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DOI: 10.1055/s-0042-107267
Der Stellenwert der bronchoalveolären Lavage bei der Diagnostik der idiopathischen Lungenfibrose – eine Analyse unter Berücksichtigung des Proteingehaltes[*]
The Role of Bronchoalveolar Lavage in the Diagnosis of Idiopathic Pulmonary Fibrosis: An Investigation of the Relevance of the Protein ContentKorrespondenzadresse
Publication History
eingereicht 11 March 2016
akzeptiert nach Revision 26 March 2016
Publication Date:
24 May 2016 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Methoden
- Statistik
- Resultat
- Diskussion
- Schlussfolgerung
- Einschränkungen
- Literatur
Zusammenfassung
Obwohl die bronchoalveoläre Lavage (BAL) bei der Diagnostik interstitieller Lungenkrankheiten (ILK) häufig zum Einsatz kommt, ist ihr Stellenwert insbesondere bei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) wissenschaftlich umstritten. Berücksichtigt werden in der klinischen Routine die Zellverteilungen in der BAL, nichtzelluläre Merkmale der BAL spielen keine Rolle.
Die vorliegende Arbeit untersucht mit Hilfe mathematischer Datenmodellierung, in welchem Umfang BAL-Merkmale einen Rückschluss auf die zugrundeliegende ILK zulassen und/oder eine IPF ausschließen können. In die Berechnung einbezogen werden zelluläre Befunde der BAL, daneben der Protein- und Albumin-Gehalt der BAL, die Nikotinanamnese (pack years) und die Spirometrie (IVC, FEV1).
Mittels linearer Diskriminanzanalyse und Erstellung von Klassifikationsbäumen wurde die Relevanz der Merkmale von 806 Patienten mit ILK untersucht (183 IPF, 191 kryptogen organisierende Pneumonie, 147 Lungenbeteiligung bei Autoimmunerkrankung, 97 respiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenkrankheit, 118 exogen allergische Alveolitis, 41 lymphozytische interstitielle Pneumonie (LIP), 23 nichtspezifische interstitielle Pneumonie (NSIP), 88 Kontrolle).
Protein zeigte in der Gesamtgruppe eine enge positive Beziehung zu den Lymphozyten. Bei IPF und NSIP ist diese Korrelation nicht vorhanden. Albumin ist in allen Gruppen eng mit dem Protein korreliert.
Die Lymphozyten sind am besten geeignet, die verschiedenen ILK voneinander abzugrenzen. Eine zuverlässige Kalkulation der ILK ist auf dem Boden der untersuchten Faktoren aber nicht möglich, der Klassifikationsfehler betrug zwischen 23,5 % (IPF) und 100 % (LIP, NSIP).
Konstellationen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen eine IPF sprechen, sind eine Lymphozytose > 34 % oder ein Proteingehalt > 347 mg/l. Gleiches gilt für die Konstellation Lymphozyten > 25 % und Protein > 250 mg/l.
Bei ILK können BAL-Befunde die Diagnose eingrenzen, sind aber selten diagnosesichernd. Zum Ausschluss einer IPF kann die BAL aber einen wichtigen Beitrag leisten.
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Abstract
Although bronchoalveolar lavage (BAL) is often used in the diagnosis of interstitial lung diseases (ILDs), its importance in investigating, in particular, idiopathic pulmonary fibrosis (IPF) is controversial. The cell distributions in the BAL are taken into account in the clinical routine, non-cellular characteristics of the BAL play no role.
Using mathematical modeling of data, the present work investigated the extent to which BAL features enable drawing conclusions about the underlying ILK or help exclude IPF. Included in the calculation are cellular findings of the BAL, in addition the protein and albumin content of the BAL, the nicotine history (pack years), and spirometry (FEV1, IVC).
Using linear discriminant analysis and creating classification trees, the relevance of the characteristics of 806 patients with ILK was examined (183 IPF, 191 cryptogenic organizing pneumonia, 147 lung involvement in autoimmune disease, 97 respiratory bronchiolitis interstitial lung disease, 118 extrinsic allergic alveolitis, 41 lymphocytic interstitial pneumonia (LIP), 23 non-specific interstitial pneumonia (NSIP), 88 controls).
There was a close positive relationship between protein levels and lymphocytes in the group as a whole. No such correlations were seen in IPF and NSIP. Albumin was closely correlated with the protein content in all groups.
The lymphocytes are best suited to distinguish between different ILDs. Yet, a reliable calculation of the ILD is not possible on the basis of the investigated factors, the classification error ranged from 23.5 % (IPF) to 100 % (LIP, NSIP).
Constellations that likely (> 99 %) speak against an IPF are lymphocytosis > 34 % or protein content > 347 mg/l. The same applies to the constellation: lymphocytes > 25 % together with protein > 250 mg/l.
In ILD, BAL findings can narrow the diagnosis, but they are seldom diagnostic. BAL can make an important contribution to excluding of IPF.
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Einleitung
Interstitielle Lungenkrankheiten (ILK) sind eine inhomogene Krankheitsgruppe verschiedener, meist seltener Lungenerkrankungen mit unterschiedlicher Prognose und Therapierbarkeit. Aus diesem Grund ist eine möglichst genaue Diagnose erforderlich [1] [2]. Insbesondere ist es wichtig, eine idiopathische Lungenfibrose (IPF) zu erkennen, da sie unter den ILK eine besonders ungünstige Prognose hat und der Erfolg der Therapie von einem möglichst frühen Therapiebeginn abhängt [3].
Neben Anamnese, Klinik, Lungenfunktion, Radiologie und Labor wird im Rahmen der Diagnostik von ILK häufig die Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) eingesetzt. Sie ist bei geringer Invasivität in der Lage, relevante oder sogar diagnosesichernde Befunde zu liefern [4].
Die multidisziplinäre Diskussion im Fibroseboard unter Wertung der klinischen, radiologischen und histologischen Befunde ist der Goldstandard der Diagnostik von ILK [2].
Während der Stellenwert der BAL im Rahmen der Diagnostik vieler ILK, beispielsweise bei granulomatösen Lungenerkrankungen wie Sarkoidose oder exogen-allergischer Alveolitis (EAA), weitgehend akzeptiert ist, ist ihr Einsatz bei der Gruppe der Idiopathischen Interstitiellen Pneumonien (IIP) umstritten [5] [6].
Die vorliegende Arbeit untersucht an Patienten mit ILK einschließlich IIP, ob, und wenn ja, welche Merkmale der BAL eine Aussage hinsichtlich der zugrundeliegenden Krankheit erlauben. Auch soll analysiert werden, ob spezielle Befundkonstellationen zum Ausschluss einer IPF beitragen können.
In der medizinischen Literatur gilt es als akzeptiert, dass eine ausgeprägte Vermehrung der Lymphozyten in der BAL gegen die Diagnose einer IPF spricht und die Frage nach einer anderen Diagnose aufwirft, wobei empirische Raten von 30 % [5] und 40 % [7] mitgeteilt werden.
Einbezogen werden in unsere Analyse zwei Merkmale der BAL, welche in der klinischen Routine keine Beachtung finden, nämlich der Gehalt der BAL an Protein und Albumin.
Prinzipiell gelten azelluläre Bestandteile in der BAL als nicht hilfreich in der klinischen Routinediagnostik von ILK [8]. Vergleichbare Untersuchungen, die den Proteingehalt der BAL an einem größeren Kollektiv von Patienten mit verschiedenen ILK untersuchten, wurden bislang nicht publiziert.
Dagegen spielt in der Grundlagenforschung von Lungenerkrankungen die Proteinzusammensetzung der BAL eine große Rolle. Zu dieser als “Proteomics” bezeichneten Analyse des Proteoms der Lunge existieren zu verschiedenen Erkrankungen zahlreiche Arbeiten, die beispielsweise spezifische Schädigungsmuster oder Aktivitätsparameter untersuchen [9] [10].
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Methoden
Patienten
Die Daten von Patienten mit ILK, die in der Klinik für Pneumologie der St. Vincentius-Kliniken Karlsruhe ambulant oder stationär untersucht werden, werden in einem Fibroseregister fortlaufend und standardisiert erfasst. In die Auswertung wurden
806 Patienten, die zwischen Januar 2004 und Dezember 2014 mit einem Krankheitsbild aus der Gruppe der idiopathischen interstitiellen Pneumonien (IIP), mit Lungenbeteiligung im Rahmen einer Autoimmunerkrankung (KOL) oder mit EAA untersucht wurden, in die Auswertung aufgenommen. Die beiden letztgenannten Krankheitsbilder werden deshalb berücksichtigt, weil sie insbesondere in fortgeschrittenen Stadien radiomorphologisch und histologisch nicht immer zuverlässig von einer IPF abgegrenzt werden können [11]. Von 375 Patienten (47 %) lag eine histologische Diagnose vor ([Tab. 1]).
IPF = idiopathische Lungenfibrose; COP = kryptogene organisierende Pneumonie; KOL = Kollagenose mit Lungenbeteiligung; RBILD = respiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenerkrankung; EAA = exogen-allergische Alveolitis; LIP = lymphozytische interstitielle Pneumonie; NSIP = nichtspezifische interstitielle Pneumonie; KO = Kontrolle.
Ausgewertet wurden epidemiologische Angaben (Alter, Geschlecht), die quantitative Nikotinanamnese (pack years), Spirometrie (IVC, FEV1) und die BAL-Analytik. 88 Patienten, die mit fraglichen interstitiellen Veränderungen im CT des Thorax zum Ausschluss einer interstitiellen Lungenerkrankung untersucht wurden und bei denen Spirometrie, BAL und transbronchiale Lungenbiopsie (TBB) keine pathologischen Befunde zeigten, dienten als Kontrolle. Der Datensatz ist hinsichtlich der BAL-Analytik vollständig. Bei 29 Patienten fehlen die Angaben zur Nikotinanamnese, bei 70 die spirometrischen Daten.
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Bronchoskopie, BAL, TBB
Die Bronchoskopie wurde mit einem flexiblen Video-Bronchoskop (Olympus Optical Co. GmbH, Hamburg) unter pulsoxymetrischer Überwachung und Sauerstoffapplikation über Nasensonde durchgeführt. Nach intravenöser Prämedikation mit 5 – 7,5 mg Midazolam wurde das Bronchoskop unter lokaler Anästhesie mit maximal 20 ml 2 %iger Xylocainlösung inhalativ und über den Instrumentierkanal transoral eingeführt. Zur BAL wurde die Bronchoskopspitze in einem Subsegmentbronchus in wedge-Position gebracht und über einen im Instrumentierkanal liegenden Kunststoffkatheter 100 ml isotonische, sterile, im Wasserbad auf 37 °C erwärmte Kochsalzlösung in Portionen zu 20 ml über eine Einmalspritze aus Kunststoff instilliert und sofort in die Spritze reaspiriert. Die Menge des Rückgewinns wurde festgehalten. Ort der Lavage war bei generalisierten Veränderungen der Mittellappen, sonst der Bronchus des infiltrattragenden Segmentes. Die TBB wurde aus einem nicht lavagierten Bronchus entnommen.
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BAL-Analytik
Nach Entnahme von 5 ml zur mikrobiologischen Analytik wurde die BAL durch Filtration über Gaze von groben Partikeln befreit und in einem sterilen Kunststoffgefäß gepoolt. Die Gesamtzellzahl wurde durchflusszytometrisch bestimmt. Zellpräparate wurden durch Zentrifugation angefertigt. Die prozentuale Verteilung der Zellarten wurde durch mikroskopische Auszählung von 500 Zellen eines nach May-Grünwald-Giemsa gefärbten Präparates ermittelt. Festgehgalten wurde der prozentuale Anteil an Makrophagen, Lymphozyten und Granulozyten. Die Granulozyten entsprechen der Summe der neutrophilen und eosinophilen Granulozyten und der Mastzellen.
Der Proteingehalt der BAL wurde turbidimetrisch gemessen, der Albumingehalt der BAL wurde mit dem immunologischen Trübungstest bestimmt. Die Analysen erfolgten photometrisch mit dem Analysegerät COBAS 6000 (Fa. Roche), es handelt sich hierbei um kommerzielle Testverfahren.
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Statistik
Die Analyse der Daten mit dem Shapiro-Wilk-Test zeigt, dass bei den zellulären BAL-Parametern, dem Albumin- und Proteingehalt der BAL keine Normalverteilung vorliegt, sodass die logarithmierten Werte für die Berechnungen verwendet wurden.
Unterschiede zwischen den Diagnosen wurden mithilfe des Kruskal-Wallis-Tests untersucht, bei zweiseitigen Vergleichen kam der Wilcoxon-Test mit p-Wert-Korrektur nach Holm zur Anwendung. Korrelationen wurden mit der Korrelationsanalyse nach Spearman ermittelt.
Die grundsätzliche Frage der Arbeit, ob sich Patienten anhand ihrer epidemiologischen Daten, ihrer Nikotinanamnese, ihrer Spirometrie und BAL-Befunde klassifizieren und einem speziellen Krankheitsbild zuordnen lassen, wurde mithilfe der Linearen Diskriminanzanalyse und durch Erstellung von Klassifikationsbäumen (unter Verwendung von Ensembleverfahren wie „Bootstrapping“ und „Bagging“) untersucht. Es handelt sich dabei um überwachte statistische Lernverfahren im Sinne von maschinellem Lernen, welche in der Lage sind, die Aussagekraft eines Merkmals zu quantifizieren, seine Relevanz für die Klassifizierung zu ermitteln und den Klassifikationsfehler eines derartigen Rechenmodells abzuschätzen [12].
Diese sehr aufwendige statistische Berechnung erfolgte im Rahmen einer Masterarbeit an der Fakultät für Mathematik des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) [13].
Zur Überprüfung der diagnostischen Wertigkeit der einzelnen BAL-Merkmale wurden 90 %-, 95 %- und 99 %-Quantile in Form von parametrischen Quantilen errechnet, welche die mathematische Verteilung der Daten berücksichtigen. Außerdem erfolgte deren Darstellung als Receiver-Operating-Characteristic- (ROC) Kurven.
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Resultat
Allgemeine Betrachtung
Signifikante Unterschiede zwischen den Diagnosen zeigten sich bei allen untersuchten Parametern, auch beim Protein- und Albumingehalt der BAL ([Tab. 2], [Abb. 1]).
TBB = transbronchiale Biopsie; VATS = videoassistierte Thoraxchirurgie; IPF = idiopathische Lungenfibrose; COP = kryptogene organisierende Pneumonie; KOL = Kollagenose mit Lungenbeteiligung; RBILD = respiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenerkrankung; EAA = exogen-allergische Alveolitis; LIP = lymphozytische interstitielle Pneumonie; NSIP = nichtspezifische interstitielle Pneumonie.
Im Paarvergleich zwischen den einzelnen Diagnosen zeigte der Proteingehalt Unterschiede auf dem 5 %-Niveau bei den meisten Paaren ([Tab. 3]).
IPF = idiopathische Lungenfibrose; COP = kryptogene organisierende Pneumonie; KOL = Kollagenose mit Lungenbeteiligung; RBILD = respiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenerkrankung; EAA = exogen-allergische Alveolitis; LIP = lymphozytische interstitielle Pneumonie; NSIP = nichtspezifische interstitielle Pneumonie; KO = Kontrolle.
Der Proteingehalt der BAL ist nicht mit der Höhe des Rückgewinns der BAL korreliert. Außer mit dem Alter fanden sich Korrelationen mit allen untersuchten Merkmalen, wobei enge, positive Beziehungen mit dem Albumingehalt, den Lymphozyten, der Zellzahl sowie den Granulozyten in der BAL auffallen. Negative Korrelationen bestehen mit den Makrophagen in der BAL, der Nikotinanamnese und der IVC ( [Tab. 4]).
Eine interessante Entdeckung ist dabei, dass Lymphozyten und Protein, trotz deutlicher Korrelation im Gesamtkollektiv, in der Gruppe IPF und NSIP nicht signifikant miteinander korrelieren ([Tab. 5], [Abb. 2]).
IPF = idiopathische Lungenfibrose; COP = kryptogene organisierende Pneumonie; KOL = Kollagenose mit Lungenbeteiligung; RBILD = respiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenerkrankung; EAA = exogen-allergische Alveolitis; LIP = lymphozytische interstitielle Pneumonie; NSIP = nichtspezifische interstitielle Pneumonie; KO = Kontrolle.
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Relevanz der einzelnen Parameter
Der logarithmierte Lymphozytenanteil wird in der linearen Diskriminanzanalyse als die Größe erkannt, die einzeln verwendet am besten geeignet ist, die acht Diagnosen voneinander zu unterscheiden, und ist somit der klare Sieger ([Tab. 6]). Die drei bestplazierten Größen nach den Lymphozyten sind Proteingehalt, Albumingehalt und Makrophagenanteil in der BAL.
Dennoch erkennt das Baggingverfahren in der Bewertung der Relevanz der Merkmale zur Diagnoseeinstufung nach den Lymphozyten einen höheren Stellenwert für Granulozyten, pack years und Alter als für Protein und Albumin ([Tab. 7]).
Mithilfe des Granulozytenanteils lässt sich die IPF von der Kontrollgruppe gut trennen.
Durch die zusätzliche Information von Packungsjahren und Alter lassen sich zusätzlich vor allem RBILD-Patienten identifizieren, da sie starke Raucher und relativ jung sind.
Die Aufnahme von der prozentualen inspiratorischen Vitalkapazität führt nur noch zu marginalen Verbesserungen des Modells.
Die abschließende statistische Klassifizierung der Patienten geht aus [Tab. 8] hervor. Die Fehlklassifizierungen betragen bei der IPF 23,5 %. Seltene Krankheiten wie LIP und NSIP werden durch ihre geringen A-priori-Wahrscheinlichkeiten nicht erkannt. Des Weiteren besitzen die häufigen, von hohen Entzündungswerten geprägten Krankheiten EAA und COP einen ähnlichen BAL-Befund und sind statistisch kaum voneinander zu unterscheiden. Diese Gegebenheiten führen zu strukturell hohen Klassifikationsfehlern.
IPF = idiopathische Lungenfibrose; COP = kryptogene organisierende Pneumonie; KOL = Kollagenose mit Lungenbeteiligung; RBILD = respiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenerkrankung; EAA = exogen-allergische Alveolitis; LIP = lymphozytische interstitielle Pneumonie; NSIP = nichtspezifische interstitielle Pneumonie; KO = Kontrolle.
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Test auf IPF
Auch der vorliegende Datensatz bestätigt, dass eine erhebliche BAL-Lymphozytose > 40 % gegen eine IPF spricht – nur 2 der 183 BAL-Befunde der IPF-Patienten zeigen eine derartige Lymphozytose. Da bei den Patienten mit IPF keine Korrelation zwischen dem Protein und den Lymphozyten in der BAL nachweisbar war, wurde die Frage untersucht, ob der Proteingehalt in der BAL bei der Frage nach einer IPF diagnostisch verwertbar ist.
Dabei zeigte sich, dass auch ein erhöhter Proteingehalt gegen eine IPF spricht. Die Hypothese, dass ein Patient an einer IPF leidet, kann mit den kritischen Werten aus [Tab. 9] verworfen werden.
Auch ROC-Kurven ([Abb. 3]) zeigen, dass bei der IPF die BAL-Merkmale signifikant von einer Zufallsverteilung abweichen und dass der Lymphozytengehalt die größte diagnostische Aussage hat.
Außerdem haben IPF-Patienten mit Ausreißern in den Lymphozyten > 25 % in unserer Serie keinen hohen Proteingehalt. 191 Patienten zeigten in der BAL sowohl eine Lymphozytose > 25 % als auch einen Proteingehalt > 250 mg/l. In dieser Gruppe fand sich kein einziger Patient mit IPF ([Abb. 4]).
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Diskussion
Die Analyse unseres Kollektivs hinsichtlich der etablierten zellulären Merkmale der BAL zeigt die erwarteten und bekannten Befunde [8]. Das Protein in der BAL war im klinischen Routinebetrieb einfach und zuverlässig zu bestimmen. In der Kontrollgruppe bestanden nur geringe Streuungen um den Mittelwert (97 mg/l), es zeigten sich weder Extremwerte noch Ausreißer. Auch fanden sich keine Abhängigkeiten von der Höhe des Rückgewinns der BAL. Die Resultate waren mit publizierten Werten gesunder Raucher und Nichtraucher vergleichbar [14].
Mit Ausnahme der RBILD war das Protein im Vergleich mit der Kontrollgruppe bei allen ILD signifikant erhöht. Besonders deutliche Erhöhungen um 400 – 500 % zeigten sich bei COP, EAA und LIP, mäßige Erhöhungen um etwa 100 % bei NSIP und KOL und geringe Erhöhungen um etwa 50 % bei IPF.
Die Korrelationsanalyse zeigt enge Beziehungen zwischen Protein und den zellulären Parametern der BAL, insbesondere den Lymphozyten. Eine Ausnahme machen die IPF und die NSIP, wo diese Korrelation nicht nachweisbar war.
Somit scheint das Protein in der BAL ein entzündliches Geschehen zu repräsentieren. Die nur geringe Erhöhung des Proteins bei der IPF in unserer Serie spricht gegen die vorwiegend inflammatorische Genese dieser Erkrankung. Auch in der aktuellen Forschung ergeben sich klare Hinweise darauf, dass der IPF keine primäre Entzündung zugrunde liegt, sondern beispielsweise Veränderungen im Bereich von Surfactant-Proteinen und des Telomerase-Komplexes mit der Konsequenz einer krankhaften Bindegewebsbildung [15] [16].
Die fehlende Korrelation von Lymphozyten mit Protein bei IPF und NSIP wäre dadurch zu erklären, dass BAL-Lymphozyten bei IPF und NSIP mehr regulatorische Aufgaben wahrnehmen und weniger Ausdruck einer aktiven Entzündung sind.
Die Korrelationsanalyse zeigte außerdem, dass Protein und Albumin eine nahezu identische Aussage haben.
Die lineare Diskriminanzanalyse zeigt, dass die Möglichkeiten der statistischen Klärung der Diagnose durch die Auswertung der von uns untersuchten Merkmale einschließlich des Proteins an klare Grenzen stoßen.
Die Klassifikationsverfahren bevorzugen unter den BAL-Befunden die Lymphozyten und verzichten für eine geringere Modellkomplexität auf die Eingabewerte Protein und Albumin, die in der Gesamtgruppe bei enger Korrelation mit den Lymphozyten einen vergleichbaren Informationsgehalt besitzen. Die Daten lassen sich so grob in die Gruppen, in denen diese Werte kaum (IPF, RBILD, KO), stark (COP, EAA, LIP) und moderat erhöht sind (KOL, NSIP), unterteilen.
Hieraus ergibt sich einmal mehr, dass aus der BAL kein beweisender diagnostischer Befund, etwa der eines „IPF-Patterns“, erwartet werden kann.
Auf der anderen Seite sind Abläufe im bronchoalveolären Raum, die zu einer erheblichen Lymphozyten-Vermehrung in der BAL führen, bereits als hartes Argument gegen eine IPF anerkannt. Dies bestätigt auch unsere Untersuchung, wobei das 99 %-Quantil für einen Ausschluss einer IPF bei einer Lymphozytose von > 34 % liegt.
Als erstmals publizierte Information legt unsere Auswertung zusätzlich nahe, dass mit vergleichbarer Sicherheit auch eine deutliche Erhöhung des Proteingehaltes der BAL über den Normalwert (99 %-Quantil > 347 mg/l) gegen eine IPF spricht.
Außerdem war in unserem Kollektiv auch bei einer weniger ausgeprägten Lymphozytose > 25 % und einer zusätzlichen Proteinerhöhung > 250 mg/l eine IPF extrem unwahrscheinlich.
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Schlussfolgerung
Die Lymphozyten in der BAL sind trotz breiter Überschneidungen prinzipiell am besten geeignet, die verschiedenen ILK voneinander zu unterscheiden. Der Proteingehalt der BAL ist einfach und zuverlässig zu bestimmen. Er ist – außer bei IPF und NSIP – eng mit den Lymphozyten in der BAL korreliert und in seiner diagnostischen Aussage mit diesen vergleichbar. Insgesamt erlaubt die BAL in unserer Auswertung keine eindeutige Aussage auf die zugrundeliegende ILK. Jedoch kann die BAL zum Ausschluss einer IPF eine Rolle spielen. Starke Erhöhungen der Lymphozyten oder des Proteingehaltes sprechen gegen eine IPF. In Ergänzung zu radiologischen und histologischen Kriterien einer IPF wären bei der BAL folgende Ausschlusskriterien vorstellbar:
„BAL – inconsistent with IPF“:
-
Lymphozyten > 34 % oder
-
Protein > 347 mg/l oder
-
Lymphozyten > 25 % und Protein > 250 mg/l.
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Einschränkungen
Unsere Studie hat mehrere Einschränkungen. Trotz fortlaufender und standardisierter Datenerfassung handelt es sich um eine retrospektive Auswertung eines klinischen Krankengutes. Die internationalen Diagnosestandards der IPF unterlagen während des Zeitraums der Rekrutierung unserer Patienten wesentlichen Änderungen. Eine Gegenkontrolle der radiologischen, histologischen und klinischen Befunde ist nicht erfolgt. Die Resultate sind nur zutreffend für die angewandte Methodik, was insbesondere für die Durchführung der BAL gilt. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Möglichkeit, dass der Parameter „Lymphozytose in der BAL“ bereits bei der klinischen Differenzialdiagnose als Argument gegen eine IPF gewertet wurde. Dies könnte hinsichtlich der fehlenden Lymphozytose bei IPF zu einem Bias geführt haben.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
* Unterstützt von der Hans und Dagmar Mende Stiftung zur Förderung der Pneumologie an den St. Vincentius-Kliniken Karlsruhe gAG
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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