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DOI: 10.1055/s-0037-1603079
Der interessante Fall – Gastrale und portalvenöse Pneumatosis bei gangränöser Gastritis bei chronischer intestinaler Pseudoobostruktion auf dem Boden einer viszeralen Myopathie
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
09. Mai 2017 (online)
Berichtet wird über eine 33-jährige Patientin, welche sich mit persistierender Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen zum wiederholten Male über unsere internistische Notaufnahme vorstellte. Klinisch waren zu keinem Zeitpunkt Abwehrspannung oder Peritonismus nachweisbar. Laborchemisch waren ein akutes Nierenversagen (AKIN II) mit Hypokaliämie, Hyponatriämie, ein erhöhtes CRP und ein diskret erhöhtes Serum-Lactat (2,6 mmol/l) nachzuweisen.
Sonografisch & CT-graphisch zeigte sich ein massiv distendierter Magen mit Pneumatosis der Magenwand und der Pfortaderäste bis in die Leberperipherie. Arterielle Gefäßverschlüsse waren nicht nachweisbar. Zudem war ein Kalibersprung im Bereich des proximalen Duodenums nachweisbar, so bereits vor 3,5 Jahren vordokumentiert. Endoskopisch zeigten sich ca. 1/3 der gastralen Schleimhaut gangränös verändert. Unter strikter peroraler Nulldiät, rein parenteraler Ernährung und Dekompression mittels nasogastraler Ablaufsonde zeigt sich endoskopisch nach 7 Tagen bereits eine deutliche Befundbesserung. Im Verlauf erfolgte der Wechsel auf eine zweilumige transnasale jejunale Ernährungssonde mit der Möglichkeit der Selbstabsaugung über den gastralen Ablaufschenkel. Circa 4,5 Wochen nach primärer Diagnose der gangränösen Gastritis zeigte sich eine gute Remission mit residuellem Ulcus präpylorisch. Die Anlage einer PEG-Sonde mit intestinaler Verlängerung war komplikationslos möglich.
Bei der Patientin waren seit der frühen Kindheit Funktionsstörungen des Verdauungstraktes und der ableitenden Harnwege aufgetreten, welche bereits multiple bauchchirurgische Eingriffe (Bauchdeckenrekonstruktion als Neugeborenes; Hemicolectomie bei Coecumvolvulus; Explorativlaparotomie mit Adhäsiolyse), Selbstkatheterisierung und eine ausgeprägte Anorexie mit Notwendigkeit einer phasenweise Ernnährung mittels PEG/PEJ und parenteraler Zusatzernährung erfordert hatten. Histopathologisch war eine hochgradige Atrophie der äußeren viszeralen Längsmuskulatur nachgewiesen und somit der hochgradige Verdacht auf eine viszerale Myopathie gestellt worden, da ihr Bruder an einer kongenitalen Megacystis litt. Beide Eltern sowie die erweiterte Verwandtschaft hatten keine vergleichbaren Symptome. Zum Zeitpunkt der humangenetischen Beratung waren noch keine molekulargenetischen Marker identifiziert gewesen, im Verlauf waren molekulargenetische Untersuchungen von der Familie nicht erwünscht. Mittels propulsiver Therapie (Prucaloprid und Erythromycin-Saft) und Anpassung der Ernährungsgewohnheiten war die Patientin jüngst zufriedenstellend therapiert worden.
Unserem Wissen nach beschreiben wir hier den ersten Fall einer erwachsenen Patientin mit gangränöser Gastritis bedingt durch massive Dilatation bei chronischer intestinaler Pseudoobstruktion, welche wiederum auf eine bioptisch gesicherte viszerale Myopathie zurückzuführen ist. Das Vorliegen einer familiären viszeralen Myopathie kann aufgrund der typischen Symptome der Patientin, des von Megacystosis betroffenen Bruders und der charakteristischen Histologie mit ausgeprägter Atrophie der äußeren intestinalen Längsmuskulatur vermutet werden. Aufgrund der fehlenden molekulargenetischen Untersuchungen und eines inkompletten Screenings weiterer Verwandter auf Mikrosymptome kann eine erbliche Erkrankung jedoch nicht endgültig diagnostiziert werden.
Der Nachweis von portalvenöser Luft wurde lange als Ausdruck obligat fatal verlaufender Krankheitsbilder gesehen, sodass die Indikation zur chirurgischen Exploration als unumgänglich gegolten hat. Mit der flächendeckenden Ausbreitung moderner Schnittbildverfahren wird das Phänomen jedoch zunehmend häufiger auch bei konservativ erfolgreich behandelbaren Patienten gesehen. Emphysematöse Gastritis in Zusammenhang mit akuter Dilatation des Magens wird in der Literatur mehrfach beschrieben. Oft ist eine chirurgische Intervention mit partieller oder totaler Gastrektomie notwendig. Der hier vorgestellte Fall zeigt, dass bei stabilen Patienten ohne Hinweis auf Perforation, Sepsis oder unkontrollierbare Blutung unter konsequenter Dekompression und engmaschiger klinischer Überwachung ein konservatives Management möglich ist. Der langfristige Profit der Patientin von der nun einliegenden PEG mit intestinaler Verlängerung ist abzuwarten.
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Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.