Rofo 2017; 189(08): 765-766
DOI: 10.1055/s-0043-108686
The Interesting Case
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuroendocrine Cell Hyperplasia of Infancy (NEHI) – hilft Bildgebung Lungenbiopsien zu vermeiden?

Anne Bettina Beeskow
1   Department for Pediatric Radiology, University Hospital of Leipzig, Germany
,
Franz Wolfgang Hirsch
1   Department for Pediatric Radiology, University Hospital of Leipzig, Germany
,
Frank Brasch
2   Department for Pathology, Academic Teaching Hospital Bielefeld, Germany
,
Freerk Prenzel
3   Division of Pediatric Pneumology and Allergy, University Hospital for Children and Adolescents, Leipzig, Germany
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Anne Bettina Beeskow
Department for Pediatric Radiology, University Hospital of Leipzig
Liebigstraße 18
04103 Leipzig
Germany   
Phone: ++ 49/3 41/9 72 69 31   
Fax: ++ 49/3 41/9 72 62 59   

Publication History

11 January 2017

22 March 2017

Publication Date:
16 May 2017 (online)

 

Einleitung

Die neuroendokrine Zellhyperplasie (NEHI) ist eine erstmalig 2005 durch Deterding (Deterding RR et al. Pediatr Pulmonol 2005; 40: 157 – 165) beschriebene diffuse parenchymatöse Lungenerkrankung des frühen Kindesalters. Ätiologie und Inzidenz sind unbekannt, die Erkrankung wird bisher selten diagnostiziert.

Betroffen sind Kinder unter 2 Jahren, insbesondere im Alter unter 6 Monaten. Klinische Charakteristika sind ein schleichender Beginn mit Tachydyspnoe (> 60/min), Knisterrasseln, persistierenden Einziehungen und Hypoxämie (Young LR et al. Chest 2011; 139: 1060 – 1071).

Histologisch geht die NEHI mit einer erhöhten Anzahl pulmonaler neuroendokriner Zellen (PNECs) im Epithel der distalen Atemwege einher. Ob diese Zellen Ausdruck von Unreife oder ein Marker einer zugrundeliegenden Störung sind bzw. über Peptidhormone wie Bombesin und Serotonin selbst zur Pathogenese beitragen, ist bisher umstritten (Yancheva SG et al. Histopathology 2015; 67: 501 – 508, Young LR et al. Chest 2011; 139: 1060 – 1071). Für die Diagnose geben die typischen Symptome und die Computertomografie entscheidende Hinweise (Brody AS et al. Am J Roentgenol 2010; 194: 238 – 244). Die Erkrankung hat generell eine gute Prognose mit einem selbstlimitierenden Verlauf. Die Therapie erfolgt supportiv.


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Fallbeschreibung

Ein 5 Monate alter weiblicher Säugling wurde mit seit 8 Wochen bestehender Tachydyspnoe mit 70/min, Knisterrasseln und Gedeihstörung (BMI < 1. Perzentile) vorstellig. Trotz externer antibiotischer Therapie bei Verdacht auf Pneumonie, kam es im Verlauf zu einer klinischen Verschlechterung. Eine Röntgenaufnahme zeigte beidseits eine diffuse, zentral betonte pulmonale Verschattung mit unscharfen, verwaschenen Hilusstrukturen ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Röntgen-Thorax a. p.: Diffuse, interstitiell anmutende Transparenzminderungen ohne klaren Segment- oder Lappenbezug, mit zentraler Betonung (Pfeile).

Das Differenzialblutbild, Entzündungsmarker, Autoantikörper sowie Bronchoskopie und bronchoalveoläre Lavage waren unauffällig. Die Langzeitrespirografie bestätigte die Hypoxämie mit mittlerer Sättigung von 88 %.

Die in Low-dose-Technik mit iterativer Rekonstruktion durchgeführte High-resolution-Computertomografie ergab mattglasartige, geografisch verteilte Verdichtungen in allen Lappen, bevorzugt perihiliär im Mittellappen sowie der Lingula, geringer auch in den dorsomedialen Unterlappen- und Oberlappensegmenten ([Abb. 2], [3]). Bildmorphologisch lag das Bild einer pulmonalen neuroendokrinen Zellhyperplasie vor.

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Abb. 2 Native, Low-dose-CT-Thorax, koronare MPR: Multifokales Mattglasphänomen bds. im Bereich der Hili sowie der Lingula (Pfeile), dazwischen Lungenareale ohne interstitielle Beteiligung.
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Abb. 3 Native, Low-dose-CT-Thorax, axiale MPR: Multifokales Mattglasphänomen der Lingula und dorsalen Lungenarealen bds. (Pfeile), dazwischen Areale ohne interstitielle Verdichtung. A Axialschnitt nativ auf Höhe der Unterlappen. B Axialschnitt nativ auf Höhe der der Pulmonalvenen.

Zur Diagnosesicherung bei neu erkannter Hypoxämie erfolgte eine thorakoskopische Lungenbiopsie aus der Lingula. Die Histologie zeigte regelrechtes Lungenparenchym. In der Immunhistochemie stellten sich in den Bronchioli terminales und den Bronchioli respiratorii deutlich vermehrte neuroendokrine Zellen dar ([Abb. 4]), womit das Vorliegen einer NEHI bestätigt wurde.

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Abb. 4 Lungenbiopsie, Immunhistochemische Färbung mit Synaptophysin, Bronchiolusanschnitt, Anfärbung der neuroendokrinen Zellen (Pfeile).

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Diskussion

Diffuse parenchymatöse Lungenerkrankungen (DPLD) bei Kindern sind eine heterogene Gruppe seltener pulmonaler Erkrankungen. Die NEHI geht im Säuglingsalter mit den typischen Symptomen einher: persistierende Tachydyspnoe, thorakale Einziehungen, Knisterrasseln unabhängig von einer respiratorischen Infektion sowie eine Hypoxämie (Rauch D et al. Am J Respir Crit Care Med 2016; 193: 438 – 447). Differenzialdiagnostisch kommen eine pulmonale interstitielle Glykogenose und andere Entitäten mit ähnlichem Phänotyp (childhood ILD syndrome) in Betracht. Zwar gibt es keine spezifische Therapie, jedoch ist eine supportive und präventive Behandlung oft sinnvoll. Diese beinhaltet eine Vermeidung von schädlichen Einflüssen wie Tabakrauchexposition, Sauerstoffsupplementation bei Hypoxämie, hochkalorische Ernährung bei Gedeihstörung, und Therapie eines möglichen Asthmas. Ferner sind Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken sowie gegebenenfalls auch eine passive Immunisierung gegenüber RSV zu empfehlen (Kurland et al. Am J Respir Crit Care Med 2013; 188: 376 – 394). Die NEHI zeigt einen prognostisch günstigen Verlauf mit Abklingen der Symptome im Median nach 18 Monaten (Lukkarinen H et al. Arch Dis Child 2013; 98: 141 – 144).

Einen entscheidenden Beitrag in der Diagnostik der NEHI kann die Computertomografie leisten. Hauptkriterium ist, wie auch im vorliegenden Fall eine landkartenartige Mattglasverschattung in mindestens vier Lungenlappen, die jedoch vornehmlich im Mittellappen und der Lingula besteht.

Ebenfalls aussagekräftige Kriterien sind Air-trapping-Phänomene in In- und Expirations-CT-Untersuchungen und ein daraus resultierendes Mosaikmuster (Brody AS et al. Am J Roentgenol 2010; 194: 238 – 244). Laut Literatur tritt dieses Charakteristikum in 6 von 7 Fällen auf, im vorliegenden Fall konnte es nicht nachgewiesen werden. Gelegentlich können zusätzliche Pathologien wie Bronchialwandverdickungen, Bronchiektasen, Konsolidierungen, lineare und retikuläre Verdichtungen, Noduli und Honigwabenmuster nachweisbar sein. In einer Analyse von Brody et al. zeigte die CT gegenüber der Biopsie als Referenz eine Sensitivität und Spezifität von mindestens 78 bzw. 100 %. Die Durchführung der CT-Untersuchung in Low-dose-Technik mit iterativer Rekonstruktion zeigt die genannten Veränderungen gut, sie sollte bei Kindern als Standard verwendet werden. Ob eine weitere Dosisreduktion in den sogenannten Ultra-low-Dosisbereich die interstitiellen Veränderungen noch ausreichend gut zeigt, ist bisher noch nicht systematisch untersucht worden.

Bei der Diagnosestellung kann nach einem Algorithmus von Gomes et al. vorgegangen werden (Gomes et al. J Bras Pneumol 2013; 39: 569 – 578). Danach sollten Kinder mit den bereits genannten Symptomen einer persistierenden Tachydyspnoe, Einziehungen und Hypoxämie eine Röntgenaufnahme erhalten, andere Ursachen der respiratorischen Symptomatik ausgeschlossen und anschließend mittels CT untersucht werden. Zeigen sich in der CT die typischen Befunde von Mattglasphänomen in mindestens 4 Lungenlappen (inklusive Mittelappen und Lingula) sowie Air-trapping kann die Diagnose einer NEHI nicht invasiv mit hinreichender Sicherheit gestellt werden. Im Falle atypischer oder unklarer CT-Befunde sollte eine zusätzliche Biopsieentnahme mit Anfärbung der neuroendokrinen Zellen erfolgen. Die Indikation zur thorakoskopischen Biopsie wurde im vorliegenden Fall aufgrund einer neu erkannten Hypoxämie gestellt.

Liegen keine Warnkriterien vor, ist der Verzicht auf eine Biopsie möglich und anzustreben, um so die Zahl der Lungenbiopsien im Säuglingsalter in Zukunft verringern zu können.

Kernaussagen
  • Charakteristische radiologische Kennzeichen der NEHI sind segmentale Mattglasverschattungen, insbesondere in Mittellappen und Lingula, sowie Air-trapping.

  • Sichere Diagnosestellung in Zusammenschau von Klinik, Alter und CT-Befunden ohne Biopsie möglich.

  • Gute Prognose mit Regredienz der Symptome im Alter von 1,5 – 2 Jahren.


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No conflict of interest has been declared by the author(s).


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Liebigstraße 18
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Abb. 1 Röntgen-Thorax a. p.: Diffuse, interstitiell anmutende Transparenzminderungen ohne klaren Segment- oder Lappenbezug, mit zentraler Betonung (Pfeile).
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Abb. 2 Native, Low-dose-CT-Thorax, koronare MPR: Multifokales Mattglasphänomen bds. im Bereich der Hili sowie der Lingula (Pfeile), dazwischen Lungenareale ohne interstitielle Beteiligung.
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Abb. 3 Native, Low-dose-CT-Thorax, axiale MPR: Multifokales Mattglasphänomen der Lingula und dorsalen Lungenarealen bds. (Pfeile), dazwischen Areale ohne interstitielle Verdichtung. A Axialschnitt nativ auf Höhe der Unterlappen. B Axialschnitt nativ auf Höhe der der Pulmonalvenen.
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Abb. 4 Lungenbiopsie, Immunhistochemische Färbung mit Synaptophysin, Bronchiolusanschnitt, Anfärbung der neuroendokrinen Zellen (Pfeile).