Erlaubte Tätigkeiten der Hebamme
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In § 4 HebG ist in Absatz 1 geregelt, dass zur Leistung von Geburtshilfe –
abgesehen von Notfällen – außer Ärztinnen und Ärzten nur Personen mit einer
Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Hebamme“ oder
„Entbindungspfleger“ berechtigt sind.
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In § 4 Absatz 2 HebG ist der Begriff der „Geburtshilfe“ definiert: „Geburtshilfe
im Sinn des Absatz 1 umfasst Überwachung des Geburtsvorgangs von Beginn der
Wehen an, Hilfe bei der Geburt und Überwachung des Wochenbettverlaufs.“ Da in
dieser Definition der gesamte Bereich der Schwangerenvorsorge nicht genannt
ist, ist auf § 5 HebG zu verweisen, der als Ausbildungsziel insbesondere auch
nennt, dass „die Ausbildung dazu befähigen soll, Frauen auch während der
Schwangerschaft (…) Rat zu erteilen und die notwendige Fürsorge zu gewähren“.
Im Unterschied zur Definition der Geburtshilfe in § 4 Absatz 2 HebG findet
sich daher in § 5 HebG auch die Versorgung der Frau während der
Schwangerschaft als Ausbildungsziel. Damit gehört auch die Vorsorge zu den für
die Hebamme erlaubten Tätigkeiten.
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Weitere Kompetenzen der Hebamme ergeben sich aus den Landesberufsordnungen (dort
abhängig vom Bundesland jeweils in § 1 oder § 2), den nahezu gleichlautenden
EU-Vorschriften, den relativ neuen Vorschriften der §§ 24a ff. SGB V und der
Leistungsbeschreibung und dem Vergütungsverzeichnis zum Vertrag über
Hebammenhilfe nach § 134a SGB V.
Hinzuziehungspflicht des Arztes
Hinzuziehungspflicht des Arztes
Für Ärztinnen und Ärzte gilt nach § 4 HebG, dass sie (immer) „verpflichtet sind, dafür Sorge zu
tragen, dass bei einer Entbindung eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger zugezogen wird“. Um
diese Hinzuziehungspflicht zu erfüllen, ist ein ernsthaftes Bemühen des Arztes verpflichtend.
Dies gilt im Übrigen auch für die Hinzuziehung einer Hebamme bei einer Sectio.
Aus § 4 HebG lässt sich daher auch die Abgrenzung der Tätigkeit einer Hebamme zur ärztlichen
Tätigkeit entnehmen. Die Hebamme darf regelgerechte Geburten vollständig selbst durchführen. Das
Behandeln regelwidriger Vorgänge ist Ärzten vorbehalten. Deshalb haben Hebammen auch auf
Regelwidrigkeiten und Risikofaktoren zu achten und bei deren Auftreten die Hinzuziehung eines
Arztes oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen. Beim Eintritt ernsthafter
Komplikationen muss die Hebamme den zuständigen Arzt unterrichten. Wird die Hinzuziehung eines
Arztes von Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerinnen gewünscht, muss auch diesem Wunsch
entsprochen werden.
Verhältnis zwischen Hebamme und Arzt
Verhältnis zwischen Hebamme und Arzt
Diese Grundsätze haben dann auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Hebamme und Arzt, bei
Beleghebammen bzw. angestellten Hebammen auch zum Krankenhausträger.
Haftung des Krankenhauses
Eine Haftung des Krankenhauses besteht insbesondere dann, wenn den Verantwortlichen ein
Organisationsverschulden nachgewiesen werden kann.
Steht z. B. für die Überwachung eines CTG nur eine Krankenschwester zur Verfügung, so
haftet das Krankenhaus für ein solches Organisationsverschulden. Das Krankenhaus muss
darüber hinaus dafür sorgen, dass ein Belegarzt das Krankenpflegepersonal (nur) mit
Aufgaben betraut, die dessen Kompetenz nicht überschreiten (Urteil des BGH vom
16.04.1996). Sollte eine Hebamme nicht hinreichend mit dem CTG vertraut sein, haftet ein
Belegarzt, der die Leitung der Geburt übernommen hat, auch für Fehler der Hebamme (Urteil
des OLG Zelle vom 28.07.1997). In diesem Zusammenhang muss die Hebamme bei einem hoch
pathologischen CTG einen Arzt nicht nur benachrichtigen, sondern sein Kommen auch als
„dringlichst“ darstellen (Urteil des LG Darmstadt vom 21.04.1994).
Sollte ein Arzt die telefonische Anweisung erteilen, wehenfördernde Mittel
einzusetzen, ohne dass die Überwachung durch ein CTG möglich ist, liegt nach der
Rechtsprechung ein „grober Behandlungsfehler“ vor (so auch in § 630 h Absatz 5 BGB). In
diesem Zusammenhang muss auch die Hebamme stets wissen, dass ein solches Vorgehen gegen
die Regeln ärztlicher Kunst verstößt. Macht sie dem Arzt keinen entsprechenden Vorhalt,
ist sie für den eingetretenen Schaden mitverantwortlich (Urteil des OLG Frankfurt vom
06.04.1990).
In diesen Fällen der Mithaftung bedeutet dies für die Hebamme, dass sie als
Gesamtschuldnerin nach § 426 BGB die Haftung mit übernimmt. Das Wesen der
Gesamtschuld liegt insbesondere darin, dass die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander
zu gleichen Anteilen verpflichtet sind. Kann von einem der Gesamtschuldner der auf ihn
entfallende (Teil-)Beitrag nicht erlangt werden, so ist dessen Anteil von den übrigen
Schuldnern zu tragen (§ 426 Abs. 1 BGB). In der Praxis bedeutet dies, dass die geschädigte
Frau sich bemühen wird, möglichst viele Verantwortliche in Anspruch zu nehmen, um eine
größtmögliche Sicherheit zu erlangen, mindestens einen leistungsfähigen Schuldner
verklagen zu können. Infrage kommen hier das Krankenhaus, sämtliche Ärzte in der
Hierarchie des Krankenhauses sowie sämtliche im Kreißsaal anwesenden Hebammen bis hin zur
Hebammenschülerin. Sollte der schlimmste Fall eintreten, dass alle anderen
Verantwortlichen nicht leistungsfähig sind, könnte die Geschädigte letztendlich auch die
Hebamme alleine für die Gesamtsumme in Anspruch nehmen. Die Hebamme hätte dann (nur noch)
die Möglichkeit, die auf die anderen Beteiligten entfallenden Anteile bei diesen im
Innenverhältnis geltend zu machen. Nach außen haftet nach § 426 BGB jeder Gesamtschuldner
allerdings nur einmal auf die gesamte Summe, die insgesamt auch nur einmal verlangt werden
kann (d.h. nicht von jedem der Beteiligten jeweils einzeln).
Verhältnis zwischen Hebamme und Arzt
Nach der Übernahme der Geburt durch den Arzt ist die Hebamme ausschließlich dessen
Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB). Dies gilt auch im Verhältnis zwischen dem
Belegarzt und der im Krankenhaus angestellten Hebamme. Die Hebamme unterliegt dann
dem Weisungs- und Direktionsrecht des Belegarztes (Urteil des OLG Karlsruhe vom
13.10.2004). Das Krankenhaus haftet dann nicht, wenn die Hebamme nur Erfüllungsgehilfin
des Belegarztes ist, da das Krankenhaus die Leistungen von Belegarzt und Beleghebamme
nicht schuldet (Urteil des OLG Koblenz vom 26.07.2000 und des BGH vom 07.12.2004). Der BGH
hat in einem Urteil vom 14.02.1995 klargestellt, dass der Belegarzt auch für Fehler der
freiberuflich tätigen Hebamme verantwortlich ist, die die Geburt bei zeitweiliger
Abwesenheit des Arztes überwacht. Der Krankenhausträger haftet nur für die Fehler der bei
ihm angestellten Hebammen, die dem Belegarzt nicht zugerechnet werden können
(Urteil des BGH vom 16.05.2000 und des OLG Karlsruhe vom 16.05.2001).
Auch ein Arzt, der anstelle des eine Geburt betreuenden Belegarztes absprachegemäß die Geburt
weiterleitet, ist als Vertreter des Belegarztes dessen Erfüllungs- und
Verrichtungsgehilfe, auch wenn er selbst Belegarzt des Krankenhauses ist. Die Hebamme kann
auch nach der Übernahme der Geburtsleitung durch diesen Arzt wiederum Erfüllungs- und
Verrichtungsgehilfin des (zweiten) Belegarztes sein (Urteil des OLG Stuttgart vom
19.09.2000).
Weitere Besonderheiten können sich im Rahmen der Rufbereitschaft ergeben. Für Fehler
einer Hebamme muss dann der in Rufbereitschaft wartende Belegarzt erst ab dem Zeitpunkt
einstehen, in welchem die Leitung der Geburt seine eigene Vertragsaufgabe geworden
ist.
Remonstrationspflicht
Arbeitet eine erfahrene Hebamme mit einer unerfahrenen Ärztin zusammen, ist die
Hebamme für die Fehlentscheidungen der Ärztin dann mitverantwortlich, wenn sie die Ärztin auf
die Fehler nicht aufmerksam gemacht hat (Urteil des AG Demmin vom 23.07.1998).
Die unerfahrene Ärztin ihrerseits haftet für Fehler der Hebamme nur dann, wenn für sie Fehler der
Hebamme erkennbar werden und sie dann keine Hilfe eines Facharztes hinzuzieht (Urteil des OLG
Stuttgart vom 08.07.2003).
Allerdings ist eine Hebamme für Versäumnisse in der Endphase der Entbindung dann nicht
verantwortlich, wenn ein ärztlicher Geburtshelfer anwesend ist und die Verantwortung für die
Entscheidungen trägt (Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.11.1999).
Pflichten der Hebamme
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Die Hebamme ist bei einer regelgerechten Geburt dem Arzt gleichgestellt.
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Dies ist nicht mehr der Fall, wenn der Arzt die (pathologische) Geburt leitet und
die Hebamme (nur noch) seine Gehilfin ist.
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Diese Hierarchie endet jedoch, sobald die Hebamme aufgrund ihrer eigenen
geburtshilflichen Ausbildung erkennen muss, dass das Vorgehen des Arztes
vollkommen regelwidrig und unverständlich ist (OLG Düsseldorf, a. a. O., Rdnr.
96).
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Die Hebamme muss neben dem Arzt in eigener Verantwortung tätig werden, wenn sie
erkennt, dass das Untätigbleiben des Arztes über einen längeren Zeitraum gegen
alle elementaren Regeln der Geburtshilfe verstößt (OLG Düsseldorf, a. a. O.,
Rdnr. 107, 108). Dies kann der Fall sein, wenn der Arzt unsicher und/oder
unschlüssig ist, der Arzt nur halbherzige Hinweise gibt oder durch den Arzt
eine falsche Behandlung angeordnet wird. In diesen Fällen darf sich die
Hebamme nicht mehr auf gutes Zureden beschränken. Es wird eine laute und
drastische Intervention bis hin zum Eklat erwartet.
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Die Hebamme sollte sich in den Fällen einer Remonstration zunächst intern, d.h.
nur gegenüber dem Arzt beschweren. Liegt ein eiliger Notfall vor, muss extern
remonstriert werden, d.h. interne Hierarchiestrukturen helfen nicht mehr
weiter und müssen verlassen werden, um z.B. selbst einzugreifen oder externe
Hilfe (Notarzt) hinzuzuziehen.
Offensichtliche Fehlbehandlung
Das ist allerdings dann nicht der Fall, wenn es sich um eine offensichtliche
Fehlbehandlung handelt und eine Remonstrationspflicht der Hebamme besteht.
Die zentrale Entscheidung über eine solche Verpflichtung hat das OLG Düsseldorf am
26.04.2007 (AZ: 8 U 37/05; Hebammenforum 12/2007, S. 1002) getroffen. In diesem Urteil
wurde entschieden, dass eine Hebamme zwar von dem Moment an, in dem der Arzt bei der
Geburt hinzutritt, dessen Gehilfin ist und seinen Anweisungen Folge zu leisten hat. Dies
bedeutet indessen nicht, dass sie sich dem Arzt jederzeit und in jeder Situation völlig
unterordnen muss oder darf. Die Hierarchie endet dann, wenn die Hebamme aufgrund ihrer
eigenen geburtshilflichen Ausbildung erkennen muss, dass das Vorgehen des Arztes
vollkommen regelwidrig und unverständlich ist. In diesem Fall darf die Hebamme nicht alles
mitmachen oder zulassen, was der Arzt anordnet oder auch unterlässt. Sie muss „erkennen,
dass das Untätigbleiben eines Arztes über einen längeren Zeitraum angesichts einer
Notsituation des Kindes gegen alle elementaren Regeln der Geburtshilfe verstößt. Sie hat
in einem solchen Fall den Arzt vehement und mit allem Nachdruck aufzufordern, die
Entbindung des Kindes zu beschleunigen oder – falls der Arzt weiter untätig bleibt –
selbst die Geburt (...) voranzutreiben“ (Hebammenforum 2007, 1002). „Die Hebamme darf sich
bei für sie erkennbaren groben Versäumnissen des Arztes nicht hinter dessen Autorität
zurückziehen und ebenfalls untätig bleiben. Sie ist wie der Arzt der Geburtshilfe
verpflichtet und hat als ebenfalls verantwortliche Geburtshelferin alles zum Wohle des
Kindes zu unternehmen. Greift sie in einer Notsituation nicht ein, verletzt sie in grober
Weise ihre Berufspflichten.“
Ein bloßer Hinweis an den Arzt reicht je nach Schwere des Verstoßes nicht aus.
Im konkreten Fall hatte der Assistenzarzt die Schwangere zwar aufgefordert, die Geburtswanne
zu verlassen, aber nicht den Eindruck vermittelt, als ob es eilig sei. Danach hätte die
Hebamme die Initiative ergreifen müssen. Angesichts der Notsituation im konkreten Fall
hätte sie die Schwangere notfalls lautstark und vehement veranlassen müssen, die Wanne zu
verlassen. Die Verteidigung der Hebamme, die Schwangere habe sich geweigert, die Wanne zu
verlassen, war nicht ausreichend. In einer Notsituation, in der für eine entsprechende
Aufklärung (zum Verhalten der Schwangeren und den sich daraus ergebenden Folgen) keine
Zeit mehr ist, dürfen sich Hebamme und Arzt nicht mehr auf gutes Zureden beschränken. Es
wird eine laute und drastische Intervention bis hin zum Eklat erwartet. All das ist sehr
sorgfältig zu dokumentieren!
Allgemeine Haftungsfragen
Allgemeine Haftungsfragen
Schreitet die Hebamme trotz besseren Fachwissens und praktischer Erfahrungen und trotz Erkennens
eines Fehlverfahrens des Arztes nicht ein, gerät sie in die Gefahr einer Haftung auf
Schadensersatz. Dies kann sich im Rahmen eines Behandlungsvertrags (§§ 630 a ff. BGB) aus
§ 280 BGB ergeben. Jeder Behandlungsfehler bzw. jedes Fehlverhalten im Rahmen des
Behandlungsvertrags stellt eine Pflichtverletzung im Sinn dieser Vorschrift dar.
Es kommt jedoch auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) infrage, wenn die
Hebamme durch ihr Verhalten mindestens fahrlässig den Körper oder die Gesundheit der Frau
widerrechtlich, d. h. ohne deren Einwilligung, verletzt. Dies kann auch durch Unterlassen
geschehen, da die Hebamme aufgrund des Behandlungsvertrags oder der Übernahme einer
tatsächlichen Verantwortung für die Frau eine Garantenpflicht innehat.
Daneben kann auch eine strafrechtliche Haftung, insbesondere wegen Körperverletzung
bestehen. Auch eine Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) kann durch Unterlassen begangen
werden.
Schließlich kann ein solches Verhalten („Schweigen“ im Kreißsaal) auch eine unterlassene
Hilfeleistung darstellen (§ 323 c StGB). Greift die Hebamme bei einem Unglücksfall oder
einer Gefahr für die Frau nicht ein, obwohl dies erforderlich und ihr den Umständen nach
zuzumuten ist, kann sie mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft
werden. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Hebamme in diesen Fällen auch nicht
damit entlasten kann, „lediglich Befehle befolgt zu haben“. Es wird erwartet, dass die Hebamme
sich aufgrund ihres Fachwissens und ihrer praktischen Erfahrung im Rahmen der
Remonstrationspflicht gegen solche fehlerhaften „Befehle“ wehrt und Gegenmaßnahmen ergreift.
Diese können insbesondere in der Verständigung eines anderen Facharztes oder des Notarztes
liegen.
Berufserlaubnis
Zu guter Letzt ist darauf hinzuweisen, dass es sich aus einem solchen regelwidrigen Verhalten der
Hebamme ergeben kann, dass die Hebamme sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich
die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Hebammenberufs ergibt (§ 3 Abs. 2 in Verbindung
mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 HebG). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bleibt der zuständigen Behörde
gar nichts anderes übrig, als der Hebamme die Berufserlaubnis zu widerrufen. Einen
Ermessensspielraum der Behörde sieht das Gesetz nicht vor. Die Verletzung der
Remonstrationspflicht wirkt sich also sogar arbeitsrechtlich aus, da schwerwiegende
Pflichtverletzungen im Kreißsaal auch zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber führen
können.