Endo-Praxis 2017; 33(01): 9-10
DOI: 10.1055/s-0042-120677
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CO2-Einsatz bei jedem Patienten?

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    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. Jürgen Hochberger
    Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie, Vivantes-Klinikum Friedrichshain
    Landsberger Allee 49
    10249 Berlin

    Publication History

    Publication Date:
    10 March 2017 (online)

     

    Die Koloskopie ist der Goldstandard in der Vorsorge von Kolonkarzinomen und wird für Patienten ab dem 55. Lebensjahr von den Kassen übernommen. In zahlreichen Studien ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis gut belegt, jedoch ist die Akzeptanz der „Screening-Koloskopie“ immer noch begrenzt und lag zuletzt bei 21 % der teilnahmeberechtigen Männer und 24 % der teilnahmeberechtigten Frauen [1]. Beschwerden (Dyskomfort) während und nach der Untersuchung sind dafür wesentliche Gründe. Eine Koloskopie mit CO2 könnte mehr Patienten für eine Vorsorgekoloskopie gewinnen, da zahlreiche Studien klare Vorteile gegenüber Raumluft bezüglich intra- und postinterventioneller Beschwerden zeigen.


    CO2 wird etwa 150-mal schneller über die Darmwand rückresorbiert als Raumluft. Zahlreiche Studien konnten den klinischen Wert für CO2 bei der gastrointestinalen Endoskopie zeigen. In einer 2016 publizierten Metaanalyse von Memon, die 24 prospektiv randomisierten Studien zu CO2 versus Raumluft bei der Koloskopie an fast 4000 Patienten untersucht, zeigten sich statistisch signifikant weniger Schmerzen während, direkt nach und bis zu 24 h nach der Koloskopie. Ileum-Intubationsrate und Rückzugszeit waren dabei nicht signifikant beeinflusst [2]. Für die Kolonpolypektomie fanden sich deutlich geringer Schmerzen und eine geringere vegetative Begleitsymptomatik unter CO2 [3]. Zusätzlich verringert CO2 die seltene aber u. U. schwerwiegende Gefahr der Darmgas-Explosion bei Anwendung von Diathermiestrom [4]. Spülung und Absaugung von lauwarmem Wasser sind insbesondere bei chronisch obstipierten Patienten eine genauso effektive Alternative, Beschwerden während der Koloskopie zu verringern und gleichzeitig eine optimale Übersicht zu erreichen. CO2 lässt sich jedoch bei suffizienter Darmvorbereitung deutlich schneller insufflieren und absaugen [5]. Zu Patienten mit COPD liegen lediglich Daten aus eine Studie zur ESD plus CO2 in Narkose vor, ohne Beeinträchtigung der Sauerstoffsättigung. Die Datenlage ist daher noch nicht abschließend geklärt [6] [7]. Bei Endoskopien mit erhöhtem Perforationsrisiko wird grundsätzlich die Verwendung von CO2 empfohlen [8]. Die aktuelle S2k-Leitlinie „Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen Endoskopie“ trägt dem Rechnung und empfiehlt die routinemäßige Ausstattung neuer Endoskopie-Einheiten mit CO2-Anschlüssen und -Insufflatoren [7].

    Gleichwohl setzt sich der Einsatz von CO2 in der gastrointestinalen Endoskopie weltweit, wie auch in Deutschland, nur schleppend großflächig durch [9]. Kosten spielen hier vermutlich die wesentliche Rolle ([Tab. 1]). So liegt die Anschaffung für CO2-Insufflatoren ([Abb. 1a + b]) bei etwa 3500 – 6000 € pro Einheit. Hinzu kommen ein Druckschlauch für den Wandanschluss oder eine CO2-Gasflasche. Bei fest installiertem Turm liegt der Preis für letztere nach Industrieangaben bei knapp 600 € für eine große 37,5 kg-CO2-Flasche für medizinische Anwendungen (Fa Linde Health Care, Oberschleißheim) oder bei etwa 350 € für einen Wand-Druckschlauch (Fa. Fuji Europe, Düsseldorf). Während bisher CO2-Insufflatoren als gesonderte Komponenten an herkömmliche Prozessor-Lichtquellen-Einheiten angegliedert wurden, bietet aktuell die Fa. Karl Storz, Tuttlingen, eine Lichtquellen-Insufflationseinheit für wahlweise Raumluft und CO2 (s. u.).

    Tab. 1

    Vor- und Nachteile des Einsatzes von CO2 für die gastrointestinale Endoskopie.

    Vorteile

    Einschränkungen und Nachteile

    • CO2-Gas wird aus dem Darm 150-mal schneller als Raumluft resorbiert

    • deutliche Reduktion von Beschwerden während der Untersuchung und bis 24 h danach unter CO2:

      • 50 % Reduktion von mittelstarken und starken abdominelle Schmerzen

      • 20 % weniger abdominelle Spannung

    • Anschaffungskosten von 3500 – 6000 € für die Insufflationseinheit plus Wand-Druckschlauch bzw. Gasflasche

    • keine ambulante Vergütung

    • Erstattung des CO2-Gases als Praxisbedarf

    • IGEL-Leistung mit direkter Abrechnung gegenüber dem Patienten möglich

    • unklare Datenlage für Patienten mit COPD

    Zoom
    Abb. 1 Kompakte CO2-Insufflatoren für den Betrieb mit CO2-Wandanschluss oder Druck-Gasflaschen-Versorgung (a GW100, Fa. FUJI Europe, Düsseldorf. b UCR, Fa. Olympus Optical, Hamburg).

    Vonseiten der Krankenkassen ist die Verwendung von CO2 im ambulanten Bereich bisher nicht gesondert abrechenbar und die Anschaffung der Gerätschaft geht zulasten des Praxisinhabers. Das CO2-Gas wird jedoch als Praxisbedarf erstattet. CO2 bei der Koloskopie kann gegenüber gesetzlich versichertem Patienten als IGEL-Leistung angeboten werden, wird jedoch in der Praxis häufig als Serviceleistung erbracht.

    Jürgen Hochberger, Andreas Schröder, Volker Meves

    Auswahl nützlicher Internet-Links

    https://www.fujifilm.eu/de/produkte/medizinische-systeme/endoskopie/endoskopie-produkte/co2-insufflation

    https://www.olympus.de/medical/de/medical_systems/products_services/product_details/product_details_9792.jsp

    https://www.pentaxmedical.com/pentax/de/101/7/CO2-Insufflator-and-Irrigation-Pump/

    https://www.karlstorz.com/de/de/highlights-gi.htm

    http://cld.bz/BookData/ITsMQLt/basic-html/index.html-50

    http://www.pauldrach-medical.de/faq/co-2-insufflationsgeraet.php

    http://www.linde-healthcare.de/de/index.html

    http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-022l_S2k_Qualitaetsanforderungen_gastrointestinale_Endoskopie_2015-07.pdf



    Über die Autoren

    Prof. Jürgen Hochberger, Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie am Vivantes Klinikum Friedrichshain, einem Haus der Maximalversorgung im Zentrum Berlins und Lehrkrankenhaus der Charité.

    Dr. Andreas Schröder ist niedergelassener Gastroenterologe und Partner in der Praxis Schonack und Schröder, Berlin. Er ist u. a. Vorsitzender des Vereins gastroenterologisch tätiger, fachärztlicher Internisten und im Vorstand des Bundes der Niedergelassenen Gastroenterologen (BNG) in Berlin.

    Dr. Volker Meves ist Assistenz-Arzt am Vivantes Klinikum Friedrichshain, Berlin.


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    Prof. Dr. Jürgen Hochberger
    Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie, Vivantes-Klinikum Friedrichshain
    Landsberger Allee 49
    10249 Berlin


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    Abb. 1 Kompakte CO2-Insufflatoren für den Betrieb mit CO2-Wandanschluss oder Druck-Gasflaschen-Versorgung (a GW100, Fa. FUJI Europe, Düsseldorf. b UCR, Fa. Olympus Optical, Hamburg).