Aktuelle Urol 2017; 48(04): 276-277
DOI: 10.1055/s-0043-111620
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom: Fokale Laserablation zeigt gute onkologische Kurzzeitdaten

Eggener SE. et al.
Phase II Evaluation of Magnetic Resonance Imaging Guided Focal Laser Ablation of Prostate Cancer.

J Urol 2016;
196: 1670-1675
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Publication Date:
27 July 2017 (online)

 

    Die fokale Laserablation stellt eine neue Möglichkeit zu Behandlung von begrenzten Prostatakarzinomen dar. Dabei wird lediglich der Tumor plus Sicherheitsabstand mit dem Laser koaguliert, sodass behandlungsbedingten Komplikationen im Vergleich zu ausgedehnteren Verfahren geringer sein sollen. Phase-I-Studien haben die Machbarkeit und Sicherheit des Verfahrens gezeigt, und Mediziner aus Chicago haben daraufhin eine größere Studie begonnen.


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    Scott Eggener und seine Kollegen haben insgesamt 27 Männer mit einem histologisch gesicherten Prostatakarzinom in eine offene, prospektive Phase-II-Studie aufgenommen. Einschlusskriterien umfassten ein Karzinomstadium T1c – T2a, eine Konzentration des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) < 15 ng/ml bzw. eine PSA-Dichte < 0,15 ng/ml2, einen Gleason-Score ≤ 7 in ≤ 25 % des Biopsiegewebes und 1 oder 2 in der MRT sichtbare Läsionen, die dem in der Biopsie nachgewiesenen Karzinom entsprachen.

    Bei den Patienten wurde der Laser in Lokalanästhesie transperineal unter MRT-Kontrolle in den Läsionen platziert. Die Ablation erfolgte mit einer Leistung von 6 – 15 W über 60 – 120 s mit einer Zieltemperatur ≥ 60 °C, die Kontrolle erfolgte über die temperaturempfindliche MRT-Spule. Die ebenfalls abladierte Sicherheitszone um die Läsion herum betrug 5 mm, wenn darin keine sensiblen Strukturen wie Nerven und Urethra lagen.

    Als primären Endpunkt beurteilten die Wissenschaftler die Karzinomnachweisrate in den Ablationszonen 3 Monate nach der Behandlung, sekundäre Endpunkte umfassten Karzinome nach 12 Monaten, Lebensqualität im Hinblick aus Harnkontinenz und Sexualfunktion und unerwünschte Wirkungen.

    Der Gleason-Score der Biopsien betrug 6 bei 23 Patienten (85 %), 7 (3 + 4) bei 3 Patienten und 7 (4 + 3) bei 1 Patienten. 25 Männer wiesen ein klinisches Stadium T1c auf, 2 Männer ein Stadium T2a. Die Intervention dauerte durchschnittlich etwas über 3 h, wobei die reine Ablationszeit 320 s betrug. Mit zunehmender Erfahrung nahm die Dauer der Behandlung ab und lag bei den letzten 10 Männern bei nur noch 160 min. Bei 18 Männern wurde 1 Läsion behandelt, bei 9 Männern waren es 2 Läsionen

    Die Auswertung ergab nach 3 Monaten bei 26 Männern (96 %) keinen Tumornachweis, bei 1 Mann lag in der Biopsie neben nekrotischem Gewebe ein Gleason-6-Karzinom mit einer Ausdehnung < 1 mm vor. Nach 12 Monaten wurde in der systematischen Biopsie (12 Stanzen) bei 10 Männern ein Karzinom nachgewiesen, 3 davon innerhalb der vormaligen Ablationszone und 8 außerhalb davon. Bei 1 Mann fanden sich karzinomatöse Veränderungen sowohl innerhalb als auch außerhalb des behandelten Bereichs. Bei jeweils 1 Mann mit Karzinom innerhalb bzw. außerhalb des Ablationsbereichs handelte es sich um ein Gleason-7-Karzinom (3 + 4). Bei 1 Patienten erfolgte danach eine radikale Prostatektomie, und die pathohistologische Aufarbeitung des OP-Präparats ergab einen T3a-Tumor mit tumorfreien Absetzungsrändern und nicht befallenen Lymphknoten.

    Unmittelbar nach der Behandlung fanden sich eine Hämaturie bei 4 Patienten, perineale Einblutungen bei 3 Patienten und ein akuter Harnverhalt bei 2 Patienten. Bei 1 Patienten war die Spitze der Einführschleuse intraperineal verblieben, sie wurde 1 Monat nach der Intervention in Lokalanästhesie ohne bleibende Folgen entfernt. Sowohl die Harnkontinenzfunktion als auch die erektile Funktion waren in Monat 12 im Vergleich zu den Ausgangswerten unverändert.

    Fazit

    Bei ausgewählten Patienten kann eine fokale Laserablation von lokal begrenzten Prostatakarzinomen zumindest kurzfristig gute onkologische Resultate erbringen, so die Autoren, ohne dass damit schwere funktionelle Einschränkungen verbunden sind. Aber auch damit bleibt das Problem der möglichen Übertherapie ebenso wie das der unzureichenden Behandlung. Weitere Studien mit längerer Nachbeobachtungszeit und mit mehr Patienten müssen folgen, um den Stellenwert des Verfahrens eindeutig zu klären.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

    Kommentar

    Die Hoffnung der Prostatakarzinom-Patienten in fokale Therapiealternativen ist groß und auch die Autoren in dieser Studie sprechen von einer Fülle von Anfragen, die sie telefonisch und über Email erreichten. Jedoch steht die fokale Therapie von im mpMRT sichtbaren Prostatakarzinomen mit niedrig- bis früh intermediärem Risiko im Vergleich zur Datenlage etablierter Therapieverfahren erst am Anfang einer spannenden wissenschaftlichen Evaluation.


    Für die fokale Ablation sind mittlerweile zahlreiche Systeme in der klinisch-experimentellen Anwendung. Die Laser-basierte Ablation kontrolliert durch die MR-Thermometrie unterscheidet sich durch die Behandlung im MRT grundlegend von anderen fokalen Therapieverfahren wie z. B. der HIFU, der Kryotherapie und der irreversiblen Elektroporation (IRE): sie ist aufwendiger und kann nicht durch den Urologen allein durchgeführt werden. Um eine Vergleichbarkeit der Ablations-Techniken zu ermöglichen, ist eine detaillierte Angabe von Informationen in den Studien notwendig. Optimal für die Evidenz-basierte Einführung einer neuen Technik ist die stufenweise wissenschaftliche Evaluation mittels den IDEAL (Idea, Development, Exploration, Assessment, Long-term Follow-up) Empfehlungen. In dieser Studie wird der Visualase® Laser in einer frühen Entwicklungsphase (Development) untersucht. Leider fehlt die durch IDEAL empfohlene einzelne Auflistung der Fälle.


    Die Basis für die Patientenselektion für die fokale Therapie ist die gezielte MRT/TRUS-Fusionsbiopsie oder die template mapping Biopsie zur Tumorcharakterisierung. Seit 2013 sind zahlreiche neue Plattformen für die Fusionsbiopsie auf den Markt gekommen, die mittlerweile eine weite Verbreitung gefunden haben [1]. Über das Biopsieverfahren zur Patientenselektion geben die Autoren keine Informationen an. Eine 26 % Tumorrate außerhalb der Ablationszone 12 Monate nach Biopsie zeigt, dass das Biopsieprotokoll für den Studieneinschluss nicht ausreichend für die Patientenselektion war. Die Einschlusskriterien entsprechen weitestgehend denen verbreiteter Konsensusempfehlungen. Die Volumengrenze von 2 ml bedeutet bei gleichzeitigem Einschluss von fast ausschließlich Gleason 6 Tumoren, dass nur 20 – 50 % der Patienten mit passenden Tumorcharakterista eingeschlossen werden konnten. Mehr Gleason 6 Tumore dieses Volumens sind nicht im mpMRT sichtbar.


    Die hohe Tumorfreiheitsrate des Ablationsareals verwundert bei einem Sicherheitsabstand von 5 mm zur Läsion. Schlüsselpublikationen von Le Nobin und Priester et al. haben gezeigt, dass das mpMRT das Ausmaß des Tumors verglichen zum Großflächenschnitt deutlich unterschätzt [2, 3]. 9 mm Sicherheitsabstand werden empfohlen. Somit steht die Frage im Raum, ob die Autoren durch die Kontrollbiopsie-Strategie (nach 3 Monaten 2 gezielte Zylinder, nach 12 Monate systematische 12er Biopsie) überhaupt das primäre Studienziel der Tumorfreiheitsrate des Ablationsareals beantworten können. Sollten die Autoren gemäß IDEAL Kriterien die Explorations-Phase der Laser Ablation beginnen? Nein. Vielmehr sollte eine weitere Development-Phase angeschlossen werden, in der die Kontrollbiopsie-Strategie verändert wird, um Aussagen über die Tumorfreiheitsrate des Ablationsareals treffen zu können.


    Als Fazit für die Praxis kann geschlossen werden, dass diese Studie aufgrund oben genannter Schwächen keinen Rückschluss auf die onkologische Effektivität der fokalen Laserablation zulässt. Patienten mit Prostatakarzinomen des niedrig- früh intermediären Risikos, die eine fokale Therapie wünschen, müssen über den experimentellen Charakter aufgeklärt werden und sollten ausschließlich in Studien behandelt werden.


    Der Autor

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    Dr. Jost von Hardenberg, Klinik für Urologie der Universitätsmedizin Mannheim der Universität Heidelberg

    Literatur


    [1] Franz T, von Hardenberg J, Blana A, Cash H, Baumunk D, Salomon G, Hadaschik B, Henkel T, Herrmann J, Kahmann F, Köhrmann K-U, Köllermann J, Kruck S, Liehr U-B, Machtens S, Peters I, Radtke JP, Roosen A, Schlemmer H-P, Sentker L, Wendler JJ, Witzsch U, Stolzenburg J‑U, Schostak M, Ganzer R. MRI/TRUS fusion-guided prostate biopsy: Value in the context of focal therapy. Urologe 2017; 56


    [2] Le Nobin J, Rosenkrantz AB, Villers A, Orczyk C, Deng F-M, Melamed J, Mikheev A, Rusinek H, Taneja SS. Image Guided Focal Therapy for Magnetic Resonance Imaging Visible Prostate Cancer: Defining a 3-Dimensional Treatment Margin Based on Magnetic Resonance Imaging Histology Co-Registration Analysis. J Urol 2015; 194: 364 – 370


    [3] Priester A, Natarajan S, Khoshnoodi P, Margolis DJ, Raman SS, Reiter RE, Huang J, Grundfest W, Marks LS: Magnetic Resonance Imaging Underestimation of Prostate Cancer Geometry: Use of Patient Specific Molds to Correlate Images with Whole Mount Pathology. J Urol 2017; 197: 320 – 326


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    Dr. Jost von Hardenberg, Klinik für Urologie der Universitätsmedizin Mannheim der Universität Heidelberg