Aktuelle Dermatologie 2017; 43(01/02): 15
DOI: 10.1055/s-0042-119781
Derma-Fokus
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Hautkrebs: Neuer Mechanismus hinter der Wirkung von Imiquimod entschlüsselt

Groß C, Mishra R, Schneider K. et al.
K+ Efflux-Independent NLRP3 Inflammasome Activation by Small Molecules Targeting Mitochondria.

Immunity 2016;
45: 761-773
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Februar 2017 (online)

 

    Imiquimod ist ein Medikament, das erfolgreich bei Hauterkrankungen angewandt wird. Neben dem bereits bekannten Wirkungsmechanismus werden durch Imiquimod weitere Prozesse im Körper ausgelöst. Die molekularen Grundlagen dieser zusätzlichen Effekte konnten jetzt durch ein Team der Technischen Universität München (TUM) aufklärt werden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Immunity“.


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    PD Dr. Olaf Groß, Gruppenleiter am Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie der TUM, und sein Team haben mit Imiquimod ein Medikament unter die Lupe genommen, mit dem seit 1997 erfolgreich virale Infektionen der Haut und bestimmte Formen von Hautkrebs behandelt werden.

    Als sog. Immunmodulator löst Imiquimod eine Immunreaktion aus, die dazu führt, dass das körpereigene Abwehrsystem die veränderten Zellen bekämpft. Dieser Prozess war lange der einzige bekannte Wirkungsmechanismus des Medikaments. Mittlerweile ist aber erwiesen, dass es weitere Prozesse im Körper startet: Zum einen beeinflusst der Wirkstoff direkt das Wachstum von Krebszellen. Zum anderen aktiviert Imiquimod einen Proteinkomplex, der Entzündungsprozesse im Körper steuert und als Inflammasom bezeichnet wird. Das Inflammasom kann sowohl zu diesen Schutzmechanismen der Zellen beitragen, aber auch zerstörerisch wirken, wenn es überreagiert. „Wir nehmen an, dass diese anderen Wirkungsmechanismen von Imiquimod zu den positiven Auswirkungen des Medikaments oder zu seinen Nebenwirkungen beitragen“, sagt Olaf Groß.

    Imiquimod aktiviert das NLRP3-Inflammasom, ein Inflammasom, das auf zellulären Stress und Gewebeschäden reagiert. Olaf Groß und sein Team konnten zeigen, dass NLRP3 aktiviert wird, weil Imiquimod in die Atmungsprozesse der Zellen eingreift. „Durch die Hemmung der Zellatmung wird nicht nur die Produktion von ATP gestoppt, sondern es werden auch Sauerstoffradikale freigesetzt, die besonders schnell mit anderen Stoffen reagieren“, erläutert Dr. Ritu Mishra. „Imiquimod sorgt dafür, dass besonders viele Radikale freigesetzt werden. Anders als bei anderen Substanzen, die in die Atmungskette eingreifen, aber weniger Radikale erzeugen, wird hier eine Schwelle überschritten, die es möglich macht, dass NLRP3 aktiviert wird.“

    „Es herrscht allgemein großes Interesse an der Entwicklung von neuen Medikamenten, die NLRP3 hemmen und damit Entzündungen unterdrücken“, sagt Dr. Christina J. Groß. „Wir hoffen, dass unsere Forschung dazu beiträgt, dass Medikamente entwickelt werden können, die die gefährliche Hyperaktivierung des NLRP3-Inflammasoms verhindern, wie sie bei Erkrankungen wie Gicht oder Multipler Sklerose auftritt.“ Wie sich Imiquimod genau auf Hautkrebszellen auswirkt und ob die Hemmung der Zellatmung hinter dem Mechanismus der Hemmung des Wachstums von Krebszellen durch die Substanz steht, untersuchen Olaf Groß und sein Team in einer laufenden Nachfolgearbeit. Im Anschluss daran wollen sie neue, mit Imiquimod verwandte chemische Substanzen untersuchen, um herauszufinden, wie sich die verschiedenen Effekte des Medikaments entkoppeln lassen.

    Nach einer Mitteilung der Technischen Universität München


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