Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76(02): 84
DOI: 10.1055/s-0041-110506
Aktuell referiert
Geburtshilfe
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Chronischer Stress begünstigt Frühgeburtlichkeit

Christiaens I et al.
Adverse childhood experiences are associated with spontaneous preterm birth: a case-control study.

BMC Medicine 2015;
13:
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Publication Date:
29 February 2016 (online)

 

    Hintergrund: Kinder von Müttern, die vor oder während einer Schwangerschaft traumatischen Ereignissen oder starkem psychosozialem Stress ausgesetzt waren, kommen nachgewiesenermaßen häufiger zu früh auf die Welt. Der Einfluss lebenslanger maternaler Stressbelastungen auf die Frühgeburtlichkeit ist jedoch wenig untersucht. Christiaens und Kollegen haben anhand einer Fall-Kontroll-Studie (622 Frauen) den Zusammenhang zwischen chronischen Stressoren in der Lebensgeschichte der Mutter und dem Risiko für eine spontane Frühgeburt analysiert.

    Christiaens I et al. Adverse childhood experiences are associated with spontaneous preterm birth: a case-control study. BMC Medicine 2015; 13: 124

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    Chronische Stressoren, belastende Ereignisse in der Kindheit sowie Missbrauchserfahrungen in der Lebensgeschichte von werdenden Müttern scheinen sich, laut Christiaens et al., ungünstig auf das Frühgeburtsrisiko auszuwirken (Symbolbild).
    © Fotolia, Galina Barskaya

    Methoden: An der Universität von Alberta in Edmonton wurden retrospektiv die Daten von 75 Schwangeren, die zwischen 2009 und 2010 aufgrund einer spontanen, idiopathischen vorzeitigen Wehentätigkeit vor Abschluss der 37. SSW entbunden worden waren, ausgewertet. Die Kontrollgruppe umfasste 148 Mütter mit einer unkomplizierten Entbindung zwischen 38 und 41 SSW. Mehrlingsschwangerschaften, Schwangere mit Blasensprung sowie Geburten zwischen 37 und 38 SSW wurden von der Analyse ausgeschlossen. Die individuelle Stressbelastung der Mütter während ihrer Kindheit sowie vor und während der Schwangerschaft (empfundenes Stresslevel, soziale Unterstützung, Lebensereignisse, Coping, negative Kindheitserfahrungen, Gewalterlebnisse, Depression) wurde mithilfe des hierfür entwickelten „Well-being and Pregnancy Questionnaire“ in einer telefonischen Befragung zwischen 3 und 12 Monaten nach der Geburt objektiviert.

    Ergebnisse: Im Rahmen der multivariaten Analyse zeigte sich, dass Mütter, die in ihrer Kindheit 2 oder mehr belastende Erlebnisse erfahren hatten, unabhängig vom Alter, dem Raucherstatus, dem Bildungsstand und der Anzahl vorangegangener Aborte ein 2-fach höheres Frühgeburtsrisiko aufwiesen (aOR 2,09; 95%-CI 1,10–3,98; p = 0,024). Für jedes erfahrene negative Kindheitserlebnis nahm das Frühgeburtsrisiko um 18% zu. Auch bei körperlichem bzw. emotionalem Missbrauch in der Kindheit und / oder im Erwachsenenalter stieg das Risiko für eine Frühgeburt (aOR 1,30; 95%-CI 1,02–1,65; p = 0,033).

    Folgerung: Eine gesunde Schwangerschaft, so das Fazit der Autoren, beginnt lange vor der Konzeption. Die Studienergebnisse unterstützen die Hypothese, dass chronische lebensgeschichtliche Stressoren den Verlauf einer Schwangerschaft signifikant beeinflussen können. Insbesondere belastende Ereignisse in der Kindheit sowie Missbrauchserfahrungen scheinen sich ungünstig auf das Frühgeburtsrisiko auszuwirken.

    Dr. Judith Lorenz, Künzell


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    Chronische Stressoren, belastende Ereignisse in der Kindheit sowie Missbrauchserfahrungen in der Lebensgeschichte von werdenden Müttern scheinen sich, laut Christiaens et al., ungünstig auf das Frühgeburtsrisiko auszuwirken (Symbolbild).
    © Fotolia, Galina Barskaya