Aktuelle Rheumatologie 2016; 41(06): 471-476
DOI: 10.1055/s-0042-108723
Übersichtsarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die operative Korrektur rheumatischer Fußdeformitäten – Tipps und Tricks

Surgical Correction of Rheumatic Foot Deformities – Tips and Tricks
U. Illgner
1   Orthopädische Privatpraxis Seintsch Illgner, Orthopädisch-unfallchirurgische Privatarztpraxis, Rheumaorthopädie, Technische Orthopädie, Koblenz
,
H. Seintsch
1   Orthopädische Privatpraxis Seintsch Illgner, Orthopädisch-unfallchirurgische Privatarztpraxis, Rheumaorthopädie, Technische Orthopädie, Koblenz
,
S. Rehart
2   Markus-Krankenhaus, Akademisches Lehrkrankenhaus der Goethe-Universität, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Frankfurt a. M.
› Institutsangaben
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Korrespondenzadresse

Dr. Ulrich Illgner
Orthopädische Privatpraxis Seintsch Illgner
Orthopädisch-unfallchirurgische Privatarztpraxis
Rheumaorthopädie
Technische Orthopädie
Hohenzollernstraße 64
56068 Koblenz
Telefon: +49/261/988 630   
Fax: +49/261/9886 311   

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. Juli 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Der Fuß ist im Laufe einer chronisch-entzündlichen Erkrankung fast immer und meist von Anfang an mitbetroffen, die entsprechenden Affektionen dürfen nicht übersehen werden. Nach ausgereizter konservativer Behandlung ist eine präzise perioperative Planung inklusive des Umgangs mit der Basistherapie erforderlich, dann profitieren die Patienten auch mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich von operativen Eingriffen. Obwohl gelenkerhaltende Eingriffe immer mehr mit Erfolg durchgeführt werden können, stellen die rheumaspezifischen Operationsverfahren weiterhin den Hauptanteil. Arthroskopien haben einen hohen Stellenwert am oberen Sprunggelenk. Ein endoprothetischer Ersatz kann an OSG und am Metatarsophalangealgelenk nach sorgfältiger Abwägung durchgeführt werden. Es besteht ein erhöhtes perioperatives Risiko, deshalb empfiehlt es sich, rheumatisch-destruierte Füße von speziell für diese Problematik ausgebildeten orthopädischen Rheumatologen versorgen zu lassen.


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Abstract

In most patients with chronic inflammatory diseases, the foot is affected and mostly from the start of the disease. These problems must be recognised. After maximal conservative treatment, thorough peri-operative planning is necessary – including treatment with disease modifying drugs, so that patients profit from the intervention. Even though operations to preserve joints are being increasingly successful, specific operations for rheumatism remain the standard. Arthroscopic interventions are important for the upper ankle joint. After careful consideration, endosprosthetic joint replacement can be performed on the upper ankle or metatarsophalangeal I-joint. Because of the increased peri-operative risks, surgery on the feet of rheumatism patients should be performed by orthopaedic surgeons with specialised training for these tasks.


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Hintergrund

Patienten mit chronisch-entzündlicher Grunderkrankung zeigen im Verlauf ihrer Erkrankung in bis zu 85–100% einen Befall der Fußgelenke [1]. Je nach Art der entzündlichen Systemerkrankung und dem individuellem Verlauf können sowohl Gelenke als auch Sehnen und Bänder, beginnend meist mit einer Synovialitis, gefolgt von zunehmender Schädigung bis hin zur Zerstörung von Sehnen und Gelenken, betroffen sein. Oft liegt ein charakteristisches krankheitsspezifisches Schädigungsmuster vor (z. B. „Strahlbefall“ bei Psoriasisarthritis) [2] [3]. Wenn die Hände „das Aushängeschild“ des „Rheumatikers“ sind, so können seine Füße als dessen „Spiegelbild“ bezeichnet werden. Sie werden in der Praxis oft viel zu wenig beachtet, da die notwendige vollständige Untersuchung mit Ausziehen von Schuhen und Socken aus Zeitmangel immer weniger praktiziert wird und im Disease Activity Score 28 (DAS-28) die Fußgelenke gar nicht integriert werden. Die initiale Synovialitis wird so oft zu spät erkannt und es können Fehlstellungen und Gelenkdestruktionen bis hin zur Gehunfähigkeit und Unmöglichkeit der Schuhversorgung mit hoher Ulkusgefahr entstehen.


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Diagnostik

Entscheidend ist als Erstes, die genaue Diagnose zu sichern, was durchaus nicht immer der Fall ist. So dauert z. B. das Stellen der Diagnose des Morbus Bechterew, der auch einen peripheren Befall am Fuß aufweisen kann, immer noch 5–8 Jahre nach Symptombeginn [4]. Auch rheumatische Erstmanifestationen können sich am Fuß abspielen, sogar ohne Befall anderer Gelenke (insbesondere der Hände). In erster Intention ist es zwingend erforderlich, die Notwendigkeit einer suffizienten Basistherapie zu überprüfen und diese ggf. einzuleiten sowie deren Effekt abzuwarten. Auch starke Beschwerden und Entzündungen können sich hierunter zurückbilden, sodass nach Ausschöpfung der orthopädie- (schuh-) technischen Maßnahmen unter Umständen gar keine Operation mehr erforderlich ist. Andererseits kann eine Basistherapie entweder den Operationserfolg sichern (z. B. bei Weichteileingriffen ein Rezidiv oder weitere Destruktionen verhindern), oder es müssen Basistherapeutika abgesetzt oder sogar aus dem Blutkreislauf entfernt werden, um das Infektionsrisiko perioperativ zu vermindern [5].

Die klinische Untersuchung sollte am bis auf die Unterwäsche entkleideten Patienten, zunächst beim Gehen und im Stand, erfolgen. So können Achsfehlstellungen des gesamten Beines, Pathologien an Knie und Sprunggelenk, pathologische Belastungs- und Abrollvorgänge beim Gehen und ein Verlust der Längswölbung oder ein Spreizfuß bei Belastung im Stand bzw. in der Dynamik beurteilt werden. Danach ist eine klinische Bewegungsprüfung und Palpation des gesamten Fußes samt aller Gelenke sowie die orientierende Untersuchung von Knie und Hüfte vorzunehmen. Die Beschwielung der Fußsohlen zeigt, wie eine „Langzeitpedobarografie“, genau, wo Druck aufgenommen wird oder welche Areale gar nicht lasttragend sind. Oft zeigt sich eine typische Beschwielung unter den Metatarsaleköpfchen II–V. Auch das Schuhwerk mit Außen- und Innensohle sowie -falls vorhanden- die Einlagen sollten inspiziert werden. Hier zeigt sich ebenfalls wo im Alltag be- und entlastet wird. Das Röntgen im Stehen in mindestens 3 Ebenen (dorso-plantar, streng seitlich und OSG a. p.) bleibt weiterhin das Standardverfahren auch zur Verlaufsbeurteilung, selbst wenn MRT und CT zunehmend eingesetzt werden, um akute Entzündungen genauer zu lokalisieren. In zunehmendem Maße kann die Sonografie heute eine MRT ersetzen, wenn es um die Frage einer akuten Synovialitis geht. Vorteile sind dabei die schnelle Verfügbarkeit, die Untersuchung in Bewegung und niedrige Kosten. Prozesse im Knochen können aber nicht dargestellt werden, genau so wenig wie das genaue Ausmaß einer Gelenkdestruktion. Planungen größerer Operationen, insbesondere am Rückfuß mit vielen Überlagerungen im Röntgen, erfordern oft ein Schnittbildverfahren.


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Perioperative Planung

Zu Beginn sind die exakt vorliegende Grunderkrankung und die Präsenz einer akuten Entzündung eindeutig zu klären. Dabei werden immer der gesamte Patient, seine Krankheitsgeschichte und Lebensumstände mit in Betracht gezogen werden: Hat er z. B. auch fortgeschrittene Destruktionen an der oberen Extremität, könnte er eventuell überhaupt gar nicht an Unterarm- oder Achselgehstützen laufen. Sollte er dann zuhause Treppen zu bewältigen haben, könnte ihn dies hilfsbedürftig machen. Diese Umstände sind im Vorfeld zu besprechen und Lösungen anzubieten. Sind noch andere operative Eingriffe (z. B. an Hand, Knie, Hüfte oder anderen Gelenken) versorgungsbedürftig, ist die Reihenfolge und Dringlichkeit festzulegen oder die Entscheidung zu treffen, mehrere Eingriffe in einer Sitzung durchzuführen, vor allem, wenn der Patient anschließend stationär verbleibt. Als Faustregel kann hier gelten, von stammnah zu stammfern zu operieren und mit der unteren Extremität zu beginnen, falls nicht eine besondere Dringlichkeit anderes erzwingt.

Patienten des rheumatischen Formenkreises sind oft jung, deswegen spielt die Beurteilung der zu erwartenden Belastung des Operationsgebietes in Zusammenhang mit dem Beruf eine große Rolle. Ein selbständiger Dachdecker würde tendentiell anders versorgt, als ein 75-jähriger Rentner. Insbesondere die Standzeiten von Endoprothesen (z. B. am oberen Sprunggelenk) und der potentielle Aufwand einer (mehrfachen) Revision oder Wechsel sind mit den Betroffenen im Vorfeld zu besprechen.

Die eingenommene Basistherapie ist zu überprüfen und es ist kritisch zu hinterfragen, ob z. B. im Falle einer noch aktiven Entzündung andere konservative Maßnahmen (Cortisoninjektion an Sehne oder Gelenk, Radiosynoviorthese) schon ausgeschöpft worden sind [6] [7].

Evidenzbasiert gilt aktuell der Konsens, Methotrexat perioperativ bei elektiven Eingriffen auch am Fuß nicht abzusetzen [5]. Leflunomid kann, insbesondere bei Infektionen in der Vorgeschichte, aufgrund des leicht erhöhten Infektionsrisikos mit Cholestyramin ausgewaschen werden. Dies bleibt eine Einzelfallentscheidung, die Autoren waschen Leflunomid bei allen Arthrodesen und endoprothetischen elektiven Eingriffen am Fuß derzeit aus. Ein einfaches Absetzen prä-operativ reicht in diesem Fall nicht aus, da aufgrund der langen Plasmaeiweißbindung und des entero-hepatischen Kreislaufes der Wirkstoff noch über Wochen/Monate im Blutkreislauf verbleibt. Die Biologika sollen nach aktuellen Empfehlungen weiterhin 2 Halbwertszeiten vor Operation abgesetzt und erst nach Abschluss der Wundheilung wieder angesetzt werden. Dies gilt im Allgemeinen sowohl für Weichteil- als auch für Knocheneingriffe.

Bei septischen Eingriffen sollten alle Basistherapeutika bis zur Sanierung des Infektherdes ausgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um gefährliche Situationen, weil gerade unter suffizienter Basistherapie und/oder bei schwerem Krankheitsverlauf die Gefahr einer septischen Streuung als hoch anzusehen ist. Da viele Rheumapatienten mehrere Endoprothesen tragen, ist die Gefahr der Streuung aus einem infektiösen Focus an diese Fremdkörper deutlich erhöht. Ferner kann z. B. auch eine Endokarditis in kurzer Zeit lebensbedrohlich werden. Unter bestimmten Biologika kann eine Immunantwort auf bakterielle Infektionen teilweise völlig fehlen, sodass eine schnelle Aussaat erfolgen kann, sogar ohne Fieber oder Anstieg der Entzündungsmarker im Blut [8].

Akute Gelenkergüsse bei „Rheumatikern“ insbesondere unter Basistherapie sind unverzüglich zu punktieren und bei Verdacht auf Infektion -speziell auch am Fuß- operativ zu explorieren und der Focus zu sanieren. Hier können auch kleinste Eintrittspforten, z. B. plantar an Hautläsionen an Schwielen oder Druckstellen (auch an Zehengelenken) in kürzester Zeit zu Gelenkinfektionen führen.

Einem sehr wichtigen Problem am Fuß wird aus Sicht der Autoren auch heute noch viel zu wenig Augenmerk geschenkt: Der Früherkennung und Diagnostik der Polyneuropathie. Patienten des rheumatischen Formenkreises weisen in 7–9% eine Polyneuropathie auf. Ursachen bestehen entweder in einer Vaskulitis der Vasa vasorum, einem begleitenden Diabetes mellitus, Medikamentenebenwirkungen (z. B. Leflunomid), Alkoholabusus oder anderen. Bei Vorliegen einer Polyneuropathie besteht ein um ein Vielfaches erhöhtes Risiko zur Ulkusbildung, Implantatversagen oder –dislokation und (bereits schon bei mittelstarker Ausprägung) die Unfähigkeit, den Fuß zu entlasten oder auch nur auf einem Bein zu stehen. Es können das Vibrationsempfinden mit einer Stimmgabel, die Oberflächensensiblität mittels Semmes-Weinstein-Monofilament und der Achillessehnenreflex leicht bestimmt werden ([Abb. 1a] u. b). Anamnestische Angaben zu nächtlichen neuropathischen Schmerzen oder dem typischen „burning feet“ lassen in wenigen Minuten und ohne großen Kostenaufwand mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Polyneuropathie bestimmen oder ausschließen.

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Abb. 1 Testung von Vibrationsempfinden und Oberflächensensibilität mittels Semmes-Weinstein-Monofilament und Stimmgabel.

Schon bei Verdacht auf eine Polyneuropathie muss noch stringenter geprüft werden, ob eine Operation überhaupt den gewünschten Nutzen bringen kann und nicht eine ohnehin dauerhaft erforderliche, aufwendigere Versorgung mit „neuropathie-adaptierten“ (analog des feststehenden Begriffes der „diabetes-adaptierten“) Weichbettungen und Schutzschuhen ausreichend ist. Grear et al. beschrieben 2013 den Charcotfuß beim „Rheumatiker“ 2013 [9]. Da hier leider bisher kaum Untersuchungen und auch Leitlinien bestehen, empfehlen die Autoren, die anatomische Klassifikation nach Sanders, die Stadieneinteilung nach Eichenholtz und die konservative S1-Versorgungsleitlinie des Diabetes melllitus zu übertragen bis rheumaspezifische Vorgaben erarbeitet sind [10] [11]. Nach der Erfahrung der Autoren sind nicht nur der klinische Verlauf, die leider deutliche Erhöhung der Komplikationen aber auch der Erfolg der konservativen Versorgung vergleichbar. Operationsindikationen insgesamt sind dann zurückhaltend zu stellen, dabei zeigen interne Fixierungen ein deutlich erhöhtes Risiko für Materialbruch und Dislokation sowie Pseudarthrosenbildung und sind dann ideale Nährböden für Infektionen. Wenn unter diesen Umständen Operationen vorgenommen werden müssen, sollte das Fremdmaterial möglichst vollständig entfernt werden, der Fixateur externe bietet dann viele Vorteile [10].

Eine langjährige Kortisontherapie kann die Haut stark schädigen und vulnerabel machen, deswegen ist äußerste Sorgfalt schon bei der Lagerung der Patienten geboten, auf Klebetücher sollte ganz verzichtet werden. Die Haut sollte bei der Naht nicht mit einer Pinzette angefasst und auf keinen Fall gequetscht werden, um Hautnekrosen unter allen Umständen zu vermeiden.


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Operative Therapie

Unterschieden werden muss grundsätzlich zwischen Weichteil- oder Knochen- und Gelenkeingriffen. Ursache für die Zerstörungen ist eine chronische Entzündung mit Synovialitis, die entweder Sehnen oder Knorpel und Gelenke schädigt und so zu Instabilitäten und/oder Gelenkdestruktionen führt. Für die am besten geeignete Therapie ist zwischen akuten Entzündungen, chronischen oder schon abgelaufenen Entzündungen (mit sekundären Destruktionen) zu differenzieren. In den Frühstadien einer aktiven Entzündung kann mit einer Synovialektomie – nach Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen – ein Schaden an Gelenk oder Sehne verhindert und die betroffenen Strukturen erhalten werden. Ist bereits eine fortgeschrittene sekundäre Destruktion eingetreten, bleiben oft nur Resektionsarthroplastiken, Arthrodesen oder der endoprothetische Ersatz. Bei sorgfältiger Indikation ist ein sehr guter Nutzen von operativen Eingriffen an rheumatischen Füßen belegt [12].

Es gibt viele „rheumaspezifische“ Operationsverfahren, insbesondere am Vorfuß (z. B. Resektionsarthroplastik der Metatarsophalangealgelenke nach Hoffmann, [Abb. 2]). Krallenzehen können, wenn sie redressierbar sind, temporär mittels Kirschnerdrähten fixiert oder bei kontrakten PIP-Gelenken auch arthrodesiert werden.

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Abb. 2 Destruktion aller Metatarsophalangealgelenke mit großer Zystenbildung in Metatarsale-I-Köpfchen. Resektionsarthroplastik nach Hoffmann an Metatarsale II-V in Kombination mit Arthrodese des Metatarsophalangealgelenkes I mittels Zuggurtung und Auffüllung der Zyste mit dem aus den Köpfchen gewonnen Knochen ohne zusätzliche Eröffnung des Beckenkammes.

Ist die Gelenkfläche am Metatarsophalangealgelenk I noch gut erhalten, kann (je nach intermetatarsalem Winkel) z. B. eine distale Chevron-Osteotomie oder eine proximale Anschwenkosteotomie durchgeführt werden. Aufgrund der meist ausgeprägten Osteoporose ist sorgfältig zu planen und mit dem Patienten unter Umständen über alternative Verfahren zu sprechen. Grundsätzlich ist beim „Rheumatiker“ eine umfangreichere Planung prä- und postoperativ erforderlich, dabei sind ggf. immer eine gründliche Synovialektomie (auch der angrenzenden Gewebe und ggf. Gelenke) angezeigt, um den Erfolg zu sichern.

In den letzten Jahren zeigt sich ein eindeutiger Trend zu mehr gelenkerhaltenden Operationen gerade am Vorfuß. Viele Operationsverfahren werden aus der „Arthrosechirurgie“ auf den „Rheumatiker“ übertragen (z. B. Verkürzungsosteotomie nach Weil, [Abb. 3]).

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Abb. 3 Kombination von Arthrodese des MTP I Gelenkes mit gelenkerhaltender Verkürzungsosteotomie nach Weil an den Metatarsaleköpfchen II und III.

Immer sollte dabei eine Einzelfallentscheidung erfolgen. Zu beachten sind -neben dem intraoperativen Knorpelstatus- das Ausmaß der Synovialitis, die Basistherapie und die Vorgeschichte des Patienten. Kommt ein Gelenkerhalt in Betracht, empfiehlt es sich, auf gelenkerhaltende und resezierende Verfahren präoperativ aufzuklären, da auch bei sorgfältiger Operationsplanung und Bildgebung der intraoperative Situs und dabei die Knochenqualität, Überraschungen bieten kann. Auch wenn es sinnvoll erscheint, und immer mehr von den Patienten auch eingefordert wird, ist ein Gelenkerhalt nicht immer mittel- und langfristig zu erreichen und damit zu befürworten. Vorab muss auch für jedes zu operierende Gelenk geklärt werden, ob überhaupt eine Entzündung aktuell vorliegt oder jemals vorgelegen hat: Ein „Rheumatiker“ hat nicht automatisch an jedem schmerzenden Gelenk auch eine Entzündung. Eine rheumatische Erkrankung schützt nicht vor einer sekundären Destruktion. Alte Traumata in der Vorgeschichte als Grund der Problematik müssen eruiert werden.


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Arthroskopie

Die Arthroskopie des oberen Sprunggelenkes hat seit Jahren ihren festen Platz in der Rheumaorthopädie, um z. B. eine Synovialektomie durchzuführen. Eingeschränkt wird diese Methode aus Sicht der Autoren dadurch, dass die oft begleitende Synovialitis der Sehnen (meist Tibialis anterior oder posterior) durch eine alleinige Arthroskopie nicht mit versorgt werden kann und großes Teile des oberen Sprunggelenkes arthroskopisch nicht erreicht werden können. Hier ist in der Vorbereitung eine genaue Planung und Bildgebung vorzugsweise durch MRT notwendig.


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Endoprothetik

Am Fuß können das obere Sprunggelenk und auch das Metatarsophalangealgelenk der Großzehe endoprothetisch ersetzt werden. Am MTP-I-Gelenk haben sich die Endoprothesen nicht dauerhaft bewährt, aber Silikonspacer können zum Erhalt der Gelenkbeweglichkeit eingesetzt werden. Alternativ kann hier eine Versteifung -oft in Kombination mit einer Resektionsarthroplastik der angrenzenden Metatarsophalangealgelenke- in Betracht gezogen werden. In die Entscheidung müssen neben dem Wunsch und Anspruch des Patienten auch die Knochenqualität, Basistherapie und Infektionsrisiko und die zu erwartende Belastung und „Standzeit“ eines Spacers gegen die dauerhafte und belastungsstabile Arthrodese abgewogen werden ([Abb. 2a, b]).

Diese Füße lassen sich ab einem gewissen Grad der Deformierung kaum noch schuhtechnisch versorgen und führen zu typischen Schwielen und Druckstellen plantar und an MTP-I und MTP V sowie den PIP-Gelenken, was nicht nur zu starken Beschwerden und Leidensdruck führt, sondern auch eine Eintrittsstelle für Infektionen darstellen kann. Sind die Gelenkflächen noch gut erhalten, kann ein Gelenkerhalt der Metatarsophalangealgelenke (z. B. durch eine Verkürzungsosteotomie nach Weil) durchgeführt werden. Bei Osteoporose ist zu prüfen, ob die vorgesehenen Implantate ausreichend verankert werden können. Hier können moderne Schraubensysteme, die speziell für den Fuß entwickelt worden sind, hilfreich sein. Trotzdem muss mit einer deutlich verlängerten Wund- und Knochenheilung gerechnet und dies mit dem Patienten besprochen werden. Es empfiehlt sich, das Nahtmaterial länger als üblich (14–16 Tage seitlich und dorsal sowie bis zu 18 Tagen plantar zu belassen).

Oft kann in der Vorfußchirurgie über z. B. spezielle individuell-gefertigte Gipsschuhe („Geishagipsschuh“) im Vorfußentastungsschuh eine primäre Belastbarkeit schon wenige Tage post-operativ erreicht werden. Die ist insbesondere bei Patienten mit schweren Befall der oberen Extremität manchmal erforderlich, wenn bei Destruktion von Händen und/oder Ellenbogen oder Schultern das Gehen an Gehstützen nicht möglich ist.

Bei den vielfach bestehenden schweren Destruktionen am unteren und oberen Sprunggelenk sind Arthrodesen der betroffenen Abschnitte auch als Doublearthrodese oder Triplearthrodese bis hin zur pantalaren Arthrodese erforderlich ([Abb. 4]). Es handelt sich hierbei um mittlere bis größere Eingriffe für den Fuß, bei Einbeziehung des oberen Sprunggelenkes sind oft Ruhigstellungen von bis zu 12 Wochen (6 Wochen Liege- und anschließend 6 Wochen Gehgips) erforderlich. Danach muss der Fuß meist nochmals für mehrere Monate im Schuh mit bimalleolärer Kappe und Sohlenverteifung geschützt werden. Diese aufwendige Nachbehandlung und die Risiken von Pseudarthrose, Materialbruch und Infektion müssen ebenfalls mit dem Patienten eingehend besprochen werden.

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Abb. 4 Typisches klinisches Bild eines rheumatischen Vorfußes mit ausgeprägter Spreizfußkomponente, Krallenzehenbildung, Verlust des Längsgewölbes und Rückfußvalgus sowie ausgeprägter Clavus in PIP DV.

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Komplikationen

Insbesondere Infektionen mit den nachfolgenden Konsequenzen bis hin zu mehrfachen Revision oder sogar Amputation stellen wichtige Komplikation bei den häufig aufwendigen und langen Operationen dar. Hier spielt die Vorgeschichte der Patienten, die Basistherapie, Compliance und Aktivität der Entzündung eine wichtige Rolle. Aber auch das Risiko für Implantatversagen, -bruch und Dislokation ist wegen der oft vorhandenen Osteoporose deutlich erhöht. Die Haut ist bei vielen Patienten sehr vulnerabel und muss mit äußerster Vorsicht behandelt werden. Insgesamt muss immer bedacht werden, dass viele Patienten schwerwiegende Komorbiditäten, so z. B. kardiovaskulär, aufweisen. Gerade vor der möglichen Planung ambulanter Eingriffe müssen „Rheumatiker“ sehr gut untersucht werden, kurzen stationären Aufenthalten bei vermeintlich „kleinen“ Eingriffen am Fuß sollte hier der Vorrang gegeben werden. Ein Befall der Halswirbelsäule insbesondere mit C0/C1-Instabilitäten wird (auch in der eigenen Praxis) oft beobachtet und vielfach nicht ausreichend diagnostiziert. Bei Beschwerden in der Vorgeschichte sollte die Indikation zu Funktionsaufnahmen und bei vorhandenen Pathologien vor Intubationen auch MRT-Untersuchungen großzügig gestellt warden ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Destruktion und Zusammenbrechen des unteren Sprunggelenkes und Versorgung mittels Schraubenarthrodese des Subtalar- und Talonaviculargelenkes.

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Schlussfolgerungen

Der Fuß ist im Laufe der Erkrankung fast immer mitbetroffen bei rheumatischen Erkrankungen und darf nicht übersehen werden. Es ist eine präzise perioperative Planung inklusive Umgang mit der Basistherapie erforderlich, dann profitieren die Patienten meist deutlich von operativen Eingriffen. Obwohl gelenkerhaltende Eingriffe immer mehr mit Erfolg durchgeführt werden können, stellen die rheumaspezifischen Operationsverfahren weiterhin den Hauptanteil. Aufgrund des erhöhten perioperativen Risikos sollten rheumatische Füße von speziell auf diese Problematik ausgebildeten orthopädischen Rheumatologen versorgt werden.


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Interessenkonflikt:

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Ulrich Illgner
Orthopädische Privatpraxis Seintsch Illgner
Orthopädisch-unfallchirurgische Privatarztpraxis
Rheumaorthopädie
Technische Orthopädie
Hohenzollernstraße 64
56068 Koblenz
Telefon: +49/261/988 630   
Fax: +49/261/9886 311   


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Abb. 1 Testung von Vibrationsempfinden und Oberflächensensibilität mittels Semmes-Weinstein-Monofilament und Stimmgabel.
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Abb. 2 Destruktion aller Metatarsophalangealgelenke mit großer Zystenbildung in Metatarsale-I-Köpfchen. Resektionsarthroplastik nach Hoffmann an Metatarsale II-V in Kombination mit Arthrodese des Metatarsophalangealgelenkes I mittels Zuggurtung und Auffüllung der Zyste mit dem aus den Köpfchen gewonnen Knochen ohne zusätzliche Eröffnung des Beckenkammes.
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Abb. 3 Kombination von Arthrodese des MTP I Gelenkes mit gelenkerhaltender Verkürzungsosteotomie nach Weil an den Metatarsaleköpfchen II und III.
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Abb. 4 Typisches klinisches Bild eines rheumatischen Vorfußes mit ausgeprägter Spreizfußkomponente, Krallenzehenbildung, Verlust des Längsgewölbes und Rückfußvalgus sowie ausgeprägter Clavus in PIP DV.
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Abb. 5 Destruktion und Zusammenbrechen des unteren Sprunggelenkes und Versorgung mittels Schraubenarthrodese des Subtalar- und Talonaviculargelenkes.