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DOI: 10.1055/s-0041-110870
Schwere Blutungen an Extremitäten - So lassen sie sich stoppen
Publication History
Publication Date:
12 July 2016 (online)
- Abstract:
- Wichtigstes Prinzip: Prioritäten-orientierte Versorgung des Traumapatienten
- So stoppen Sie Extremitätenblutungen
- Blutung gestillt – so geht es weiter
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Abstract:
Autounfall, mit der Motorsäge abgerutscht, vom Stahlträger eingeklemmt: Die Gründe für massiv blutende Wunden an Armen und Beinen sind vielfältig. Zum Glück kommen solche Verletzungen selten vor – und sie lassen sich sogar vergleichsweise gut erstversorgen. Hier stellen wir anhand eines Fallbeispiels die algorithmenbasierte Versorgung bei der kritischen Blutung einer Extremitätenverletzung dar.
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Schlüsselwörter:
Extremitätenblutung - traumainduzierte Koagulopathie - TIC - <C>ABCDE-Schema - Blutstillung - Kompression - Druckverband - TourniquetEher seltener Einsatzgrund
Kritische Blutungen von Extremitäten sind im Notarzt- und Rettungsdienst eher selten anzutreffen [1]. Die Erfahrung mit diesen Verletzungen stammt hauptsächlich aus Kriegen: Fast die Hälfte der Opfer (46 %) verstirbt an katastrophalen Blutungen. Davon betreffen jedoch 80 % den Körperstamm – und „nur“ 20 % Blutungen aus Extremitäten [2]. Im zivilen Alltag begegnen einem lebensbedrohliche Extremitätenblutungen u. a. bei Arbeitsunfällen, wie auch das folgende Beispiel illustriert.
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Beispiel: Arbeitsunfall mit Eisenträger
Ein 22-jähriger Arbeiter wird in 4 m Höhe auf einer Stahlkonstruktion von einem tonnenschweren Träger ([Abb. 1]) am rechten Unterschenkel getroffen.
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Er erleidet eine stark blutende, drittgradig offene Unterschenkelfraktur.
Anwesende Kollegen retten ihn von der Hallenkonstruktion, er zieht sich keine weiteren Verletzungen zu. Als der Rettungsdienst eintrifft (NEF und RTW), liegt er am Fuße der Hallenkonstruktion.
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Der rechte Unterschenkel ist offensichtlich fehlgestellt und blutet stark ([Abb. 2]).
Nach kurzer Lageerkundung steht fest, dass keine akute weitere Gefahr für das Team besteht: Der Stahlträger ist fest angeschlagen und durch einen Kran gesichert, es kann gefahrlos gearbeitet werden. Weitere Gefahren an der Einsatzstelle bestehen nicht.
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Das Team kümmert sich nun um den Patienten. Eigen- und fremdanamnestisch können weitere Verletzungen ausgeschlossen werden.
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Auffallend ist die starke Blutung aus der Unterschenkelwunde. Der Patient zeigt die klinischen Zeichen eines Volumenmangelschocks.
Wie sieht ein mögliches Vorgehen des Rettungsteams aus?
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Wichtigstes Prinzip: Prioritäten-orientierte Versorgung des Traumapatienten
Viele Versorgungskonzepte – ein Ziel
Für Traumapatienten existiert eine Vielzahl international anerkannter Versorgungskonzepte (PHTLS: Prehospital Trauma Life Support, ITLS: International Trauma Life Support, ATLS: Advanced Trauma Life Support, TCCC: Tactical Combat Casualty Care u. a.). Ihr Ziel ist es, den Patienten zeitnah – am besten innerhalb 1 h (sog. „golden hour“) – einer chirurgischen Versorgung zuzuführen. Präklinisch kommt es v. a. darauf an,
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den Patienten Prioritäten-orientiert zu behandeln („treat first what kills first“) und
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weiteren Schaden vom Patienten abzuwenden („do no further harm“) [3].
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ABCDE-Schema dient als Basis
Allen gemein ist das sog. ABCDE-Schema (Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure), d. h. es erfolgt die Untersuchung und sofortige Behandlung von lebensbedrohlichen Störungen
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A) des Atemwegs (Atemwegsverlegungen und Stabilisierung einer eventuellen Fraktur der Halswirbelsäule (HWS)),
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B) der Atmung (v. a. Spannungspneumothorax),
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C) von kritischen Blutungen,
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D) zentralen neurologischen Störungen (Schädel-Hirn-Trauma) sowie
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E) die komplette Untersuchung und Wärmerhalt.
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Traumainduzierte Koagulopathie als zusätzliche Komplikation
Allerdings sind schwere Blutungen beim Trauma oft mit gravierenden Blutgerinnungsstörungen vergesellschaftet.
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Diese sog. traumainduzierte Koagulopathie (TIC; Infobox S. 196) wird als eigenständiges Krankheitsbild zusätzlich zu den erlittenen Verletzungen beschrieben [5].
Des Weiteren können beim Trauma neben dem Krankheitsbild der TIC noch weitere Blutgerinnungsstörungen auftreten. Dazu gehören:
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Verlustkoagulopathie
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disseminierte intravasale Gerinnung und Verbrauchskoagulopathie
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Verdünnungskoagulopathie
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Problem: Gerinnungs- und plättchenhemmende Pharmaka
Erschwerend kommt im „zivilen“ Rettungsdienst die Tatsache hinzu, dass viele – und aufgrund der alternden Bevölkerung immer mehr – Patienten mit gerinnungs- und thrombozytenaggregationshemmenden Medikamenten behandelt sind ([Tab. 1]). Deren Wirkung lässt sich im präklinischen Setting i. d. R. nicht aufheben bzw. therapieren – entweder wegen nicht vorgehaltener Gerinnungsfaktoren / -therapeutika oder in Ermangelung möglicher Therapieoptionen.
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<C>ABCDE statt ABCDE
Die oben genannten Umstände und die Erfahrungen aus militärischen Konflikten [6] führten zum Umdenken bei lebensbedrohlichen Blutungen, sodass dem bekannten PHTLS-Algorithmus ein <C> für „critical bleeding“ (katastrophale / kritische Blutung) vorangestellt wurde: <C>ABCDE [7] [8].
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Das bedeutet, dass massive Extremitäten-Blutungen vor der weiteren Patientenversorgung gestoppt werden sollten.
Dieses Vorgehen hat auch Eingang in die deutschen Leitlinien gefunden (S3-Leitlinie Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung), in der es heißt [9]: „Starke und unmittelbar lebensbedrohliche Blutungen sollen sofort versorgt werden, auch unter Vernachlässigung des ABCDE-Schemas.“
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So stoppen Sie Extremitätenblutungen
Abgestufte Vorgehensweise
Gemäß der S3-Leitlinie Polytrauma der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie kommt bei stark blutenden Extremitätenverletzungen ein Stufenschema zur Anwendung:
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Die betroffene Extremität sollte hochgelagert, die Blutungsstelle manuell komprimiert und im weiteren Verlauf mittels Druckverband versorgt werden.
Interessanterweise sprechen sich die aktuellen Reanimationsleitlinien des European Resuscitation Council (ERC) im Kapitel „Erste Hilfe“ mangels wissenschaftlichen Nachweises gegen ein Abdrücken und Hochlagern aus [10].
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Kann die Blutung auch mittels fokussiertem Kompressionsverband nicht gestoppt werden, so ist als nächstes das Tourniquet einzusetzen [9].
Bei bestimmten Indikationen ([Tab. 2]) ist auch die initiale (temporäre) Anlage eines Tourniquets sinnvoll und erlaubt [11].
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Konkret: Blutstillung im Fallbeispiel
Aufgrund der starken Blutung und der klinischen Schockzeichen entscheidet sich der Notarzt im eingangs geschilderten Beispiel als Erstmaßnahme für das Abdrücken der Oberschenkelarterie im Leistenbereich – ein Abdrücken der Kniearterie wäre mit zu viel Bewegung des Bruches einhergegangen. Daraufhin sistiert die Blutung fast komplett. Diese Maßnahme dient jedoch nur vorübergehend der Blutstillung, bis das Team ein Tourniquet am Oberschenkel der verletzten Extremität anlegt – erst danach sistiert die Blutung vollständig.
Die Extremität hochzulagern, ist bei offener, dislozierter Fraktur und starken Schmerzen nicht angezeigt – wäre aber wahrscheinlich auch wenig effektiv.
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Das Tourniquet
Das Wirkprinzip eines Tourniquets ist simpel:
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Mithilfe eines Gurts bindet man die Extremität so weit ab, bis die verletzten Blutgefäße abgedrückt werden und somit kein Blut mehr austreten kann.
Die ersten Beschreibungen von Tourniquets reichen bis in die griechische Antike zurück, und auch im alten Rom setzten Chirurgen sie bereits zum Stillen von Blutungen ein. Seit mehreren Jahren erleben sie – aus der Militärmedizin kommend [12] – eine Renaissance im zivilen Rettungsdienst.
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Nach der S3-Leitlinie Polytrauma sollten sie als sichere, schnelle und effektive Methode der Blutungskontrolle bei stark blutenden Extremitätenverletzungen nicht nur als letzte Möglichkeit, sondern sogar routinemäßig eingesetzt werden [9].
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Auf dem Markt existieren verschiedene Tourniquet-Modelle, auch pneumatische zum Aufpumpen (Übersicht in [13]).
Egal, welches Sie verwenden: Wichtig ist, dass Sie sich vor dem Einsatz mit dem vorgehaltenen Modell auseinandersetzen. Nur wenn das Tourniquet richtig angelegt wird, kann es seinen Zweck erfüllen ([Abb. 3]).
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Tourniquet richtig anlegen
Unabhängig vom Modell sind beim Anlegen eines Tourniquets einige grundsätzliche Dinge zu beachten:
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Das Tourniquet wird mind. 5 cm proximal der Blutung an der verletzten Extremität direkt auf der Haut angelegt, um ein Abrutschen zu verhindern.
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Legen Sie es jedoch nicht über Gelenken, Frakturen oder Fremdkörpern an!
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Dann wird es festgezogen, bis die Blutung steht. Da sich hierbei ein starker Ischämieschmerz entwickelt, ist eine suffiziente Analgesie obligat.
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Ob die Maßnahme effektiv war, erkennen Sie primär am Sistieren der Blutung – nicht am distalen Puls [9].
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Achten Sie insb. darauf, dass der arterielle Blutfluss komplett unterbrochen wird: Ein fehlerhaft angelegtes bzw. zu locker angelegtes Tourniquet kann die Blutung verstärken, wenn nur das venöse System komprimiert wird! Eine regelmäßige Kontrolle ist obligat.
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Positionieren Sie den Knebel bzw. den Verschlussmechanismus des Tourniquets nach Möglichkeit gut sichtbar ventral oder lateral an der Extremität. Dies gewährleistet eine gute Zugänglichkeit, und man kann ein eventuelles unbeabsichtigtes Öffnen erkennen [14].
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Lässt sich die Blutung nicht stoppen, ist das Tourniquet nachzuziehen und ggf. ein zusätzliches proximal davon anzulegen [9].
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Dokumentation
In jedem Fall ist der Anlagezeitpunkt des Tourniquets nachvollziehbar zu dokumentieren und zu übergeben – im Rettungsdienst- / Notarztprotokoll, auf dem Tourniquet selbst, ggf. sogar sichtbar auf dem Patienten [15] [16] [17].
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Wie lange sollte man ein Tourniquet belassen?
Die Datenlage hierzu ist schwach und es ist unklar, wie lange ein Tourniquet sicher belassen werden kann. Die generelle Empfehlung liegt bei max. 2 h, abgeleitet aus einer Studie von Lee [16]. Ab 2 h beobachtete Kragh eine höhere Rate an Amputationen und Fasziotomien (s. unten) [18].
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Insgesamt kann man eine Dauer von 2 h als sicher ansehen [19].
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Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) schlägt vor, das Tourniquet zu belassen, sofern die Zeit bis zur operativen Versorgung < 1 h liegt.
Dies dürfte im zivilen Rettungsdienst i. d. R. zu realisieren sein.
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Bei Rettungszeiten > 1 h empfiehlt die Fachgesellschaft, das Tourniquet zu lösen und zu überprüfen, ob es zu einer erneuten Blutung kommt. Diese Empfehlung gilt jedoch nur für den stabilisierten Patienten [9]!
Präklinisch wird es normalerweise aber bei dem Vorgehen bleiben, ein einmal angelegtes Tourniquet nicht wieder zu lösen. Diesbezüglich sind sicherlich noch weitergehende Untersuchungen notwendig. Außerdem wird die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie in naher Zukunft eine Handlungsempfehlung herausgeben, die bei Transportzeiten < 30 min und anderen Möglichkeiten der effektiven Blutstillung eine kürzere Zeitspanne zur Konversion des Tourniquets angibt.
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Komplikationen durch das Tourniquet eher selten
Grundsätzlich ist die Anlage eines Tourniquets einfach und sicher zu realisieren und die Komplikationsrate gering.
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Insbesondere der vielfach gefürchtete Verlust einer Extremität durch den Einsatz eines Tourniquets scheint eher im Bereich der Anekdoten angesiedelt zu sein [20].
Durch die zirkuläre Kompression der Extremität und aller darunter liegender Strukturen sind sicherlich Verletzungen derer denkbar, sodass Haut-, Nerven-, Gefäß- und Muskelschädigungen bis hin zum Kompartmentsyndrom sowie Thromboembolien möglich sind [13]. Eine Analyse der Datenbank des britischen Militärs fand 3 Komplikationen bei 1375 Patienten: 2 Kompartmentsyndrome und 1 Nervenschädigung, die jedoch durch die fehlerhafte Anlage des Tourniquets bedingt waren [21].
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Im Gegensatz dazu steht der Nutzen der Maßnahme: die deutlich größere Überlebenswahrscheinlichkeit bei frühem Einsatz [22].
Die Hauptgefahr besteht darin, das Tourniquet ungenügend fest anzuziehen und so durch eine venöse Stauung die Blutung zu verstärken. Daher ist ein regelmäßiges Anwendungstraining wichtig und notwendig.
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Blutung gestillt – so geht es weiter
<C>ABCDE-Schema vervollständigen
Nach erfolgreicher Behandlung der kritischen Blutung (<C>) wendet sich das Team im Fallbeispiel der weiteren algorithmusbasierten Versorgung des Patienten zu:
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A – Airway und HWS: Der Patient kann genaue Angaben zu Unfallhergang und die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes machen. Eigen- und fremdanamnestisch lassen sich weitere Verletzungen, insb. eine Verletzung der HWS, ausschließen, sodass auf die Anlage einer HWS-Orthese verzichtet werden kann.
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B – Breathing: Der Thorax des Patienten hebt und senkt sich seitengleich, der Notarzt kann keine Instabilitäten oder Krepitationen tasten, kein Druckschmerz, Vesikuläratmen beidseits, die peripher gemessene Sauerstoffsättigung beträgt 98 % unter Raumluft.
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C – Circulation: Das Abdomen ist unauffällig, das Becken und beide Oberschenkel sind stabil, in der Untersuchung kann das Team keine weiteren relevanten Blutungen feststellen. Bei der Kontrolle der verletzten Extremität steht die Blutung weiterhin (Reevaluation!).
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D – Disability: Der Patient ist neurologisch völlig unauffällig, der Notarzt stellt keinerlei Hinweise auf ein Schädel-Hirn-Trauma oder Wirbelsäulenverletzungen fest.
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E – Exposure: Hier kommt dem Wärmeerhalt besondere Bedeutung zu, um die Gerinnungssituation nicht noch durch Wärmeverlust zu verschlechtern. Das Team nutzt dafür Silberfolie und heizt den RTW vor.
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Weitere Versorgung unter Narkose
Nach Stillen der Blutung und Ausschluss weiterer lebensbedrohlicher Verletzungen entscheidet sich der Notarzt zur präklinischen Narkose und Intubation aus folgenden Gründen:
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suffiziente Analgesie des über massive Schmerzen klagenden Patienten
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erforderliche Reposition der noch fehlgestellten Extremität
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vorhandener Volumenmangelschock
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ohnehin erforderliche operative Versorgung
Während der Vorbereitungen zur Narkoseeinleitung untersucht der Notarzt den Patienten nochmals gründlich auf weitere, bislang nicht entdeckte, nicht lebensbedrohliche Verletzungen. Die Narkoseinduktion gestaltet sich völlig problemlos ([Abb. 4]), die verletzte Extremität wird achsengerecht reponiert, geschient und die Effektivität des Tourniquets nochmals überprüft. Bei offener Fraktur appliziert das Team bereits präklinisch eine Antibiose. Für den Transport wird der Patient, nachdem die Blutung jetzt steht und nach Infusionstherapie normwertige Blutdruckwerte vorliegen, in flacher Rückenlage gelagert. Der Transport ins Traumazentrum und die Übergabe im Schockraum verlaufen komplikationslos.
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Outcome des Patienten
Der Patient wird nach sofortiger Schockraum-Versorgung direkt operiert. Wegen der komplexen Gefäßbeteiligung ziehen die Unfallchirurgen sofort einen Gefäßchirurgen hinzu. Das verletzte Bein stabilisieren sie zunächst wegen der offenen Fraktur und der schwierigen Weichteilverhältnisse mittels Fixateur interne. Es folgen noch mehrere operative Eingriffe. Letztlich gelingt es wegen der Verletzungsschwere aber nicht, das Sprunggelenk zu erhalten, sodass der Unterschenkel amputiert werden muss.
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Fazit
Kritische Blutungen aus Extremitätenverletzungen sind zwar selten – liegen diese jedoch vor, ist das Vorgehen nach dem bekannten ABCDE-Schema dahingehend abzuändern, dass vordringlich die lebensbedrohlichen Blutungen gemäß dem <C>ABCDE-Schema gestoppt werden sollten. Hierzu steht mit dem Tourniquet bei entsprechenden Indikationen eine wirkungsvolle Maßnahme zur Verfügung.
Kernaussagen
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Lebensbedrohliche Extremitätenblutungen sind selten, müssen jedoch schnell erkannt und aggressiv therapiert werden.
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In diesem Fall ist die Blutung vor der weiteren Versorgung lebensbedrohlicher Störungen zu stillen (<C>ABCDE).
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Neben dem manuellen Abdrücken und dem Druckverband steht mit dem Tourniquet eine effektive Maßnahme zur Blutstillung zur Verfügung.
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Üben Sie Handhabung und Anlage des Tourniquets regelmäßig.
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Das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Tourniquets ist sehr günstig, schwerwiegende Komplikationen sind selten. Die Hauptgefahr besteht in der venösen Stauung und damit der Akzentuierung der Blutung bei ungenügend festem Sitz.
Wodurch entsteht eine TIC?
Nach einem schweren Trauma kommt es schon innerhalb von Minuten zu Gerinnungsstörungen. Grund dafür sind der Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und die Hemmung verschiedener Schritte der Hämostase. Das schnelle Auftreten dieser traumainduzierten Koagulopathie geht dabei auf folgende Faktoren zurück:
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Gewebeverletzung
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Entzündung
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Minderperfusion / Schock
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Verdünnung / Verlust von Gerinnungsfaktoren und Erythrozyten (auch durch Infusionslösungen)
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Hypothermie
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Azidose
Was lässt sich präklinisch tun?
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1. Blutung stillen Stoppen Sie Blutverluste sofort und vordringlich, auch bei einem Massenanfall von Verletzten.
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2. angepasste Volumengabe Ziel ist es, die Gewebeperfusion aufrechtzuerhalten, ohne die Gerinnungsfaktoren unnötig zu verdünnen. Dabei muss man keine Blutdruck-Normwerte erzielen (sog. permissive Hypotension mit RRsyst ≈ 90 mmHg). Ausnahmen sind Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma, ggf. auch mit Wirbelsäulenverletzungen, und Schwangere (Zielwert hier: RRsyst = 110–120 mmHg).
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Achtung: Kolloidale Infusionslösungen bleiben länger im Intravasalraum und verdünnen die Gerinnungsfaktoren länger. Zudem setzen sie in großen Mengen die Thrombozytenfunktion und die Thrombusstabilität herab. Wenn Sie balancierte und gepufferte kolloidale und kristalloide Lösungen verwenden, sollte das Verhältnis Kolloid : Kristalloid < 1:2 sein.
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3. keine Hypothermie! Pro 1 °C Temperaturverlust vermindert sich die Funktion der Gerinnungsfaktoren um 10 %. Außerdem werden die Fibrinolyse gesteigert und die Thrombozytenaggregation beeinträchtigt. Temperaturen < 34 °C sind kritisch – hier ist die Aktivität der Gerinnungsfaktoren deutlich reduziert.
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Verwenden Sie daher am besten warme Infusionen,
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entfernen Sie nasse Kleidung,
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sorgen Sie für schnellen Wärmeerhalt und
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untersuchen Sie den entkleideten Patienten nach Möglichkeit im (vorgeheizten) RTW.
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4. Azidose vermeiden Die schockinduzierte Minderperfusion führt zu einer Azidose. Ein Blut-pH-Wert ≤ 7,2 schränkt die Thrombozytenfunktion und Aktivität von Gerinnungsfaktoren deutlich ein.
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Hier gilt: Vermeiden und behandeln Sie den Schock, statt blind auf pH-Werte im Normbereich zu puffern. Das wäre „Laborkosmetik“, würde aber Mikrozirkulation und Koagulopathie nicht bessern.
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Dr. Marc-Michael Ventzke arbeitet als Facharzt für Anästhesie an der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Sektion Notfallmedizin des Bundeswehrkrankenhauses Ulm. Er ist Leitender Notarzt und besitzt langjährige Erfahrung im Boden- und Luftrettungsdienst. Sein Schwerpunkt liegt in der Ausbildung junger Notärzte.
E-Mail: marcmichaelventzke@bundeswehr.org
Florent Josse ist Facharzt für Anästhesie und Mitglied der AG Taktische Medizin der DGAI. Er ist verantwortlich für die Ausbildung im Bereich taktische Verwundetenversorgung am Bundeswehrkrankenhaus Ulm, hat mehrfach an Auslandseinsätzen teilgenommen und besitzt langjährige Erfahrung im Boden- und Luftrettungsdienst.
E-Mail: florentjosse@bundeswehr.org
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Literaturverzeichnis
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Korrespondenz
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