Aktuelle Urol 2017; 48(02): 104-106
DOI: 10.1055/s-0042-121995
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nutzen von Nephrometrie-Scores bei Nephron-erhaltender Chirurgie

Borgmann H. et al.
R.E.N.A.L. Score Outperforms PADUA Score, C-Index and DAP Score for Outcome Prediction of Nephron Sparing Surgery in a Selected Cohort.

J Urol 2016;
196: 664-671
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Publication History

Publication Date:
16 May 2017 (online)

 

Bei kleinen Nierentumoren gilt heute die Organ-erhaltende Therapie als Standard. Häufig ist aber die Tumorgröße nicht der einzige bestimmende Faktor für das operative Vorgehen, sondern auch Komplexität des Tumors und anatomische Lokalisation spielen eine Rolle. Eine Reihe von Nephrometrie-Scores soll die verschiedenen Tumorparameter erfassen und bei der Operationsplanung helfen. Borgmann et al. haben deren Nutzen in der Praxis untersucht.


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Die Wissenschaftler haben dazu Daten von 188 zwischen 2009 und 2013 mittels Nieren-erhaltender Operation therapierten Patienten in eine retrospektive Auswertung aufgenommen. Sie zogen 4 Scores heran

  • R.E.N.A.L.: Radius (maximaler Tumordurchmesser), exophytisch (bzw. endophytisch) wachsende Anteile, Nähe des am tiefsten gelegenen Tumoranteils zum Sinus, anterior (bzw. posterior) der Mittellinie der Niere gelegen, (relative) Lokalisation zur Nierenpollinie

  • C-Index: Centralitiy – beurteilt die Entfernung des Tumors vom zentralen Nierensinus

  • PADUA: Preoperative Aspects and Dimensions Used for an Anatomical Scoring – umfasst anteriore bzw. posteriore Lage und longitudinale Abmessungen, Beziehung des Tumors zur Oberfläche und zum Nierenbeckenkelchsystem sowie tief gelegene Tumoranteile

  • DAP: Diameter, Axial Distance, Polar Distance

und prüften, wie genau der jeweilige Score das Erreichen eines optimalen MIC-Ergebnisses voraussagen konnte. MIC steht für Margin (tumorfreie Absetzungsränder im OP-Präparat), Ischämie (warme Ischämiezeit<20 min) und Complication (keine Komplikationen mit Schweregrad≥3 nach Clavien-Dindo). Insgesamt waren alle MIC-Kriterien bei 80% der Operationen erfüllt, im Einzelnen waren es 98% für Punkt M, 87% für Punkt I und 93% für Punkt C. Am besten konnte der R.E.N.A.L.-Score diese Ergebnis vorhersagen (Odds Ratio 0,31 in der multivariaten logistischen Regressionsanalyse nach Adjustierung im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Body Mass Index und Begleiterkrankungen). Am zweitbesten schnitt der C-Index ab, aber weder PADUA noch DAP zeigten aussagekräftige Zusammenhänge mit dem Erreichen der MIC-Ziele. Wenn die Mediziner weitere wesentliche perioperative Parameter heranzogen, so korrelierten R.E.N.A.L.- und PADUA-Score positiv mit der Operationsdauer, der warmen Ischämiezeit als kontinuierliche Variable und Klinikaufenthaltsdauer. Diese Ergebnisse unterschieden sich nicht wesentlich zwischen offenen und Roboter-assistierten Eingriffen, allerdings war die Zahl Letzterer mit nur 17 Operationen relativ gering.

Fazit

Der R.E.N.A.L.-Score kann am besten das Erreichen der MIC-Ziele vorhersagen, meinen die Autoren. Operateure könnten ihn damit zukünftig als Hilfestellung heranziehen, wenn sie sich nicht sicher sind, ob ein Tumor für einen Nephron-erhaltenden Eingriff geeignet ist. Allerdings seien weitere, prospektiv angelegte Studien notwendig, bevor diese Empfehlung tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden kann.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

Kommentar

R.E.N.A.L. Score Outperforms PADUA Score, C-Index and DAP Score for Outcome Prediction of Nephron Sparing Surgery in a Selected Cohort

Die anatomische Lage des Tumors hat großen Einfluss auf die Schwierigkeit und das chirurgische Ergebnis der Nierentumorexzision [1]. Hier helfen Nephrometrie Bewertungssysteme, um die Anatomie der Nierentumore zu objektivieren und die wissenschaftliche und klinische Kommunikation zu erleichtern. Dies zeigt sich in der Verwendung dieser Systeme in nahezu allen aktuellen Studien zur Nierentumorchirurgie [2] [3].

Die Arbeit von Herr Borgmann und Kollegen greift einen Schwachpunkt der Nephrometrie an: Obwohl bisher über 300 wissenschaftliche Artikel zu dem Thema publiziert wurden, ermöglicht die Datenlage aktuell nicht, eines der bestehenden Systeme klar zu favorisieren. Systematische Vergleiche sind rar und häufig werden sie nur hinsichtlich der Vorhersage einzelner Parameter (z. B. Komplikationsrate) durchgeführt [4]. Die Folge ist eine uneinheitliche Verwendung der Nephrometrie-Systeme, was wider deren eigentlicher Idee ist – nämlich die wissenschaftliche und klinische Kommunikation hinsichtlich der Anatomie von Nierentumoren zu vereinfachen.

Beachtenswert ist, dass Herr Borgmann nicht nur 4 Systeme vergleicht – mehr als bisherige Studien – sondern auch den Endpunkt der Studie sinnvoll wählt. Der binäre Endpunkt „MIC“ (Margin, Ischemia, Complications) erlaubt eine klare Überprüfung der prädiktiven Wertigkeit der Systeme und deckt gleichzeitig die Trifekta Kriterien der partiellen Nephrektomie ab. Hier sticht die Arbeit klar unter vergleichbaren Studien hervor, die oft nur einzelne Endpunkte untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass der RENAL Score am besten zur Vorhersage des Erreichens der MIC Kriterien dient. Es handelt sich um das erste publizierte Bewertungssystem seiner Art, welches im Vergleich zu den anderen Systemen einfach konzipiert ist [5]. Damit fügen sich die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit gut in das aktuelle wissenschaftliche Bild. Hier zählt der RENAL Score zu den am besten etablierten und meist genutzten Systemen [3]. Zudem konnte unsere Arbeitsgruppe in einer vergleichbaren Arbeit die Überlegenheit einfacher Systeme wie dem RENAL Score unterstreichen [6].

Neben dem retrospektiven Ansatz ist der sehr geringe Teil an minimal-invasiven Nierenteilresektionen ein Nachteil der Studie. Dies ermöglichte nur eine rein deskriptive Subgruppenanalyse. Die Aussage der Überlegenheit des RENAL Systems kann also primär für die offene partielle Nephrektomie getroffen werden. Zwar ist die chirurgische Komplexität sicherlich zu einem gewissen Maß vergleichbar, aber bei der an Bedeutung gewinnenden robotischen Nierentumorexzision spielen Parameter wie Polarität oder Lage des Tumors in der Sagittalachse eine andere Rolle als beim offenen Zugang [7].

Die Arbeit von Herrn Borgmann ist wichtig für das Feld der Nierentumorchirurgie, da sie einiges Licht in den Dschungel der Nephrometrie-Systeme bringt. Die Schlussfolgerung für klinisch-wissenschaftlich aktive Urologen ist, sich bei der anatomischen Klassifikation der Nierentumoren auf das RENAL System zu konzentrieren. Eine konsequente Erhebung des RENAL Scores in radiologischen Befunden wäre zudem wünschenswert, damit sich der Mehrwert der Systeme vom wissenschaftlichen Einsatz in die tägliche klinische Kommunikation überträgt.


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Die Autor

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Maximilian Kriegmair
Klinik für Urologie
Universitätsmedizin Mannheim

  • Literatur

  • 1 Ficarra V, Novara G, Secco S. et al. Preoperative aspects and dimensions used for an anatomical (PADUA) classification of renal tumours in patients who are candidates for nephron-sparing surgery. Eur Urol 2009; 56: 786-793
  • 2 Hou W, Yan W, Ji Z. Review ArticleAnatomic Features Involved in TechnicalComplexity of Partial Nephrectomy. URL. Elsevier Inc 2015; 85: 1-7
  • 3 Klatte T, Ficarra V, Gratzke C. et al. A Literature Review of Renal Surgical Anatomy and Surgical Strategies for Partial Nephrectomy. Eur Urol 2015; 21: 1-13
  • 4 Spaliviero M, Poon BY, Karlo CA. et al. An Arterial Based Complexity (ABC) Scoring System to Assess the Morbidity Profile of Partial Nephrectomy. Eur Urol 2015; 19: 1-8
  • 5 Kutikov A, Uzzo RG. The R.E.N.A.L. Nephrometry Score: A Comprehensive Standardized System for Quantitating Renal Tumor Size, Location and Depth. J Urol 2009; 182: 844-853
  • 6 Kriegmair MC, Mandel P, Moses A. et al. Defining renal masses: Comprehensive comparison of RENAL, PADUA, NePhRO and C-index score. Clin Genitourin Cancer 2016; DOI: 10.1016/j.clgc.2016.07.029.
  • 7 Minervini A, Vittori G, Antonelli A. et al. Open versus robotic-assisted partial nephrectomy: a multicenter comparison study of perioperative results and complications. World J Urol 2014; 32: 287-293

  • Literatur

  • 1 Ficarra V, Novara G, Secco S. et al. Preoperative aspects and dimensions used for an anatomical (PADUA) classification of renal tumours in patients who are candidates for nephron-sparing surgery. Eur Urol 2009; 56: 786-793
  • 2 Hou W, Yan W, Ji Z. Review ArticleAnatomic Features Involved in TechnicalComplexity of Partial Nephrectomy. URL. Elsevier Inc 2015; 85: 1-7
  • 3 Klatte T, Ficarra V, Gratzke C. et al. A Literature Review of Renal Surgical Anatomy and Surgical Strategies for Partial Nephrectomy. Eur Urol 2015; 21: 1-13
  • 4 Spaliviero M, Poon BY, Karlo CA. et al. An Arterial Based Complexity (ABC) Scoring System to Assess the Morbidity Profile of Partial Nephrectomy. Eur Urol 2015; 19: 1-8
  • 5 Kutikov A, Uzzo RG. The R.E.N.A.L. Nephrometry Score: A Comprehensive Standardized System for Quantitating Renal Tumor Size, Location and Depth. J Urol 2009; 182: 844-853
  • 6 Kriegmair MC, Mandel P, Moses A. et al. Defining renal masses: Comprehensive comparison of RENAL, PADUA, NePhRO and C-index score. Clin Genitourin Cancer 2016; DOI: 10.1016/j.clgc.2016.07.029.
  • 7 Minervini A, Vittori G, Antonelli A. et al. Open versus robotic-assisted partial nephrectomy: a multicenter comparison study of perioperative results and complications. World J Urol 2014; 32: 287-293

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