt-Tintemann und ihrem Ehemann, Dagobert Lindlau [15], über die Generationen entwickelt. In privaten kleinen gemeinsamen Abendessen mit anderen herausragenden Persönlichkeiten der Medizin, wo auch wir mehrfach Gastgeber sein durften, haben wir viele spannende Erfahrungen ausgetauscht und unvergessliche Abende zusammen verbracht.

Frau Professor Ursula Schmidt-Tintemann ist für mich eine der herausragenden Persönlichkeiten der Plastischen Chirurgie, die ich in meinem beruflichen Werdegang kennenlernen durfte. Sie wird mir immer ein großes Vorbild sein und ich werde mein Wissen und meine Erfahrungen in ihrem Sinne an die nachfolgenden Generationen von Plastischen Chirurgen weitergeben.

Riccardo Giunta
München, im August 2017


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  • Literatur

  • 1 Bürkle de la Camp H. Erich Lexer: Zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Chirurgia Plast 1967; 4: 1-13
  • 2 Giunta R. Ursula Schmidt Tintemann: Pionierin der Plastischen Chirurgie in Deutschland. Handchir Mikrochir Plast Chir 2008; 40: 6-6
  • 3 Holst HI. Plastic Surgery. Almanac 2015; 61: 32-32
  • 4 Krokow Cv. Die Stunde der Frauen 1944–1947. Bericht aus Pommern. Econ; 1988
  • 5 May H. Plastic and Reconstructive Surgery. Davies. Philadelphia: 1958–1971
  • 6 May H. Briefwechsel mit U. Schmidt Tintemann. 12/1961 und 1/1970.
  • 7 Mayer C. Was soll Plastische Chirurgie und was soll sie nicht?. Interview mit Frau Prof. U. Schmidt Tintemann. MÄA 2014; 14: 3-4
  • 8 Solomon MP, Granick MS. Alma Dea Morani, MD, Prof. Emerita Penn U Philadelphia. A Pioneer in Plastic Surgery. Ann Plast Surg 1997; 4: 431-436 und Alma Dea Morani. J Am Med Womens Ass 1983; 38: 137
  • 9 Schmidt-Tintemann U. Frauen in der Chirurgie. Chirurg 1997; 68: 583-585
  • 10 Schreiber W, Carstensen G. Chirurgie im Wandel der Zeit 1945–1983. Langenbecks Arch Suppl. II Kongressbericht DGCH 1997 21.
  • 11 Steinau HU. Spuren lesen: Hans May und Erich Lexer. In: Schwoch R. Kaden. Die Verfolgten. Heidelberg: (in Press) 2017. 309–312
  • 12 Winkler E, Millesi H. On the problem of foreign skin reaction. Langenbecks Arch 1959; 292: 814-817
  • 13 Giunta RE. Gedankenaustausch zum 90sten Geburtstag von Frau Prof. Ursula Schmidt- Tintemann: Was soll Plastische Chirurgie? Was soll sie nicht?. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 1-3
  • 14 Giunta RE, Schmidt-Tintemann U. Was soll Plastischer Chirurgie? Was soll sie nicht?. Handchir Mikrochir Plast Chir 2013; 45: 191-192
  • 15 Lindlau D. Wiedergelesen: Eduard Zeis – Handbuch der Plastischen Chirurgie. Berlin 1838. Handchir Mikrochir Plast Chir 2016; 48: 374-376 doi: 10.1055/s-0042–114030. Epub 2016 Oct 19

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Univ.-Prof. Dr. med. Riccardo Giunta
Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Ästhetische Chirurgie,
Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität München
Pettenkoferstr. 8a
80336 München

  • Literatur

  • 1 Bürkle de la Camp H. Erich Lexer: Zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Chirurgia Plast 1967; 4: 1-13
  • 2 Giunta R. Ursula Schmidt Tintemann: Pionierin der Plastischen Chirurgie in Deutschland. Handchir Mikrochir Plast Chir 2008; 40: 6-6
  • 3 Holst HI. Plastic Surgery. Almanac 2015; 61: 32-32
  • 4 Krokow Cv. Die Stunde der Frauen 1944–1947. Bericht aus Pommern. Econ; 1988
  • 5 May H. Plastic and Reconstructive Surgery. Davies. Philadelphia: 1958–1971
  • 6 May H. Briefwechsel mit U. Schmidt Tintemann. 12/1961 und 1/1970.
  • 7 Mayer C. Was soll Plastische Chirurgie und was soll sie nicht?. Interview mit Frau Prof. U. Schmidt Tintemann. MÄA 2014; 14: 3-4
  • 8 Solomon MP, Granick MS. Alma Dea Morani, MD, Prof. Emerita Penn U Philadelphia. A Pioneer in Plastic Surgery. Ann Plast Surg 1997; 4: 431-436 und Alma Dea Morani. J Am Med Womens Ass 1983; 38: 137
  • 9 Schmidt-Tintemann U. Frauen in der Chirurgie. Chirurg 1997; 68: 583-585
  • 10 Schreiber W, Carstensen G. Chirurgie im Wandel der Zeit 1945–1983. Langenbecks Arch Suppl. II Kongressbericht DGCH 1997 21.
  • 11 Steinau HU. Spuren lesen: Hans May und Erich Lexer. In: Schwoch R. Kaden. Die Verfolgten. Heidelberg: (in Press) 2017. 309–312
  • 12 Winkler E, Millesi H. On the problem of foreign skin reaction. Langenbecks Arch 1959; 292: 814-817
  • 13 Giunta RE. Gedankenaustausch zum 90sten Geburtstag von Frau Prof. Ursula Schmidt- Tintemann: Was soll Plastische Chirurgie? Was soll sie nicht?. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 1-3
  • 14 Giunta RE, Schmidt-Tintemann U. Was soll Plastischer Chirurgie? Was soll sie nicht?. Handchir Mikrochir Plast Chir 2013; 45: 191-192
  • 15 Lindlau D. Wiedergelesen: Eduard Zeis – Handbuch der Plastischen Chirurgie. Berlin 1838. Handchir Mikrochir Plast Chir 2016; 48: 374-376 doi: 10.1055/s-0042–114030. Epub 2016 Oct 19

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Abb. 1 PD Dr. W. Mühlbauer Habil-Grillfest an der Isar mit Frau Prof. Schmidt-Tintemann 1974
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Abb. 2 Prof. U. Schmidt-Tintemann überreicht Wolfgang Mühlbauer historische Rhinoplastik Instrumente zur Emeritierung 2003
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Abb. 3 Prof. Mühlbauer operiert mit Frau Prof. Schmidt-Tintemann 2015