Klinik Einkauf 2019; 01(01): 45-47
DOI: 10.1055/s-0036-1595718
Logistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Digitalisierung und Automatisierung: Robotik im Krankenhaus

Johannes Kriegel
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Publication Date:
05 March 2019 (online)

 

Der Fachkräftemangel entpuppt sich zunehmend als treibende Kraft einer zunehmenden Digitalisierung im Krankenhauswesen. Gleichzeitig wird Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) branchenübergreifend als zukunftsträchtiger Lösungsansatz gesehen. Die Krankenhauslogistik bietet sich dabei als ideales Anwendungsfeld an.


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Das Krankenhauswesen wird aktuell mit zwei wesentlichen Herausforderungen konfrontiert. Dies ist zum einen der grassierende Fachkräftemangel, der schon längst nicht mehr nur den ärztlichen Bereich betrifft. Vielmehr sind mittlerweile alle wesentlichen Berufsgruppen und Qualifikationsgrade vom Spezialisten bis zum Lehrling betroffen. Gängige Strategien, wie mehr Geld oder internationales Recruiting, entpuppen sich als limitierte Lösungsansätze. Zum anderen gewinnen die gesellschaftlichen Erwartungen und individuellen Anforderungen sowie die damit verbundene Service- und Patientenorientierung zunehmend an Gewicht und Bedeutung. Dadurch finden sich die Management- und Entscheidungsverantwortlichen im Krankenhauswesen in unterschiedlichen Wettbewerbssituationen wieder, die neue und innovative Lösungsansätzen erfordern.

Branchenübergreifend lassen sich in vergleichbaren Situationen Ansätze der zunehmenden Automation und des verstärkten Technologieeinsatzes beobachten. Es stellt sich somit die Frage, inwieweit bieten Robotik und Künstliche Intelligenz die Möglichkeit, die Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität im Krankenhaus zu optimieren.

Automation und Technologieeinsatz

Die Steuerung von Objekten und Arbeitsabläufen erfolgt nicht nur in der industriellen Produktion, sondern zunehmend auch im Dienstleistungsbereich, die durch den Menschen ggf. überwacht bzw. ergänzt werden. Derartige Automatisierungssysteme sind verstärkt in der Lage sowohl gleichbleibende als auch wechselnde Prozesse und Aufgaben zu bewältigen.

In diesem Zusammenhang werden verstärkt Apparaturen eingesetzt, die mechanische, elektrische, hydraulische sowie pneumatische Funktionen erbringen und landläufig als Roboter bezeichnet werden. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf der Hardware, sondern zu einem erheblichen Teil auf der Programmierung sowie den Fähigkeiten der implementierten Software. Zum Einsatz kommen verstärkt Systeme, die es ermöglichen, derartige Tätigkeiten und Aufgaben zu erfüllen, die, wenn sie vom Menschen erbracht werden, eine gewissen Qualifikation bzw. Intelligenz erfordern. Zunehmend ergeben sich durch die Kombination aus Hard- und Software sowie ergänzenden Serviceleistungen lösungsorientierten hybride Dienstleistungen, die teilweise bereits im Gesundheitswesen ausgeprägte Anwendung finden (z. B. Prostataentfernungen mittels daVinci-Roboter).

Die Qualität der Patientenversorgung im Krankenhaus wird maßgeblich durch die primären medizinischen und pflegerischen Leistungen bestimmt. Jedoch nicht nur hinsichtlich der Servicequalität der Essensversorgung wird deutlich, dass die Sicherstellung der Ressourcenbereitstellung am Point of Service (POS) bzw. Point of Care (POC) und die Ausgestaltung der Unterstützungsprozesse erfolgskritisch sind. Diese Anwendungsbereiche der Krankenhauslogistik gilt es übergreifend zu betrachten und ggf. zu optimieren.

Krankenhauslogistik umfasst dabei jene ausführenden, steuernden und regelnden Maßnahmen und Instrumente, die einen zieloptimalen raum- und zeitüberbrückenden Material-, Wert- und Informationsfluss im Rahmen der betrieblichen Leistungserstellung im Krankenhaus ermöglichen. Gegenstand der Krankenhauslogistik sind sowohl Personen (Patienten, Besucher, Mitarbeiter, Lieferanten etc.) als auch Objekte (Ge- und Verbrauchsgüter, Speisen, Wäsche, Medikamente, Sterilgüter etc.) sowie Daten (elektronische Informationen, Akten, Dokumente etc.). Als Möglichkeiten der Prozessoptimierung bieten sich neben der Beschleunigung, der Standardisierung oder auch der Arbeitsteilung insbesondere die Automation an.

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Hybride Dienstleistungen wie z.B. Operationen mittels daVinci-Roboter werden zunehmend eingesetzt.(Symbolfoto: AdobeStock / Master Video)

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Robot Use Cases im Krankenhaus

Anwendungsbereiche sind neben der Erweiterung der primären Patientenversorgung (z. B. OP-Unterstützung, mobile Trainingsgeräte) und der Qualifizierung der Managementprozesse (z. B. Big Data- und Szenario-Analyse) insbesondere die Stärkung der Unterstützungsprozesse (z. B. Transport, Ausgabe, Verteilung von Objekten). Übergreifend liegen die Schwerpunkte der Robotiktechnologien in der automatisierten und digitalisierten Kommunikation, Information und Absicherung von bisher bestehenden Barrieren, Lücken und Ressourcendefiziten (z. B. Suchen, Warten, Ausgleich von Ressourcenengpässen) entlang der Leistungsprozesse. Auch wenn es bisher in diesen Bereichen schon teilweise hochspezialisierte Technologien und Systeme gibt (z. B. Rohrpostanlage, Fahrerlose Transportsysteme), so sind diese meist an starre und isolierte Infrastrukturen gebunden.

Die zukünftigen Robotiktechnologien bieten die Möglichkeit, diese unflexiblen Infrastrukturen zu verlassen, und anpassungsfähige sowie bedarfsorientierte Aktivitäten und Prozesse zu erbringen. Hierdurch können nicht nur variablere und vielfältigere Aufgaben (z. B. Entzerrung von Patienten- und Güterversorgung) erfüllt werden, sondern es ergeben sich mannigfaltige Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Kollaboration (MRK). Im Rahmen der MRK arbeiten Mensch (z. B. Health Professional, Patient) und Maschine Hand in Hand zusammen und ergänzen sich. Als mögliche Anwendungsfelder (Use Case) bieten sich hier sowohl klassische logistische Tätigkeiten (z. B. Transport von Medikalprodukten) sowie neue Möglichkeiten (z. B. Unterstützung in der Pflege) zur Sicherstellung und Optimierung der Leistungserbringung im Krankenhaus an.


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Kollege Cobot

Kollaborativer Roboter (Cobot) ermöglichen es, gemeinsam mit den unterschiedlichen Professionals im Krankenhaus zu arbeiten (z. B. heben mittels Exoskelett), ohne von diesen durch behindernde Schutzeinrichtungen getrennt zu sein.

Ein Schwerpunkt dieser „befreiten Roboter“ liegt dabei auf der sozial assistive Robotik (SAR). Diese verfolgt das Ziel, durch soziale Interaktion die menschlichen Benutzer zu unterstützen. Aufgrund der Betonung der sozialen Interaktion ist das Ziel der Robotik bei SAR, eine enge und effektive Interaktion mit einem menschlichen Benutzer (z. B. Health Professional, Dienstleister, Patienten) zu schaffen, um mit deren Hilfe einen Mehrwert bzgl. der primären bzw. sekundären Gesundheitsdienstleistungen sowie der damit verbundenen unterstützenden Prozesse zu schaffen. So können sich die involvierten Professionals auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren bzw. diese qualitativ erfüllen (z. B. Pflegeroboter, der bettlägerige Patienten wäscht).

Neben der Entwicklung ausgereifter und verlässlicher Robotiktechnologien ist es erforderlich geeignete Anwendungsszenarien (z. B. Materialverbringung im Schrankversorgungsystem) zu identifizieren, deren Integration in bestehende bzw. weiterentwickelte Prozesse (z. B. Reinigung nach Hygienestandards) sicherzustellen sowie mögliche qualitative, ökonomische und ethische Auswirkungen (z. B. Patientenidentifikation, Entlastung von professionsfremden Tätigkeiten, Handlungsverantwortung) zu evaluieren. Ferner gilt es, marktfähige Geschäftsmodelle und Dienstleistungsstrukturen (z. B. Systemdienstleister Krankenhausrobotik) zu entwickeln, die eine reibungslose und integrierte Anwendung und Akzeptanz der Cobots im Krankenhaus ermöglichen.


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Zukunft Krankenhaus 4.0

Die Entwicklung und Etablierung der Robotik und KI im Krankenhaus steht noch in den Kinderschuhen, jedoch deuten die Entwicklungen in anderen Branchen darauf hin, dass der Einsatz von Robotiktechnologien nicht mehr eine Frage des ob und wann, sondern vielmehr eine Frage des wo und wie ist. Die wachsenden Ressourcenengpässe und Qualitätsanforderungen erfordern den Einsatz digitaler Arbeitskräfte im Sektor der Krankenhausdienstleistungen. Ob als eHospital oder Krankenhaus 4.0, die Möglichkeiten der Robotiktechnologien und der Künstlichen Intelligenz hinsichtlich Qualität, Service, Ausgestaltung und Individualisierung von Dienstleistungen werden die Leistungserbringung im Krankenhaus zunehmend revolutionieren.

Neben der Patienten- und Mitarbeiterakzeptanz wird dabei die Integration der neuen Technologien in die zukünftigen Prozesse und technologischen Strukturen im Krankenhaus sowie die Koordination der damit verbundenen externen Dienstleistungen erfolgskritisch sein. Dadurch wird sich die Komplexität zukünftiger Arbeitswelten sowie das Ausmaß technologischer Infrastrukturen erhöhen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit gleichermaßen für Entscheidungs- und Logistikverantwortliche im Krankenhaus entsprechende Strategien zu entwickeln und Konzepte zu etablieren, die die Robotik-Revolution im Krankenhaus initiieren, steuern und begleiten.


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Hybride Dienstleistungen wie z.B. Operationen mittels daVinci-Roboter werden zunehmend eingesetzt.(Symbolfoto: AdobeStock / Master Video)