Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0041-111213
H2-Atemtest
Hydrogen Breath TestsZusammenfassung
Wasserstoff-Atemtests (H2-Atemtests) werden in der Gastroenterologie zur Diagnose einer Kohlenhydratmalabsorption und einer bakteriellen Fehlbesiedelung des Dünndarms eingesetzt. Der Artikel beschreibt die praktische Durchführung eines H2-Atemtests und zeigt mögliche Fehlerquellen auf.
#
Abstract
In the field of gastroenterology hydrogen breath test are used for the diagnosis of carbohydrate malabsorption and small intestine bacterial overgrowth. This paper provides information on performing a hydrogen breath test and shows potential sources of error.
#
Schlüsselwörter
Wasserstoff-Atemtests - Kohlenhydratmalabsorption - Bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms - orozökale TransitzeitKeywords
hydrogen breath tests - carbohydrate malabsorption - small intestine bacterial overgrowth - orocecal transit timeMit Hilfe von Wasserstoff-Atemtests (H2-Atemtests) lässt sich eine Kohlenhydratmalabsorption und eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms diagnostizieren. Außerdem kann die orozökale Transitzeit bestimmt werden. In der Praxis setzt man sie daher zur Differenzialdiagnostik der Leitsymptome chronische Diarrhoe, Meteorismus und abdominelle Schmerzen / Krämpfe ein. H2-Atemtests sind einfach durchführbar, kostengünstig und für den Patienten wenig belastend.
Hintergrund | Wasserstoff (H2) entsteht im menschlichen Darm nur durch die bakterielle Fermentation. Wasserstoff-produzierende Bakterien sind in der Regel nur im Kolon vorhanden. Ein gesteigerter Übertritt von Kohlenhydraten in das Kolon führt somit zur vermehrten Produktion von H2. Ein Teil des produzierten Wasserstoffs diffundiert über die Darmwand in das Blutgefäßsystem, wird mit dem Blut zur Lunge transportiert und über die Lunge abgeatmet. Die H2-Konzentration kann dann in der Ausatemluft gemessen werden.
Testprinzip | Dies macht man sich bei der Durchführung der H2-Atemtests zunutze, indem man die Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft vor und über einen definierten Zeitraum nach dem Trinken einer Kohlenhydrat-Testlösung misst. Die Messung erfolgt mittels Gaschromatographie oder elektromechanischer Zellen. Die H2-Konzentration wird in ppm (parts per million) angegeben.
Verschiedene Testprinzipien | In Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik und Fragestellung werden beim Test unterschiedliche Kohlenhydrate verabreicht.
Malabsorption | Wenn Kohlenhydrate, die normalerweise im Dünndarm resorbiert werden (z. B. Laktose oder Fruktose), das Kolon erreichen, liegt eine Malabsorption vor. Bei der Fermentation im Kolon bildet sich Wasserstoff. Als Folge steigt die Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft an.
Bakterielle Fehlbesiedlung | Ist der Dünndarm mit Bakterien fehlbesiedelt, findet der Prozess der Fermentation bereits im Dünndarm statt. Das bedeutet, dass Kohlenhydrate, die normalerweise im Dünndarm resorbiert werden (z. B. Glukose), vor der Resorption bakteriell fermentiert werden können. Als Folge steigt auch hier die Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft an.
Orozökale Transitzeit | Kohlenhydrate, die im Dünndarm nicht resorbiert werden (z. B. Laktulose), werden von Bakterien im Dickdarm fermentiert. Mit Hilfe eines Atemtests kann man messen, wann die Wasserstoffkonzentration in der Ausatemluft ansteigt. So lässt sich auf die Zeit schließen, die die Laktulose benötigt, um durch den Ösophagus, Magen und Dünndarm bis zum Dickdarm zu gelangen (orozökale Transitzeit).
Physiologische „Malabsorption“ | Diese kann auftreten nach dem Verzehr
-
komplexer Kohlenhydrate, die nicht vollständig im Dünndarm resorbiert werden,
-
von Obst und Gemüse, das nicht komplett aufspaltbare Kohlenhydrate enthält (z. B. Hülsenfrüchte),
-
einer großen Menge an Zuckerersatzstoffen, die nicht resorbierbar sind, z. B. Sorbit.
Sekundäre Malabsorption | Sie kann eintreten,
-
wenn durch andere Darmerkrankungen die Dünndarmschleimhaut geschädigt ist, oder
-
die zur Resorption zur Verfügung stehende Fläche vermindert ist, z. B. sekundäre Laktoseintoleranz im Schub eines Morbus Crohn oder bei der Zoeliakie.
Indikationen | Eine Übersicht über die verschiedenen H2-Atemtests und deren Indikationen zeigt ▸ [ Tab. 1 ].
Name des Tests |
Testzucker, -dosis |
Indikationen |
Laktose-H2-Atemtest |
Laktose 50 g |
|
Fruktose-H2-Atemtest |
Fruktose 25 g |
|
Glukose-H2-Atemtest |
Glucose 50 g |
|
Laktulose-H2-Atemtest |
Laktulose 10 g |
|
Sorbit-H2-Atemtest |
Sorbit 5 g |
|
Saccharose-H2-Atemtest |
Saccharose 50 g |
|
Xylose-H2-Atemtest |
Xylose 25 g |
|
Cave Eine absolute Kontraindikation für einen Laktose-H2-Atemtest ist die Galaktosämie (Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase-Mangel) und für einen Fruktose-H2-Atemtest die hereditäre Fruktoseintoleranz (Fruktose-1-Phosphat-Aldolase-Defekt).
Vorbereitung | ▸ [ Tab. 2 ] fasst zusammen, was der Patient vor der Untersuchung beachten muss.
Zeitraum vor der Untersuchung |
Vorbereitung auf den Atemtest |
14 Tage |
|
7 Tage |
|
3 Tage |
|
1–2 Tage |
|
12 Stunden |
|
6 Stunden |
|
2 Stunden |
|
kurz vorher |
|
Ablauf des H2-Atemtests
Gerät | Wie ein H2-Atemtest abläuft, ist unabhängig vom Testzucker. Zur Messung der H2-Konzentration in der endexspiratorischen Atemluft stehen Festgeräte und modernere portable Geräte zur Verfügung. Vor dem Test sollten Sie überprüfen, ob das Gerät kalibriert werden muss.
Messung des Nüchtern-H2-Werts| Für die Messungen atmet der Patient ein, hält kurz die Luft an, und atmet dann komplett aus. Je nach Gerät atmet der Patient in einen Auffangbeutel oder direkt in den Apparat. Der Nüchtern-H2-Wert in der endexspiratorischen Atemluft wird drei- bis viermal bestimmt, der Mittelwert als Ausgangswert genommen. Als Normwerte gelten Werte < 10 ppm.
Messung nach Einnahme des Testzuckers | Der Testzucker wird in 200 (– 400 ml) lauwarmem Wasser gelöst. Der Patient trinkt die Lösung innerhalb von fünf Minuten. Nun misst man über die nächsten 2–3 Stunden alle 15 Minuten die H2-Konzentration in der endexspiratorischen Atemluft. Symptome des Patienten, die während des Tests auftreten (z. B. Übelkeit, Meteorismus, abdominelle Schmerzen, Diarrhoen) werden dokumentiert.
Blutglukose bestimmen | Insbesondere beim Laktosetoleranztest wird außerdem die Glukose im Kapillarblut bestimmt (z. B. zu den Zeitpunkten 0, 30, 60, 90, 120 min). Bei Laktasemangel bleibt der Glucoseanstieg gegenüber dem Ausgangswert (Nüchternblutzucker) typischerweise unter 25 mg / dl.
#
Auswertung
Ergebnis beurteilen | Ein Test gilt als pathologisch, wenn während des Tests die H2-Konzentration in der endexspiratorischen Atemluft um > 20 ppm gegenüber dem Basalwert ansteigt. Das Messergebnis muss mit den aufgetretenen und dokumentierten Symptomen des Patienten korrelieren.
Beispiel | Die Auswertung ist exemplarisch anhand eines Laktose-H2-Atemtests dargestellt. ▸ [ Abb. 1 ] zeigt einen unauffälligen Befund (fehlender Anstieg der H2-Konzentration in der Ausatemluft begleitet von Anstieg der Blutglukosekonzentration). In ▸ [ Abb. 2 ] ist ein positiver Test für eine Laktose-Malabsorption dargestellt (früher Anstieg der H2-Konzentration in der Ausatemluft).
#
Fehlerquellen
„H2-Non-Producer“ | 2–25 % der Bevölkerung produzieren kein H2 (Ursache: veränderte Darmflora). Somit können falsch-negative Testergebnisse auftreten. „H2-non-Producer“ können mit dem Laktulose-H2-Atemtest identifiziert werden. Außerdem kann ein Ausbleiben des Blutzuckeranstiegs (z. B. nach Laktose-Belastung) bei entsprechender klinischer Symptomatik trotz fehlenden H2-Anstiegs als diagnostisch für die Laktoseintoleranz gewertet werden.
Hohe H2-Nüchtern-Werte | Bei Ausgangswerten > 15–20 ppm ist die Testinterpretation erschwert. (Ursachen: Nikotinkonsum, zu kurze Nüchternphase, fehlerhafte Ernährung, Pneumatosis cystoides intestinalis, bakterielle Fehlbesiedlung).
Frühzeitiger H2-Anstieg | Je nach zeitlichem Abstand zur Zufuhr der Testlösung z. B. bei bakterieller Kontamination der Mundhöhle oder bakterieller Fehlbesiedlung des Dünndarms kann es zu einem frühzeitigen H2-Anstieg kommen. Eine stark beschleunigte Dünndarmpassage (z. B. Kurzdarmsyndrom) kann ebenfalls dazu führen, da die Zeit zur vollständigen Resorption zu kurz sein kann.
Weitere Fehlerquellen | Falsch niedrige H2-Werte können z. B. nach Antibiotikatherapie, Abführmaßnahmen oder bei Diarrhoen vorkommen. Weiterhin können Symptome durch Übersättigung der Enzymsysteme auftreten, z. B. zu hohe Fruktosedosen, ohne eigentliche Malabsorption. Eine weitere Fehlerquelle ist außerdem die sekundäre Malabsorption.
-
H2-Atemtests eignen sich zur Diagnostik bei Verdacht auf eine Kohlenhydratmalabsorption, eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms und zur Bestimmung der orozökalen Transitzeit.
-
Sie sind nicht-invasiv, einfach durchführbar und kostengünstig.
-
Der Patient muss im Vorfeld darüber aufgeklärt werden, was er in den Wochen und Tagen vor dem Test beachten muss.
-
Ein Laktose-H2-Atemtest ist bei Galaktosämie kontraindiziert, ein Fruktose-H2-Test bei hereditärer Fruktoseintoleranz.
-
Das Messergebnis muss mit den aufgetretenen Symptomen des Patienten korrelieren. Das Ergebnis muss kritisch interpretiert werden, da Ergebnisse falsch-positiv oder falsch-negativ sein können.
#
#
Dr. med. Ulrich Häussler
ist Assistenzarzt in der Inneren Medizin I am Universitätsklinikum Tübingen.
Ulrich.Haeussler@med.uni-tuebingen.de
Prof. Dr. med. Martin Götz
ist Leiter der Interdisziplinären Endoskopie in der Inneren Medizin I am Universitätsklinikum Tübingen.
martin.goetz@med.uni-tuebingen.de
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
-
Literatur
- 1 Barnert J. Dünndarmfunktionstests. In: Messmann, H (Hrsg.): Klinische Gastroenterologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2012: 62-64
- 2 Keller J, Jahr C, Andresen V et al. Funktionsdiagnostik von Sekretion, Absorption und Motilität. In: Layer P, Rosien U (Hrsg.): Praktische Gastroenterologie. München: Urban & Fischer; 2011: 77-79
- 3 Stein J, Schröder O, Schneider A. Resorptionstests. In: Stein J, Wehrmann T (Hrsg.): Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag; 2006: 94-98
- 4 Keller J, Franke A, Storr M et al. Klinisch relevante Atemtests in der gastroenterologischen Diagnostik – Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität sowie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Z Gastroenterol 2005; 43: 1071-1090
- 5 Ghoshal UC. How to interpret hydrogen breath tests. J Neurogastroenterol Motil 2011; 17: 312-317
- 6 American Neurogastroenterology and Motility Society: Patient Information on Hydrogen Breath Test. http://www.motilitysociety.org/patient/pdf/Breath%20Hydrogen%20Tests%20Patient%20Information%208%2015%202005.pdf (Letzter Zugriff: 6. 11. 2015).
Korrespondenz
-
Literatur
- 1 Barnert J. Dünndarmfunktionstests. In: Messmann, H (Hrsg.): Klinische Gastroenterologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2012: 62-64
- 2 Keller J, Jahr C, Andresen V et al. Funktionsdiagnostik von Sekretion, Absorption und Motilität. In: Layer P, Rosien U (Hrsg.): Praktische Gastroenterologie. München: Urban & Fischer; 2011: 77-79
- 3 Stein J, Schröder O, Schneider A. Resorptionstests. In: Stein J, Wehrmann T (Hrsg.): Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag; 2006: 94-98
- 4 Keller J, Franke A, Storr M et al. Klinisch relevante Atemtests in der gastroenterologischen Diagnostik – Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität sowie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Z Gastroenterol 2005; 43: 1071-1090
- 5 Ghoshal UC. How to interpret hydrogen breath tests. J Neurogastroenterol Motil 2011; 17: 312-317
- 6 American Neurogastroenterology and Motility Society: Patient Information on Hydrogen Breath Test. http://www.motilitysociety.org/patient/pdf/Breath%20Hydrogen%20Tests%20Patient%20Information%208%2015%202005.pdf (Letzter Zugriff: 6. 11. 2015).