Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76(02): 84-85
DOI: 10.1055/s-0041-110937
Aktuell referiert
Geburtshilfe
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Präpartale Prädiktoren für postpartale Levator-ani-Läsionen?

Siafarikas F et al.
The levator ani muscle during pregnancy and major levator ani muscle defects diagnosed postpartum […].

BJOG 2015;
122: 1083-1091
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Publication Date:
29 February 2016 (online)

 

    Hintergrund: Der M. levator ani als wesentlicher Bestandteil des Beckenbodens steht während einer Schwangerschaft und unter der Geburt unter starker Belastung, und Verletzungen des Muskelkomplexes sind keine Seltenheit. Dabei können Levator-ani-Defekte im späteren Leben eine Beckenbodeninsuffizienz begünstigen, ebenso Rezidive nach operativer Korrektur. Es wäre also sinnvoll, Schwangere mit Prädisposition für Levator-ani-Risse frühzeitig zu erkennen, um möglicherweise gegensteuern zu können. Norwegische Mediziner haben versucht, Risikofaktoren zu erkennen.

    Siafarikas F et al. The levator ani muscle during pregnancy and major levator ani muscle defects diagnosed postpartum […]. BJOG 2015; 122: 1083–1091

    Methoden: Zwischen Dezember 2009 und Oktober 2012 wurden 234 gesunde Erstgebärende in die offene Beobachtungsstudie aufgenommen. Die Frauen wurden insgesamt 3-mal mittels 3- und 4-dimensionaler transperinealer Sonografie untersucht: in Woche 21, in Woche 27 und 6 Wochen nach der Geburt des Kindes. Dabei wurden während der Schwangerschaft 3 Parameter beurteilt:

    • Fläche des Hiatus urogenitalis in Ruhe,

    • Veränderungen bei maximaler Kontraktion des Beckenbodens (und damit des Muskelkomplexes)

    und

    • Veränderungen bei der Dehnung des Muskels unter Valsalva-Manöver.

    Schließlich wurden die ermittelten Werte zu dem Auftreten eines schweren Levator-ani-Defekts 6 Wochen postpartal in Beziehung gesetzt, definiert als abnorme Insertion des Muskels am Schambein bis mindestens 5 cm kranial seines geringsten Durchmessers.

    Ergebnisse: Bei insgesamt 44 Frauen (18,8%) wurde nach der Entbindung ein Levator-ani-Defekt per definitionem diagnostiziert. Darunter waren 27 von 187 Frauen nach normaler vaginaler Geburt (14,4%), 15 von 38 Frauen nach Vakuumextraktion (39,5%) und 2 von 4 Frauen nach operativer vaginaler Entbindung (Forceps mit oder ohne Vakuumextraktion, 50%).

    Dabei war bei Frauen mit postpartalem Levator-ani-Defekt

    • in Woche 21 und 37 der Hiatus urogenitalis in Ruhe und bei Valsalva-Manöver signifikant schmaler,

    • ohne Unterschiede bei den absoluten Maßen während der Beckenbodenkontraktion,

    • und die prozentuale Verkürzung des Muskelkomplexes unter Kontraktion in Woche 37 war signifikant geringer

    als bei Frauen ohne Defekte.

    In der logistischen Regressionsanalyse erwiesen sich nach Korrektur für Störfaktoren die 3 genannten Maße als signifikante Risikofaktoren für einen Levator-ani-Defekt.

    Folgerung: Frauen mit erhöhtem Risiko für Läsionen des M. levator ani unter der Entbindung lassen sich mittels Sonografie präpartal identifizieren, meinen die Wissenschaftler. Interventionen, die die genannten Funktionen verbessern, könnten also im Sinne einer Prävention von Nutzen sein. Dazu gehört beispielsweise ein Beckenbodentraining zur Verbesserung der relativen Kontraktionsfähigkeit, obwohl die Vergrößerung des Hiatus urogenitalis in Ruhe und bei Valsalva-Manöver schwierig zu erreichen ist. Ob diesen Frauen zur Verhinderung von Muskeleinrissen eine elektive Sectio caesarea angeboten werden sollte, müsste diskutiert werden.

    Dr. Elke Ruchalla, Trossingen

    Kommentar

    Die vorliegende Untersuchung lässt noch nicht den abgesicherten Schluss zu, dass bei den untersuchten Frauen die elektive Sectio indiziert wäre, bedenkt man weitere Risikofaktoren, die bei Levator-ani-Läsionen in Frage kommen.

    JB


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