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DOI: 10.1055/s-0042-103481
Flüchtlingsmedizin – Welche Erkrankungen sind zu erwarten?
Publication History
Publication Date:
15 March 2016 (online)
Flüchtlinge und Asylbewerber werden nach kurzer Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Unterkünften unter-gebracht, die sich auch in peripheren Regionen befinden. Um die Menschen adäquat medizinisch versorgen zu können, brauchen Ärzte vor Ort umfassende Informationen über das bei dieser Patientengruppe zu erwartende Erkrankungs-spektrum. M. Alberer et al. haben dazu nun eine erste beispielhafte Datenerhebung vorgenommen.
Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 34–37
Für die stichprobenartige Studie erhob die Arbeitsgruppe Daten aus 3 Münchener Einrichtungen: Sprechstunde der REFUDOCS e. V. in der Erstaufnahmeeinrichtung Bayernkaserne (RD), Ambulanz der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der LMU München (AITM) und Medizinische Klinik des Städtischen Klinikums Schwabing (KS, stationär). Dabei wurden für die Zeiträume vom 1. Januar bis 11. März 2015 (RD), 2014 gesamt (AITM) sowie 1. Juni 2014 bis 1. Februar 2015 (KS) Haupt- und Nebendiagnosen sowie demografische Basisdaten anonymisiert ausgewertet.
Die Stichproben umfassten Daten von insgesamt 548 Flüchtlingen und Asylbewerbern, von denen 329 ambulant allgemeinmedizinisch (RD), 44 ambulant infektionsmedizinisch (AITM) und 175 stationär infektionsmedizinisch versorgt wurden. In die RD-Sprechstunde kamen mehrheitlich Patienten mit Atemwegs- / HNO-Erkrankungen (n = 152), v. a. mit unspezifischen viralen Infektionen (n = 79) und pulmonaler Tuberkulose (n = 23, v. a. zur Therapiekontrolle). Die Patienten waren zwischen 1,7 und 85 Jahre alt und zu 65 % männlich.
Unterschiedliche Krankheitsbilder
Weitere häufige Patientenvorstellungen betrafen neuropsychiatrische Krankheitsbilder (n = 68, davon 18 aufgrund posttraumatischer Belastungsstörungen), Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts (n = 56) und des Bewegungsapparates (n = 52) sowie Hauterkrankungen (n = 45, davon 17 aufgrund von Skabies). Außerdem betrafen bis zu 11 ambulante Vorstellungen pro Patient dekompensierte Herzinsuffizienz, terminale, dialysepflichtige Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus.
In der AITM waren die Patienten zwischen 4,4, und 57 Jahre alt; 84 % von ihnen waren männlich und im Jugendlichenalter. Am häufigsten wurden Malaria tertiana, Hauterkrankungen (v. a. Pyodermien, Skabies) und Schistosomiasis diagnostiziert. Die stationär behandelten Flüchtlinge und Asylbewerber (KS) waren zwischen 16 und 51 Jahre alt und ebenfalls überwiegend männlich und im Jugendlichenalter (80 %). Bei ihnen wurden am häufigsten Tuberkulose, Malaria, impetiginisierte Skabies, ambulant erworbene Pneumonien und unspezifische Virusinfektionen festgestellt. Außerhalb des Erhebungszeitraums (ab Juli 2015) diagnostizierten die Ärzte im AITM und KS in Einzelfällen auch Läuserückfallfieber.
Die Autoren weisen darauf hin, dass die Studie zwar eine exemplarische und unsystematische Auswertung ist, aber ein relativ breites Versorgungsspektrum widerspiegelt. Sie zeigt, dass Erkrankungen bei Flüchtlingen und Asylbewerbern vornehmlich dem üblichen allgemeinmedizinischen Spektrum entsprechen. Wie die Autoren weiter betonen, müssen abhängig vom Herkunftsland und Reiseweg u. a. Tuberkulose, Malaria oder Läuserückfallfieber beachtet werden. Um schweren Verläufen oder Ausbreitungen vorzubeugen, ist eine rasche Abklärung und Behandlung erforderlich.
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