Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(08): 580-581
DOI: 10.1055/s-0042-105080
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55-jähriger Mann mit Schmerzen beim Gehen

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Publikationsdatum:
14. April 2016 (online)

 

    Ein 55-jähriger Mann klagt über Schmerzen, die er beim Gehen nach wenigen hundert Metern in den Waden verspüre. Woran denken Sie?

    Antwort An eine pAVK, daneben auch an orthopädische Ursachen im Bereich des Beines und der LWS, außerdem an neurologische Ursachen.

    Kommentar Differenzialdiagnose belastungsabhängiger Beinschmerzen:

    1. AVK,

    2. orthopädische Ursachen:

      • Fußfehlstellungen,

      • Gonarthrose,

      • Coxarthrose,

      • Beinlängendifferenz,

    3. neurologische Ursachen:

      • Wurzelkompression,

      • Schädigung peripherer Nerven,

      • enger Spinalkanal: Claudicatio nervosa,

    4. venöse Ursachen:

      • chronisch venöse Insuffizienz.

    Angenommen, Sie halten das Bild für vereinbar mit einer Claudicatio intermittens und denken an eine vaskuläre Ursache der Beschwerden. Wie gehen Sie dann weiter vor?

    Antwort Mit einer ausführlichen Anamneseerhebung und einer körperlichen Untersuchung.

    Kommentar Vorgehen bei V. a. AVK:

    • Anamnese,

    • körperliche Untersuchung.

    Mit diesen beiden einfachen Maßnahmen können Sie die Diagnose schon sehr weit eingrenzen. Was interessiert Sie bei der Anamnese?

    Antwort Zunächst interessiert mich natürlich die Schmerzanamnese, weil der Patient wegen der Schmerzen gekommen ist, insbesondere Lokalisation, Auslöser, Dauer und Reproduzierbarkeit. Dann interessieren mich Risikofaktoren und relevante Begleiterkrankungen sowie mögliche Zeichen anderer Manifestationen einer AVK.

    Kommentar Anamnese bei V. a. AVK:

    • Schmerzanamnese: Lokalisation, Dauer, Auslöser, Reproduzierbarkeit, Begleitphänomene,

    • Risikofaktoren und relevante Begleiterkrankungen,

    • andere Manifestationen der AVK.

    Welche Risikofaktoren meinen Sie?

    Antwort Die gleichen, die bei der KHK vorliegen. Hauptrisikofaktor für die AVK ist das Rauchen.

    Kommentar Risikofaktoren für die AVK:

    • Nikotin,

    • Diabetes mellitus,

    • Cholesterinerhöhung,

    • Hypertonus,

    • außerdem: Fibrinogenerhöhung, Homocystinerhöhung, Lipoprotein-A-Erhöhung.

    Was meinen Sie mit anderen Manifestation einer AVK?

    Antwort Die koronare Herzerkrankung, außerdem zerebrovaskuläre Durchblutungsstörungen und Durchblutungsstörungen der viszeralen Arterien.

    Kommentar Manifestationen der stenosierenden arteriellen Verschlusskrankheit:

    Herz:

    • KHK,

    Extremitäten:

    • pAVK,

    Gehirn:

    • extrakranielle AVK,

    innere Organe:

    • AVK der viszeralen Arterien.

    Der Patient, von dem wir oben sprachen, raucht 15 Zigaretten am Tag, außerdem ist ein Hypertonus bekannt. Sie machen sich jetzt an die Untersuchung. Worauf achten Sie?

    Antwort Wie bei der Anamnese kümmere ich mich erst einmal um das Problem, das den Mann zu mir geführt hat, nämlich das Bein. Dann untersuche ich im Hinblick auf andere Manifestationen der AVK sowie auf relevante Begleiterkrankungen und führe eine allgemein-internistische Untersuchung durch.

    Kommentar Körperliche Untersuchung bei V. a. pAVK:

    • betroffenes Bein: Hinweis für AVK, Hinweis für konkurrierende Ursache,

    • andere zugängliche periphere Arterien,

    • allgemein-internistische Untersuchung.

    Wie untersuchen Sie das Bein?

    Antwort Zunächst Inspektion des Beines und des Fußes, dann Palpation der Haut und der Pulse, schließlich Auskultation der Pulse. Nachgeordnet: Funktionsprüfungen der Durchblutung und der Kompensationsmechanismen.

    Kommentar Untersuchung des betroffenen Beines bei pAVK:

    • Inspektion: Farbe (blass, rot), Nekrose, Gangrän,

    • Palpation: Hauttemperatur, Pulse,

    • Auskultation der Arterie,

    • Funktionsprüfung.

    Wo palpieren Sie zunächst die Pulse dieses Patienten?

    Antwort In der Leiste, in der Kniekehle, am Knöchel sowie am Fußrücken.

    Kommentar Palpation der peripheren Pulse an der unteren Extremität:

    • A. femoralis,

    • A. poplitea,

    • A. tibialis posterior,

    • A. dorsalis pedis.

    Wissen Sie, ab wie viel Prozent Lumeneinengung der Puls nicht mehr tastbar ist?

    Antwort Ab 90 %.

    Kommentar Palpation peripherer Pulse:

    • Pulslosigkeit ab 90 % Lumeneinengung,

    • tastbare Pulse schließen eine relevante und symptomatische AVK nicht aus.

    Wo führen Sie die Auskultation der peripheren Gefäße bei diesem Patienten durch?

    Antwort Im Bereich des Beckens, der Leiste sowie der Oberschenkel und der Kniekehlen.

    Kommentar Auskultation der beinversorgenden Arterien:

    Becken:

    • A. iliaca,

    Leiste:

    • A. femoralis,

    Oberschenkelinnenseite:

    • A. femoralis,

    Kniekehle:

    • A. poplitea.

    Sie sagen, eine Pulslosigkeit ist bei 90 % Lumeneinengung zu erwarten. Ab wann können Sie auskultatorisch etwas hören?

    Antwort Die Auskultation ist deutlich empfindlicher.

    Kommentar Eine Stenose wird auskultatorisch ab etwa 60 % Lumeneinengung gehört.

    Sie erwähnten vorhin die Funktionsprüfungen im Hinblick auf die arterielle Durchblutung. Was meinen Sie damit?

    Antwort Die Lagerungsprobe nach Ratschow. Hierbei lässt man die hochgelagerten Füße bewegen und beobachtet danach bei wieder hängenden Füßen das Wiederauftreten einer arteriellen Durchblutung.

    Kommentar Lagerungsprobe nach Ratschow:

    1. Rückenlage,

    2. Fuß hoch halten, kreisende Fußbewegung für 2 min, dabei Beobachtung von Sohle und Fußrücken auf Abblassung,

    3. Hängenlassen der Füße, Beobachtung der reaktiven Rötung,

    4. Interpretation:

      • normal: Rötung nach 10–15 s,

      • Hinweis für AVK: Rötung nach 30–45 s.

    Sie sagten, Sie würden auch die anderen zugänglichen Arterien untersuchen. Welche sind das?

    Antwort Einer klinischen Untersuchung zugänglich sind die hirnversorgenden Arterien, die Arterien der oberen Extremität, in gewissem Maße auch die Arterien innerer Organe.

    Kommentar Puls- und Gefäßuntersuchungen bei V. a. AVK:

    hirnversorgende Gefäße:

    • Auskultation der A. carotis,

    obere Extremität:

    • Palpation und Auskultation der A. subclavia und A. radialis,

    innere Organe:

    • Auskultation der intestinalen Arterien und der Nierenarterien sowie der Aorta,

    untere Extremität:

    • s. oben.

    Der Patient klagt über Schmerzen in der Wade bei längerem Gehen. Angenommen, es ist eine stenosierende AVK, die ihm die Probleme macht. Wo sitzt dann die Engstelle?

    Antwort Im Bereich der A. femoralis.

    Kommentar Häufigste Lokalisation der pAVK:

    • Oberschenkeltyp: 40 %.

    Können Sie uns sagen, wie Sie aus der Schmerzlokalisation auf die Lokalisation der Engstelle schließen?

    Antwort Verengungen im Bereich der Aorta und der Iliakalgefäße führen zu Schmerzen im Gesäß, im Oberschenkel und in der Wade, Verengungen an den Unterschenkelarterien führen zu Schmerzen im Bereich der Fußsohle.

    Kommentar Stenose und Schmerzlokalisation:

    Aorta / Aortenbifurkation:

    • Gesäß, Oberschenkel, Wade,

    A. iliaca interna:

    • Gesäß,

    A. iliaca externa, A. femoralis, A. poplitea:

    • Wade, Fuß,

    Unterschenkelarterien:

    • Fußsohle.

    Können Sie aus der Anamnese auf die Ausprägung der AVK schließen?

    Antwort Ja, der typische belastungsabhängige Schmerz des Patienten spricht für eine deutliche Verengung. Für die klinische Zuordnung wird die Stadieneinteilung nach Fontaine benutzt.

    Kommentar Stadieneinteilung der pAVK nach Fontaine:

    I:

    • asymptomatisch,

    II:

    • Claudicatio intermittens,

    IIa:

    • Gehstrecke < 200 m,

    IIb:

    • Gehstrecke > 200 m,

    III:

    • Ruheschmerz,

    IV:

    • Nekrose.

    Die AVK kann auch asymptomatisch sein. Kommt das häufig vor?

    Antwort Ja, der überwiegende Teil der Patienten mit peripherer AVK hat keine Beschwerden.

    Kommentar AVK Stadium I:

    • 75 % der Fälle.

    Nach:

    Berthold Block, Facharztprüfung Innere Medizin, 3000 kommentierte Prüfungsfragen

    4. Aufl., kompl. überarb. akt. 2011, 576 S., 106 Abb., kart. ISBN: 9783131359544


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