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DOI: 10.1055/s-0042-124344
Naturheilkundliche und homöopathische Therapiemöglichkeiten bei Fieber
Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik:
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
26. Januar 2017 (online)
Summary
Fieber ist Ausdruck eines aktivierten Immunsystems und wird in der ganzheitlichen Medizin als Heilreaktion des Körpers gesehen. Naturheilkunde und Homöopathie bieten bewährte therapeutische Optionen, den Körper beim Genesungsprozess zu unterstützen. Dazu gehören die altbekannten Wadenwickel, die Gabe von Echinacea, eine Schwitzkur mit Lindenblütentee. Aber auch eine homöopathische Behandlung kann bei der Wahl des passenden Mittels die Genesung deutlich beschleunigen.
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Lindenblütentee, Wadenwickel, Ruhe und leichte Kost - Naturheilkunde und das richtige homöopathische Mittel bieten bewährte Optionen, um die Beschwerden zu lindern und die Genesungszeit zu beschleunigen
Fieber ist ein Allgemeinsymptom des Körpers und keine eigene Krankheitsentität. Es ist in der Regel Ausdruck eines aktivierten Immunsystems.
Während bei Hippokrates Fieber für eine Kombination von Gesundheitsstörungen stand, wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Möglichkeit, die Körpertemperatur zu messen, der heute bestehende Fieberbegriff eingeführt: Es handelt sich um eine Erhöhung der Körperkerntemperatur über 38 bzw. 38,5 °C, die bis 41 °C steigen kann. Unter 38,5 °C spricht man von subfebrilen Temperaturen. Fieber tritt am häufigsten im Rahmen von Infektionserkrankungen (viral, bakteriell) auf, aber auch bei
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Neoplasien,
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Autoimmunerkrankungen,
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metabolischen Störungen, z. B. Durstfieber,
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endokrinen Störungen, z. B. bei Hyperthyreose,
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Medikamente („Drugfever“),
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Drogen, z. B. Ecstasy,
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exogene Wärmezufuhr (physikalischer Genese),
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psychischer Belastung (Stress).
Aufgrund dieser vielen Möglichkeiten ist bei unklarer Genese eine weitere Abklärung des Symptoms „Fieber“ und gegebenenfalls eine kausale Behandlung erforderlich.
Fieber ist Ausdruck eines aktivierten Immunsystems und wird in der ganzheitlichen Medizin als Heilreaktion des Körpers gesehen. Naturheilkunde und Homöopathie bieten bewährte therapeutische Optionen, den Körper beim Genesungsprozess zu unterstützen. Dazu gehören die altbekannten Wadenwickel, die Gabe von Echinacea, eine Schwitzkur mit Lindenblütentee. Aber auch eine homöopathische Behandlung kann bei der Wahl des passenden Mittels die Genesung deutlich beschleunigen.
Nach bisherigen Konzepten, die aber zurzeit durch neuere Hypothesen abgelöst werden (s. Beitrag Richter, S. 46), handelt es sich physiologisch um eine Sollwertverstellung der Körperkerntemperatur im Hypothalamus, ausgelöst durch körpereigene Stoffe, die u. a. zu einer Verbesserung der Aktivität der Immunzellen führen können.
Vor allem bei Infektionskrankheiten ist die erhöhte Körpertemperatur eine zielgerichtete Reaktion des Organismus, da die meisten menschenpathogenen Viren sich bei höheren Körpertemperaturen schlechter vermehren [1: 232].
Aus ganzheitlicher Sicht wird Fieber „als natürliche Heilreaktion begriffen, und daher im Regelfall nicht unterdrückt.“ [2: 529]. Ein kurzzeitiges Fieber gilt als ein Zeichen von Vitalität und Reagibilität. So wird z. B. bei der Misteltherapie oder Hyperthermie der Effekt des Fieberns therapeutisch genutzt. Positive Effekte können dabei sein:
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Aktivierung des Immunsystems
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Verbesserung der Durchblutung
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Anregung der Stoffwechselaktivität
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Reduktion des Muskeltonus
Im Rahmen einer fieberhaften Erkrankung kann es zu einer deutlichen Einschränkung des Allgemeinbefindens kommen. Hier können naturheilkundliche unterstützende Maßnahmen und homöopathische Arzneien die Beschwerden lindern, das Fieber soll jedoch nicht unterdrückt werden. Bei Kindern, die zu Fieberkrämpfen neigen bzw. bei deutlicher Einschränkung des Allgemeinbefindens und bei Fieber über ca. 40 °C kann eine Fiebersenkung mit Antipyretika indiziert sein.
Naturheilkunde
Ordnungstherapie
Bei Fieber ist grundsätzlich Schonung und Rückzug angesagt. Dies bezieht sich auf körperliche Anstrengung, äußere Reize (Fernsehen, geistige Arbeit oder intensives Lesen) oder Stressbelastung. Neben der beschriebenen körperlichen Heilreaktion kann der fieberhafte Zustand behilflich sein, sich wirklich Zeit für die Genesung zu nehmen und nicht durch Unterdrückung darüber hinweg zu gehen und somit dem Körper auf lange Sicht eher zu schaden. Fieber kann im Anfangsstadium mit Frieren, Frösteln oder Schüttelfrost einhergehen, weshalb auf ausreichend Wärme zu achten ist.
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Ernährungstherapie
Wichtig ist eine ausreichende Trinkmenge von täglich 1,5–2,5 l – je nach Flüssigkeitsverlust und Körpergröße auch mehr – zur Verbesserung der Stoffwechselsituation und Prävention vor Exsikkose, v. a. bei Kindern und älteren Menschen [3]. Hierbei empfehlen sich zimmertemperiertes bzw. warmes Wasser, Kräutertee und Ingwerwasser, bei sehr starkem Schwitzen elektrolythaltige salzige Suppen. Von kalten Getränken ist wegen der unerwünschten Kreislaufbelastung abzuraten.
Es wird eine leichte Kost empfohlen mit dem Grundsatz „so wenig wie möglich und so viel wie nötig“. Meist ist der Appetit reduziert, der Körper zeigt an, dass er mit Krankheitsabwehr beschäftigt ist und sollte nicht durch schwere Kost zusätzlich belastet werden. So sind kleine Mahlzeiten mit gedünstetem Gemüse, Suppen, evtl. der klassischen Hühnersuppe, etwas Honig bzw. eine kleine „Fastenzeit“ besonders mit Verzicht auf Fett und Eiweiß angezeigt.
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Phytotherapie
Bei ansteigendem Fieber mit Schüttelfrost kann eine Schwitzkur hilfreich sein. Diese kann mit Holunderblüten- oder Lindenblütentee durchgeführt werden. Verstärkt wird die Wirkung durch ein Vollbad bis es zu starkem Schwitzen kommt. Dann sollte im Bett gut eingepackt noch 30 min nachgeschwitzt werden. Daran ist eine weitere Ruhephase von ca. 1 h anzuschließen. Die Schwitzkur darf aber nur bei stabiler Kreislaufsituation und guten Venenverhältnissen (bezogen auf das Vollbad) durchgeführt werden.
Holunderblütentee
Holunderblüten (Sambuci flos) sind stark schweißtreibend und bewirken eine unspezifische Resistenzsteigerung. Gemäß der Monographie der Kommission E sind ihr Anwendungsgebiet Erkältungskrankheiten [1].
Für den Tee überbrüht man 2 Teelöffel Holunderblüten mit 1 Tasse kochendem Wasser, lässt ihn 15 min ziehen und seiht dann ab. Für die Schwitzkur wird ½ l Tee empfohlen.
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Lindenblütentee
Für die Zubereitung eines Lindenblütentees (Tilia cordata – Winterlinde, Tilia platyphyllos – Sommerlinde) wird 1 Teelöffel Lindenblüten mit 1 Tasse heißem Wasser überbrüht, 10 min ziehen lassen, schluckweise und möglichst heiß trinken. Aufgrund des lieblich aromatischen Geruchs und Geschmacks wird er auch gern von Kindern getrunken.
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Sonnenhut
Sonnenhut (Echinacea purpurea) eignet sich zur Unterstützung der Immunmodulation, er ist als reine Fertigarznei (Urtinktur) erhältlich.
Es wurden antiinfektiöse und antiphlogistische Effekte nachgewiesen. Allerdings ist die aktuelle Studienlage diesbezüglich nicht eindeutig und es kann bei empfindlichen Menschen zu allergischen Reaktionen kommen.
Vor allem bei Kindern hat sich bewährt, das Leitsymptom Aktivität (Essen, Trinken, Spielen) höher zu bewerten als die gemessene Temperatur.
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Hydrotherapie
Wadenwickel
Wadenwickel können bei starken Beschwerden durch periphere Temperaturableitung das Fieber senken, ohne es zu unterdrücken. Sie dürfen nur bei überwärmten Extremitäten durchgeführt werden. Bei kalten Füßen oder Schüttelfrost sind sie kontraindiziert, da sie dann nicht nur unwirksam sind, sondern zusätzlich den Kreislauf belasten. Wadenwickel können in jedem Lebensalter angewendet werden.
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Durchführung
Ein kleines Handtuch (besser noch Leintuch) wird in lauwarmes (ca. 5 °C kühler als die aktuelle Körpertemperatur des Patienten) Wasser gelegt, ausgewrungen und noch feucht um jeden Unterschenkel gelegt. Als zweite Lage wird ein größeres trockenes Baumwolltuch komplett darum gewickelt und (falls vorhanden) mit der dritten Lage, einem wärmenden Wolltuch so lange belassen, bis sich der Wickel erwärmt bzw. für maximal. 10–20 min. Falls keine Beschwerdebesserung bzw. Fiebersenkung auftritt, kann der Wadenwickel maximal 4-mal wiederholt werden, danach ist eine Ruhephase indiziert. Die Reizstärke und Dauer sollte auf die Gesamtkonstitution des Patienten abgestimmt werden: Zu kaltes Wasser sollte nicht verwendet werden, da es den Kreislauf zu sehr belastet.
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Homöopathie
Der homöopathische Ansatz liegt darin, beim Kranken die Gesamtheit derjenigen Symptome mit einer Arznei zu behandeln, die diese bei einem Gesunden auslöst (Ähnlichkeitsprinzip). Daher gibt es nicht die eine Fieberarznei, sondern eine Vielzahl von Arzneien, die bei unterschiedlichen fieberhaften Zuständen mit den jeweils individuellen Begleitsymptomen indiziert sein können. In der klassischen Homöopathie wird das individuelle Mittel für die aktuelle Situation aufgrund einer ausführlichen Anamnese eruiert.
An dieser Stelle werden exemplarisch einzelne Mittel vorgestellt, die einen deutlichen Bezug zu Fieber haben und unterstützend als Einzelmittel in der Potenz D 6 – D 12, 5 Globuli 3-mal täglich oder häufiger bis zum Abklingen der Symptome bzw. für 3–5 Tage gegeben werden können. Kommt es darunter zu weiteren oder zunehmenden Beschwerden, muss die Arzneigabe vorzeitig beendet bzw. das Mittel gewechselt werden. Ein Mittelwechsel kann auch bei einer Änderung oder Besserung der Symptomatik notwendig werden, z. B. ein Wechsel von Aconitum zu Belladonna.
Aconitum (Sturmhut)
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wenn kalter Wind, Luftzug, Schreck, Ärger ursächlich sind
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Ängstlichkeit
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akutes Auftreten der Beschwerden mit starker Intensität
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Frost oder Kälte abwechselnd mit Hitze
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Haut blass, trocken, heiß
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großer Durst
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Verschlimmerung durch trockene Kälte, im Bett, abends, nachts, während Schwitzen
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Belladonna (Tollkirsche)
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Fieber durch Anstrengung, Hitze, Sonne
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heißer, roter Kopf, kalte Extremitäten, Haut heiß – abwechselnd feucht / trocken
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kein Durst in der Fieberhitze
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Verschlimmerung durch Sonne, Hitze, Licht, Berührung, Bewegung
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Fieberträume
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Chinarinde
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Fieber durch starken Säfteverlust (Schwitzen, Erbrechen, Blutung, …)
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große Schwäche, Mattigkeit
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Frost-, Hitze- und Schweißstadium ausgeprägt
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Verschlimmerung: periodisch, im Freien, durch leichte Berührung, Säfteverlust, Verkühlung, Essen
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Ferrum phosphoricum
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Fieber bei Infekten
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Fieberfrost mit Verlangen sich zu strecken
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wiederkehrendes Fieber
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schlimmer morgens 4–6 Uhr, Bewegung, Geräusche, kalte Getränke
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Gelsemium (Gelber Jasmin)
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starke Kopfschmerzen mit Schweregefühl
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Froststadium mit Schmerzen und Mattigkeit überall
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Fieberhitze mit Durstlosigkeit
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Verschlimmerung feucht-kaltes Wetter, Bewegung, vor Prüfung
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Pulsatilla (Wiesenküchenschelle)
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Fieber mit Kältgefühl / Frieren, aber äußere Wärme ist unerträglich
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Frieren in der warmen Stube, Verlangen nach frischer Luft
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eine Hand kalt, die andere Hand heiß
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Schmerz während Schwitzen
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Durstlos
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Verschlimmerung: Wärme, Ruhe, abends
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weinerlich
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Zusammenfassung
Aus ganzheitlicher Sicht wird Fieber als Heilreaktion gesehen und sollte daher nicht aktiv gesenkt werden. Bei unklarem Fieber ist eine diagnostische Abklärung dringend erforderlich.
Die Naturheilkunde bietet einige Möglichkeiten zur Beschwerdelinderung. Grundsätzlich sind Schonung, eine ausreichende Trinkmenge und leichte Kost angeraten. Bei stabiler Kreislaufsituation können eine Schwitzkur mit Holunderblüten- oder Lindenblütentee sowie intensivierend ein Vollbad den Krankheitsverlauf beschleunigen. Die Einnahme von Echinacea zur Stärkung des Immunsystems sollte mit den ersten Symptomen erfolgen und bei Unverträglichkeitsreaktionen abgesetzt werden.
Das altbekannte Hausmittel Wadenwickel hat einen günstigen Effekt zur Fiebersenkung und Verbesserung des Allgemeinbefindens bei überwärmten Extremitäten, darf aber nicht bei kühlen Extremitäten angewendet werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Wassertemperatur nicht zu kalt ist und der Wickel als angenehm empfunden wird.
Die homöopathische Behandlung kann bei richtiger Mittelwahl die Genesung deutlich beschleunigen. Wichtig ist, auf die Begleitsymptome und -umstände zu achten. Sollte es nach 2–3 Tagen zu keiner Besserung kommen, ist die Vorstellung bei einem erfahrenen Homöopathen bzw. die Einleitung einer konventionellen Therapie notwendig. Generell ist die Fiebersenkung durch Antipyretika indiziert bei bekannten Fieberkrämpfen sowie bei deutlich reduziertem Allgemeinzustand. In der Praxis hat es sich für die Einleitung einer Therapie, v. a. bei Kindern, bewährt, das Leitsymptom Aktivität (d. h. Essen, Trinken, Spielen) höher zu bewerten als die gemessene Temperatur.
Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.
Online zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-124344
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Dr. med. Birgit Lochbrunner
Hochschulambulanz Naturheilkunde und Tagesklinik
Immanuel Krankenhaus Berlin, Standort Berlin-Wannsee
Königstr. 63
14109 Berlin
b.lochbrunner@immanuel.de
Birgit Lochbrunner ist Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Homöopathie, Naturheilkunde, B-Diplom Akupunktur und TCM. Nach Stationen an der Klinik für Naturheilkunde und integrative Medizin der Kliniken Essen-Mitte sowie Weiterbildung in Hausarztpraxen ist sie seit 2010 am Immanuel Krankenhaus Berlin, der Hochschulambulanz für Naturheilkunde und naturheilkundlichen Tagesklinik tätig.
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Literatur
- 1 Fintelmann V, Weiss RF. Lehrbuch der Phytotherapie. 11. Aufl Stuttgart: Hippokrates; 2006
- 2 Kraft K, Stange R Hrsg. Lehrbuch Naturheilverfahren. Stuttgart: Hippokrates; 2010
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Literatur
- 1 Fintelmann V, Weiss RF. Lehrbuch der Phytotherapie. 11. Aufl Stuttgart: Hippokrates; 2006
- 2 Kraft K, Stange R Hrsg. Lehrbuch Naturheilverfahren. Stuttgart: Hippokrates; 2010