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DOI: 10.1055/s-0035-1566177
Interview – Candida-Infektionen auf der Intensivstation – Herausforderungen und Lösungswege
Publication History
Publication Date:
04 November 2015 (online)
Innerhalb des meist multimorbiden Patientenkollektivs auf der Intensivstation stellt eine invasive Candida-Infektion ein zusätzliches Morbiditäts- und Letaliätsrisiko dar. Deshalb kommt es darauf an, die Infektion schnell und effektiv zu bekämpfen. Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Björn Ellger, Facharzt für Anästhesiologie und Leiter der operativen Intensivtherapie am Universitätsklinikum Münster, über Therapie-Strategien im Umgang mit Candida-Infektionen auf den operativen Intensivstationen am Universitätsklinikum Münster.
? Welche besondere Herausforderung stellt eine Candida-Infektion auf der Intensivstation dar?
Prof. Ellger: Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und aufgrund des medizinischen Fortschritts nehmen sowohl die Anzahl multimorbider Patienten als auch die Anzahl opportunistischer Infektionen zu. Wir müssen also vermehrt mit Candida-Infektionen rechnen. Das ist die eine Herausforderung.
Die andere ist die Diagnostik. Auch gesunde Menschen sind von Pilzen besiedelt, das stellt normalerweise kein Problem dar. Wir müssen aber unterscheiden, ob es sich nur um eine Kolonisation oder um eine Infektion handelt.
Auf der Intensivstation haben wir es mit schwerstkranken Patienten zu tun, bei denen häufig eine Reihe von Organunterstützungsverfahren zum Einsatz kommt. Dann wissen wir häufig auch nicht so genau, wie wir entsprechende Medikamente individuell dosieren müssen. Einige Patienten auf der Intensivstation bekommen bis zu 20 oder 30 Medikamente. Daraus ergeben sich zahlreiche Interaktionspotenziale.
? Unter welchen Grunderkrankungen leiden die Patienten?
Prof. Ellger: Am häufigsten kommen Candida-Infektionen bei hämato-onkologischen Patienten vor. In unserer Abteilung für operative Intensivmedizin behandeln wir viele Patienten nach Metastasen- oder Tumorchirurgie oder Patienten mit Organversagen nach komplexer Herzchirurgie. Diese haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine Candida-Infektion.
Besonders gefährdet sind darüber hinaus Patienten mit medizinischen Devices, über die eine Infektion erfolgen kann.
? Welche Anforderungen muss ein Antimykotikum auf der Intensivstation erfüllen?
Prof. Ellger: Es muss zunächst einmal jederzeit verfügbar und außerdem möglichst problemlos lagerfähig sein. Wenn wir z. B. eine positive Blutkultur mit Candidanachweis sehen, müssen wir unmittelbar therapieren. Wichtig ist darüber hinaus ein geringes Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten. Bei Patienten mit Organinsuffizienzen sollte es zudem möglichst nicht kumulieren oder durch Nierenersatzverfahren beeinflusst werden. Die Substanz sollte möglichst wenig toxisch sein und ein vernünftiges Resistenzprofil haben. Ein Medikament, das eine Resistenzrate von 30 % gegenüber den Primärkeimen aufweist, ist in unserem Setting nicht anwendbar, zumindest nicht als First-Line-Therapie, wenn kein Resistenzprofil vorliegt.
? Welchen Stellenwert hat die Verträglichkeit eines Antimykotikums in dieser Situation?
Prof. Ellger: Verträglichkeit heißt, dass es keine toxischen Nebenwirkungen geben darf, es darf also nicht zu einer sekundären Organschädigung kommen, wenn man das Medikament einsetzt. Es darf keine Knochenmarksdepression und keine Thrombozytopenien geben. Es darf nicht kardiodepressiv sein, gerade weil unsere Patienten häufig kardial erkrankt sind. Und es darf nicht mit den anderen lebenswichtigen Medikamenten interagieren. Das ist sehr wichtig. Unsere Patienten erhalten zahlreiche toxische Substanzen. Daher ist jede toxische Substanz, die man sparen kann, überaus sinnvoll. Unverträglichkeiten, die bei ambulanten Patienten eine Rolle spielen, sind bei uns nicht so relevant. Es geht vielmehr um handfeste, lebensbedrohliche Nebenwirkungen.
? Was ist bezüglich möglicher Arzneimittelinteraktionen zu beachten?
Prof. Ellger: Um Interaktionen zu vermeiden, erstellen wir Positivlisten. Für den First-Line-Einsatz wählen wir ein Medikament aus, das so wenig Interaktionen wie möglich und ein gutes Resistenzprofil hat. Etwa 30 % der Candida-Stämme in unserem Patientenkollektiv sind gegen Fluconazol resistent. Außerdem hat Fluconazol ein hohes Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten. Daher würden wir Fluconazol zurzeit nicht als First-line-Medikament einsetzen, sondern erst wenn uns eine Differenzierung der nachgewiesenen Pilze vorliegt und wir die Medikamentenliste auf mögliche Interaktionen geprüft haben.
? Welchen Therapiealgorithmus wenden Sie an, wann kommen welche Medikamente zum Einsatz?
Prof. Ellger: Wir setzen zurzeit Micafungin (Mycamine®) als First-line-Medikament bei erwachsenen Patienten mit invasiven Candidosen ein, sowohl beim Nachweis einer Candida-Infektion als auch bei hochgradigem Verdacht auf eine Candida-Infektion. Wir haben das Glück, dass unsere Abteilung für Mikrobiologie Resistenzprofile auch bei Pilznachweis erstellt. Wenn uns also ein Resistogramm vorliegt und der jeweilige Candida-Stamm nicht gegen Fluconazol resistent ist, ziehen wir aus Kostengründen ein Down-Sizing auf Fluconazol in Erwägung, vorausgesetzt es liegt kein Interaktionspotenzial mit der Ko-Medikation vor.
? Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit dem Einsatz von Micafungin auf der Intensivstation gemacht?
Prof. Ellger: Micafungin erfüllt alle genannten Anforderungen an ein Antimykotikum auf der Intensivstation. Das erleichtert uns die Therapie.
! Herr Professor Ellger, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Monika Funck, Selinka/Schmitz Public Relations GmbH
Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Astellas Pharma GmbH.
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