Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2015; 22(05): 242
DOI: 10.1055/s-0035-1564979
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Publication Date:
22 October 2015 (online)

 

    meine Generation wurde hineingeboren in ein ethisches Vakuum, das Nationalsozialismus und 2 Weltkriege in Deutschland und in Europa hinterlassen hatten. Es war zunächst – zumindest in Deutschland – eine Zeit von Verzweiflung und Ratlosigkeit. Den eigenen Zivilisations- und Kulturraum neu zu gestalten war eine ungeheure Herausforderung, aber auch einzigartige Chance zugleich, für die wir uns im Spannungsfeld zwischen Kommunismus und Demokratie westlicher Prägung begeistern durften.

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    Eine Aufbruchstimmung war überall, der man sich kaum entziehen konnte; selbst Anhänger des Existenzialismus suchten die Auseinandersetzung mit diesem Prozess gesellschaftlichen Wandels.

    Als ich in Hamburg 1967 zu studieren begann, kursierte in all den oft stundenlangen Diskussionen abseits der Vorlesungen das Wort von der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung der Medizin und der Mediziner. Welch eine Zeit und welch ein Geschenk an uns alle!

    Dann durften wir Ähnliches noch einmal erleben, als sich Ost- und Westdeutsche wieder zusammenschließen konnten und die Erstarrung der Blöcke sich zu lösen begann. Wieder war eine neue Welt zu gestalten. Auch hier galt es, füreinander Verantwortung zu übernehmen. Gleiches gilt für die gegenwärtigen Migrationsbewegungen. Eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung und welche Chance für ein friedliches Miteinander!

    Das maritime Umfeld ist ein prägendes Element für diese neue Entwicklung, ebenso wie für die impliziten medizinischen Aufgabenstellungen. Wir haben uns daher entschlossen, im Rahmen unserer Jahrestagung im Oktober diesem Themenfeld Platz zu geben. Als medizinische Fachgesellschaft möchten wir so bescheidenen Beitrag leisten, Probleme zu identifizieren und nach deren Lösung zu suchen. Wir betrachten dies als selbstverständliche Pflicht, die sich aus unserer Gemeinnützigkeit ergibt, die eben nicht nur ein Steuerbegriff ist.

    Das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin hat dazu bereits einen Workshop veranstaltet und wird die Situation forschend begleiten. Unsere internationale Schwestergesellschaft (IMHA) hat sich entschlossen, den seelischen Belastungen für Seeleute nachzugehen, die der Piraterie aber auch dem Elend der Flüchtlinge auf See als Helfer der ersten Stunde exponiert waren. Es gibt ja auch diese Seite und es ist einfach unsere Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass Strukturen und Verfahren etabliert werden, um diese Menschen aufzufangen.

    Auch wenn Ausflaggung und zunehmende Internationalisierung der Besatzung verhindern, dass deren Probleme ähnlich drängend in die Mitte unserer Gesellschaft geraten, wie die Flüchtlinge, so sind wir mit unseren guten Kenntnissen und Fertigkeiten doch gefordert, schwächeren Nationen und vor allem ihren seefahrenden Einwohnern unsere Hilfe zu bieten.

    Nicht ganz so dramatisch aber doch ähnlich verhält es sich, wenn es darum geht, dort, wo sich die Grenzen in noch unstrukturierte Umgebung verschieben, mit einer stürmischen Entwicklung medizinisch Schritt zu halten. Ich empfehle die nachfolgenden Ausführungen der Autorengruppe um Markus Stuhr zum Forschungsprojekt Rettungskonzept Offshore Wind (ROW) Ihrer Aufmerksamkeit. Gern dürfen Sie dabei auch Parallelen ziehen zur Rettungssituation im Mittelmeer. Der Artikel ist zugleich ein interessanter Einblick in angewandte maritimmedizinische Forschung. Diesen Einblick werden wir im nächsten Heft mit der Vorstellung des Forschungsprojekts ‚Konzept für den Massenanfall von Patienten auf Seeschiffen (KOMPASS)‘ fortsetzen.

    Bis dahin verbleibe ich mit herzlichen Grüßen

    Ihr

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    Klaus Seidenstücker, Tarp

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    Klaus Seidenstücker, Tarp