Z Orthop Unfall 2016; 154(04): 335
DOI: 10.1055/s-0042-111093
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hallux rigidus – Knorpelimplantat als Alternative zur MTP-I-Arthrodese?

Contributor(s):
Daiwei Yao
Baumhauer JF, Singh D, Glazebrook M et al.
Prospective, Randomized, Multi-centered Clinical Trial Assessing Safety and Efficacy of a Synthetic Cartilage Implant Versus First Metatarsophalangeal Arthrodesis in Advanced Hallux Rigidus.

Foot Ankle Int 2016;
37: 457-469
Further Information

Korrespondenzadresse

Daiwei Yao
Department für Fuß und Sprunggelenkschirurgie
Orthopädie der Medizinischen Hochschule Hannover

Publication History

Publication Date:
30 August 2016 (online)

 

Die MTP-I-Arthrodese stellt den Goldstandard in der Hallux-rigidus-Behandlung dar. Viele Großzehenimplantate und -prothesen wurden entwickelt, um eine gelenkerhaltende Therapie zu ermöglichen, konnten aber aufgrund von Lockerungen und Abrieberscheinungen die Erwartungen nicht erfüllen. In dieser Studie soll die Verwendung eines neuen synthetischen Knorpelimplantates mit der MTP-I-Arthrodese verglichen werden.

Baumhauer JF, Singh D, Glazebrook M et al. Prospective, Randomized, Multi-centered Clinical Trial Assessing Safety and Efficacy of a Synthetic Cartilage Implant Versus First Metatarsophalangeal Arthrodesis in Advanced Hallux Rigidus. Foot Ankle Int 2016; 37: 457–469


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Die Autoren konnten in ihrer randomisierten prospektiven Multicenterstudie (Kanada und Vereinigtes Königreich) zeigen, dass die Verwendung eines synthetischen Knorpelimplantates zu einer deutlichen Schmerzreduktion und guten funktionellen Ergebnissen führt. Die Ergebnisse sind dabei vergleichbar mit einer MTP-I-Arthrodese.

Methodik

Das in der vorliegenden Studie untersuchte Implantat ist ein auf Polymer basierendes Biomaterial, das zu 40 % Polyvinylacetat und 0,9 % Natriumchlorid besteht. Das zylinderartige Implantat mit 8 – 10 mm Durchmesser wird nach Aufbohren der proximalen Gelenkfläche über einen Führungsdraht und Einführungsinstrument ins MFK-I-Köpfchen eingebracht. Initial wurden für die Studie 236 Patienten rekrutiert. Nach Randomisierung im Verhältnis von 2 : 1 sowie Ausstieg von Patienten aus der Studie im Verlauf, wurden 152 Patienten mittels eines synthetischen Implantates und 50 mittels einer MTP-I-Arthrodese versorgt. Ein Therapieerfolg wurde als eine Verbesserung der Schmerzen, Funktionalität und Stabilität definiert. Hierzu wurden unter anderem die VAS-Schmerzskala, Foot and Ankle Ability Measure (FAAM) sowie die Bestimmung der MTP-I-Beweglichkeit präoperativ, 2 und 6 Wochen sowie 3, 6, 12, und 24 Monaten nach Operation untersucht. Die Datenanalyse erfolgte mit der intent-to-treat (ITT) und der modifizierten ITT (mITT) Methode.


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Ergebnisse

Eine deutliche Schmerzreduktion und vergleichbare Verbesserung des FAAM-Scores konnte in beiden Gruppen nach 12 und 24 Monaten verzeichnet werden. Eine Verbesserung der Beweglichkeit im MTP-I-Gelenk von 6,2 ° (27,3 %) wurde nach 24 Monaten in der Implantatgruppe gemessen. Insgesamt wurden in der Implantatgruppe 17 Patienten (11,2 %) revidiert, darunter 14 (9,2 %) Implantatentfernung und Umstellung auf eine Arthrodese. In der Arthrodesegruppe wurde in 7 Fällen (9,2 %) eine Metallentfernung durchgeführt. Insgesamt wurde kein Fall von Implantatbruch, -abrieb oder Osteolyse dokumentiert. Anhand der ITT- bzw. mITT-Analyse hinsichtlich der untersuchten Parameter konnte eine statistische Äquivalenz zwischen beiden Gruppen gezeigt werden.


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Kommentar

Anhand der Level-I-Studie ist sicherlich davon auszugehen, dass die publizierten Daten eine hohe Aussagekraft haben und die vorgestellte Behandlungsmethode eine berechtigte Alternative zu der MTP-I-Arthrodese darstellt und sogar den Vorteil bietet, die Beweglichkeit im MTP-I-Gelenk zu erhalten. Nichtsdestotrotz ist zu beachten, dass es sich um eine asymmetrische Patientenverteilung von 2 : 1 zu Ungunsten der Arthrodesen-Kohorte handelt und im Verlauf noch zusätzlich 23 % der Patienten in der Arthrodesen-Kohorte aus der Studie gefallen sind, was letztlich ein 3 : 1 Verhältnis bedeutet. Dadurch können die Ergebnisse der Implantat-Kohorte eine überproportionale Gewichtung erhalten. Ebenso ist zu erwähnen, dass nur die proximale Gelenkfläche mit einem Knorpelschaden von max. 10 mm Durchmesser durch das Implantat versorgt wird, während die distale Gelenkfläche unberührt bleibt und dadurch eine Arthrose nur zum Teil therapiert werden kann. Außerdem geht aus der Arbeit hervor, dass die Studie bisher nur einen Kontrollzeitraum von 2 Jahren einschließt. Es wäre aber interessant zu wissen, ob ein eventueller Abrieb des synthetischen Implantates über einen längeren Zeitraum stattfindet oder wie sich die Langzeitverträglichkeit des Implantates verhält. Zwar wird eine vergleichbare Prozentanzahl von sekundären Operationen in beiden Versuchsgruppen berichtet, aber in der Arthrodesengruppe sind alle Revisionen Metallentfernungen, während in der anderen Versuchsgruppe 14 von 17 Revisionen eine Umstellung auf eine Arthrodese darstellten, was als ein Versagen des Implantates interpretiert werden kann. Insgesamt stellt die vorgestellte Therapieoption eine vielversprechende Behandlungsmethode des Hallux rigidus dar, solange es sich um einen zentralen proximalen Knorpelverschleiß handelt. Um aber den Goldstandard mittels MTP-I-Arthrodese abzulösen, müssen weitere Langzeitergebnisse abgewartet werden.


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Korrespondenzadresse

Daiwei Yao
Department für Fuß und Sprunggelenkschirurgie
Orthopädie der Medizinischen Hochschule Hannover