Aktuelle Dermatologie 2016; 42(12): 518-519
DOI: 10.1055/s-0042-113090
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Familiäre Keratoakanthome vom Typ Ferguson-Smith: Ein Fallbericht mit Nachweis einer bislang nicht beschriebenen Mutation im TGFBR-1-Gen

Multiple Keratoacanthomas Type Ferguson-Smith: A Case Report with Proof of a so Far Unknown Mutation of the TGFBR-1 Gene
C. S. L. Müller
1   Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
,
B. Güvenc
1   Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
,
W. Henn
2   Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
,
A. Christmann
3   Gemeinschaftspraxis für Humangenetik, Homburg/Saar
,
T. Vogt
1   Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
,
C. Pföhler
1   Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Claudia Pföhler
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
66421 Homburg/Saar

Publication History

Publication Date:
06 December 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Wir berichten über eine 57-jährige Patienten mit innerhalb der letzten vier Jahre achtmalig aufgetretenen Keratoakanthomen. Diese entstanden an chronisch UV-exponierten Stellen; die Patientin selbst sah einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Keratoakanthome und einer immunsuppressiven Therapie mit Leflunomid aufgrund einer rheumatoiden Arthritis. Durch humangenetische Diagnostik konnte bei der Patientin eine bislang nicht bekannte Mutation im TGFBR-1-Gen nachgewiesen werden, die für das gehäufte Auftreten der Keratoakanthome ursächlich erscheint. Die immunsuppressive Therapie mit Leflunomid hat das Auftreten der Keratoakanthome zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit begünstigt.


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Abstract

We report the case of a 57-year old woman who had developed eight keratoacanthomas within the last four years. The keratoacanthomas had risen in chronic sunlight-exposed skin areas. The patient supposed that a medication with leflunomide for the treatment of rheumatoid arthritis was responsible for the development of the skin tumours. Human genetic examination could prove a so far unknown mutation of the TGFBR-1 gene that seemed to be causative for the development of keratoakanthomas in this case.


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Einleitung

Familiäre Keratoakanthome vom Typ Ferguson-Smith (Syn: multiple self-healing squamous epithelioma, MSSE) stellen eine seltene, meist autosomal-dominant vererbte Erkrankung dar. Das TGFBR-1 ist bei der Erkrankung mutiert, bislang konnten verschiedene Mutationen nachgewiesen werden. Wir berichten hier über eine Patientin, bei der eine bislang nicht bekannte Mutation im TGFBR-1-Gen gefunden wurde, die in diesem Fall für die Entstehung multipler Keratoakanthome ursächlich war.


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Kasuistik

Wir berichten über eine 57-jährige Patientin, die sich in unserer dermatologischen Hochschulambulanz vorstellte, da es innerhalb der letzten vier Jahre achtmalig zum Auftreten von Keratoakanthomen gekommen war. Diese waren jeweils chirurgisch entfernt und histologisch gesichert worden ([Abb. 1]). Das erste Keratoakanthom trat 2008 im Alter von 49 Jahren am medialen Oberschenkel auf. Ein gehäuftes Auftreten der Keratoakanthome beobachtete die Patientin besonders in den letzten zweieinhalb Jahren seit der Einleitung einer immunsuppressiven Therapie mit Leflunomid zur Behandlung einer rheumatoiden Arthritis. Alle Keratoakanthome entwickelten sich an chronisch lichtexponierten Arealen (Extremitäten), an welchen die Patientin früher häufiger Sonnenbrände erlitten hatte. In jungen Jahren hatte die Patientin zudem regelmäßig Solarien besucht. Unser Untersuchungsbefund ergab einen unauffälligen Hautbefund bis auf Zeichen der aktinischen Schädigung mit vielen Lentigines solares und vereinzelten Teleangiektasien, v. a. am Dekolleté, den Armen und Beinen. Am linken Oberarm, am rechten Unterschenkel und an beiden Oberschenkeln fanden sich Narben bei Z. n. Exzision der Keratoakanthome. Die 38-jährige Tochter sowie der 33-jährige Sohn der Patientin hatten bislang keine Hautveränderungen oder Keratoakanthome entwickelt. Auch bei den drei Geschwistern der Patientin sind keine Hauttumoren bekannt. Nur bei der Mutter der Patientin war in höherem Lebensalter ein Plattenepithelkarzinom im Gesichtsbereich diagnostiziert worden. Aufgrund des gehäuften Auftretens der Keratoakanthome kam der Verdacht auf eine erbliche Disposition im Rahmen von genetischen Syndromen wie z. B. dem familiären Keratoakanthom vom Typ Ferguson-Smith auf. Es erfolgte eine genetische Beratung und eine weiterführende Diagnostik mit Mutationsanalyse des TGFBR-1-Gens. Im TGFBR-1-Gen fand sich in heterozygoter Form die Variante c.143G > T; p.Cys48Phe. Diese Veränderung ist aus der Literatur zu Keratoakanthomen noch nicht bekannt. Computer-Analysen mit Simulationsprogrammen, welche auf bioinformatischer Ebene eine Abschätzung der funktionellen Bedeutung von Genvarianten erbringen sollen, weisen jedoch in zwei unterschiedlichen eingesetzten Programmen (PolyPhen2, MutationTaster) übereinstimmend auf eine funktionelle Auswirkung auf das Gen und damit auf eine krankheitsursächliche Bedeutung hin.

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Abb. 1 Epidermaler Tumor mit zentraler Kraterbildung, die ortho- und parakeratotisches Hornmaterial enthält. Randständig epidermale Lippenbildung. Die Keratinozyten zeigen deutliche Kernatypien. Fokal intratumorale Abszesse. HE, Originalvergrößerung 20-fach.

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Diskussion

Familiäre Keratoakanthome vom Typ Ferguson-Smith (Syn: multiple self-healing squamous epithelioma, MSSE) stellen eine seltene, meist autosomal-dominant vererbte Erkrankung dar. Fälle von Spontanmutationen sind jedoch auch beschrieben. Die Tumoren treten meist erst im mittleren Erwachsenalter auf und heilen oft spontan unter Narbenbildung ab. Betroffen sind insbesondere lichtexponierte Areale wie Gesicht, Arme und Unterschenkel. Die Anzahl der Keratoakanthome, die im Laufe des Lebens auftreten, kann dabei stark variieren, von vereinzelten bis hin zu über hundert Hauttumoren, als Hinweis für eine variable genetische Expression der Erkrankung. Ursprünglich durch Ferguson-Smith bei elf Familien schottischer Abstammung beschrieben, konnte die Erkrankung inzwischen bei verschiedenen Familien unterschiedlicher geografischer Abstammung nachgewiesen werden. Kopplungsstudien in den 90er-Jahren hatten den Genlocus zunächst einer Region des Chromosoms 9q22 zugeordnet. Bei betroffenen Personen aus 18 verschiedenen Familien mit Keratoakanthomen vom Typ Ferguson-Smith konnten Goudie et al. 2011 das TGFBR-1 als ursächliches Gen (außerhalb des ursprünglich vermuteten Chromosom 9-Haplotyps) identifizieren. Durch Dideoxy-Sequenzierung ließen sich elf verschiedene heterozygote Mutationen im TGFBR-1-Gen nachweisen. Diese Mutationen betrafen entweder die extrazelluläre ligandenbindende Domäne oder die Serin-/Threoninkinase-Domäne des Proteins. Es konnte gezeigt bzw. berechnet werden, dass alle Mutationen in einem Verlust der Rezeptorfunktion resultieren [1]. Das TGFBR-1-Gen kodiert nämlich einen transmembranen Serin-/Threoninkinase-Rezeptor, der den Signalweg durch die Familie von TGF-ß Liganden vermittelt. TGF-ß ist normalerweise ein potenter Inhibitor des Zellwachstums, ein Defekt kann ungehemmtes Zellwachstum zur Folge haben. Im Tumorgewebe wurden somatische Deletionen der verbliebenen normalen Genkopie von TGFBR-1 festgestellt, sodass ein „two-hit“-Mechanismus des Aktivitätsverlustes anzunehmen ist, wie er für autosomal-dominante Tumor-Dispositionssyndrome charakteristisch ist [4]. In diesem Zusammenhang wurden Assoziationen mit erhöhtem Krebsrisiko durch einige Studien postuliert. Allerdings kann eine TGF-ß-Aktivierung auch die Aggressivität von Tumoren fördern [2]. In Anbetracht dieser Erkenntnisse erklären sich Goudie et al. die ungewöhnliche biphasische Klinik der Keratoakanthome, mit Wachstumsphasen gefolgt von Regression bis hin zu spontaner narbiger Heilung. Möglicherweise liegt die duale bzw. auch sequentielle Aktivierung des TGF-ß-Signalwegs diesem Phänomen zugrunde, die sich pro- und antitumorigen auswirken kann [1]. Eine Spontanabheilung wurde bei der hier vorgestellten Patientin nicht beobachtet, allerdings wurden auch alle acht Keratoakanthome rasch nach deren Auftreten vollständig chirurgisch entfernt. Neueren Erkenntnissen zufolge scheint die Ätiologie neben dem TGFBR-1-Gen mit einem zweiten Genlocus auf dem ursprünglich vermuteten, bei den schottischen Familien identifizierten Chromosom 9-Haplotyp gekoppelt zu sein. Somit wird zuletzt eine polyätiologische Multilocus-Genese in der Entstehung der familiären Keratoakanthomen vom Typ Ferguson-Smith angenommen [3]. Im Fall der hier präsentierten Patientin hat mit hoher Wahrscheinlichkeit die immunsuppressive Therapie mit Leflunomid das Auftreten der Keratoakanthome begünstigt. Betroffene Personen und deren Nachkommen müssen engmaschig klinisch kontrolliert werden.

Bei gehäuftem Auftreten von Keratoakanthomen sollte bei gleichzeitigem Vorliegen einer Prurigo oder von prurigoformen Veränderungen an das Vorliegen von Keratoakanthomen vom Typ Witten-Zak gedacht werden, bei dem die prurigoforme Komponente auch führend sein kann [5] [6].


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Claudia Pföhler
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
66421 Homburg/Saar


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Abb. 1 Epidermaler Tumor mit zentraler Kraterbildung, die ortho- und parakeratotisches Hornmaterial enthält. Randständig epidermale Lippenbildung. Die Keratinozyten zeigen deutliche Kernatypien. Fokal intratumorale Abszesse. HE, Originalvergrößerung 20-fach.