Aktuelle Dermatologie 2017; 43(06): 230-232
DOI: 10.1055/s-0043-109213
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ein neuer Punktescore zur Diagnose der Cellulitis der unteren Extremität

Raff AB. et al.
A predictive model for diagnosis of lower extremity cellulitis: A cross-sectional study.

J Am Acad Dermatol 2017;
76: 618-625
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
09. Juni 2017 (online)

 

Zahlreiche sich ähnlich präsentierende Erkrankungen können eine Cellulitis vortäuschen und zu Fehldiagnosen führen. Adam B. Raff und Kollegen vom Massachusetts General Hospital in Boston entwickelten auf der Basis eigener Patientendaten ein Modell, das die Einschätzung, ob es sich bei einer auf die untere Extremität beschränkten Erkrankung um eine Cellulitis oder eine Pseudocellulitis handelt, vereinfachen soll.


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Sie analysierten retrospektiv Patienten, die zwischen 2010 und 2012 in der Notaufnahme ihres Krankenhauses mit der Diagnose Cellulitis der unteren Extremität aufgenommen worden waren. Nicht einbezogen wurden Patienten, die eine Cellulitis an einer anderen Lokalisation aufwiesen, nicht primär die Notaufnahme aufgesucht hatten oder gleichzeitig Herde anderer Hauterkrankungen zeigten, z. B. Abszesse, penetrierendes Trauma, Verbrennungen etc. Auch Patienten mit einer vorangegangenen Operation innerhalb der letzten 30 Tagen oder einer Antibiotikatherapie in den letzten 48 Stunden wurden ausgeschlossen.

Von den verbleibenden 259 Patienten wurden diejenigen, für die bei Entlassung laut der Klinikdatenbank weiterhin als Diagnose eine Cellulitis aufgeführt war, als Patienten mit definitiver Cellulitis gewertet. Bei allen anderen wurde eine Pseudocellulitis angenommen. Das betraf 79 Patienten (30,5 %).

Modell mit 4 Variablen entwickelt

Die Autoren ermittelten bivariate Assoziationen zwischen verschiedenen möglichen Einflussfaktoren und der endgültigen Diagnose. Im finalen Modell wiesen 4 Faktoren eine klare Assoziation mit einer definitiven Cellulitisdiagnose auf: Asymmetrie (Cellulitis nur einseitig), Leukozytose (≥ 10 000 Leukozyten/µl), Tachykardie bei Notaufnahme (Herzrate ≥ 90 Schläge pro Minute) und Alter ≥ 70 Jahre. In der Gewichtung des von den Autoren entwickelten ALT-70-Scores gehen diese Faktoren mit folgenden Punktwerten ein:

  • Asymmetrie: 3 Punkte,

  • Leukozytose: 1 Punkt,

  • Tachykardie: 1 Punkt

  • Alter ≥ 70 Jahre: 2 Punkte.

Bei einem anzustrebenden negativen bzw. positiven prädiktiven Wert von jeweils mindestens 80 % legten die Autoren als Skalierung fest:

  • 0 – 2 Punkte: mit ≥ 83,3 % Wahrscheinlichkeit liegt eine Pseudocellulitis vor.

  • 3 – 4 Punkte: unklar, weitere Abklärung notwendig.

  • ≥ 5 Punkte: mit ≥ 82,2 % Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Cellulitis, eine empirische antibiotische Therapie ist angezeigt.

Fazit

Die 4 identifizierten Faktoren, die für eine Cellulitis der unteren Extremität sprechen, unterscheiden sich von denen an anderer Stelle berichteten wie Cellulitis in der Anamnese oder Komorbiditäten, die nach dieser Auswertung keine entscheidende Rolle spielen. Die Autoren empfehlen vor der breiten klinischen Anwendung zunächst eine prospektive Evaluierung des Scores, hoffen aber, mit ihrem Modell die Zahl der Fehldiagnosen einer Cellulitis senken zu können.

Friederike Klein, München


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